Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 5661/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5200/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.11.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1958 in Marokko geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In Marokko arbeitete er als Bauarbeiter. Im August 1987 kam er in die Bundesrepublik Deutschland und hat seit 1998 die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach mehrjährigem Sozialhilfebezug war der Kläger zuletzt von April 1996 als Hausmeister versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 30.06.1997 war er arbeitsunfähig krank und bezog durchgehend Sozialleistungen (Krankengeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe) bis 16.04.2003. Von 2003 bis 2007 war der Kläger in Haft, ab 01.12.2006 wurden erneut Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellte der Kläger am 28.12.2000. Die Beklagte zog mehrere Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) bei, in denen rezidivierende lumboischialgieforme Beschwerden und ein rezidivierendes HWS-Syndrom beschrieben wurden. Nach zunächst bestehender Arbeitsunfähigkeit (MDK Frau L. 14.08.1997) wurde eingeschätzt, dass ab 21.09.1998 die Wiederaufnahme einer Arbeit möglich sei (MDK Dr. C. 22.09.1998) und weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen mit Gutachten vom 01.10.1999 (Dr. C.). Die Beklagte ließ ein orthopädisches Gutachten durch Dr. R. erstellen (Gutachten vom 05.12.2001), in dem bei Vorliegen eines LWS-Syndroms leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig für zumutbar erachtet wurden. Mit Bescheid vom 14.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.09.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die dagegen zum Sozialgericht Freiburg (SG) gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 08.07.2003, S 9 RA 2903/02).
Am 22.06.2010 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Orthopäden Dr. N. begutachten. Mit Gutachten vom 24.01.2011 diagnostizierte Dr. N. ein rezidivierendes LWS- und HWS-Syndrom. Die klinische Untersuchung zeigte einen unauffälligen Befund im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Beweglichkeit sei gut, nennenswerte lokale Druckschmerzen bestünden nicht, die Rückenmuskulatur sei ausreichend; keine sonstigen auffälligen Befunde im Bereich des Bewegungsapparates. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hausmeister könne weiterhin vollschichtig ausgeübt werden. Mit Bescheid vom 11.02.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Mit seinem Widerspruch vom 23.02.2011 legte der Kläger ein Attest des Allgemeinmediziners H. vom 06.03.2009 vor, in dem dieser ausführte, dass der Kläger wegen lumboischialgieformer Beschwerden keine Tätigkeiten mit langem Sitzen oder Stehen ausüben könne. Die von der Beklagten in Auftrag gegebene internistische Begutachtung konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger zur Untersuchung nicht erschien. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 27.09.2011 zum SG erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass seine Krankheit als Diabetiker nicht berücksichtigt worden sei. Ergänzend hat er ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 15.04.2013 vorgelegt, in dem Dr. B. von einer unter dreistündigen Belastbarkeit ausgeht bei psychophysischer Minderbelastbarkeit mit im Vordergrund stehenden Stimmungsschwankungen mit depressiven Einbrüchen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Herr H. hat mit Schreiben vom 05.10.2012 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe ein chronisch rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ IIb (Erstdiagnose 10/09). Er habe den Kläger zuletzt im Dezember 2010 gesehen, zum damaligen Zeitpunkt seien leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung möglich gewesen. Der Allgemeinmediziner S. hat mit Schreiben vom 28.09.2012 mitgeteilt, den Kläger nur im Juni 2012 behandelt zu haben. Der Diabetes sei schlecht eingestellt gewesen, er habe ein weiteres Medikament verordnet und engmaschige Kontrollen angeordnet, der Kläger sei jedoch nicht mehr erschienen. Der Allgemeinmediziner Dr. M. hat mit Schreiben vom 14.06.2013 mitgeteilt, der Kläger könne bei Vorliegen von Diabetes mellitus, Hypertonie, Adipositas und Lumboischialgien noch leichte Tätigkeiten vollschichtig ausüben mit Gelegenheit zur Entspannung und Korrektur möglicher Zuckerprobleme. Das SG hat sodann ein Gutachten bei Prof. S., Orthopädische Klinik der Universität H., in Auftrag gegeben und diesen Auftrag wieder storniert, nachdem der Kläger zum Untersuchungstermin unentschuldigt nicht erschienen war.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2013 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsunfähig. Er sei mit gewissen Funktionseinschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechsstündig zu verrichten. Die bestehenden Erkrankungen - Lumbalsyndrom, Hypertonie, Adipositas und Diabetes - seien weder von den Diagnosen als solchen noch von den konkret bestehenden Einschränkungen her so schwerwiegend, als dass leichte Tätigkeiten nicht mindestens sechsstündig noch möglich wären. Herr S. habe zwar festgestellt, dass der Diabetes mellitus des Klägers schlecht eingestellt sei, bei ausreichender Compliance sei dies jedoch einer Behandlung gut zugänglich und erheblich verbesserbar. Soweit die Bundesagentur für Arbeit im April 2013 davon ausgegangen sei, dass der Kläger weniger als drei Stunden täglich einsetzbar sei, habe sich diese Einschätzung nicht auf dauerhafte Erkrankungen, sondern auf aktuelle Arbeitsunfähigkeit bezogen. Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass beim Kläger erhebliche psychiatrische Erkrankungen vorlägen. Die behandelnden Allgemeinmediziner berichteten hierüber nichts, eine Facharztbehandlung finde nicht statt und der Kläger habe hierzu nichts vorgetragen. Da der Kläger eine weitere Begutachtung im Verwaltungsverfahren abgelehnt habe und zur gutachterlichen Untersuchung im sozialgerichtlichen Verfahren ohne Angabe von Gründen und ohne Entschuldigung nicht erschienen sei, habe sich die Kammer durch das Verhalten des Klägers daran gehindert gesehen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Eine objektiv nachgewiesene Erwerbsminderung lasse sich nicht feststellen. Der Kläger könne zwar seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Hausmeister nicht mehr ausüben, da diese Tätigkeit mit schwerer körperlicher Belastung einhergehe. Berufsunfähig sei jedoch nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit wenigstens sechs Stunden täglich ausüben könne. Der Kläger könne nur als ungelernter Arbeiter eingestuft werden und könne daher auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die am 02.12.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Die Gutachten des Jobcenters und ärztlichen Atteste und Schreiben seiner Ärzte seien nicht berücksichtigt worden. Ihm sei kein weiterer Termin für die Begutachtung gesendet worden, weshalb er auch keinen Termin habe wahrnehmen können. Das vorliegende Rentengutachten sei allein durch die ärztlichen Schreiben und das Gutachten des Jobcenters als fehlerhaft einzustufen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.11.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.06.2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen, die zu einer abweichenden Beurteilung des Sachverhalts führen könnten. Grundlegend neue medizinische Sachverhalte oder eine Leidensverschlimmerung würden nicht geltend gemacht.
Der Senat hat ein weiteres Sachverständigengutachten durch den Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. erstellen lassen. In dem Gutachten vom 02.04.2014 stellt Dr. S. folgende Gesundheitsstörungen fest: gering ausgeprägte, beinbetonte Polyneuropathie ohne motorische Ausfälle, emotional instabile Persönlichkeitszüge mit Impulsivität, Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung/Migrationsproblematik, medikamentös behandelter Diabetes mellitus, Adipositas und degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik. Leichte Tätigkeiten zu ebener Erde ohne Nachtschicht und Publikumsverkehr seien mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser in der am 18.06.2014 zugestellten Ladung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. N., das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ebener Erde ohne Nachtschicht und Publikumsverkehr mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche ausüben kann. Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung im Juni 2010 und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert.
Bei dem Kläger besteht zum Einen ein rezidivierendes LWS- und HWS-Syndrom. Lumboischialgien sind bereits seit dem Jahr 1998 dokumentiert, wie sich aus den MDK-Gutachten von Dr. C. und Frau L. ergibt sowie dem Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. S. über eine vom 30.04. bis 30.05.1998 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Für körperlich leichte Tätigkeiten ergibt sich hieraus jedoch keinerlei Einschränkung. Dies ergibt sich übereinstimmend aus sämtlichen vorliegenden medizinischen Unterlagen, eine relevante Verschlechterung der auf orthopädischem Gebiet liegenden Beschwerden ist nicht erkennbar. So hat sowohl der MDK-Gutachter Dr. C. 1998 und 1999 als auch der Rentengutachter Dr. R. (Gutachten vom 05.12.2001) jedenfalls leichte Tätigkeiten für vollschichtig zumutbar gehalten. Bei der Untersuchung durch Dr. N. im Januar 2011 war der klinische Befund im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sogar völlig unauffällig mit guter Beweglichkeit und ohne nennenswerte lokale Druckschmerzen und ohne Hinweise für eine Wurzelreizsymptomatik. Auch ansonsten bestanden keine auffälligen Befunde im Bereich des Bewegungsapparates. Auch bei der aktuellen Untersuchung durch den Gutachter Dr. S. im März 2014 fand sich keinerlei radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik.
Daneben besteht bei dem Kläger Hypertonie, Adipositas und seit 2009 ist ein Diabetes mellitus Typ IIb bekannt, der medikamentös behandelt wird. Auch hieraus folgt keinerlei Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Dies bestätigt der Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten ausdrücklich, ebenso der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. M., der den Diabetes mellitus im Vordergrund der Beschwerden sieht.
Gravierende Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen ebenfalls nicht vor. Der Senat stützt sich insoweit auf das überzeugende und in sich schlüssig und widerspruchsfreie Gutachten von Dr. S ... Danach liegt eine gering ausgeprägte beinbetonte Polyneuropathie ohne motorische Ausfälle vor, emotional instabile Persönlichkeitszüge mit Impulsivität sowie Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung/Migrationsproblematik. Die genannten Diagnosen bedingen lediglich insoweit Einschränkungen, als dass nur Tätigkeiten zur ebener Erde zumutbar sind sowie Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr und ohne Nachtschicht. Soweit Dr. B. vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur aufgrund einer psychophysischen Minderbelastbarkeit ein unter dreistündiges Leistungsvermögen angenommen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dr. B. hat im Vordergrund Stimmungsschwankungen mit depressiven Einbrüchen gesehen. Eine depressive Symptomatik konnte Dr. S. im Rahmen seiner Untersuchung jedoch ausschließen. Es zeigte sich bei der Untersuchung keinerlei Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmung, die Grundstimmung wirkte ausgeglichen, kognitive oder mnestische Defizite konnten nicht erhoben werden und das formale Denken war folgerichtig und nicht verlangsamt. Auch die behandelnden Hausärzte berichten bezogen auf den Zeitraum ab 2010 keinerlei depressive Symptomatik, auch eine nervenärztliche Behandlung fand in diesem Zeitraum nicht statt. In dem äußerst knappen Gutachten von Dr. B. (eine Seite) werden auch keinerlei Befunde genannt, die seine Beurteilung nachvollziehbar erscheinen ließen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.
Der Kläger kann leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch ausüben. Derartige leichte Tätigkeiten werden auch nicht üblicherweise in Nachtschicht oder auf Leitern oder Gerüsten ausgeübt, sodass die insoweit bestehenden Einschränkungen den Kreis möglicher Tätigkeiten nicht weiter begrenzen. Auch die Vermeidung von Publikumsverkehr engt die in Betracht kommenden Möglichkeiten für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wesentlich ein. Sein Restleistungsvermögen erlaubt dem Kläger ohne weiteres noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris).
Der Kläger ist auch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Gutachten von Dr. S ... Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1958 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeit auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit im Sinne des §240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten der jeweils nächst niedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).
Der Kläger hat in Marokko nur drei Schulklassen besucht und keinen Beruf erlernt. Er war als Bauarbeiter und zuletzt als Hausmeister versicherungspflichtig beschäftigt. Da es sich um eine ungelernte Tätigkeit handelt, kann der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Derartige leichte Tätigkeiten kann der Kläger, wie bereits ausgeführt, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere das vorliegende Gutachten von Dr. S. hat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1958 in Marokko geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In Marokko arbeitete er als Bauarbeiter. Im August 1987 kam er in die Bundesrepublik Deutschland und hat seit 1998 die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach mehrjährigem Sozialhilfebezug war der Kläger zuletzt von April 1996 als Hausmeister versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 30.06.1997 war er arbeitsunfähig krank und bezog durchgehend Sozialleistungen (Krankengeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe) bis 16.04.2003. Von 2003 bis 2007 war der Kläger in Haft, ab 01.12.2006 wurden erneut Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellte der Kläger am 28.12.2000. Die Beklagte zog mehrere Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) bei, in denen rezidivierende lumboischialgieforme Beschwerden und ein rezidivierendes HWS-Syndrom beschrieben wurden. Nach zunächst bestehender Arbeitsunfähigkeit (MDK Frau L. 14.08.1997) wurde eingeschätzt, dass ab 21.09.1998 die Wiederaufnahme einer Arbeit möglich sei (MDK Dr. C. 22.09.1998) und weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen mit Gutachten vom 01.10.1999 (Dr. C.). Die Beklagte ließ ein orthopädisches Gutachten durch Dr. R. erstellen (Gutachten vom 05.12.2001), in dem bei Vorliegen eines LWS-Syndroms leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig für zumutbar erachtet wurden. Mit Bescheid vom 14.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.09.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die dagegen zum Sozialgericht Freiburg (SG) gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 08.07.2003, S 9 RA 2903/02).
Am 22.06.2010 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Orthopäden Dr. N. begutachten. Mit Gutachten vom 24.01.2011 diagnostizierte Dr. N. ein rezidivierendes LWS- und HWS-Syndrom. Die klinische Untersuchung zeigte einen unauffälligen Befund im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Beweglichkeit sei gut, nennenswerte lokale Druckschmerzen bestünden nicht, die Rückenmuskulatur sei ausreichend; keine sonstigen auffälligen Befunde im Bereich des Bewegungsapparates. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hausmeister könne weiterhin vollschichtig ausgeübt werden. Mit Bescheid vom 11.02.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Mit seinem Widerspruch vom 23.02.2011 legte der Kläger ein Attest des Allgemeinmediziners H. vom 06.03.2009 vor, in dem dieser ausführte, dass der Kläger wegen lumboischialgieformer Beschwerden keine Tätigkeiten mit langem Sitzen oder Stehen ausüben könne. Die von der Beklagten in Auftrag gegebene internistische Begutachtung konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger zur Untersuchung nicht erschien. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 27.09.2011 zum SG erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass seine Krankheit als Diabetiker nicht berücksichtigt worden sei. Ergänzend hat er ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 15.04.2013 vorgelegt, in dem Dr. B. von einer unter dreistündigen Belastbarkeit ausgeht bei psychophysischer Minderbelastbarkeit mit im Vordergrund stehenden Stimmungsschwankungen mit depressiven Einbrüchen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Herr H. hat mit Schreiben vom 05.10.2012 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe ein chronisch rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ IIb (Erstdiagnose 10/09). Er habe den Kläger zuletzt im Dezember 2010 gesehen, zum damaligen Zeitpunkt seien leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung möglich gewesen. Der Allgemeinmediziner S. hat mit Schreiben vom 28.09.2012 mitgeteilt, den Kläger nur im Juni 2012 behandelt zu haben. Der Diabetes sei schlecht eingestellt gewesen, er habe ein weiteres Medikament verordnet und engmaschige Kontrollen angeordnet, der Kläger sei jedoch nicht mehr erschienen. Der Allgemeinmediziner Dr. M. hat mit Schreiben vom 14.06.2013 mitgeteilt, der Kläger könne bei Vorliegen von Diabetes mellitus, Hypertonie, Adipositas und Lumboischialgien noch leichte Tätigkeiten vollschichtig ausüben mit Gelegenheit zur Entspannung und Korrektur möglicher Zuckerprobleme. Das SG hat sodann ein Gutachten bei Prof. S., Orthopädische Klinik der Universität H., in Auftrag gegeben und diesen Auftrag wieder storniert, nachdem der Kläger zum Untersuchungstermin unentschuldigt nicht erschienen war.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2013 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsunfähig. Er sei mit gewissen Funktionseinschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechsstündig zu verrichten. Die bestehenden Erkrankungen - Lumbalsyndrom, Hypertonie, Adipositas und Diabetes - seien weder von den Diagnosen als solchen noch von den konkret bestehenden Einschränkungen her so schwerwiegend, als dass leichte Tätigkeiten nicht mindestens sechsstündig noch möglich wären. Herr S. habe zwar festgestellt, dass der Diabetes mellitus des Klägers schlecht eingestellt sei, bei ausreichender Compliance sei dies jedoch einer Behandlung gut zugänglich und erheblich verbesserbar. Soweit die Bundesagentur für Arbeit im April 2013 davon ausgegangen sei, dass der Kläger weniger als drei Stunden täglich einsetzbar sei, habe sich diese Einschätzung nicht auf dauerhafte Erkrankungen, sondern auf aktuelle Arbeitsunfähigkeit bezogen. Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass beim Kläger erhebliche psychiatrische Erkrankungen vorlägen. Die behandelnden Allgemeinmediziner berichteten hierüber nichts, eine Facharztbehandlung finde nicht statt und der Kläger habe hierzu nichts vorgetragen. Da der Kläger eine weitere Begutachtung im Verwaltungsverfahren abgelehnt habe und zur gutachterlichen Untersuchung im sozialgerichtlichen Verfahren ohne Angabe von Gründen und ohne Entschuldigung nicht erschienen sei, habe sich die Kammer durch das Verhalten des Klägers daran gehindert gesehen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Eine objektiv nachgewiesene Erwerbsminderung lasse sich nicht feststellen. Der Kläger könne zwar seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Hausmeister nicht mehr ausüben, da diese Tätigkeit mit schwerer körperlicher Belastung einhergehe. Berufsunfähig sei jedoch nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit wenigstens sechs Stunden täglich ausüben könne. Der Kläger könne nur als ungelernter Arbeiter eingestuft werden und könne daher auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die am 02.12.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Die Gutachten des Jobcenters und ärztlichen Atteste und Schreiben seiner Ärzte seien nicht berücksichtigt worden. Ihm sei kein weiterer Termin für die Begutachtung gesendet worden, weshalb er auch keinen Termin habe wahrnehmen können. Das vorliegende Rentengutachten sei allein durch die ärztlichen Schreiben und das Gutachten des Jobcenters als fehlerhaft einzustufen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.11.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.06.2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen, die zu einer abweichenden Beurteilung des Sachverhalts führen könnten. Grundlegend neue medizinische Sachverhalte oder eine Leidensverschlimmerung würden nicht geltend gemacht.
Der Senat hat ein weiteres Sachverständigengutachten durch den Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. erstellen lassen. In dem Gutachten vom 02.04.2014 stellt Dr. S. folgende Gesundheitsstörungen fest: gering ausgeprägte, beinbetonte Polyneuropathie ohne motorische Ausfälle, emotional instabile Persönlichkeitszüge mit Impulsivität, Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung/Migrationsproblematik, medikamentös behandelter Diabetes mellitus, Adipositas und degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik. Leichte Tätigkeiten zu ebener Erde ohne Nachtschicht und Publikumsverkehr seien mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser in der am 18.06.2014 zugestellten Ladung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. N., das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ebener Erde ohne Nachtschicht und Publikumsverkehr mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche ausüben kann. Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung im Juni 2010 und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert.
Bei dem Kläger besteht zum Einen ein rezidivierendes LWS- und HWS-Syndrom. Lumboischialgien sind bereits seit dem Jahr 1998 dokumentiert, wie sich aus den MDK-Gutachten von Dr. C. und Frau L. ergibt sowie dem Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. S. über eine vom 30.04. bis 30.05.1998 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Für körperlich leichte Tätigkeiten ergibt sich hieraus jedoch keinerlei Einschränkung. Dies ergibt sich übereinstimmend aus sämtlichen vorliegenden medizinischen Unterlagen, eine relevante Verschlechterung der auf orthopädischem Gebiet liegenden Beschwerden ist nicht erkennbar. So hat sowohl der MDK-Gutachter Dr. C. 1998 und 1999 als auch der Rentengutachter Dr. R. (Gutachten vom 05.12.2001) jedenfalls leichte Tätigkeiten für vollschichtig zumutbar gehalten. Bei der Untersuchung durch Dr. N. im Januar 2011 war der klinische Befund im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sogar völlig unauffällig mit guter Beweglichkeit und ohne nennenswerte lokale Druckschmerzen und ohne Hinweise für eine Wurzelreizsymptomatik. Auch ansonsten bestanden keine auffälligen Befunde im Bereich des Bewegungsapparates. Auch bei der aktuellen Untersuchung durch den Gutachter Dr. S. im März 2014 fand sich keinerlei radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik.
Daneben besteht bei dem Kläger Hypertonie, Adipositas und seit 2009 ist ein Diabetes mellitus Typ IIb bekannt, der medikamentös behandelt wird. Auch hieraus folgt keinerlei Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Dies bestätigt der Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten ausdrücklich, ebenso der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. M., der den Diabetes mellitus im Vordergrund der Beschwerden sieht.
Gravierende Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen ebenfalls nicht vor. Der Senat stützt sich insoweit auf das überzeugende und in sich schlüssig und widerspruchsfreie Gutachten von Dr. S ... Danach liegt eine gering ausgeprägte beinbetonte Polyneuropathie ohne motorische Ausfälle vor, emotional instabile Persönlichkeitszüge mit Impulsivität sowie Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung/Migrationsproblematik. Die genannten Diagnosen bedingen lediglich insoweit Einschränkungen, als dass nur Tätigkeiten zur ebener Erde zumutbar sind sowie Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr und ohne Nachtschicht. Soweit Dr. B. vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur aufgrund einer psychophysischen Minderbelastbarkeit ein unter dreistündiges Leistungsvermögen angenommen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dr. B. hat im Vordergrund Stimmungsschwankungen mit depressiven Einbrüchen gesehen. Eine depressive Symptomatik konnte Dr. S. im Rahmen seiner Untersuchung jedoch ausschließen. Es zeigte sich bei der Untersuchung keinerlei Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmung, die Grundstimmung wirkte ausgeglichen, kognitive oder mnestische Defizite konnten nicht erhoben werden und das formale Denken war folgerichtig und nicht verlangsamt. Auch die behandelnden Hausärzte berichten bezogen auf den Zeitraum ab 2010 keinerlei depressive Symptomatik, auch eine nervenärztliche Behandlung fand in diesem Zeitraum nicht statt. In dem äußerst knappen Gutachten von Dr. B. (eine Seite) werden auch keinerlei Befunde genannt, die seine Beurteilung nachvollziehbar erscheinen ließen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.
Der Kläger kann leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch ausüben. Derartige leichte Tätigkeiten werden auch nicht üblicherweise in Nachtschicht oder auf Leitern oder Gerüsten ausgeübt, sodass die insoweit bestehenden Einschränkungen den Kreis möglicher Tätigkeiten nicht weiter begrenzen. Auch die Vermeidung von Publikumsverkehr engt die in Betracht kommenden Möglichkeiten für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wesentlich ein. Sein Restleistungsvermögen erlaubt dem Kläger ohne weiteres noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris).
Der Kläger ist auch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Gutachten von Dr. S ... Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1958 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeit auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit im Sinne des §240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten der jeweils nächst niedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).
Der Kläger hat in Marokko nur drei Schulklassen besucht und keinen Beruf erlernt. Er war als Bauarbeiter und zuletzt als Hausmeister versicherungspflichtig beschäftigt. Da es sich um eine ungelernte Tätigkeit handelt, kann der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Derartige leichte Tätigkeiten kann der Kläger, wie bereits ausgeführt, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere das vorliegende Gutachten von Dr. S. hat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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