Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 5856/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 231/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16.12.2014 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH). In der Hauptsache begehrt sie die vollständige Kostenübernahme für implantologische Leistungen.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme von Kosten für implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion im Bereich des Ober- und Unterkiefers (Heil- und Kostenplan vom 22.01.2013 Dr. S.). Mit Bescheid vom 11.04.2013 bewilligte die Beklagte hierfür einen doppelten Festzuschuss iHv 1.990,10 EUR. Mit Bescheiden vom 14.01.2013 und 21.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2013 lehnte sie die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten ab. Eine Kostenübernahme für implantologische Leistungen komme nur in Betracht, wenn eine Ausnahmeindikation entsprechend der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliege. Dies sei hier nicht der Fall.
Hiergegen richtet sich die am 27.12.2013 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage, für welche die Klägerin die Gewährung von PKH begehrt. Bei ihr liege aufgrund der multiplen Allergien ganz klar eine Ausnahmesituation vor. Der Heil- und Kostenplan vom 22.01.2013 sei "verfallen", aktuell sei der Heil- und Kostenplan vom 23.06.2013 von Dr. S ... Sie habe am 04.12.2012 eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, die Wartezeit habe am 04.03.2013 geendet. Die Klägerin fragt an, ob die Klage vom 27.12.2013 auf den aktuellen Heil- und Kostenplan umbenannt und mit einem neuen Aktenzeichen versehen werden könne, damit die Rechtsschutz Deckungszusage Gültigkeit behalte.
Der von der Klägerin Ende Juni 2014 bei der Beklagten eingereichte Heil- und Kostenplan (HKP) des behandelnden Zahnarztes Dr. S. vom 23.06.2013 betraf eine prothetische Zahnversorgung im Bereich des Oberkiefers. Abzüglich eines Festzuschusses iHv 868,96 EUR werde der Eigenanteil der Klägerin hiernach voraussichtlich 3.859,67 EUR betragen. Der HKP enthielt außerdem folgenden Passus: "Die Kosten für eine dem Befund entsprechende Regelversorgung liegen voraussichtlich in Höhe des doppelten Festzuschusses." Der doppelte Festzuschuss wurde dabei mit 1.737,92 EUR beziffert. Mit Bescheid vom 21.07.2014 bewilligte die Beklagte unter Anwendung der Härtefallregelung den doppelten Festzuschuss iHv 1.737,92 EUR. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, über den die Beklagte nicht entschieden hat. Sie hat der Klägerin mit Schreiben vom 19.11.2014 mitgeteilt, der Widerspruch werde in das Verfahren S 5 KR 5856/13 "integriert". Die Mehrkostenübernahme sei Bestandteil des laufenden Verfahrens, so dass aus ihrer Sicht das Widerspruchsverfahren obsolet sei.
Mit Beschluss vom 16.12.2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. In den Zahnersatz-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) seien die Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle verbindlich geregelt worden, in welchen Versicherte ausnahmsweise einen Anspruch auf die grundsätzlich nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehörenden Leistungen der Implantologie haben können. Bei der Klägerin liege keine der Ausnahmeindikationen vor; das Vorliegen einer Allergie gegen Metalle gehöre nicht dazu.
Hiergegen richtet sich die am 12.01.2014 beim SG eingelegte Beschwerde. Bei der Klägerin sei eine Kostenerstattung nach dem Regelsatz nicht ausreichend und aufgrund der spezifischen komplexen Gemengelage eine Gesamtkostenerstattung gerechtfertigt. Es lägen multiple Allergien vor, nicht nur gegen Metall. Sie müsse froh sein, wenn es überhaupt einen für sie verträglichen Zahnersatz gebe. Die Teilnahme am öffentlichen Leben sei ihr nicht mehr möglich. Zur Wiederherstellung des Kauorgans werde daher auch auf das Grundgesetz verwiesen. Zahnlosigkeit sei eine große Belastung. Ergänzend hat die Klägerin weitere ärztliche Berichte vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 172 SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren vor dem SG keinen Anspruch auf PKH.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Bundesverfassungsgericht 04.02.1997, 1 BvR 391/93 NJW 1997, 2102, 2103).
Unter Beachtung der oben genannten Grundsätze hat die Rechtsverfolgung der Klägerin vor dem SG keine hinreichende Erfolgsaussicht. Offen bleiben kann dabei im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, ob sich die Klage noch gegen den Bescheid vom 14.01. und 21.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2013 (betreffend HKP vom 22.01.2013) richtet, oder sich dieser Streitpunkt – wofür einiges spricht – erledigt hat und ob der Bescheid vom 21.07.2014 (HKP vom 23.06.2013) überhaupt nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Denn in keinem Fall hat die Klägerin Anspruch auf die den doppelten Festzuschuss übersteigenden Kosten.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung ua die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Die zahnärztliche Behandlung beinhaltet nach § 28 Abs 2 SGB V die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Implantologische Leistungen schließt § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V von der zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich aus. Umgekehrt soll durch die Regelung aber auch sichergestellt werden, dass Versicherte in zwingend notwendigen Ausnahmefällen mit Implantaten versorgt werden (BT-Drs 13/7264, S 59). Versicherte haben in seltenen, vom GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 SGB V festzulegenden Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle Anspruch auf implantologische Leistungen, wenn sie einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung als Sachleistung zu erbringen sind.
Nach der auf dieser Grundlage erlassenen Richtlinie des GBA für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie vom 04.06./24.09.2003, Bundesanzeiger Nr 226 vom 03.12.2003, Seite 24966, zuletzt geändert durch Beschluss vom 01.03.2006, Bundesanzeiger Nr 111 vom 17.06.2006, Seite 4466) liegen gemäß B VII Nr 2 Satz 4 besonders schwere Fälle vor: a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache - in Tumoroperationen, - in Entzündungen des Kiefers, - in Operationen infolge von großen Zysten (zB große follikuläre Zysten oder Keratozysten), - in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt, - in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien) oder - in Unfällen haben, b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumor- behandlung c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichts- bereich (zB Spastiken).
Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann (B VII Nr 2 Satz 2), wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. In den Fällen von Satz 4 Buchstaben a) bis c) gilt dies nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist (B VII Nr 2 Satz 3).
Implantologische Leistungen, die der Abstützung von Zahnersatz dienen sollen, sind "im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung" als Sachleistung zu erbringen, wenn sie notwendiger Teil einer medizinischen Gesamtbehandlung sind. Eine solche medizinische Gesamtbehandlung muss sich aus verschiedenen, nämlich aus human- und zahnmedizinisch notwendigen Bestandteilen zusammensetzen, ohne sich in einem dieser Teile zu erschöpfen. Nicht die bloße Wiederherstellung der Kaufunktion im Rahmen eines zahnärztlichen Konzepts, sondern ein darüber hinausgehendes medizinisches Gesamtziel muss der Behandlung ihr Gepräge geben. Das folgt aus dem Wortlaut der Regelung des § 28 Abs 2 Satz 9 Hs 2 SGB V (BSG 07.05.2013, B 1 KR 19/12 R, SozR 4-2500 § 28 Nr 6).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist schon eine Ausnahmeindikation bei der Klägerin nicht gegeben. Keiner der in der Behandlungsrichtlinie genannten Ausnahmefälle liegt hier vor. Multiple Allergien gehören nicht zu den besonders schweren Fällen, in denen eine Versorgung mit Implantaten ausnahmsweise als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung indiziert ist. Auf die Frage, ob die Implantatversorgung aus anderen Gründen medizinisch notwendig ist, kommt es nicht an. Denn die Gerichte sind nicht befugt, den Richtlinienkatalog zu erweitern. Die in den Zahnbehandlungsrichtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen sind aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng zu interpretieren und lassen eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zu (BSG 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R, SozR 4-2500 § 28 Nr 7; LSG Baden-Württemberg 18.06.2013, L 11 KR 4956/11, juris; LSG Hessen 02.07.2009, L 1 KR 197/07; juris; LSG Nordrhein-Westfalen 10.10.2007, L 11 KR 87/06, juris).
Da die Beklagte vorliegend die Festbetragszuschüsse in doppelter Höhe bewilligt hat, scheidet ein weitergehender Anspruch der Klägerin aus (st Senatsrechtsprechung; zuletzt Urteile vom 16.12.2014, L 11 KR 35326/11 und 24.02.2015, L 11 KR 3693/14).
Die Ablehnung der Implantatversorgung verletzt die Klägerin schließlich auch nicht in ihren Grundrechten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 13.07.2004, B 1 KR 37/02 R, juris; BSG 05.10.2005, B 1 KR 42/05 B, juris, bestätigt durch BVerfG vom 09.01.2006, 1 BvR 2344/05 und 23.05.2007, B 1 KR 27/07 B), welcher der Senat folgt, verstoßen die gesetzliche Regelung des § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V und die darauf beruhenden Richtlinien selbst dann nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wenn Implantate als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht kommen. Denn dem Grundgesetz ist ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang nicht zu entnehmen. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der Bestimmungen des Krankenversicherungsrechts (vgl BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, juris) bzw § 2 Abs 1 a SGB V. Eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts kommt zwar nicht nur bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21, 29 mwN), sondern auch bei wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungen in Betracht (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN). Selbst drohende Zahnlosigkeit erreicht indes keinen vergleichbaren Schweregrad (BSG 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R, juris).
Da hiernach jedoch keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen, ist die Ablehnung der PKH durch das SG nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH). In der Hauptsache begehrt sie die vollständige Kostenübernahme für implantologische Leistungen.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme von Kosten für implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion im Bereich des Ober- und Unterkiefers (Heil- und Kostenplan vom 22.01.2013 Dr. S.). Mit Bescheid vom 11.04.2013 bewilligte die Beklagte hierfür einen doppelten Festzuschuss iHv 1.990,10 EUR. Mit Bescheiden vom 14.01.2013 und 21.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2013 lehnte sie die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten ab. Eine Kostenübernahme für implantologische Leistungen komme nur in Betracht, wenn eine Ausnahmeindikation entsprechend der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliege. Dies sei hier nicht der Fall.
Hiergegen richtet sich die am 27.12.2013 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage, für welche die Klägerin die Gewährung von PKH begehrt. Bei ihr liege aufgrund der multiplen Allergien ganz klar eine Ausnahmesituation vor. Der Heil- und Kostenplan vom 22.01.2013 sei "verfallen", aktuell sei der Heil- und Kostenplan vom 23.06.2013 von Dr. S ... Sie habe am 04.12.2012 eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, die Wartezeit habe am 04.03.2013 geendet. Die Klägerin fragt an, ob die Klage vom 27.12.2013 auf den aktuellen Heil- und Kostenplan umbenannt und mit einem neuen Aktenzeichen versehen werden könne, damit die Rechtsschutz Deckungszusage Gültigkeit behalte.
Der von der Klägerin Ende Juni 2014 bei der Beklagten eingereichte Heil- und Kostenplan (HKP) des behandelnden Zahnarztes Dr. S. vom 23.06.2013 betraf eine prothetische Zahnversorgung im Bereich des Oberkiefers. Abzüglich eines Festzuschusses iHv 868,96 EUR werde der Eigenanteil der Klägerin hiernach voraussichtlich 3.859,67 EUR betragen. Der HKP enthielt außerdem folgenden Passus: "Die Kosten für eine dem Befund entsprechende Regelversorgung liegen voraussichtlich in Höhe des doppelten Festzuschusses." Der doppelte Festzuschuss wurde dabei mit 1.737,92 EUR beziffert. Mit Bescheid vom 21.07.2014 bewilligte die Beklagte unter Anwendung der Härtefallregelung den doppelten Festzuschuss iHv 1.737,92 EUR. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, über den die Beklagte nicht entschieden hat. Sie hat der Klägerin mit Schreiben vom 19.11.2014 mitgeteilt, der Widerspruch werde in das Verfahren S 5 KR 5856/13 "integriert". Die Mehrkostenübernahme sei Bestandteil des laufenden Verfahrens, so dass aus ihrer Sicht das Widerspruchsverfahren obsolet sei.
Mit Beschluss vom 16.12.2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. In den Zahnersatz-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) seien die Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle verbindlich geregelt worden, in welchen Versicherte ausnahmsweise einen Anspruch auf die grundsätzlich nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehörenden Leistungen der Implantologie haben können. Bei der Klägerin liege keine der Ausnahmeindikationen vor; das Vorliegen einer Allergie gegen Metalle gehöre nicht dazu.
Hiergegen richtet sich die am 12.01.2014 beim SG eingelegte Beschwerde. Bei der Klägerin sei eine Kostenerstattung nach dem Regelsatz nicht ausreichend und aufgrund der spezifischen komplexen Gemengelage eine Gesamtkostenerstattung gerechtfertigt. Es lägen multiple Allergien vor, nicht nur gegen Metall. Sie müsse froh sein, wenn es überhaupt einen für sie verträglichen Zahnersatz gebe. Die Teilnahme am öffentlichen Leben sei ihr nicht mehr möglich. Zur Wiederherstellung des Kauorgans werde daher auch auf das Grundgesetz verwiesen. Zahnlosigkeit sei eine große Belastung. Ergänzend hat die Klägerin weitere ärztliche Berichte vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 172 SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren vor dem SG keinen Anspruch auf PKH.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Bundesverfassungsgericht 04.02.1997, 1 BvR 391/93 NJW 1997, 2102, 2103).
Unter Beachtung der oben genannten Grundsätze hat die Rechtsverfolgung der Klägerin vor dem SG keine hinreichende Erfolgsaussicht. Offen bleiben kann dabei im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, ob sich die Klage noch gegen den Bescheid vom 14.01. und 21.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2013 (betreffend HKP vom 22.01.2013) richtet, oder sich dieser Streitpunkt – wofür einiges spricht – erledigt hat und ob der Bescheid vom 21.07.2014 (HKP vom 23.06.2013) überhaupt nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Denn in keinem Fall hat die Klägerin Anspruch auf die den doppelten Festzuschuss übersteigenden Kosten.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung ua die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Die zahnärztliche Behandlung beinhaltet nach § 28 Abs 2 SGB V die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Implantologische Leistungen schließt § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V von der zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich aus. Umgekehrt soll durch die Regelung aber auch sichergestellt werden, dass Versicherte in zwingend notwendigen Ausnahmefällen mit Implantaten versorgt werden (BT-Drs 13/7264, S 59). Versicherte haben in seltenen, vom GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 SGB V festzulegenden Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle Anspruch auf implantologische Leistungen, wenn sie einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung als Sachleistung zu erbringen sind.
Nach der auf dieser Grundlage erlassenen Richtlinie des GBA für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie vom 04.06./24.09.2003, Bundesanzeiger Nr 226 vom 03.12.2003, Seite 24966, zuletzt geändert durch Beschluss vom 01.03.2006, Bundesanzeiger Nr 111 vom 17.06.2006, Seite 4466) liegen gemäß B VII Nr 2 Satz 4 besonders schwere Fälle vor: a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache - in Tumoroperationen, - in Entzündungen des Kiefers, - in Operationen infolge von großen Zysten (zB große follikuläre Zysten oder Keratozysten), - in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt, - in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien) oder - in Unfällen haben, b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumor- behandlung c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichts- bereich (zB Spastiken).
Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann (B VII Nr 2 Satz 2), wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. In den Fällen von Satz 4 Buchstaben a) bis c) gilt dies nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist (B VII Nr 2 Satz 3).
Implantologische Leistungen, die der Abstützung von Zahnersatz dienen sollen, sind "im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung" als Sachleistung zu erbringen, wenn sie notwendiger Teil einer medizinischen Gesamtbehandlung sind. Eine solche medizinische Gesamtbehandlung muss sich aus verschiedenen, nämlich aus human- und zahnmedizinisch notwendigen Bestandteilen zusammensetzen, ohne sich in einem dieser Teile zu erschöpfen. Nicht die bloße Wiederherstellung der Kaufunktion im Rahmen eines zahnärztlichen Konzepts, sondern ein darüber hinausgehendes medizinisches Gesamtziel muss der Behandlung ihr Gepräge geben. Das folgt aus dem Wortlaut der Regelung des § 28 Abs 2 Satz 9 Hs 2 SGB V (BSG 07.05.2013, B 1 KR 19/12 R, SozR 4-2500 § 28 Nr 6).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist schon eine Ausnahmeindikation bei der Klägerin nicht gegeben. Keiner der in der Behandlungsrichtlinie genannten Ausnahmefälle liegt hier vor. Multiple Allergien gehören nicht zu den besonders schweren Fällen, in denen eine Versorgung mit Implantaten ausnahmsweise als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung indiziert ist. Auf die Frage, ob die Implantatversorgung aus anderen Gründen medizinisch notwendig ist, kommt es nicht an. Denn die Gerichte sind nicht befugt, den Richtlinienkatalog zu erweitern. Die in den Zahnbehandlungsrichtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen sind aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng zu interpretieren und lassen eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zu (BSG 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R, SozR 4-2500 § 28 Nr 7; LSG Baden-Württemberg 18.06.2013, L 11 KR 4956/11, juris; LSG Hessen 02.07.2009, L 1 KR 197/07; juris; LSG Nordrhein-Westfalen 10.10.2007, L 11 KR 87/06, juris).
Da die Beklagte vorliegend die Festbetragszuschüsse in doppelter Höhe bewilligt hat, scheidet ein weitergehender Anspruch der Klägerin aus (st Senatsrechtsprechung; zuletzt Urteile vom 16.12.2014, L 11 KR 35326/11 und 24.02.2015, L 11 KR 3693/14).
Die Ablehnung der Implantatversorgung verletzt die Klägerin schließlich auch nicht in ihren Grundrechten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 13.07.2004, B 1 KR 37/02 R, juris; BSG 05.10.2005, B 1 KR 42/05 B, juris, bestätigt durch BVerfG vom 09.01.2006, 1 BvR 2344/05 und 23.05.2007, B 1 KR 27/07 B), welcher der Senat folgt, verstoßen die gesetzliche Regelung des § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V und die darauf beruhenden Richtlinien selbst dann nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wenn Implantate als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht kommen. Denn dem Grundgesetz ist ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang nicht zu entnehmen. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der Bestimmungen des Krankenversicherungsrechts (vgl BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, juris) bzw § 2 Abs 1 a SGB V. Eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts kommt zwar nicht nur bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21, 29 mwN), sondern auch bei wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankungen in Betracht (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN). Selbst drohende Zahnlosigkeit erreicht indes keinen vergleichbaren Schweregrad (BSG 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R, juris).
Da hiernach jedoch keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen, ist die Ablehnung der PKH durch das SG nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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