Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 2496/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3007/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.06.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Rückforderung überzahlter Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum 01.04.2002 bis 31.12.2009 in Höhe von 10.462,22 EUR.
Der Kläger ist 1934 geboren. Er bezieht seit Oktober 1994 von der Beklagten Altersrente. Vor Beginn der Altersrente war der Kläger zuletzt ab dem 01.07.1993 pflichtversichert bei der BKK B. nach § 155 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Ab dem 01.10.1994 bestand eine freiwillige Krankenversicherung bei der BKK B.
Mit Bescheid vom 21.10.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Zuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und zur Pflegeversicherung nach § 106a SGB VI. In diesem Bescheid wurde der Kläger unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" auf Folgendes hingewiesen:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt ... bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen."
In dem am 18.04.1994 gestellten Antrag auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung unterschrieb der Kläger folgende "Verpflichtungserklärung":
"Ich verpflichte mich
a) Die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung, ... sowie jede Veränderung der Beitrags- bzw Prämienhöhe ...
b) Den Beginn einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, ... unverzüglich der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ... anzuzeigen."
In dem dazu ausgehändigten Merkblatt heißt es, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss endet, wenn der Rentner seine freiwillige Krankenversicherung aufgibt.
Mit Schreiben vom 09.11.2009 teilte die C. BKK der Beklagten mit, dass es bei der Prüfung des Versicherungsverhältnisses des Klägers zur Feststellung von Unstimmigkeiten gekommen sei. Der Kläger sei bis 31.03.2002 freiwilliges Mitglied in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen. Aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.04.2002 habe für den Kläger ab diesem Zeitpunkt Kranken- und Pflegeversicherungspflicht bestanden. Bisher würden keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeträge einbehalten und abgeführt. Dies sei zu korrigieren.
Mit Schreiben vom 26.11.2009 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheids vom 21.10.1994 ab dem 01.04.2002 sowie zu einer beabsichtigten Rückforderung überzahlter Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 10.462,22 EUR an. Der Kläger hätte erkennen müssen, dass ihm die im Bescheid vom 21.10.1994 bewilligten zweckgebunden Zuschüsse nicht mehr zugestanden hätten. Durch das Ende seiner freiwilligen Krankenversicherung habe der Anspruch auf den Zuschuss zur Krankenversicherung nicht mehr bestanden.
Mit Schreiben vom 26.01.2010 ließ der Kläger über seine Bevollmächtigten erklären, dass grobe Fahrlässigkeit nicht vorliege. Er habe die entsprechende Kenntnis der Gesetze nicht gehabt. Es stelle sich auch die Frage, weshalb geschulte Sachbearbeiter der Krankenkasse und der Rentenversicherung das Vorliegen der Pflichtversicherung nicht erkannt hätten bzw warum erst im November 2009 die geltende Gesetzeslage erkannt worden sei und umgekehrt den Mitgliedern unterstellt werde, solche Gesetzeskenntnisse zu besitzen und hiergegen verstoßen zu haben.
Mit Bescheid vom 26.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2010 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.01.2005 neu. Die Änderung (Wechsel von der freiwilligen Versicherung in die Pflichtversicherung) sei zwar bereits zum 01.04.2002 eingetreten, jedoch seien Ansprüche auf Beiträge für die Zeit bis zum 31.12.2004 verjährt. Für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 ergebe sich eine Überzahlung von 9.205,20 EUR. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe wurde mit Urteil vom 05.05.2011 abgewiesen (S 18 R 2497/10). Rechtsmittel gegen dieses Urteil wurden nicht eingelegt.
Mit Bescheid vom 03.02.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 21.10.1994 gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 01.04.2002 auf. Die für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.12.2009 erbrachten Leistungen seien in Höhe von 10.462,22 EUR nach § 50 SGB X zu erstatten. Es sei ein Tatbestand nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 oder Nr 4 SGB X gegeben. Aufgrund der dem Kläger von der Beklagten gegebenen Informationen (im Antragsvordruck, im Bescheid vom 21.10.1994 sowie im Merkblatt über die Krankenversicherung der Rentner und auch in den jährlichen Rentenanpassungsmitteilungen) hätte der Kläger wissen müssen oder habe nur deshalb nicht gewusst, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass sein Anspruch auf die Zuschüsse nicht mehr bestehe. Mit dem Wegfall der freiwilligen Krankenversicherung habe er selbst keine Aufwendungen mehr für die Krankenversicherung gehabt, zu denen er weiterhin die Zuschüsse erhalten habe. Besondere Umstände, die eine Aufhebung des genannten Bescheids und die daraus folgende Rückforderung ausschließen würden, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe im Antrag auf den Beitragszuschuss bestätigt, dass er davon in Kenntnis gesetzt worden sei, jede Änderung in seinem Krankenversicherungsverhältnis unverzüglich dem Rentenversicherungsträger zu melden. Dies habe er im Frühjahr 2002 unterlassen. Im Bescheid vom 21.10.1994 sei er außerdem deutlich darauf hingewiesen worden, dass der Beitragszuschuss unter bestimmten Voraussetzungen entfalle (zB Eintritt von Versicherungspflicht) und er verpflichtet sei, solche für den Bezug des Zuschusses wesentliche Umstände dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.02.2010 Widerspruch. Er sei in gutem Glauben bis November 2009 freiwillig versichert gewesen und habe seiner Krankenkasse auf der Basis einer freiwilligen Versicherung Beiträge abgeführt. Von der Beklagten habe er entsprechend für den Zeitraum 2002 bis 2009 Zuschüsse hierzu erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund des Vorliegens von Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner habe ab 01.04.2002 kein Anspruch auf den Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung bestanden. Dies hätte der Kläger wissen müssen. Die Krankenkasse habe ihm am 06.05.2002 mitgeteilt, dass Versicherungspflicht eintrete. Ab diesem Zeitpunkt seien auch Beitragsaufwendungen für eine freiwillige Krankenversicherung nicht mehr entstanden. Die Krankenkasse habe bestätigt, dass ab Mai 2002 keine freiwilligen Beiträge mehr vom Kläger entrichtet worden seien. Der Kläger habe daher mit einfachen Überlegungen erkennen können, dass der weiter zufließende Beitragszuschuss von der Beklagten ihm nicht mehr zustehe.
Hiergegen hat der Kläger am 15.06.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Es sei unrichtig, dass die Krankenkasse den Kläger bereits 2002 über den Eintritt von Versicherungspflicht informiert habe. Das von der Beklagten zitierte Merkblatt zur Krankenversicherung der Rentner sei nicht geeignet, grobe Fahrlässigkeit zu bergründen, da die Herleitung und das Verständnis einer Versicherungspflicht spezialisierte Sozialrechtskenntnisse voraussetzen würden, die bei fachfremden Laien nicht vorliegen würden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug benommen.
In einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 05.05.2011 hat der Kläger eingeräumt, dass seit dem 01.04.2002 keine freiwilligen Beiträge mehr bezahlt worden seien; insofern habe ein Missverständnis auf Klägerseite vorgelegen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung einer Auskunft bei der Volksbank Bad L., welche mit Schreiben vom 15.11.2011 mitgeteilt hat, dass Abbuchungen der BKK B. vom Konto des Klägers letztmals von Januar bis April 2002 vorgenommen worden seien. Die C. BKK hat dem SG mitgeteilt, dass aus dem fraglichen Zeitraum keine schriftlichen Unterlagen mehr vorliegen würden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 22.06.2012 hat der Kläger weiter eingeräumt, er habe im Frühjahr 2002 Kontakt mit seiner Krankenkasse aufgenommen habe, nachdem ihm aufgefallen sei, dass "da irgendetwas umgestellt" worden sei. Er habe bei der BKK in S. angerufen und man habe ihm mitgeteilt, dass alles in Ordnung sei.
Mit Urteil vom 22.06.2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2010 aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und würden den Kläger in seinen Rechten verletzen. Der Kläger habe nicht grob fahrlässig eine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen verletzt. Ob der Kläger von seiner Krankenkasse im Frühjahr 2002 eine Mitteilung über den Eintritt von Versicherungspflicht erhalten habe, sei nicht mehr aufklärbar. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X seien nicht erfüllt, da grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Klägers nicht vorliege. Er habe zwar der BKK B. eine Einzugsermächtigung zur Abbuchung der freiwilligen Beiträge erteilt und es stehe fest, dass diese Beiträge nach dem 01.04.2002 nicht mehr abgebucht worden seien. Es hätte zwar nahe gelegen, bei der Rentenversicherung nachzufragen, was dann mit dem weiterhin zufließenden Beitragszuschuss sei. Dies betreffe jedoch den Bereich der sogenannten einfachen Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit könne man hieraus nicht ableiten.
Gegen das ihr am 03.07.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 13.07.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das Urteil des SG sei unrichtig. Grobe Fahrlässigkeit des Klägers liege vor. Auffällig sei zunächst, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren die Unwahrheit gesagt habe, indem er behauptet habe, bis November 2009 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung abgeführt zu haben. Demgegenüber habe er später eingeräumt, dass nach dem 01.04.2002 keine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung mehr gezahlt worden seien, dass ihm die Umstellung aufgefallen sei und er bei der Krankenkasse in S. angerufen habe. Der Kläger habe aufgrund einer Vielzahl von Informationen gewusst, dass die Beitragszuschüsse nur für die freiwillige Versicherung gezahlt würden. Im Antrag auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 18.04.1994 habe er sich verpflichtet, die Beendigung der freiwilligen Versicherung sowie den Beginn einer Versicherungspflicht dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen. In dem ihm ausgehändigten Merkblatt werde unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss ende, wenn die freiwillige Versicherung aufgegeben werde. Er habe sich auch verpflichtet, jede Veränderung der Beitragshöhe mitzuteilen. Die Einstellung der Beitragszahlung zur freiwilligen Versicherung sei jedenfalls eine Veränderung der Beitragshöhe in diesem Sinn. Im Bewilligungsbescheid vom 21.10.1994 seien ebenfalls unmissverständliche Mitteilungspflichten aufgeführt. Der Kläger habe weder den Beginn der Versicherungspflicht mitgeteilt, noch die Tatsache, dass er nach April 2002 keine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung mehr gezahlt habe. Jeder Versicherte mit einem durchschnittlichen Empfängerhorizont wisse, dass es keinen kostenfreien Krankenversicherungsschutz gebe. Genau diese Situation sei aber für den Kläger ab April 2002 eingetreten gewesen. Er habe als Mitglied der Krankenkasse Versicherungsleistungen in Anspruch genommen, ohne dafür überhaupt irgendeinen Beitrag zu entrichten. Im gleichen Zeitraum habe er Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Beklagten vereinnahmt. Alleine aufgrund der fehlenden Beitragszahlung hätte der Kläger mit einfachsten Überlegungen merken müssen, dass er keinen Anspruch auf den Zuschuss haben könne. Auf spezialisierte Gesetzes- oder Rechtskenntnisse komme es nicht an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Ausführungen des SG und den bisherigen Vortrag Bezug. Die Fehler seien offensichtlich der Krankenkasse und der Beklagten unterlaufen. Die Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 44 Abs 4 SGB X sei zu beachten. Die Erstattungsforderung sei in der Höhe nicht nachvollziehbar. Außerdem sei der Kläger im Parallelverfahren rechtskräftig zur Nachzahlung von Beiträgen in Höhe von 9.205,20 EUR verurteilt worden. Vorsorglich werde die Aufrechnung mit der hier streitgegenständlichen Forderung erklärt.
In einem Erörterungstermin am 08.02.2013 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 21.10.1994 mit Wirkung ab dem 01.04.2002 aufzuheben.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs 1 S 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X).
Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist in Bezug auf die Unterlassung der Mitteilung der Veränderung dann der Fall, wenn der Betroffene hier einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (vgl BSG 19.02.1986, 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr 22). Es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falls abzustellen (vgl BSG 08.02.1996, 13 RJ 35/94, BSGE 77, 295, SozR 3-1300 § 45 Nr 27; 16.03.2005, B 11a/11 AL 41/03 R, SozR 4-4300 § 137 Nr 2, juris Rn 19).
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X liegen zur Überzeugung des Senats vor. Mag zu Gunsten des Klägers auch davon ausgegangen werden, dass er keine positive Kenntnis davon hatte, dass ihm der Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung nicht mehr zustand, steht zur Überzeugung des Senats jedenfalls fest, dass er dies nur deshalb nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgeblich ist dabei nicht eine besondere Gesetzeskenntnis, wie dies die Klägerseite vorträgt, sondern die Kenntnis relevanter Tatsachen und Umstände und die Fähigkeit, mittels einfachster Überlegungen bestimmte Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Kläger hätte unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit erkennen können und müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch auf einen Zuschuss zu den - tatsächlich nicht entstandenen - Aufwendungen zur freiwilligen Krankenversicherung nicht mehr bestand (vgl zu einer ähnlichen Konstellation BSG 30.10.2013, B 12 R 14/11 R, SozR 4-1300 § 45 Nr 15, Rn 25).
Es ist allgemein bekannt, dass es keinen kostenfreien Krankenversicherungsschutz gibt. Genau diese Situation ist aber für den Kläger ab April 2002 eingetreten gewesen. Er hat ab diesem Zeitpunkt keine Beiträge zu seiner freiwilligen Versicherung mehr gezahlt - und dies auch zum damaligen Zeitpunkt bemerkt - und hat aber weiterhin von der Beklagten monatliche Geldleistungen (Zuschüsse für die nicht mehr stattfindende Beitragszahlung) vereinnahmt, ohne sich gegenüber der Beklagten in irgendeiner Weise zu äußern. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund der Einstellung der Beitragszahlung mit einfachsten Überlegungen hätte merken müssen, dass er keinen Anspruch auf den gerade hierfür erhaltenen Zuschuss mehr haben kann. Auch aus dem Verwaltungsverfahren bei der Beklagten, das zur Renten- und Zuschussgewährung führte, sowie aus dem Antrag auf einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung und aus den Hinweisen im Bescheid der Beklagten vom 21.10.1994 war ihm bekannt bzw musste ihm bekannt sein, dass wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung eines Beitragszuschusses gerade das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung war und dass im Falle von Krankenversicherungspflicht eine Zuschussgewährung ausschied. Der Kläger hätte in diesem Zusammenhang unschwer erkennen können und müssen, dass er in der Krankenversicherung als Rentner der Versicherungspflicht unterlag (vgl BSG 30.10.2013, B 12 R 14/11 R, SozR 4-1300 § 45 Nr 15, Rn 25).
Der Verwaltung steht bei Anwendung der Vorschrift des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X kein Ermessensspielraum zu, sondern die Aufhebung/Abänderung "soll" mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen, also nur nicht in atypischen Sachverhalten, wofür vorliegend nichts ersichtlich ist.
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 SGB X). Die Erstattungsforderung ist von der Beklagten zutreffend berechnet worden (vgl Bl 18 Verwaltungsakte).
Eine Anhörung des Klägers ist erfolgt (§ 24 Abs 1 SGB X).
Die Jahresfrist ist (§ 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 4 S 2 SGB X) ist eingehalten.
Die Grenze von vier Jahren nach § 44 Abs 4 SGB X greift vorliegend nicht, da es nicht um eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme geht (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X), sondern eine Aufhebungsentscheidung und Erstattungsforderung im Raum steht. Eine entsprechende Anwendung der Regelung über § 48 Abs 4 SGB X kommt gleichfalls nicht in Betracht, da nach dem nach § 48 Abs 4 S 1 SGB X ebenfalls entsprechend geltenden § 45 Abs 3 S 3 Nr 1 iVm Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X wegen der groben Fahrlässigkeit des Klägers ein Zeitraum von 10 Jahren ab Kenntnis der Beklagten (November 2009) gilt, der vorliegend nicht überschritten worden ist. Außerdem hätte im vorliegenden Fall gem § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 3 Satz 4 SGB X eine Aufhebung des Bescheides vom 21.10.1999 auch nach Ablauf von 10 Jahren ab dem Zeitpunkt der Überzahlung erfolgen können, da der Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufnahme gezahlt wurde.
Schließlich greift die Aufrechnungserklärung des Klägers nicht durch, da keine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) mit sich gegenüberstehenden Forderungen vorliegt. Der Kläger hat jahrelang keine Beiträge für seine Krankenversicherung bezahlt und zu Unrecht hierfür auch noch Zuschüsse vereinnahmt. Er ist Schuldner zweier Forderungen (Nachzahlung von Beiträgen und Erstattung des Zuschusses). Die Beklagte ist Gläubiger zweier Forderungen. Es gibt für den Kläger nichts aufzurechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Rückforderung überzahlter Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum 01.04.2002 bis 31.12.2009 in Höhe von 10.462,22 EUR.
Der Kläger ist 1934 geboren. Er bezieht seit Oktober 1994 von der Beklagten Altersrente. Vor Beginn der Altersrente war der Kläger zuletzt ab dem 01.07.1993 pflichtversichert bei der BKK B. nach § 155 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Ab dem 01.10.1994 bestand eine freiwillige Krankenversicherung bei der BKK B.
Mit Bescheid vom 21.10.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Zuschüsse zu den Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und zur Pflegeversicherung nach § 106a SGB VI. In diesem Bescheid wurde der Kläger unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" auf Folgendes hingewiesen:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt ... bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen."
In dem am 18.04.1994 gestellten Antrag auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung unterschrieb der Kläger folgende "Verpflichtungserklärung":
"Ich verpflichte mich
a) Die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung, ... sowie jede Veränderung der Beitrags- bzw Prämienhöhe ...
b) Den Beginn einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, ... unverzüglich der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ... anzuzeigen."
In dem dazu ausgehändigten Merkblatt heißt es, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss endet, wenn der Rentner seine freiwillige Krankenversicherung aufgibt.
Mit Schreiben vom 09.11.2009 teilte die C. BKK der Beklagten mit, dass es bei der Prüfung des Versicherungsverhältnisses des Klägers zur Feststellung von Unstimmigkeiten gekommen sei. Der Kläger sei bis 31.03.2002 freiwilliges Mitglied in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen. Aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.04.2002 habe für den Kläger ab diesem Zeitpunkt Kranken- und Pflegeversicherungspflicht bestanden. Bisher würden keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeträge einbehalten und abgeführt. Dies sei zu korrigieren.
Mit Schreiben vom 26.11.2009 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheids vom 21.10.1994 ab dem 01.04.2002 sowie zu einer beabsichtigten Rückforderung überzahlter Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 10.462,22 EUR an. Der Kläger hätte erkennen müssen, dass ihm die im Bescheid vom 21.10.1994 bewilligten zweckgebunden Zuschüsse nicht mehr zugestanden hätten. Durch das Ende seiner freiwilligen Krankenversicherung habe der Anspruch auf den Zuschuss zur Krankenversicherung nicht mehr bestanden.
Mit Schreiben vom 26.01.2010 ließ der Kläger über seine Bevollmächtigten erklären, dass grobe Fahrlässigkeit nicht vorliege. Er habe die entsprechende Kenntnis der Gesetze nicht gehabt. Es stelle sich auch die Frage, weshalb geschulte Sachbearbeiter der Krankenkasse und der Rentenversicherung das Vorliegen der Pflichtversicherung nicht erkannt hätten bzw warum erst im November 2009 die geltende Gesetzeslage erkannt worden sei und umgekehrt den Mitgliedern unterstellt werde, solche Gesetzeskenntnisse zu besitzen und hiergegen verstoßen zu haben.
Mit Bescheid vom 26.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2010 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.01.2005 neu. Die Änderung (Wechsel von der freiwilligen Versicherung in die Pflichtversicherung) sei zwar bereits zum 01.04.2002 eingetreten, jedoch seien Ansprüche auf Beiträge für die Zeit bis zum 31.12.2004 verjährt. Für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 ergebe sich eine Überzahlung von 9.205,20 EUR. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe wurde mit Urteil vom 05.05.2011 abgewiesen (S 18 R 2497/10). Rechtsmittel gegen dieses Urteil wurden nicht eingelegt.
Mit Bescheid vom 03.02.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 21.10.1994 gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 01.04.2002 auf. Die für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.12.2009 erbrachten Leistungen seien in Höhe von 10.462,22 EUR nach § 50 SGB X zu erstatten. Es sei ein Tatbestand nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 oder Nr 4 SGB X gegeben. Aufgrund der dem Kläger von der Beklagten gegebenen Informationen (im Antragsvordruck, im Bescheid vom 21.10.1994 sowie im Merkblatt über die Krankenversicherung der Rentner und auch in den jährlichen Rentenanpassungsmitteilungen) hätte der Kläger wissen müssen oder habe nur deshalb nicht gewusst, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass sein Anspruch auf die Zuschüsse nicht mehr bestehe. Mit dem Wegfall der freiwilligen Krankenversicherung habe er selbst keine Aufwendungen mehr für die Krankenversicherung gehabt, zu denen er weiterhin die Zuschüsse erhalten habe. Besondere Umstände, die eine Aufhebung des genannten Bescheids und die daraus folgende Rückforderung ausschließen würden, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe im Antrag auf den Beitragszuschuss bestätigt, dass er davon in Kenntnis gesetzt worden sei, jede Änderung in seinem Krankenversicherungsverhältnis unverzüglich dem Rentenversicherungsträger zu melden. Dies habe er im Frühjahr 2002 unterlassen. Im Bescheid vom 21.10.1994 sei er außerdem deutlich darauf hingewiesen worden, dass der Beitragszuschuss unter bestimmten Voraussetzungen entfalle (zB Eintritt von Versicherungspflicht) und er verpflichtet sei, solche für den Bezug des Zuschusses wesentliche Umstände dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.02.2010 Widerspruch. Er sei in gutem Glauben bis November 2009 freiwillig versichert gewesen und habe seiner Krankenkasse auf der Basis einer freiwilligen Versicherung Beiträge abgeführt. Von der Beklagten habe er entsprechend für den Zeitraum 2002 bis 2009 Zuschüsse hierzu erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund des Vorliegens von Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner habe ab 01.04.2002 kein Anspruch auf den Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung bestanden. Dies hätte der Kläger wissen müssen. Die Krankenkasse habe ihm am 06.05.2002 mitgeteilt, dass Versicherungspflicht eintrete. Ab diesem Zeitpunkt seien auch Beitragsaufwendungen für eine freiwillige Krankenversicherung nicht mehr entstanden. Die Krankenkasse habe bestätigt, dass ab Mai 2002 keine freiwilligen Beiträge mehr vom Kläger entrichtet worden seien. Der Kläger habe daher mit einfachen Überlegungen erkennen können, dass der weiter zufließende Beitragszuschuss von der Beklagten ihm nicht mehr zustehe.
Hiergegen hat der Kläger am 15.06.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Es sei unrichtig, dass die Krankenkasse den Kläger bereits 2002 über den Eintritt von Versicherungspflicht informiert habe. Das von der Beklagten zitierte Merkblatt zur Krankenversicherung der Rentner sei nicht geeignet, grobe Fahrlässigkeit zu bergründen, da die Herleitung und das Verständnis einer Versicherungspflicht spezialisierte Sozialrechtskenntnisse voraussetzen würden, die bei fachfremden Laien nicht vorliegen würden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug benommen.
In einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 05.05.2011 hat der Kläger eingeräumt, dass seit dem 01.04.2002 keine freiwilligen Beiträge mehr bezahlt worden seien; insofern habe ein Missverständnis auf Klägerseite vorgelegen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung einer Auskunft bei der Volksbank Bad L., welche mit Schreiben vom 15.11.2011 mitgeteilt hat, dass Abbuchungen der BKK B. vom Konto des Klägers letztmals von Januar bis April 2002 vorgenommen worden seien. Die C. BKK hat dem SG mitgeteilt, dass aus dem fraglichen Zeitraum keine schriftlichen Unterlagen mehr vorliegen würden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 22.06.2012 hat der Kläger weiter eingeräumt, er habe im Frühjahr 2002 Kontakt mit seiner Krankenkasse aufgenommen habe, nachdem ihm aufgefallen sei, dass "da irgendetwas umgestellt" worden sei. Er habe bei der BKK in S. angerufen und man habe ihm mitgeteilt, dass alles in Ordnung sei.
Mit Urteil vom 22.06.2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2010 aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und würden den Kläger in seinen Rechten verletzen. Der Kläger habe nicht grob fahrlässig eine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen verletzt. Ob der Kläger von seiner Krankenkasse im Frühjahr 2002 eine Mitteilung über den Eintritt von Versicherungspflicht erhalten habe, sei nicht mehr aufklärbar. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X seien nicht erfüllt, da grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Klägers nicht vorliege. Er habe zwar der BKK B. eine Einzugsermächtigung zur Abbuchung der freiwilligen Beiträge erteilt und es stehe fest, dass diese Beiträge nach dem 01.04.2002 nicht mehr abgebucht worden seien. Es hätte zwar nahe gelegen, bei der Rentenversicherung nachzufragen, was dann mit dem weiterhin zufließenden Beitragszuschuss sei. Dies betreffe jedoch den Bereich der sogenannten einfachen Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit könne man hieraus nicht ableiten.
Gegen das ihr am 03.07.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 13.07.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das Urteil des SG sei unrichtig. Grobe Fahrlässigkeit des Klägers liege vor. Auffällig sei zunächst, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren die Unwahrheit gesagt habe, indem er behauptet habe, bis November 2009 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung abgeführt zu haben. Demgegenüber habe er später eingeräumt, dass nach dem 01.04.2002 keine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung mehr gezahlt worden seien, dass ihm die Umstellung aufgefallen sei und er bei der Krankenkasse in S. angerufen habe. Der Kläger habe aufgrund einer Vielzahl von Informationen gewusst, dass die Beitragszuschüsse nur für die freiwillige Versicherung gezahlt würden. Im Antrag auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 18.04.1994 habe er sich verpflichtet, die Beendigung der freiwilligen Versicherung sowie den Beginn einer Versicherungspflicht dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen. In dem ihm ausgehändigten Merkblatt werde unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss ende, wenn die freiwillige Versicherung aufgegeben werde. Er habe sich auch verpflichtet, jede Veränderung der Beitragshöhe mitzuteilen. Die Einstellung der Beitragszahlung zur freiwilligen Versicherung sei jedenfalls eine Veränderung der Beitragshöhe in diesem Sinn. Im Bewilligungsbescheid vom 21.10.1994 seien ebenfalls unmissverständliche Mitteilungspflichten aufgeführt. Der Kläger habe weder den Beginn der Versicherungspflicht mitgeteilt, noch die Tatsache, dass er nach April 2002 keine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung mehr gezahlt habe. Jeder Versicherte mit einem durchschnittlichen Empfängerhorizont wisse, dass es keinen kostenfreien Krankenversicherungsschutz gebe. Genau diese Situation sei aber für den Kläger ab April 2002 eingetreten gewesen. Er habe als Mitglied der Krankenkasse Versicherungsleistungen in Anspruch genommen, ohne dafür überhaupt irgendeinen Beitrag zu entrichten. Im gleichen Zeitraum habe er Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Beklagten vereinnahmt. Alleine aufgrund der fehlenden Beitragszahlung hätte der Kläger mit einfachsten Überlegungen merken müssen, dass er keinen Anspruch auf den Zuschuss haben könne. Auf spezialisierte Gesetzes- oder Rechtskenntnisse komme es nicht an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Ausführungen des SG und den bisherigen Vortrag Bezug. Die Fehler seien offensichtlich der Krankenkasse und der Beklagten unterlaufen. Die Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 44 Abs 4 SGB X sei zu beachten. Die Erstattungsforderung sei in der Höhe nicht nachvollziehbar. Außerdem sei der Kläger im Parallelverfahren rechtskräftig zur Nachzahlung von Beiträgen in Höhe von 9.205,20 EUR verurteilt worden. Vorsorglich werde die Aufrechnung mit der hier streitgegenständlichen Forderung erklärt.
In einem Erörterungstermin am 08.02.2013 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 21.10.1994 mit Wirkung ab dem 01.04.2002 aufzuheben.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs 1 S 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X).
Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist in Bezug auf die Unterlassung der Mitteilung der Veränderung dann der Fall, wenn der Betroffene hier einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (vgl BSG 19.02.1986, 7 RAr 55/84, SozR 1300 § 48 Nr 22). Es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falls abzustellen (vgl BSG 08.02.1996, 13 RJ 35/94, BSGE 77, 295, SozR 3-1300 § 45 Nr 27; 16.03.2005, B 11a/11 AL 41/03 R, SozR 4-4300 § 137 Nr 2, juris Rn 19).
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X liegen zur Überzeugung des Senats vor. Mag zu Gunsten des Klägers auch davon ausgegangen werden, dass er keine positive Kenntnis davon hatte, dass ihm der Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung nicht mehr zustand, steht zur Überzeugung des Senats jedenfalls fest, dass er dies nur deshalb nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgeblich ist dabei nicht eine besondere Gesetzeskenntnis, wie dies die Klägerseite vorträgt, sondern die Kenntnis relevanter Tatsachen und Umstände und die Fähigkeit, mittels einfachster Überlegungen bestimmte Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Kläger hätte unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit erkennen können und müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch auf einen Zuschuss zu den - tatsächlich nicht entstandenen - Aufwendungen zur freiwilligen Krankenversicherung nicht mehr bestand (vgl zu einer ähnlichen Konstellation BSG 30.10.2013, B 12 R 14/11 R, SozR 4-1300 § 45 Nr 15, Rn 25).
Es ist allgemein bekannt, dass es keinen kostenfreien Krankenversicherungsschutz gibt. Genau diese Situation ist aber für den Kläger ab April 2002 eingetreten gewesen. Er hat ab diesem Zeitpunkt keine Beiträge zu seiner freiwilligen Versicherung mehr gezahlt - und dies auch zum damaligen Zeitpunkt bemerkt - und hat aber weiterhin von der Beklagten monatliche Geldleistungen (Zuschüsse für die nicht mehr stattfindende Beitragszahlung) vereinnahmt, ohne sich gegenüber der Beklagten in irgendeiner Weise zu äußern. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund der Einstellung der Beitragszahlung mit einfachsten Überlegungen hätte merken müssen, dass er keinen Anspruch auf den gerade hierfür erhaltenen Zuschuss mehr haben kann. Auch aus dem Verwaltungsverfahren bei der Beklagten, das zur Renten- und Zuschussgewährung führte, sowie aus dem Antrag auf einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung und aus den Hinweisen im Bescheid der Beklagten vom 21.10.1994 war ihm bekannt bzw musste ihm bekannt sein, dass wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung eines Beitragszuschusses gerade das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung war und dass im Falle von Krankenversicherungspflicht eine Zuschussgewährung ausschied. Der Kläger hätte in diesem Zusammenhang unschwer erkennen können und müssen, dass er in der Krankenversicherung als Rentner der Versicherungspflicht unterlag (vgl BSG 30.10.2013, B 12 R 14/11 R, SozR 4-1300 § 45 Nr 15, Rn 25).
Der Verwaltung steht bei Anwendung der Vorschrift des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X kein Ermessensspielraum zu, sondern die Aufhebung/Abänderung "soll" mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen, also nur nicht in atypischen Sachverhalten, wofür vorliegend nichts ersichtlich ist.
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 SGB X). Die Erstattungsforderung ist von der Beklagten zutreffend berechnet worden (vgl Bl 18 Verwaltungsakte).
Eine Anhörung des Klägers ist erfolgt (§ 24 Abs 1 SGB X).
Die Jahresfrist ist (§ 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 4 S 2 SGB X) ist eingehalten.
Die Grenze von vier Jahren nach § 44 Abs 4 SGB X greift vorliegend nicht, da es nicht um eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme geht (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X), sondern eine Aufhebungsentscheidung und Erstattungsforderung im Raum steht. Eine entsprechende Anwendung der Regelung über § 48 Abs 4 SGB X kommt gleichfalls nicht in Betracht, da nach dem nach § 48 Abs 4 S 1 SGB X ebenfalls entsprechend geltenden § 45 Abs 3 S 3 Nr 1 iVm Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X wegen der groben Fahrlässigkeit des Klägers ein Zeitraum von 10 Jahren ab Kenntnis der Beklagten (November 2009) gilt, der vorliegend nicht überschritten worden ist. Außerdem hätte im vorliegenden Fall gem § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 3 Satz 4 SGB X eine Aufhebung des Bescheides vom 21.10.1999 auch nach Ablauf von 10 Jahren ab dem Zeitpunkt der Überzahlung erfolgen können, da der Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufnahme gezahlt wurde.
Schließlich greift die Aufrechnungserklärung des Klägers nicht durch, da keine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) mit sich gegenüberstehenden Forderungen vorliegt. Der Kläger hat jahrelang keine Beiträge für seine Krankenversicherung bezahlt und zu Unrecht hierfür auch noch Zuschüsse vereinnahmt. Er ist Schuldner zweier Forderungen (Nachzahlung von Beiträgen und Erstattung des Zuschusses). Die Beklagte ist Gläubiger zweier Forderungen. Es gibt für den Kläger nichts aufzurechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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