S 31 KN 250/16 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 KN 250/16 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Der Kläger begehrt auf dem Klageweg die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Der am 24.07.1944 geborene Kläger forderte bereits im gerichtlichen Verfahren mit dem Aktenzeichen S 7 KN 954/13 KR von der Beklagten die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. In dem damaligen klageabweisenden Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12.03.2015 wurde die Ablehnung der stationären Rehabilitationsmaßnahme maßgeblich auf das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. W. vom 23.09.2014 gestützt. Dr. W. hatte in seinem Gutachten diagnostiziert phobische Störung mit hypochondrischen Störungen, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Hypertonie, Reizdarm-Syndrom, unklare chronische Diarrhoe, leichtgradiges Asthma bronchiale, HWS- und LWS-Schmerz-Syndrom sowie Stammvaricosis der Vena saphena magna beidseits, links führend. Zu Behandlungsmaßnahmen für die Erkrankungen auf orthopädischen Fachgebiet hatte Dr. W. ausgeführt: "Bei akuten Schmerzen Gabe von Medikamenten, welche schmerz- und entzündungshemmend wirken, gegebenenfalls auch Injektionen an Schmerzpunkten. Bei chronischem Beschwerdebild, wie im vorliegenden Fall, Wärmeanwendungen, krankengymnastische Beübungen, physikalische Therapien, nämlich Elektrotherapien, gegebenenfalls auch Extensionen, Manualtherapien, das heißt Behandlungen mit Dehnungen von Muskelansätzen, regelmäßiger Sport, z.B. im Rahmen einer Funktionstrainings-Rehabilitationsmaßnahme, wo einmal pro Woche regelmäßig die betroffenen Muskelareale trainiert werden. Durchführbar sind auch Wasserbehandlungen, das heißt Balneotherapien, z.B. Bewegungsbäder im Wasser oder Druckmassagen unter Benutzung von Wasserstrahlkraft. Die oben genannten Behandlungsmaßnahmen sind auch hilfreich für die Veränderungen der unteren Extremitäten. Hier könnten zusätzlich Chondroprotektiva, das heißt Knorpelunterstützungsmaßnahmen durchgeführt werden im Hinblick auf die beginnenden degenerativen Veränderungen der Kniegelenke. Die Füße könnten durch Einlagen gebettet werden." Dr. W. hatte die ambulanten Maßnahmen als sicherlich nicht ausgeschöpft angesehen und ergänzend auf Möglichkeiten ambulanter Rehabilitation verwiesen. Das Behandlungsziel, Erhaltung der Funktionsparameter der betroffenen Wirbelsäule und der Kniegelenke, ferner eine Reduktion der körperlichen, am Bewegungsapparat empfundenen Schmerzen, sei seiner Auffassung nach durch die Fortführung von Funktionstherapien am Wohnort zu erreichen. Hinzu kommen sollten Behandlungsmaßnahmen, welche auf die psychosomatische Komponente des bestehenden Beschwerdebildes gerichtet sind (Psychotherapie, Erlernen von Schmerzbewältigungs- und Entspannungstechniken).

Das Landessozialgericht Nordrhein – Westfalen hat mit Beschluss vom 28.09.2015 die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Duisburg vom 12.03.2015 bestätigt. Ergänzend hatte das Landessozialgericht auch das Berufungsverfahren des Klägers betreffend seiner Schwerbehindertenangelegenheit (L 10 SB 152/15) beigezogen.

Am 07.01.2016 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Der den Antrag unterstützende Orthopäde Dr. D. gab unter dem Datum 06.01.2016 an, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort ausgeschöpft seien. In einem dem Antrag beigefügten Ambulanzbrief des Helios Klinikum Duisburg vom 16.11.2015 wurde ausgeführt, dass bei derzeit sehr geringem Leidensdruck und klinischer Symptomatik einerseits und bei Diskrepanz zwischen Morphologie und Klinik andererseits, keine dringende OP-Indikation bestehe. Eine stationäre Schmerztherapie würde von dem Patienten ebenfalls nicht gewünscht, sodass die Fortführung der ambulanten konservativen Therapie einschließlich der Krankengymnastik, analgetischer Einstellung sowie intermittierender wirbelsäulennaher Infiltrationen empfohlen werde. Die ebenfalls übersandten Arztbriefe des Radiologen Dr. L. vom 22.09.2015 und der Radiologin Dr. D. vom 13.07.2012 enthalten keinerlei Therapiehinweise.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 26.01.2016 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.02.2016 die stationäre Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung ab. Begründend führte sie aus, dass das angestrebte Behandlungsziel auch durch eine ambulante Behandlungsmaßnahme am Wohnort erreicht werden könne.

Der Kläger legte am 11.02.2016 Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten ein. Unter Verweis auf seinen Orthopäden Dr. D. führte der Kläger aus, dass alle Maßnahmen am Wohnort erschöpft seien.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2016 zurück. Sie hielt weiterhin ambulante Behandlungen am Wohnort für vorrangig.

Der Kläger hat am 30.05.2016 Klage erhoben. Er weist darauf hin, dass seit 8 Jahren für ihn Anträge auf stationäre Rehabilitationsmaßnahmen gestellt und abgelehnt werden. Nach Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts Duisburg vom 12.03.2015 und des Landessozialgerichts Nordrhein Westfalen vom 28.09.2015 hat der Kläger angegeben, an beiden Knien einen Meniskusschaden und im Bereich der Lendenwirbelsäule einen Bandscheibenvorfall zu haben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 zu verurteilen, dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die Behandlungsmöglichkeiten durch Rehabilitationssport und/oder Funktionstraining durch den Kläger bisher nicht in Anspruch genommen wurden. Nach Auffassung des von der Beklagten hinzugezogenen SMD hat sich der medizinische Sachverhalt gegenüber dem bereits durchgeführten gerichtlichen Verfahren nicht verändert.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, dem Orthopäden Dr. D. und der Fachärztin für Internistische Medizin, Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. B.-D.eingeholt.

Dr. D. hat in seinem Befundbericht vom 10.03.2017 mitgeteilt, dass der Kläger in den letzten 12 Monaten mit dem Medikament Ibu 600 und mit Hilfsmitteln (LWS-Bandage, Schuhzurichtung) versorgt worden sei. Als ambulante Behandlung käme für den Kläger – so Dr. D. - zum Beispiel Reha-Sport oder Funktionstraining in Frage. Wörtlich hat Dr. D. mitgeteilt, dass "auch eine amb. Reha genügen" würde.

Dr. B.-D. teilte in ihrem Befundbericht vom 24.03.2017 mit, dass bei dem Kläger eine Koronare Herzerkrankung mit Belastungsdyspnoe und nachgewiesener Belastungsischämie, ein Alterstremor und Cholethiasis zu den bereits länger bekannten Erkrankungen hinzugekommen sei. Als ambulante Maßnahmen würden bei dem Kläger kontinuierliche physikalische Therapie und medikamentöse Therapie durchgeführt. Aktuell - so Dr. B.-B. – seien als ambulante Krankenbehandlungsmaßnahmen eine kardiologische Diagnostik angeraten, außerdem eine Cholestektomie sowie Reha-Sportmaßnahmen. Zur Erforderlichkeit einer stationären Reha-Maßnahme hat Dr. B.-D. ausgeführt, dass erst nach erfolgter Diagnostik und eventuell therapeutischer Intervention ggf. eine kardiologische Reha-Maßnahme erfolgversprechend sei, die gleichzeitig dem degenerativen HWS- und LWS-Syndrom therapeutisch Rechnung tragen könnte. Die bei dem Kläger bekannte Persönlichkeitsstörung sei in ihrem Verlauf fluktuierend, zeige aber immer wieder Phasen der Unruhe und Ungeduld, Unzufriedenheit mit sich und der Welt, Getrieben-Sein. Der Kläger sei diesbezüglich keiner therapeutischen Maßnahme zugänglich gewesen. Es sei ihrerseits nicht abzuschätzen, ob dies der Therapiefähigkeit in einer Rehabilitationsmaßnahme im Wege stehen könnte. Anzustreben wäre im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme eine Verbesserung der psycho-physischen Belastbarkeit. Die Maßnahme selbst könne erst in Abhängigkeit des Diagnoseergebnisses beurteilt werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakten der gerichtlichen Verfahren mit den Aktenzeichen S 7 KR 954/13 (L 16 KR 269/5) und S 24 SB 1980/13 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Alle Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Durchführen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme gemäß §§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 1, 2 SGB V sind nicht gegeben, denn bisher hat der Kläger nicht alle ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern. Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs. 1 SGB V aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsmaßnahmen. Reicht die Leistung nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a des Neunten Buches zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Vorliegend ist die Kammer zwar davon überzeugt, dass bei dem Kläger auf orthopädischen, auf internistischem und auf psychiatrischem Gebiet behandlungsbedürftige Krankheiten gegeben sind. Die Kammer ist allerdings auch davon überzeugt, dass keine der Krankheiten des Klägers aktuell einer stationären Rehabilitationsmaßnahme bedarf, da die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ersichtlich nicht ausgeschöpft sind.

Der Antrag auf Durchführung der stationären Rehabilitation wurde Anfang 2016 mit den orthopädischen Leiden des Klägers begründet. Bezüglich seiner orthopädischen Einschränkungen wurde der Kläger bereits deutlich im Rahmen des vorlaufenden gerichtlichen Verfahrens (Az.: S 7 KN 954/13 KR), insbesondere durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Winter vom 23.09.2014 auf ambulante Behandlungsmaßnahmen aufmerksam gemacht, welche mit Blick auf die festgestellten degenerativen Veränderung medizinisch sinnvoll wären. Trotz der deutlichen Empfehlung hat der Kläger bisher insbesondere auf die Durchführung von Reha-Sport und Funktionstraining verzichtet. Der den Rehabilitationsantrag des Klägers unterstützende Orthopäde Dr. D. hat in seinem Befundbericht vom 10.03.2017 ebenfalls ausdrücklich als ambulante Behandlungsmöglichkeiten Reha-Sport und Funktionstraining benannt und eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme für ausreichend erachtet. Angesichts der übereinstimmenden Aussagen des gerichtlichen Gutachters Dr. W. vom 23.09.2014 und des behandelnden Orthopäden Dr. D. hat die Kammer wenig Verständnis dafür, dass der Kläger die ärztliche Empfehlungen ignoriert und weiterhin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme fordert, die nicht einmal sein behandelnder Orthopäde für erforderlich hält.

Die den Kläger behandelnde Fachärztin für Innere Medizin, Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. B.-D. hat neben orthopädischen Leiden auch internistische und psychiatrische Erkrankungen benannt, welche grundsätzlich die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme hätten begründen können. Dr. B.-D. hat allerdings in ihrem Befundbericht vom 24.03.2017 deutlich und nachvollziehbar auf die Vorrangigkeit einer internistische Diagnostik und ggf. erforderlichen therapeutischen Intervention hingewiesen und zudem mitgeteilt, dass der Kläger hinsichtlich seines psychiatrischen Krankheitsbildes therapeutischer Maßnahmen bislang nicht zugänglich gewesen sei. Somit bieten auch die Gesundheitsstörungen des Klägers auf internistischem und psychiatrischem Gebiet keinen Ansatz, von der Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation auszugehen.

Zusammenfassend hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitation, da er auf vorrangige ambulante Behandlungsmaßnahmen zu verweisen ist. Dies wurde bereits durch den gerichtlichen Sachverständigen im vorlaufenden gerichtlichen Verfahren zum Az. S 7 KN 954/3 KR festgestellt und durch die behandelnden Ärzte im vorliegenden Verfahren erneut bestätigt. Angesichts der Übereinstimmung und Nachvollziehbarkeit der medizinischen Aussagen ist das Beharren des Klägers auf eine ihm nicht zustehende Leistung bei gleichzeitigem Ignorieren ambulanter Behandlungsmöglichkeiten nicht nachzuvollziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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