L 10 U 237/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 4515/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 237/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 07.12.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente.

Der am 1949 geborene Kläger arbeitete bis zu seiner Übersiedlung in das Bundesgebiet im Januar 1990 als Fernmeldemechaniker und Ingenieur für volkseigene Betriebe (VEB) der DDR. Wegen der Folgen eines am 11.07.1985 in B. (C.) und eines am 07.02.1986 auf einer Baustelle in S./B. eingetretenen Arbeitsunfalls bewilligte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) als ausführende Stelle der Sozialversicherung der DDR dem Kläger mit Bescheid vom 22.08.1988 eine Unfallrente mit einem anerkannten Körperschaden von 40 v.H.

Mit Bescheid vom 26.10.1992 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig einheitlich Beklagte) unter Hinweis auf § 1150 Reichsversicherungsordnung (RVO) dem Kläger ab dem 01.01.1992 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. auf Grund der anerkannten Arbeitsunfälle. In einem Wiedererkrankungsbericht des Durchgangsarztes Dr. S. vom August 1997 berichtete dieser von einer Vorsprache des Klägers am 07.08.1997 wegen fast vollständig schmerzbedingt aufgehobener Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule bei posttraumatischer Osteochondrose im Lendenkreuzbeinübergang; dies sei unmittelbare Folge des als Unfall anerkannten Bandscheibenschadens. Von Oktober 1997 bis Februar 1999 gewährte daraufhin die Krankenkasse des Klägers diesem im Auftrag der Beklagten Verletztengeld, da die Arbeitsunfähigkeit während dieses Zeitraums allein unfallbedingt sei. Nach erfolglos gebliebenem Verwaltungsverfahren wegen Bewilligung einer höheren Verletz¬tenrente infolge einer Verschlimmerung verurteilte das Sozialgericht Ulm mit Urteil vom 02.02.2001 die Beklagte zur Gewährung einer höheren Verletztenrente mit einer MdE von 50 v.H. auf Grund einer wesentlichen Verschlimmerung der Gesundheitsfolgen bei den bereits anerkannten Arbeitsunfällen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Klägers in der ehemaligen DDR (S 10 U 19/00). Die Beklagte nahm die hiergegen eingelegte Berufung wieder zurück und anerkannte, dass "dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 50% seit dem 01.08.1998" zustehe (Schreiben vom 28.10.2002, Bl. 603 VA). Mit Bescheid vom 16.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2003 führte die Beklagte dann ihr Anerkenntnis aus und gewährte Rente nach einer MdE von 50 v.H. ab 01.08.1998. Der Kläger erhob hiergegen Klage und machte geltend, zum einen habe das Sozialgericht Ulm die Beklagte verurteilt, Rente bereits ab Antragstellung, also ab dem 07.08.1997 zu zahlen. Zum anderen sei auch die Berechnungsgrundlage des Bescheides falsch. Im Rahmen des Vorverfahrens wurde dann seitens des Klägers die Höhe des der zu gewährenden Verletztenrente zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV) thematisiert. In der mündlichen Verhandlung am 18.08.2013 hat der Kläger dann beantragt, die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente bereits ab 07.08.1997 zu verurteilen und ausdrücklich klargestellt, dass die Höhe der von der Beklagten zu gewährenden Verletztenrente nicht streitbefangen sei. Das Sozialgericht Ulm hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2013 dann die Beklagte entsprechend deren Anerkenntnis verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 16.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2002 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. ab 07.08.1997 zu gewähren (S 2 U 124/03).

Mit Bescheid vom 16.09.2003 gewährte die Beklagte daraufhin dem Kläger (auch) für den Zeitraum vom 07.08.1997 bis 31.07.1998 eine Rente nach einer MdE von 50 v.H. (und monatlich 489,42 EUR bzw. ab 01.07.98 491,72 EUR). Hiergegen legte der Kläger am 24.09.2003 Widerspruch ein und begründete diesen damit, seiner Verletztenrente sei der Verdienst der letzten zwölf Monate vor seiner Wiedererkrankung zugrunde zu legen. Die zugleich gegen die Entscheidung des Sozialgericht Ulm vom 18.08.2003 eingelegte Berufung nahm der Kläger auf richterlichen Hinweis, wonach der in der Berufung nunmehr geltend gemachte höhere JAV nicht streitgegenständlich gewesen sei, zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.09.2003 zurück. Im Falle des Klägers berechne sich der JAV nicht nach den §§ 570 ff. RVO bzw. §§ 80 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), sondern nach § 215 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 1152 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO. Darin habe der Gesetzgeber für alle Versicherungsfälle, welche vor dem 01.01.1992 eingetreten sind und für die ein Rentenanspruch bereits vor dem 01.07.1990 bestand, den JAV ab 01.07.1990 mit 13.680,- DM festgesetzt. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger vor. Eine Neuberechnung des JAV nach dem Verdienst in den zwölf Kalendermonaten vor der Wiedererkrankung ab 08.08.1997 sei unzulässig und verstoße gegen das Gesetz.

Hiergegen hat der Kläger am 27.12.2010 (dem ersten Werktag nach den zwei gesetzlichen Feiertagen 25. und 26.12.2010) Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben. § 215 Abs. 2 SGB VII sei vorliegend schon nicht anwendbar, da er seine Arbeitsunfälle in Staaten, die nicht zu dem von Art. 3 des Einigungsvertrags erfassten Gebiet gehörten, erlitten habe. Außerdem beruhe die ab dem 07.08.1997 beginnende Verletztenrente auf einer ärztlicherseits bescheinigten Wiedererkrankung, die erst nach dem 01.01.1992 eingetreten sei. Auch übersehe die Beklagte die spezielle Regelung in § 1152 Abs. 3 RVO, wonach § 574 RVO auch für Arbeitsunfälle, die vor dem 01.01.1992 eingetreten sind, Geltung besitze, wenn der Verletzte nach dem 31.12.1991 an den Unfallfolgen wieder erkranke. Zwar betreffe diese Vorschrift nach dem reinen Gesetzestext das Verletztengeld. Sie sei aber im Wege der einzig sinnvollen Gesetzesauslegung auch auf die Verletztenrente zu erstrecken. Anderenfalls würde auch gänzlich außer Acht gelassen, dass der Kläger bis zum Eintritt seiner Wiedererkrankung sieben Jahre in der "alten" Bundesrepublik gearbeitet habe und entsprechendes Einkommen bezogen habe. Zumindest aber die Anhebung der MdE von 40 v.H. aus DDR-Zeiten auf 50 v.H. entsprechend dem Urteil des SG Ulm vom 18.08.2003, d.h. ein Anteil der Verletztenrente in Höhe von 10 v.H., sei nach dem JAV zu berechnen, welchen er unmittelbar vor seiner Wiedererkrankung erzielt habe.

Das Sozialgericht Ulm hat mit Urteil vom 07.12.2012 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe sich bei der Berechnung des JAV zu Recht auf § 215 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 1152 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO gestützt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger die Arbeitsunfälle nicht in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets (künftig Beitrittsgebiet) erlitten habe. Entscheidend sei nicht der Unfallort, sondern ob der Versicherte bei einem zuvor in der ehemaligen DDR zuständigen Unfallversicherungsträger versichert und der Unfall nach DDR-Recht als Arbeitsunfall anerkannt gewesen sei. Dies ergebe sich aus § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO, welcher eine gesetzliche Fiktion enthalte, wonach Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach DDR-Recht unter den dort genannten Voraussetzungen als solche im Sinne der RVO gälten. Entscheidend sei deshalb einzig und allein, ob ein vor dem 01.01.1992 eingetretenes Ereignis nach DDR-Recht ein Versicherungsfall gewesen sei, auf den Unfallort komme es nicht an. Dem stehe auch nicht der Wortlaut des § 215 Abs. 2 SGB VII entgegen. Diese Vorschrift regle gerade nicht, dass der Versicherungsfall im Gebiet der DDR stattgefunden haben müsse. Mit Eintritt sei vielmehr dessen Anerkennung durch die DDR gemeint. Auch der Hinweis auf § 1152 Abs. 3 RVO verfange nicht. Zum einen beziehe sich § 215 Abs. 2 SGB VII ausschließlich auf § 1152 Abs. 2 RVO und gerade nicht auf dessen Abs. 3. Im Übrigen regele Letzterer ausschließlich die Gewährung von Verletztengeld und nicht, wie hier streitig, die Gewährung von Verletztenrente. Darüber hinaus stehe auch Sinn und Zweck der Vorschrift einer Anwendung entgegen. Mit der Gewährung von Verletztengeld solle nämlich der aktuelle Einkommensverlust während der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (teilweise) ausgeglichen werden. Die Verletztenrente sei hingegen in der Regel auf Dauer angelegt und orientierte sich insbesondere an der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Unerheblich sei des Weiteren, ob es sich um eine Wiedererkrankung handle, die nach dem 01.01.1992 eingetreten sei, maßgeblich sei allein, dass der Unfall vor dem 01.01.1992 eingetreten sei, wie sich eindeutig aus § 1150 Abs. 2 RVO und § 1152 Abs. 2 RVO ergeben würde. Auch letztere Bestimmung stelle allein darauf ab, ob der Arbeitsunfall vor dem Stichtag eingetreten sei; ob sich nach diesem Stichtag eine Wiedererkrankung eingestellt oder sich die Unfallfolgen im Wesentlichen verschlimmert hätten, sei dagegen unerheblich. Eine abweichende Beurteilung käme auch nicht im Hinblick auf die Verschlechterung um 10 v.H. in Betracht. Im Rahmen des § 48 SGB X zu berücksichtigende Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen bedingten keine Abkehr von den anzuwendenden Rechtsgrundlagen.

Gegen das dem Kläger am 15.12.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 14.01.2013 Berufung eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen vertieft. Dem Gesetzestext des § 215 Abs. 2 SGB VII lasse sich klar entnehmen, dass der Gesetzgeber hier von Versicherungsfällen ausgegangen sei, die sich in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet ereignet hätten. Das Wort "Eintritt" könne mit dem Wort "Anerkennung" nicht gleichgesetzt werden. Auch liege die Vermutung nahe, dass in § 215 Abs. 2 SGB VII der gebotene Hinweis auf Abs. 3 des § 1152 RVO schlicht übersehen worden ist. Entscheidend sei jedoch, dass das Sozialgericht verkannt habe, dass in seinem Fall unzweifelhaft eine Wiedererkrankung vorliege, welche erst nach dem 01.01.1992 eingetreten sei. Zwar werde in § 574 RVO nur das Verletztengeld namentlich genannt; dennoch müsste der für eine vorübergehende Geldleistung (Verletztengeld) maßgebliche JAV erst recht für eine Dauer-Geldleistung (Verletztenrente) maßgeblich sein. Es sei einzig und allein maßgebend, dass mit der Wiedererkrankung ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei, für den die Verhältnisse der letzten zwölf Monate vor dem Eintritt maßgeblich sein müssten. Im Übrigen müssten auf jeden Fall für die 10 %ige Anhebung der MdE durch das Sozialgericht Ulm im Jahr 2003 auf einen aktuellen JAV abgestellt werden. Soweit der Senat davon ausgehe, die Klage sei unzulässig, soweit über den 31.07.1998 hinaus höhere Verletztenrente begehrt werde, könne man sich dieser Einschätzung nicht anschließen. So habe die Beklagte im Ausführungsbescheid vom 16.09.2003 ausdrücklich vermerkt, dass es sich um eine Rente auf unbestimmte Zeit handle. Soweit eine Gewährung nur für die Zeiträume bis zum 31.07.1998 erfolgt sei, widerspreche dies den Vorgaben im Urteil vom 18.08.2003, wonach dem Kläger eine Verletztenrente ab dem 07.08.1997 und nicht befristet zu gewähren sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 07.12.2012 und unter Abänderung des Bescheides vom 16.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2010 die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 07.08.1997 höhere Verletztenrente unter Berücksichtigung eines Jahresarbeitsverdienstes auf Grund seines Arbeitsentgelts aus den zwölf Kalendermonaten vor dem 08.08.1997 zu zahlen, hilfsweise zumindest bezüglich der 10 %igen Anhebung der MdE von 40 auf 50 v.H. ab 07.08.1997 höhere Verletztenrente unter Berücksichtigung eines Jahresarbeitsverdienstes auf Grund seines Arbeitsentgelts aus den zwölf Kalendermonaten vor dem 08.08.1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts Ulm sowie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Klage, gerichtet auf höhere Verletztenrente auf Grund eines höheren JAV ist bereits unzulässig, soweit höhere Leistungen über den 31.07.1998 hinaus begehrt werden. Denn es fehlt insoweit an einer dementsprechenden Entscheidung der Beklagten, gegen den sich die grundsätzlich statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zulässiger Weise richten könnte. Eine anfechtbare Entscheidung der Beklagten über die Höhe der zu gewährenden Verletztenrente über den 31.07.1998 hinaus liegt nicht vor.

Im angefochtenen Bescheid vom 16.09.2003 entschied die Beklagte explizit nur über den Zeitraum vom 07.08.1997 bis 31.07.1998. Hieran vermag auch die Formulierung, es handle sich um eine Rente auf unbestimmte Zeit im Sinne des § 62 Abs. 2 SGB VII, nichts zu ändern. So wird im Tenor die - von der Beklagten in Vollzug des Anerkenntnisurteils vom 18.08.2003 getroffene - Regelung über einen MdE von 50 v.H. bereits ab 07.08.1997 ausdrücklich auf den Zeitraum bis 31.07.1998 begrenzt. Auch umfasst die in der Begründung des angefochtenen Bescheids dargestellte Berechnung wiederum nur den Zeitraum vom 07.08.1997 bis 31.07.1998 und weist als noch zu zahlende Leistung (nur) den für diesen Zeitraum angefallenen Rentenbetrag aus.

Zwar traf die Beklagte im Bescheid vom 16.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2003 eine Regelung über die Höhe der Verletztenrente ab 01.08.1998. Soweit der Kläger mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage - neben der Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 50 bereits ab 07.08.1997 - zunächst durchgehend eine höhere Verletztenrente auf Grund eines höheren JAV begehrte, hielt er an diesem Begehren ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18.08.2003 nicht mehr fest. Damit nahm der Kläger die Klage, soweit sie sich gegen die im Bescheid vom 16.12.2002 geregelte Höhe der Verletztenrente ab 01.08.1998 bis auf Weiteres richtete, zurück. Der Kläger kann seine Klage bereits wegen Verstreichens der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG deshalb nicht mehr mit Erfolg gegen diesen Bescheid richten. Dieser erwuchs in Bestandskraft (§ 77 SGG) und wurde damit unanfechtbar (BSG, Urteil vom 26.06.2014, B 2 U 12/13 R). Damit ist auch die Leistungsklage unzulässig. Denn deren Zulässigkeit setzt voraus, dass der Kläger behauptet, dass er einen Anspruch auf die geltend gemachte Leistung - hier eine höheren Rentenanspruch auch über den 01.08.1998 - hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 54 Rdnr. 39). Indessen kann der Kläger eine derartige Behauptung hier nicht aufstellen. Denn mit der Bestandskraft der Regelung über die Rentenhöhe im Bescheid vom 16.12.2002 steht zwischen den Beteiligten und für die Gerichte verbindlich fest, dass für den dort geregelten Zeitraum kein höherer Rentenanspruch besteht. Die unzulässige Anfechtungsklage zieht gleichsam die Unzulässigkeit der Leistungsklage nach sich (vgl. BSG Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R).

Soweit die Klage dagegen den Zeitraum vom 07.08.1997 bis 31.07.1998 betrifft, ist sie zulässig. Zwar liegt keine anfechtbare Regelung vor, soweit die Behörde lediglich ein Urteil ausführt. Dies ist hier der Fall, soweit eine Regelung über die Höhe der MdE von 50 v.H. getroffen wird. Im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid erfolgte Festlegung des JAV in Höhe von 17.619,03 EUR ab 07.08.1997 liegt indes keine bloße Ausführung des Urteils, sondern eine eigenständige und isoliert anfechtbare Regelung vor, so dass die Klage insoweit zulässig ist.

Die Klage bleibt indes auch in diesem Umfang ohne Erfolg, da sie unbegründet ist. Das Sozialgericht Ulm hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die maßgeblichen Rechtsvorschriften für die Ermittlung des hier maßgeblichen JAV dargelegt und zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein höherer Rentenanspruch zukommt, weil die Beklagte zutreffend von der Anwendung des in § 1152 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO geregelten JAV ausging und auch sonst keine Berechnungsfehler vorliegen. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gerechtfertigt. Der Kläger erlitt die beiden Arbeitsunfälle 1985 und 1986, also vor dem 01.01.1992 und besaß derentwegen einen Rentenanspruch vor dem 01.07.1990 - nämlich ab 21.10.1985 (so der Rentenbescheid aus 1988), womit sämtliche Voraussetzungen des § 1152 Abs. 2 Satz 1 RVO in der bis zum 31.12.1996 anzuwendenden Fassung erfüllt sind. Soweit der Kläger neuerlich geltend macht, der Wortlaut des § 215 Abs. 2 SGB VII lasse keine Erstreckung auf die bei ihm vorliegenden Arbeitsunfälle, die sich außerhalb des Beitrittsgebiets ereignet haben, zu, hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass für die Anwendung des § 215 Abs. 2 SGB VII wie für den § 215 SGB VII überhaupt, maßgeblich ist, ob ein Versicherungsfall dem Beitrittsgebiet zuzurechnen ist (vgl. Köhler in: Hauck/Noftz, SGB, 02/15, § 215 SGB VII, Rdnr. 3). Dies beurteilt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 3 ff. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Indes kann § 215 Abs. 2 SGB VII nur im Zusammenhang mit den §§ 1150, 1152 RVO gesehen werden. So ordnet § 215 Abs. 2 SGB VII die weitere Anwendung des § 1152 Abs. 2 RVO an. § 1152 Abs. 2 RVO wiederum steht in engem systematischen Zusammenhang mit § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO, in welchem der in § 1152 Abs. 2 Satz 1 RVO verwendete Begriff "Arbeitsunfall" legaldefiniert wird. § 1150 Abs. 2 RVO fordert indes (nur), dass es sich um Arbeitsunfälle "nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht" handelt. Wie bereits das Sozialgericht Ulm zutreffend ausgeführt hat, ist damit entscheidendes Kriterium für die Anwendung des § 215 Abs. 2 SGB VII, dass es sich um nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht anzuerkennende Arbeitsunfälle handelt, ungeachtet dessen, ob sich diese im Beitrittsgebiet ereignet haben. Im vorliegenden Falle wurden die Arbeitsunfälle durch eine (fortbestehende) Entscheidung der zuständigen DDR-Behörde nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht anerkannt. Damit ergibt sich die Zuordnung zum Beitrittsgebiet im Sinne des § 215 Abs. 2 SGB VII unmittelbar aus der weitergeltenden Entscheidung.

Dass es ungeachtet der Formulierung "in dem genannten Gebiet" in § 215 Abs. 2 SGB VII maßgeblich auf die Zuordnung zum Beitrittsgebiet ankommt, ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 215 Abs. 2 SGB VII. Danach sollen für die dort genannten Altfälle, nämlich die Arbeitsunfälle nach § 1150 RVO, die Vorschriften des SGB VII über den Jahresarbeitsverdienst (§§ 81 bis 93) für Versicherungsfälle, die vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet eingetreten sind, keine Anwendung finden, sondern weiterhin die bis zum 31.12.1996 geltende Regelung des § 1152 Abs. 2 RVO. Die Vorschrift schränkt also die Geltung des § 214 Abs. 2 SGB VII, nach der bei neuen Festsetzungen des JAV nach dem 31.12.1996 an sich das Recht des SGB VII anzuwenden ist, ein. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Gesetzgeber diese Altfälle aus dem Beitrittsgebiet einer weiteren Differenzierung danach, ob sich diese Arbeitsunfälle im Beitrittsgebiet ereignet haben oder zwar unter dem Rechtsregime des Beitrittsgebiets, allerdings nicht im Beitrittsgebiet selbst, unterwerfen sollte. Eine solche Differenzierung, die mangels sachlicher Kriterien auch schwerlich mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz in Einklang zu bringen wäre, macht der Kläger aber geltend.

Ob die vom Kläger geäußerte Vermutung, in § 215 Abs. 2 SGB VII sei irrtümlich die Inbezugnahme auch auf § 1152 Abs. 3 RVO unterblieben, zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben. Denn wie das Sozialgericht Ulm in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt hat, betrifft diese Regelung ausschließlich die Frage der Berechnung des Verletztengeldes und kann das Begehren des Klägers nicht stützen.

Ebenso unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, mit seiner Wiedererkrankung 1997 sei ein neuer Versicherungsfall eingetreten, weshalb auch für die Rentenberechnung die Verhältnisse der letzten zwölf Monate vor Wiedererkrankung maßgeblich sein müssten. Ersterkrankungen sind mit Arbeitsunfähigkeit und/oder Behandlungsbedürftigkeit verbundene regelwidrige physische oder psychische Gesundheitszustände, die nach einem Versicherungsfall zum ersten Mal auftreten (Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB VII Rdnr. 2, auch zum Nachfolgenden). Jede nach Ende dieser Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sich erneut einstellende Erkrankung ist eine Wiedererkrankung. Diese kann unmittelbar Folge des Versicherungsfalls sein, aber auch mittelbare Folge, einschließlich eines Folgeunfalls (§ 11 SGB VII). Es handelt sich bei einer Wiedererkrankung also, wie dargestellt, um die Folgen eines bereits eingetretenen Versicherungsfalles, nicht aber um die Begründung eines neue Versicherungsfalles (vgl. Ricke, a.a.O. § 48 SGB VII Rdnr. 3). Im Fall des Klägers bedeutete die Wiedererkrankung begrifflich eine Verschlimmerung der infolge der beiden Arbeitsunfälle bereits bestehenden Gesundheitsstörungen, die zu einer höheren MdE führten. Anders als für das Verletztengeld, für das in § 48 SGB VII gerade eine spezielle Vorschrift geschaffen worden ist, wirkt sich die Wiedererkrankung bei der Verletztenrente dabei nicht auf die Höhe des zu Grunde zu legenden JAV aus. Der Gesetzgeber hat als einzige unmittelbare gesetzliche Folge an eine solche Wiedererkrankung für die Verletztenrente in § 74 Abs. 2 SGB VII das Verbot der Neufeststellung von Renten für die Dauer der Verletztengeldgewährung geknüpft.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höhere Rente unter teilweiser Zugrundelegung eines höheren JAV für die ab August 1997 eingetretene Erhöhung der MdE um 10 v.H ... Auch in Bezug auf den Hilfsantrag ist die Berufung somit unbegründet. Wie sich sowohl § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO in der bis 31.12.1996 anzuwendenden Fassung wie auch § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in der ab 01.01.1997 anzuwendenden Fassung entnehmen lässt, wird der JAV einmalig unter Berücksichtigung eines bestimmten, vor dem Arbeitsunfall liegenden Zeitraums festgestellt. Spätere Änderungen werden lediglich in den enumerativ aufgeführten Ausnahmen der §§ 90 ff. SGB VII, die allesamt nicht einschlägig sind, berücksichtigt. Entsprechend diesem Grundprinzip sieht auch § 1152 Abs. 2 RVO für die dort definierten Versicherungsfälle einen bestimmten, dort geregelten JAV vor, sogar ohne jede Abweichungsmöglichkeit. Mangels eines neuen Versicherungsfalls - die Anhebung der MdE von 40 v.H. auf 50 v.H. im Jahre 1997 beruhte auf einer Verschlimmerung der Folgen der von den DDR-Behörden bereits anerkannten Arbeitsunfälle - kommt eine abweichende Bestimmung des JAV nicht in Betracht.

Damit legte die Beklagte der Rentenberechnung zu Recht den JAV gem. § 1152 Abs. 2 Nr. 1 RVO zu Grunde. Berechnungsfehler zulasten des Klägers sind nicht ersichtlich und werden von diesem auch nicht vorgetragen.

Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die zulassende Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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