Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 3547/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1412/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es besteht kein Anspruch auf Verzinsung einer rückwirkend im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gewährte Rente.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger Anspruch auf Verzinsung eines Rentennachzahlungsbetrages hat, der ihm für September 2009 bis August 2012 aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gewährt worden ist.
Der Kläger ist am 1949 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Er beantragte am 16. Mai 2012, bei der Beklagten am 22. Mai 2012 eingegangen, Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. September 2012. Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei Prüfung des Rentenanspruchs festgestellt worden sei, dass nach Aktenlage der Anspruch auf eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen schon ab dem 1. September 2009 ohne Abschläge bestehen würde. Da der Kläger jedoch keinerlei Informationen von ihr über die vorzeitige Altersrente mit/ohne Abschläge erhalten habe, sei davon auszugehen, dass die nicht erteilte Auskunft kausal die rechtzeitige Rentenantragstellung verhindert habe. Die Verletzung der sich aus § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ergebenden Hinweispflicht könne im Einzelfall zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen. Nach Prüfung des Sachverhaltes sei beim Kläger ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben. Sie bat den Kläger um Mitteilung, ob er die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. September 2009 oder wie ursprünglich beantragt ab dem 1. September 2012 beziehen möchte.
Der Kläger teilte daraufhin der Beklagten am 17. Juli 2012 mit, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. September 2009 beziehen zu wollen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 19. Juli 2012 auf "Ihren Antrag vom 13.08.2009" Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. September 2009. Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2012 wurde auf EUR 18.855,64 festgesetzt. Über den Nachzahlungsbetrag, der aufgrund einer Erstattungsforderung des Jobcenters R.-N.-Kreis in Höhe von EUR 12.005,64 auf EUR 6.850,18 gemindert wurde, konnte der Kläger Ende August 2012 verfügen.
Am 10. August 2012 beantragte der Kläger die Verzinsung der Rentennachzahlung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. August 2012 ab. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei am 16. Mai 2012 gestellt und am 22. Mai 2012 bei ihr eingegangen. Die Frist von sechs Kalendermonaten beginne somit am 1. Juni 2012 und ende am 30. November 2012. Da sechs Monate seit Eingang des Rentenantrags bei ihr noch nicht abgelaufen seien, könne eine Verzinsung nicht erfolgen.
Hiergegen erhob der Kläger am 23. August 2012 Widerspruch. Im Hinblick auf die fehlerhafte Bearbeitung der Rentenansprüche sei eine Verzinsung vorzunehmen. Die Regelung, nach der eine Verzinsung sechs Monate nach Eingang des Rentenantrages anfallen würde, sei nicht anzuwenden, da durch ein fehlerhaftes Verhalten der Beklagten eine rückwirkende Rentenzahlung festgesetzt worden sei.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2012 zurück. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Ein vollständiger Leistungsantrag liege nur vor, wenn die entsprechenden Antragsformulare eingesandt, die für die Feststellung und Zahlung der Geldleistung erheblichen Fragen in den Vordrucken beantwortet, die Formulare unterschrieben und die erforderlichen Unterlagen vom Antragsteller beigefügt worden seien. Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei am 22. Mai 2012 bei ihr eingegangen, so dass die Frist von sechs Kalendermonaten erst am 1. Juni 2012 beginne. Die Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI führe nicht zu einer Nichtbeachtung der in § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Fristen.
Mit seiner am 2. November 2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Da die Rentenleistung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches rückwirkend gewährt worden sei und somit ein Verschulden der Beklagten wegen Verletzung der Hinweispflicht vorliege, sei die Rentennachzahlung zu verzinsen. Die Berufung der Beklagten auf die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I widerspreche der Natur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, wonach der Versicherte den Antrag früher gestellt hätte, wenn der Rentenversicherungsträger die vom Gesetzgeber geforderte Hinweisverpflichtung sachgerecht wahrgenommen und keine fehlerhafte Auskunft erteilt hätte. Die im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entwickelten Grundsätze gingen davon aus, dass der von einer Pflichtverletzung der Behörde betroffene Versicherte so zu stellen sei, als habe er fristgerecht alle Antragsformalitäten, die zur Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes gehörten, erfüllt. Somit sei davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres und damit zum Rentenbeginn am 1. September 2009 alle anspruchsbegründenden Formalitäten vorgenommen habe. Seien mit dem durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellten gesetzeskonformen Zustand die Zahlung einer Geldleistung verbunden, so sei der Leistungsempfänger so zu stellen, als habe er die Geldleistung fristgerecht erhalten. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) zu Recht die Unverzinslichkeit des Anspruchs auf die Vornahme einer Amtshandlung klargestellt, hieraus könne jedoch nicht gefolgert werden, dass das Ergebnis dieser Amtshandlung nicht zu verzinsen sei, wenn der Zugang der Geldleistung länger als sechs Monate nach Vorlage des fiktiven Antrages auf sich warten lasse.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein vollständiger Leistungsantrag für die gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen habe erst seit dem 22. Mai 2012 vorgelegen. Der nach § 115 Abs. 6 SGB VI fingierte Leistungsantrag wirke nur hinsichtlich des Rentenbeginns der Altersrente, nicht jedoch hinsichtlich des Verzinsungsanspruchs für die Rentennachzahlung. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch richte sich nur auf die Herstellung des Zustandes, der ohne das rechtswidrige Verhalten des Versicherungsträgers bestehen würde. Nach den Urteilen des BSG vom 1. März 1984 (4 RJ 55/83 und 4 RJ 104/82 – beide juris) werde ein auf Verzinsung gerichteter Herstellungsanspruch durch § 44 SGB I als lex spezialis verdrängt. Den Schaden, den ein Versicherter dadurch erleide, dass er auf die Erfüllung eines fälligen Anspruches länger als zumutbar warten müsse, wolle das Gesetz gerade und nur durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen. In seinem Urteil vom 9. September 1982 (5 B RJ 68/81 – juris) habe das BSG einen früheren Beginn des Zinsanspruchs im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgelehnt, weil der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ausdrücklich nicht auf Schadensersatz in Form von finanzieller Entschädigung abziele, sondern auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte. Wenn aber die Behörde den Bescheid zu einem früheren Zeitpunkt erlassen hätte, wäre der geltend gemachte Zinsanspruch ohnehin entfallen. Unter der Prämisse, im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wäre für die Verzinsung nach § 44 SGB I der Eingang eines (fiktiven) vollständigen Leistungsantrages am 31. August 2009 zu unterstellen, könne und dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass sie im vorliegenden Fall rund 36 Monate (September 2009 bis August 2012) für die abschließende Vorgangsbearbeitung und Auszahlung der Nachzahlung für die Zeit von September 2009 bis August 2012 benötigt hätte, wenn die tatsächlich hierfür benötigte Zeit vier Monate (Mai 2012 bis August 2012) umfasst habe. Die tatsächliche Bearbeitungszeit vom Eingang des echten vollständigen Leistungsantrages bis zur tatsächlichen Auszahlung der Nachzahlung müsse auf den Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung projiziert werden. Außerdem könne die Heilung der durch den jeweiligen Rentenversicherungsträger zu verantwortenden Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches durch Vorverlegung des tatsächlich (verspätet) gestellten Rentenantrages auf einen lediglich angenommenen früheren Zeitpunkt – sogenannter fiktiver Rentenantrag – nur auf den Beginn der Zahlung der Rente im Sinne des § 99 SGB VI wirken, nicht aber – weder mittelbar noch unmittelbar – auf den Beginn der Verzinsung. Denn hierfür komme es im Gegensatz zu § 99 SGB VI nicht nur auf die Antragstellung durch den Berechtigten an sich an, sondern auf den Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Soweit es allein um die Bestimmung des maßgeblichen Rentenbeginnes gehe, sei die bloße, gegebenenfalls sogar formlose Antragstellung ausreichend. Wann ein Leistungsantrag vollständig im Sinne des § 44 SGB I sei, könne und solle nicht anhand von Annahmen beurteilt werden. Erst wenn der tatsächliche Leistungsantrag vorliege und vollständig sei, könne der Leistungsträger den geltend gemachten Anspruch prüfen und im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips gegebenenfalls entsprechende Sachermittlungen einleiten. Hierfür sei den Trägern vom Gesetzgeber die sechsmonatige Frist eingeräumt worden. Würde diese Frist bereits von einem fiktiven Antragsdatum zu laufen beginnen, wäre dem Träger damit jede Möglichkeit genommen, tatsächlich entsprechende Ermittlungen zeitnah einzuleiten und abzuschließen. Hierdurch würde aber eine Art Verschuldensprinzip in die Vorschrift des § 44 SGB I hinein interpretiert, was nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gerade nicht der Fall sein solle.
Das SG hob mit Urteil vom 21. November 2014 den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 auf und verpflichtete die Beklagte, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Monatliche Rentenzahlungsansprüche, die aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches für Zeiten vor Antragstellung rückwirkend entstanden seien, seien gemäß den Vorgaben des § 44 SGB I zu verzinsen. Zwar könnten über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Zinsansprüche als sekundäre Ansprüche/Nebenforderungen nicht unmittelbar begründet werden. Allerdings gelte dies nicht für sozialrechtlich hergestellte Primäransprüche, die verspätet gezahlt würden. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch werde der Betroffene so gestellt, als hätte die Behörde die rechtmäßige Rechtsgestaltung richtig und rechtzeitig vorgenommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass seitens der Beklagten in dem Bescheid vom 19. Juli 2012 Altersrente auf den "Antrag vom 13.08.2009" gewährt worden sei. Werde der Kläger über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt, als hätte er den für die bewilligte Rentenleistung (bereits ab 1. September 2009) erforderlichen Rentenantrag rechtzeitig gestellt, müsse dieser Zeitpunkt der Antragstellung auch für die Verzinsung der nach sozialrechtlicher Herstellung nicht rechtzeitig bewirkten Zahlungen im Rahmen des § 44 Abs. 2 SGB I maßgeblich sein. Dass die Wirkung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch auf die Verzinsung des Anspruches durchschlage, sei zwangsläufige Konsequenz der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Dies gelte umso mehr, als dass Rechtsgrundlage für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Art. 20 Grundgesetz (GG) und § 2 SGB I seien, also die umfassende Verwirklichung der sozialen Rechte vom Gesetzgeber gefordert werde und § 44 SGB I die Abwendung von Nachteilen angesichts verspäteter Bewirkung der Leistungen an die Berechtigten bezwecke.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 11. Dezember 2014 zugestellten Urteil hat die Beklagte am 8. Januar 2015 Beschwerde eingelegt. Der Senat hat die Berufung gegen das Urteil des SG mit Beschluss vom 8. April 2015 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Beklagte verfolgt ihr Begehren nun mit der Berufung weiter. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass es nicht darauf ankomme, ob die Fiktion eines vollständigen Antrages aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgeleitet werde, da die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 selbst festgestellt habe, dass ein vollständiger Antrag am 13. August 2009 vorgelegen habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und vom Senat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassene Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, da das Beschwerdeverfahren gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG als Berufungsverfahren fortgesetzt wurde.
2. Die Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Verzinsung der Rentenzahlung für September 2009 bis August 2012.
a) (1) Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d.h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 17 f. m.w.N.). Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall – abgesehen vor der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks – keine über die §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht im Sinne der §§ 60, 65 SGB I bestanden hat (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 7 R 923/11 – juris, Rn. 21).
(2) Ein vollständiger Leistungsantrag lag frühestens am 22. Mai 2012 vor, als der Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen (für die Zeit ab dem 1. September 2012) bei der Beklagten einging. Die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I begann damit frühestens am 1. Dezember 2012 zu laufen. Die Beklagte hatte über den Antrag des Klägers indes bereits mit Bescheid vom 19. Juli 2012 entschieden, so dass insofern ein Verzinsungsanspruch nach § 44 SGB I ausscheidet.
Der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 davon spricht, dass die Altersrente auf den "Antrag vom 13.08.2009" gewährt werde, ändert hieran nichts. Für die Frage des Leistungsantrages im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I ist entscheidend, ob ein solcher Leistungsantrag objektiv vorlag, nicht ob in einem Bescheid ein Antrag als an einem bestimmten Tag gestellt erwähnt wird.
b) Aus dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs folgt nichts anderes. Weder hält der sozialrechtliche Herstellungsanspruch selbst einen Verzinsungsanspruch als Rechtsfolge bereit noch kann hierdurch ein vollständiger Leistungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert werden.
(1) Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hält auf der Rechtsfolgenseite keinen Zinsanspruch bereit. Dem steht schon entgegen, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte, nicht aber auf finanzielle Entschädigung gerichtet ist (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13), jedenfalls aber, dass er für Verzinsungsansprüche durch § 44 SGB I als lex specialis verdrängt wird (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 104/82 – juris, Rn. 18). Die Nachteile, die ein Versicherter dadurch erleidet, dass ein fälliger Anspruch nicht unverzüglich erfüllt wird, will das Gesetz ausschließlich durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen, während für Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 55/83 – juris, Rn. 14).
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf der Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraus, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (etwa BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R – juris, Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch den der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39; BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 R 5/13 R – juris, Rn. 37; BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – juris, Rn. 24).
Der geltend gemachte Zinsanspruch kann daher nicht Rechtsfolge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sein. Denn durch die Zinszahlung würde nicht der Zustand hergestellt, der bestehen würde, wenn die Beklagte dem Kläger gegenüber keine Pflichtverletzung begangen hätte; ob eine solche Pflichtverletzung vorliegt, kann der Senat daher auch dahinstehen lassen. Hätte die Beklagte den Kläger rechtzeitig über die Möglichkeit, eine Altersrente wegen Schwerbehinderung bereits ab dem 1. September 2009 zu beantragen, informiert, hätte der Kläger dann die Rente rechtzeitig beantragt und die Beklagte zeitnah bewilligt, hätte der Kläger gerade keinen Anspruch auf Zinszahlungen gehabt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13). Der Kläger will also im vorliegenden Verfahren gar nicht die Herstellung des Zustandes, der ohne (unterstellte) Pflichtverletzung bestanden hätte, sondern sein Begehren ist der Sache nach auf einen darüber hinaus gehenden Schadensersatz gerichtet. Auch das BSG hat betont, dass ein Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftung geltend zu machen ist und dass sich § 44 SGB I nur auf Fälle bezieht, in denen die Verwaltung trotz vollständig vorliegenden Leistungsantrages eine Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten ausgezahlt hat, die Norm aber nicht aber zum Zwecke von Verfolgungsschäden ausgedehnt werden darf (BSG, Urteil vom 8. September 1983 – 5b RJ 28/82 – juris, Rn. 15).
(2) Von der soeben erörterten Frage, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf der Rechtsfolgenseite einen Zinsanspruch generieren kann, zu unterscheiden ist die Frage, ob und welchen Voraussetzungen Leistungen, die aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend gewährt wurden, nach § 44 Abs. 1 SGB I zu verzinsen sind, ob also der für den Hauptanspruch fingierte Antrag auch einen Antrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB I darstellt (so Sozialgericht Berlin, Urteil vom 20. Mai 2010 – S 97 R 4899/07 – juris, Rn. 16). Sie ist zu verneinen (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2012 – L 11 R 3594/11 – juris, Rn. 28; aus anderen Gründen aufgehoben durch BSG, Urteil vom 27. Mai 2014 – B 5 RE 6/14 R – juris). Auch dies folgt aus dem Charakter des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches und seiner – siehe oben – Rechtsfolgen, die ansonsten unzulässig erweitert würden.
Dahinstehen kann dabei, ob die Beklagte mit ihrem Argument durchdringen kann, sie habe vor dem 22. Mai 2012 den Antrag gar nicht bearbeiten können und daher auch die sechsmonatige Bearbeitungsfrist – gemessen ab dem Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung am 31. August 2009 – nicht einhalten können. Dagegen dürfte sprechen, dass der Verzinsungsanspruch des § 44 Abs. 1 SGB I nach der Rechtsprechung des BSG kein Verschulden voraussetzt, weswegen der Leistungsträger den Beginn der Verzinsung nicht mit der Begründung hinausschieben kann, er habe die Bearbeitung des vollständigen Leistungsantrages erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen können (so BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 – 2 RU 41/89 – juris, Rn. 22). Andererseits hat das BSG in einem anderen Urteil betont, dass dem Versicherungsträger in jedem Fall sechs Monate Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss, bevor die Verzinsungspflicht beginnt (BSG, Urteil vom 13. Oktober 1983 – 11 RA 49/82 – juris, Rn. 15).
Das BSG hat den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus einer vertragsähnlichen Nebenpflicht nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) abgeleitet (so unter dem Topos "sozialrechtlicher Herstellungsanspruch" zuerst wohl BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11; zuvor als "Folgenbeseitigungsanspruch" diskutiert, aber offen gelassen von BSG, Urteil vom 23. März 1972 – 5 RJ 63/70 – juris, Rn. 14; der Sache bereits ähnlich diskutiert etwa bei BSG, Urteil vom 14. Juni 1962 – 4 RJ 75/60 – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1968 – 4 RJ 553/64 – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. November 1970 – 1 RA 233/68 – juris, Rn. 20; siehe auch Köhler, ZFSH/SGB 2015, 181 [189]).
Es hat dabei zugleich die Notwendigkeit gesehen, die Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von Schadensersatzansprüchen in Geld abzugrenzen, die nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11). Die Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch hat sicherzustellen, dass der Herstellungsanspruch keine verkappte Verurteilung zum Schadensersatz in Geld ermöglicht (BSG, Urteil vom 18. August 1983 – 11 RA 60/82 – juris, Rn. 18). Ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine verspätete Auszahlung eines Nachzahlungsbetrages ist daher allein vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtbarkeit zu verfolgen (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 14). Bedenkt man zugleich, dass es dem BSG bei Kreierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs um die "Schließung einer Lücke im Schadensersatzrecht" (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 13 R 58/06 R – juris, Rn. 14) ging, folgt daraus, dass eine Geldleistung jedenfalls dann nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begehrt werden kann, wenn diese Geldleistung auch im Wege eines Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden könnte.
So verhält es sich aber bei Schadensersatzansprüchen, die der Kläger der Sache nach geltend macht und die gerade Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs sein können. Eine Lücke im Schadensersatzrecht, die zu schließen wäre, besteht daher von vorneherein nicht.
Dieses Ergebnis liegt im Übrigen in Übereinstimmung mit einem Urteil des BSG zur Umdeutung eine Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag: Das BSG hat hier betont, dass die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI zwar bewirkt, dass der Rentenantrag im Sinne des § 99 SGB VI (als zum Zeitpunkt des Rehabilitationsantrages) wirksam gestellt gilt, dass die Regelung jedoch keinen vollständigen Antrag auch im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 13). In dem selben Urteil hat sich das BSG zudem gegen die Vermengung von Gesichtspunkten, die im Rahmen einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erheblich sein können, mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB I gewandt (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 16).
(3) Schließlich streitet auch die Entwicklung des einfachen Rechts wie auch des Verfassungsrechts für einen engen Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieses Rechtsinstitut ist lediglich richterrechtlich entwickelt worden. Zwar geht die Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon aus, dass richterliche Rechtsfortbildung grundsätzlich zulässig ist (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – juris, Rn. 38 ff.; BVerfG, Beschluss vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94 – juris, Rn. 50 ff.; zur Problematik des Richterrechts bzw. den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung siehe m.w.N. etwa Hillgruber, JZ 2008, 745 ff.; Kriele, ZRP 2008, 51 ff.; Möllers, JZ 2009, 668 ff.; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 457 ff.; Rüthers, NJW 2011, 1856 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, Rn. 878 ff., 936 ff.; Steiner, in: Müller/Osterloh/Stein [Hrsg.], Festschrift Hirsch, 2008, S. 611 ff.). Sie bedarf aber stets der kritischen Überprüfung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Entscheidungen des Gesetzgebers selbst. Insofern ist von Bedeutung, dass § 31 SGB I anordnet, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereich des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Diese einfachrechtliche Kodifizierung des Vorbehaltes des Gesetzes ist verfassungsrechtlich fundiert. Während seit jeher klar ist, dass unter der Herrschaft des Grundgesetzes die Verwaltung in Rechtspositionen des Bürgers nur auf Grundlage eines parlamentarischen Gesetzes kann (siehe etwa BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73 u.a. – juris, Rn. 34), ist mittlerweile die Geltung des Vorbehaltes des Gesetzes auch im Bereich der Leistungsverwaltung anerkannt (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – juris, Rn. 136; vgl. dazu auch Aubel, in: Emmenegger/Wiedmann [Hrsg.], Linien der Rechtsprechung des BVerfG – erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 2011, S. 273 [287 f.]; Bittner, German Law Journal 2011, 1941 [1956]; Gärditz, BRJ 2010, 4 [7 f.]; in der Literatur zuvor etwa schon Henke, AöR 101 [1976], S. 576 [587]; ders., DÖV 1977, 41 [44 ff.]). Das Gebot strikter Gesetzlichkeit und das Verbot von Analogiebildungen sind aus objektiv-rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen auch dann zu beachten, wenn sie sich zum Nachteil des einzelnen leistungsbegehrenden Bürgers auswirken (Gärditz, in: Friauf/Höfling [Hrsg.], Berliner Kommentar zum GG, Art. 20 [6. Teil] Rn. 164 [Januar 2011]).
Mit diesem Vorbehalt des Gesetzes konfligiert tendenziell die Etablierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als allein richterrechtliche Anspruchsgrundlage. Sie erklärt sich historisch daraus, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bereits seit den 1960er Jahren entwickelt wurde (siehe oben), das SGB I und mit ihm § 31 SGB I jedoch erst am 1. Januar 1976 (Gesetz vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) in Kraft getreten ist. Der Senat muss nicht entscheiden, welche Folgerungen hieraus und aus der späteren Rechtsentwicklung generell zu ziehen sind. Für das vorliegende Verfahren reicht die Feststellung aus, dass der Umstand, dass bereits nach der allgemeinen Auffassung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der vom Kläger geltend gemachte Zinszahlungsanspruch nicht besteht, auch durch die übergreifenden Rechtsentwicklungen, die eine restriktive Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gebieten, gestützt wird.
c) Ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aufgrund einer Amtshaftung hat, hat der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil insoweit die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit ausschließlich zuständig sind. Eine Teilverweisung dieses Rechtsstreits insoweit ist nicht zulässig (z.B. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris, Rn. 5; Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 R 1296/11 – juris, Rn. 35, jeweils m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Zwar hat der Senat seinerzeit die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Bei der im Berufungsverfahren erfolgten umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage hat sich aber – wie dargestellt – herausgestellt, dass die maßgeblichen Fragen bereits vom BSG entschieden worden sind. Aus diesem Grund hätte die Berufung seinerzeit zugelassen werden müssen, weil das Urteil des SG von Entscheidungen des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger Anspruch auf Verzinsung eines Rentennachzahlungsbetrages hat, der ihm für September 2009 bis August 2012 aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gewährt worden ist.
Der Kläger ist am 1949 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Er beantragte am 16. Mai 2012, bei der Beklagten am 22. Mai 2012 eingegangen, Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. September 2012. Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei Prüfung des Rentenanspruchs festgestellt worden sei, dass nach Aktenlage der Anspruch auf eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen schon ab dem 1. September 2009 ohne Abschläge bestehen würde. Da der Kläger jedoch keinerlei Informationen von ihr über die vorzeitige Altersrente mit/ohne Abschläge erhalten habe, sei davon auszugehen, dass die nicht erteilte Auskunft kausal die rechtzeitige Rentenantragstellung verhindert habe. Die Verletzung der sich aus § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ergebenden Hinweispflicht könne im Einzelfall zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen. Nach Prüfung des Sachverhaltes sei beim Kläger ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben. Sie bat den Kläger um Mitteilung, ob er die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. September 2009 oder wie ursprünglich beantragt ab dem 1. September 2012 beziehen möchte.
Der Kläger teilte daraufhin der Beklagten am 17. Juli 2012 mit, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. September 2009 beziehen zu wollen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 19. Juli 2012 auf "Ihren Antrag vom 13.08.2009" Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. September 2009. Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2012 wurde auf EUR 18.855,64 festgesetzt. Über den Nachzahlungsbetrag, der aufgrund einer Erstattungsforderung des Jobcenters R.-N.-Kreis in Höhe von EUR 12.005,64 auf EUR 6.850,18 gemindert wurde, konnte der Kläger Ende August 2012 verfügen.
Am 10. August 2012 beantragte der Kläger die Verzinsung der Rentennachzahlung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. August 2012 ab. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei am 16. Mai 2012 gestellt und am 22. Mai 2012 bei ihr eingegangen. Die Frist von sechs Kalendermonaten beginne somit am 1. Juni 2012 und ende am 30. November 2012. Da sechs Monate seit Eingang des Rentenantrags bei ihr noch nicht abgelaufen seien, könne eine Verzinsung nicht erfolgen.
Hiergegen erhob der Kläger am 23. August 2012 Widerspruch. Im Hinblick auf die fehlerhafte Bearbeitung der Rentenansprüche sei eine Verzinsung vorzunehmen. Die Regelung, nach der eine Verzinsung sechs Monate nach Eingang des Rentenantrages anfallen würde, sei nicht anzuwenden, da durch ein fehlerhaftes Verhalten der Beklagten eine rückwirkende Rentenzahlung festgesetzt worden sei.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2012 zurück. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Ein vollständiger Leistungsantrag liege nur vor, wenn die entsprechenden Antragsformulare eingesandt, die für die Feststellung und Zahlung der Geldleistung erheblichen Fragen in den Vordrucken beantwortet, die Formulare unterschrieben und die erforderlichen Unterlagen vom Antragsteller beigefügt worden seien. Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen sei am 22. Mai 2012 bei ihr eingegangen, so dass die Frist von sechs Kalendermonaten erst am 1. Juni 2012 beginne. Die Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI führe nicht zu einer Nichtbeachtung der in § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Fristen.
Mit seiner am 2. November 2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Da die Rentenleistung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches rückwirkend gewährt worden sei und somit ein Verschulden der Beklagten wegen Verletzung der Hinweispflicht vorliege, sei die Rentennachzahlung zu verzinsen. Die Berufung der Beklagten auf die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I widerspreche der Natur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, wonach der Versicherte den Antrag früher gestellt hätte, wenn der Rentenversicherungsträger die vom Gesetzgeber geforderte Hinweisverpflichtung sachgerecht wahrgenommen und keine fehlerhafte Auskunft erteilt hätte. Die im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entwickelten Grundsätze gingen davon aus, dass der von einer Pflichtverletzung der Behörde betroffene Versicherte so zu stellen sei, als habe er fristgerecht alle Antragsformalitäten, die zur Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes gehörten, erfüllt. Somit sei davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres und damit zum Rentenbeginn am 1. September 2009 alle anspruchsbegründenden Formalitäten vorgenommen habe. Seien mit dem durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellten gesetzeskonformen Zustand die Zahlung einer Geldleistung verbunden, so sei der Leistungsempfänger so zu stellen, als habe er die Geldleistung fristgerecht erhalten. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) zu Recht die Unverzinslichkeit des Anspruchs auf die Vornahme einer Amtshandlung klargestellt, hieraus könne jedoch nicht gefolgert werden, dass das Ergebnis dieser Amtshandlung nicht zu verzinsen sei, wenn der Zugang der Geldleistung länger als sechs Monate nach Vorlage des fiktiven Antrages auf sich warten lasse.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein vollständiger Leistungsantrag für die gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen habe erst seit dem 22. Mai 2012 vorgelegen. Der nach § 115 Abs. 6 SGB VI fingierte Leistungsantrag wirke nur hinsichtlich des Rentenbeginns der Altersrente, nicht jedoch hinsichtlich des Verzinsungsanspruchs für die Rentennachzahlung. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch richte sich nur auf die Herstellung des Zustandes, der ohne das rechtswidrige Verhalten des Versicherungsträgers bestehen würde. Nach den Urteilen des BSG vom 1. März 1984 (4 RJ 55/83 und 4 RJ 104/82 – beide juris) werde ein auf Verzinsung gerichteter Herstellungsanspruch durch § 44 SGB I als lex spezialis verdrängt. Den Schaden, den ein Versicherter dadurch erleide, dass er auf die Erfüllung eines fälligen Anspruches länger als zumutbar warten müsse, wolle das Gesetz gerade und nur durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen. In seinem Urteil vom 9. September 1982 (5 B RJ 68/81 – juris) habe das BSG einen früheren Beginn des Zinsanspruchs im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgelehnt, weil der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ausdrücklich nicht auf Schadensersatz in Form von finanzieller Entschädigung abziele, sondern auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte. Wenn aber die Behörde den Bescheid zu einem früheren Zeitpunkt erlassen hätte, wäre der geltend gemachte Zinsanspruch ohnehin entfallen. Unter der Prämisse, im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wäre für die Verzinsung nach § 44 SGB I der Eingang eines (fiktiven) vollständigen Leistungsantrages am 31. August 2009 zu unterstellen, könne und dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass sie im vorliegenden Fall rund 36 Monate (September 2009 bis August 2012) für die abschließende Vorgangsbearbeitung und Auszahlung der Nachzahlung für die Zeit von September 2009 bis August 2012 benötigt hätte, wenn die tatsächlich hierfür benötigte Zeit vier Monate (Mai 2012 bis August 2012) umfasst habe. Die tatsächliche Bearbeitungszeit vom Eingang des echten vollständigen Leistungsantrages bis zur tatsächlichen Auszahlung der Nachzahlung müsse auf den Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung projiziert werden. Außerdem könne die Heilung der durch den jeweiligen Rentenversicherungsträger zu verantwortenden Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches durch Vorverlegung des tatsächlich (verspätet) gestellten Rentenantrages auf einen lediglich angenommenen früheren Zeitpunkt – sogenannter fiktiver Rentenantrag – nur auf den Beginn der Zahlung der Rente im Sinne des § 99 SGB VI wirken, nicht aber – weder mittelbar noch unmittelbar – auf den Beginn der Verzinsung. Denn hierfür komme es im Gegensatz zu § 99 SGB VI nicht nur auf die Antragstellung durch den Berechtigten an sich an, sondern auf den Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Soweit es allein um die Bestimmung des maßgeblichen Rentenbeginnes gehe, sei die bloße, gegebenenfalls sogar formlose Antragstellung ausreichend. Wann ein Leistungsantrag vollständig im Sinne des § 44 SGB I sei, könne und solle nicht anhand von Annahmen beurteilt werden. Erst wenn der tatsächliche Leistungsantrag vorliege und vollständig sei, könne der Leistungsträger den geltend gemachten Anspruch prüfen und im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips gegebenenfalls entsprechende Sachermittlungen einleiten. Hierfür sei den Trägern vom Gesetzgeber die sechsmonatige Frist eingeräumt worden. Würde diese Frist bereits von einem fiktiven Antragsdatum zu laufen beginnen, wäre dem Träger damit jede Möglichkeit genommen, tatsächlich entsprechende Ermittlungen zeitnah einzuleiten und abzuschließen. Hierdurch würde aber eine Art Verschuldensprinzip in die Vorschrift des § 44 SGB I hinein interpretiert, was nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gerade nicht der Fall sein solle.
Das SG hob mit Urteil vom 21. November 2014 den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 auf und verpflichtete die Beklagte, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Monatliche Rentenzahlungsansprüche, die aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches für Zeiten vor Antragstellung rückwirkend entstanden seien, seien gemäß den Vorgaben des § 44 SGB I zu verzinsen. Zwar könnten über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Zinsansprüche als sekundäre Ansprüche/Nebenforderungen nicht unmittelbar begründet werden. Allerdings gelte dies nicht für sozialrechtlich hergestellte Primäransprüche, die verspätet gezahlt würden. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch werde der Betroffene so gestellt, als hätte die Behörde die rechtmäßige Rechtsgestaltung richtig und rechtzeitig vorgenommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass seitens der Beklagten in dem Bescheid vom 19. Juli 2012 Altersrente auf den "Antrag vom 13.08.2009" gewährt worden sei. Werde der Kläger über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt, als hätte er den für die bewilligte Rentenleistung (bereits ab 1. September 2009) erforderlichen Rentenantrag rechtzeitig gestellt, müsse dieser Zeitpunkt der Antragstellung auch für die Verzinsung der nach sozialrechtlicher Herstellung nicht rechtzeitig bewirkten Zahlungen im Rahmen des § 44 Abs. 2 SGB I maßgeblich sein. Dass die Wirkung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch auf die Verzinsung des Anspruches durchschlage, sei zwangsläufige Konsequenz der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Dies gelte umso mehr, als dass Rechtsgrundlage für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Art. 20 Grundgesetz (GG) und § 2 SGB I seien, also die umfassende Verwirklichung der sozialen Rechte vom Gesetzgeber gefordert werde und § 44 SGB I die Abwendung von Nachteilen angesichts verspäteter Bewirkung der Leistungen an die Berechtigten bezwecke.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 11. Dezember 2014 zugestellten Urteil hat die Beklagte am 8. Januar 2015 Beschwerde eingelegt. Der Senat hat die Berufung gegen das Urteil des SG mit Beschluss vom 8. April 2015 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Beklagte verfolgt ihr Begehren nun mit der Berufung weiter. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass es nicht darauf ankomme, ob die Fiktion eines vollständigen Antrages aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches abgeleitet werde, da die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 selbst festgestellt habe, dass ein vollständiger Antrag am 13. August 2009 vorgelegen habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und vom Senat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassene Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, da das Beschwerdeverfahren gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG als Berufungsverfahren fortgesetzt wurde.
2. Die Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den dem Kläger für die Monate September 2009 bis August 2012 zuerkannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 6.850,18 in Anwendung des § 44 SGB I für die Zeit von März 2010 bis Juli 2012 zu verzinsen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Verzinsung der Rentenzahlung für September 2009 bis August 2012.
a) (1) Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d.h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 17 f. m.w.N.). Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall – abgesehen vor der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks – keine über die §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht im Sinne der §§ 60, 65 SGB I bestanden hat (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 RA 44/88 – juris, Rn. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 7 R 923/11 – juris, Rn. 21).
(2) Ein vollständiger Leistungsantrag lag frühestens am 22. Mai 2012 vor, als der Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen (für die Zeit ab dem 1. September 2012) bei der Beklagten einging. Die Frist des § 44 Abs. 2 SGB I begann damit frühestens am 1. Dezember 2012 zu laufen. Die Beklagte hatte über den Antrag des Klägers indes bereits mit Bescheid vom 19. Juli 2012 entschieden, so dass insofern ein Verzinsungsanspruch nach § 44 SGB I ausscheidet.
Der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Juli 2012 davon spricht, dass die Altersrente auf den "Antrag vom 13.08.2009" gewährt werde, ändert hieran nichts. Für die Frage des Leistungsantrages im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I ist entscheidend, ob ein solcher Leistungsantrag objektiv vorlag, nicht ob in einem Bescheid ein Antrag als an einem bestimmten Tag gestellt erwähnt wird.
b) Aus dem Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs folgt nichts anderes. Weder hält der sozialrechtliche Herstellungsanspruch selbst einen Verzinsungsanspruch als Rechtsfolge bereit noch kann hierdurch ein vollständiger Leistungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert werden.
(1) Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hält auf der Rechtsfolgenseite keinen Zinsanspruch bereit. Dem steht schon entgegen, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte, nicht aber auf finanzielle Entschädigung gerichtet ist (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13), jedenfalls aber, dass er für Verzinsungsansprüche durch § 44 SGB I als lex specialis verdrängt wird (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 104/82 – juris, Rn. 18). Die Nachteile, die ein Versicherter dadurch erleidet, dass ein fälliger Anspruch nicht unverzüglich erfüllt wird, will das Gesetz ausschließlich durch die Bewilligung eines Zinsanspruches nach § 44 SGB I ausgleichen, während für Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom 1. März 1984 – 4 RJ 55/83 – juris, Rn. 14).
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf der Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraus, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (etwa BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R – juris, Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch den der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39; BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 R 5/13 R – juris, Rn. 37; BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – juris, Rn. 24).
Der geltend gemachte Zinsanspruch kann daher nicht Rechtsfolge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sein. Denn durch die Zinszahlung würde nicht der Zustand hergestellt, der bestehen würde, wenn die Beklagte dem Kläger gegenüber keine Pflichtverletzung begangen hätte; ob eine solche Pflichtverletzung vorliegt, kann der Senat daher auch dahinstehen lassen. Hätte die Beklagte den Kläger rechtzeitig über die Möglichkeit, eine Altersrente wegen Schwerbehinderung bereits ab dem 1. September 2009 zu beantragen, informiert, hätte der Kläger dann die Rente rechtzeitig beantragt und die Beklagte zeitnah bewilligt, hätte der Kläger gerade keinen Anspruch auf Zinszahlungen gehabt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 13). Der Kläger will also im vorliegenden Verfahren gar nicht die Herstellung des Zustandes, der ohne (unterstellte) Pflichtverletzung bestanden hätte, sondern sein Begehren ist der Sache nach auf einen darüber hinaus gehenden Schadensersatz gerichtet. Auch das BSG hat betont, dass ein Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftung geltend zu machen ist und dass sich § 44 SGB I nur auf Fälle bezieht, in denen die Verwaltung trotz vollständig vorliegenden Leistungsantrages eine Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten ausgezahlt hat, die Norm aber nicht aber zum Zwecke von Verfolgungsschäden ausgedehnt werden darf (BSG, Urteil vom 8. September 1983 – 5b RJ 28/82 – juris, Rn. 15).
(2) Von der soeben erörterten Frage, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf der Rechtsfolgenseite einen Zinsanspruch generieren kann, zu unterscheiden ist die Frage, ob und welchen Voraussetzungen Leistungen, die aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend gewährt wurden, nach § 44 Abs. 1 SGB I zu verzinsen sind, ob also der für den Hauptanspruch fingierte Antrag auch einen Antrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB I darstellt (so Sozialgericht Berlin, Urteil vom 20. Mai 2010 – S 97 R 4899/07 – juris, Rn. 16). Sie ist zu verneinen (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2012 – L 11 R 3594/11 – juris, Rn. 28; aus anderen Gründen aufgehoben durch BSG, Urteil vom 27. Mai 2014 – B 5 RE 6/14 R – juris). Auch dies folgt aus dem Charakter des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches und seiner – siehe oben – Rechtsfolgen, die ansonsten unzulässig erweitert würden.
Dahinstehen kann dabei, ob die Beklagte mit ihrem Argument durchdringen kann, sie habe vor dem 22. Mai 2012 den Antrag gar nicht bearbeiten können und daher auch die sechsmonatige Bearbeitungsfrist – gemessen ab dem Zeitpunkt der fiktiven Antragstellung am 31. August 2009 – nicht einhalten können. Dagegen dürfte sprechen, dass der Verzinsungsanspruch des § 44 Abs. 1 SGB I nach der Rechtsprechung des BSG kein Verschulden voraussetzt, weswegen der Leistungsträger den Beginn der Verzinsung nicht mit der Begründung hinausschieben kann, er habe die Bearbeitung des vollständigen Leistungsantrages erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen können (so BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 – 2 RU 41/89 – juris, Rn. 22). Andererseits hat das BSG in einem anderen Urteil betont, dass dem Versicherungsträger in jedem Fall sechs Monate Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss, bevor die Verzinsungspflicht beginnt (BSG, Urteil vom 13. Oktober 1983 – 11 RA 49/82 – juris, Rn. 15).
Das BSG hat den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus einer vertragsähnlichen Nebenpflicht nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) abgeleitet (so unter dem Topos "sozialrechtlicher Herstellungsanspruch" zuerst wohl BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11; zuvor als "Folgenbeseitigungsanspruch" diskutiert, aber offen gelassen von BSG, Urteil vom 23. März 1972 – 5 RJ 63/70 – juris, Rn. 14; der Sache bereits ähnlich diskutiert etwa bei BSG, Urteil vom 14. Juni 1962 – 4 RJ 75/60 – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1968 – 4 RJ 553/64 – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. November 1970 – 1 RA 233/68 – juris, Rn. 20; siehe auch Köhler, ZFSH/SGB 2015, 181 [189]).
Es hat dabei zugleich die Notwendigkeit gesehen, die Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von Schadensersatzansprüchen in Geld abzugrenzen, die nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – juris, Rn. 11). Die Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch hat sicherzustellen, dass der Herstellungsanspruch keine verkappte Verurteilung zum Schadensersatz in Geld ermöglicht (BSG, Urteil vom 18. August 1983 – 11 RA 60/82 – juris, Rn. 18). Ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine verspätete Auszahlung eines Nachzahlungsbetrages ist daher allein vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtbarkeit zu verfolgen (BSG, Urteil vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – juris, Rn. 14). Bedenkt man zugleich, dass es dem BSG bei Kreierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs um die "Schließung einer Lücke im Schadensersatzrecht" (BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 13 R 58/06 R – juris, Rn. 14) ging, folgt daraus, dass eine Geldleistung jedenfalls dann nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begehrt werden kann, wenn diese Geldleistung auch im Wege eines Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden könnte.
So verhält es sich aber bei Schadensersatzansprüchen, die der Kläger der Sache nach geltend macht und die gerade Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs sein können. Eine Lücke im Schadensersatzrecht, die zu schließen wäre, besteht daher von vorneherein nicht.
Dieses Ergebnis liegt im Übrigen in Übereinstimmung mit einem Urteil des BSG zur Umdeutung eine Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag: Das BSG hat hier betont, dass die Fiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI zwar bewirkt, dass der Rentenantrag im Sinne des § 99 SGB VI (als zum Zeitpunkt des Rehabilitationsantrages) wirksam gestellt gilt, dass die Regelung jedoch keinen vollständigen Antrag auch im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I fingiert (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 13). In dem selben Urteil hat sich das BSG zudem gegen die Vermengung von Gesichtspunkten, die im Rahmen einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erheblich sein können, mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB I gewandt (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 – B 13 R 17/07 R – juris, Rn. 16).
(3) Schließlich streitet auch die Entwicklung des einfachen Rechts wie auch des Verfassungsrechts für einen engen Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieses Rechtsinstitut ist lediglich richterrechtlich entwickelt worden. Zwar geht die Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon aus, dass richterliche Rechtsfortbildung grundsätzlich zulässig ist (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – juris, Rn. 38 ff.; BVerfG, Beschluss vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94 – juris, Rn. 50 ff.; zur Problematik des Richterrechts bzw. den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung siehe m.w.N. etwa Hillgruber, JZ 2008, 745 ff.; Kriele, ZRP 2008, 51 ff.; Möllers, JZ 2009, 668 ff.; Pieroth/Aubel, JZ 2003, 504 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 457 ff.; Rüthers, NJW 2011, 1856 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, Rn. 878 ff., 936 ff.; Steiner, in: Müller/Osterloh/Stein [Hrsg.], Festschrift Hirsch, 2008, S. 611 ff.). Sie bedarf aber stets der kritischen Überprüfung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Entscheidungen des Gesetzgebers selbst. Insofern ist von Bedeutung, dass § 31 SGB I anordnet, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereich des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Diese einfachrechtliche Kodifizierung des Vorbehaltes des Gesetzes ist verfassungsrechtlich fundiert. Während seit jeher klar ist, dass unter der Herrschaft des Grundgesetzes die Verwaltung in Rechtspositionen des Bürgers nur auf Grundlage eines parlamentarischen Gesetzes kann (siehe etwa BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73 u.a. – juris, Rn. 34), ist mittlerweile die Geltung des Vorbehaltes des Gesetzes auch im Bereich der Leistungsverwaltung anerkannt (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – juris, Rn. 136; vgl. dazu auch Aubel, in: Emmenegger/Wiedmann [Hrsg.], Linien der Rechtsprechung des BVerfG – erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 2011, S. 273 [287 f.]; Bittner, German Law Journal 2011, 1941 [1956]; Gärditz, BRJ 2010, 4 [7 f.]; in der Literatur zuvor etwa schon Henke, AöR 101 [1976], S. 576 [587]; ders., DÖV 1977, 41 [44 ff.]). Das Gebot strikter Gesetzlichkeit und das Verbot von Analogiebildungen sind aus objektiv-rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen auch dann zu beachten, wenn sie sich zum Nachteil des einzelnen leistungsbegehrenden Bürgers auswirken (Gärditz, in: Friauf/Höfling [Hrsg.], Berliner Kommentar zum GG, Art. 20 [6. Teil] Rn. 164 [Januar 2011]).
Mit diesem Vorbehalt des Gesetzes konfligiert tendenziell die Etablierung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als allein richterrechtliche Anspruchsgrundlage. Sie erklärt sich historisch daraus, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bereits seit den 1960er Jahren entwickelt wurde (siehe oben), das SGB I und mit ihm § 31 SGB I jedoch erst am 1. Januar 1976 (Gesetz vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) in Kraft getreten ist. Der Senat muss nicht entscheiden, welche Folgerungen hieraus und aus der späteren Rechtsentwicklung generell zu ziehen sind. Für das vorliegende Verfahren reicht die Feststellung aus, dass der Umstand, dass bereits nach der allgemeinen Auffassung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der vom Kläger geltend gemachte Zinszahlungsanspruch nicht besteht, auch durch die übergreifenden Rechtsentwicklungen, die eine restriktive Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gebieten, gestützt wird.
c) Ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aufgrund einer Amtshaftung hat, hat der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil insoweit die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit ausschließlich zuständig sind. Eine Teilverweisung dieses Rechtsstreits insoweit ist nicht zulässig (z.B. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris, Rn. 5; Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 – L 4 R 1296/11 – juris, Rn. 35, jeweils m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Zwar hat der Senat seinerzeit die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Bei der im Berufungsverfahren erfolgten umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage hat sich aber – wie dargestellt – herausgestellt, dass die maßgeblichen Fragen bereits vom BSG entschieden worden sind. Aus diesem Grund hätte die Berufung seinerzeit zugelassen werden müssen, weil das Urteil des SG von Entscheidungen des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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