L 11 R 1516/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 457/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1516/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1960 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger (Zuzug nach Deutschland im Mai 1970), absolvierte keine Ausbildung und war zuletzt 2001 in der Müllentsorgung tätig. Seit 09.08.2001 sind keine rentenrechtlichen Zeiten mehr im Versicherungskonto gespeichert. Beim Kläger ist seit 07.07.2003 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Mit Bescheid vom 13.08.2003 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund eines fehlenden Leistungsfalls ab. Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt. Der Kläger beantragte am 18.09.2013 erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, dass er seit 2001 krank sei. Er habe Angst vor Menschen, werde schnell müde und nehme starke Medikamente. Mit Bescheid vom 11.10.2013 lehnte die Beklagte den Antrag unter Verweis auf das Fehlen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Mindestzahl von 36 Monaten Pflichtbeiträgen im Zeitraum vom 18.09.2008 bis 17.09.2013) ab. Mit anschließendem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass bereits 1999 die bei ihm vorliegende psychiatrische Erkrankung festgestellt worden sei und die letzte Tätigkeit im Jahr 2001 aufgrund von Ängsten hätte beendet werden müssen. Er legte ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. C. vom 22.10.2013 vor, wonach der Kläger seit Jahren in fachärztlicher Behandlung wegen einer psychotischen Erkrankung stehe. Ein letzter stationärer Aufenthalt habe 2011/2012 stattgefunden. Aus fachärztlicher Sicht bestünde seit mindestens fünf Jahren keine hinreichende Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben (unter drei Stunden arbeitstäglich). Beigefügt war auch ein Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 27.12.2011 bezüglich einer Unterbringung des Klägers im ZfP S. im Wege der einstweiligen Anordnung sowie der Entlassbericht der Klinik aufgrund dieses Aufenthalts vom 25.12.2011 bis 04.02.2012. Die Ärzte attestierten eine paranoide Schizophrenie und teilten mit, dass die beim Aufnahmegespräch begleitende Ehefrau und der ältere Sohn mitgeteilt hätten, dass es dem Kläger seit ca August 2011 psychisch zunehmend schlechter gehe. Laut den Angehörigen besuche der Kläger nie einen Nervenarzt, sondern lasse die Ehefrau zum Arzt gehen, um seine Medikation verschrieben zu bekommen. Er sei 2001 ebenfalls stationär im ZfP unter der Diagnose einer paranoiden Schizophrenie behandelt worden. Im Rahmen des nun eigenmächtigen Absetzen der seit Jahren verordneten Neuroleptikamedikation sei es im Verlauf der letzten Wochen zu einer erneuten Exazerbration der bekannten paranoiden-halluzinatorischen Psychose mit fremdaggressivem Verhalten gekommen. Die Klinikärzte teilten mit, dass der Kläger wenig Leidensdruck bezüglich seiner Situation empfinde und äußere, mit seinem Tagesablauf durchaus zufrieden zu sein und hoffe, dass ihn seine Familie weiterhin finanziell versorge. Nach mehreren problemlos verlaufende Belastungserprobungen wurde der Kläger am 04.02.2012 in seine häusliche Umgebung entlassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei zwar seit August 2011 nur noch in der Lage, leichte Arbeiten unter drei Stunden täglich zu verrichten. Allerdings seien bei Annahme dieses Leistungsfalls in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet. Ein Verlängerungstatbestand liege nicht vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im März 2003 eingetreten wäre.

Hiergegen hat der Kläger am 25.02.2014 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er durch seinen Klägerbevollmächtigten ausführen lassen, dass es Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Leistungsfall bereits im März 2003 eingetreten sei. Aufgrund der schwerwiegenden Erkrankung sei er jahrelang gar nicht wirklich in der Lage dazu gewesen, sich ärztlichen Behandlungen zu unterziehen.

Das Gericht hat den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. C. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat mitgeteilt, dass er den Kläger ausschließlich am 07.08.2003, am 22.06.2007, am 17.10.2008, am 20.02.2012, am 19.03.2012, am 08.02.2013 und am 22.10.2013 persönlich in der Praxis gesehen habe. Der Kläger leide unter einer paranoiden Psychose mit erheblichen paranoiden Ängsten und dadurch bedingtem sozialen Rückzug. Wegen dieser Ängste seien auch nur selten Praxisbesuche organisiert worden. Zeitweilig sei es zu einer leichten Verbesserung der Symptomatik gekommen, eine stabile Besserung habe allerdings nie erreicht werden können. Weitergehende Behandlungen hätten nicht stattgefunden, da diese vom Kläger stets abgelehnt worden seien.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.03.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung letztmals im März 2003 vorgelegen hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht gegeben. Berufsschutz bestehe nicht, weshalb auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege.

Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 17.03.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 08.04.2015 Berufung eingelegt und eine Bestätigung der AOK Baden-Württemberg vorgelegt, wonach der Kläger vom 16.12.1999 bis 27.12.1999, vom 20.01.2001 bis 26.01.2001 und vom 25.12.2011 bis 04.02.2012 stationär im ZfP Z. behandelt worden sei. Er hat auch die diesbezüglichen Entlassbriefe der Klinik übersandt.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakte beigezogen und die Neurologin und Psychiaterin Dr. M. mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens nach Aktenlage gemäß § 106 SGG beauftragt. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass von August 2003 bis Juni 2007 eine Lücke in den nervenärztlichen Konsultationen und damit auch in den entsprechenden Dokumentationen des Krankheitsbildes klaffe. Sehr wahrscheinlich sei der Kläger aus primär krankheitsbedingten Gründen nicht zum Nervenarzt gegangen. Über das Krankheitsbild in den Jahren 2003 bis 2007 sei so gut wie nichts bekannt, außer indirekte Mitteilungen der Ehefrau des Klägers, die nicht dokumentiert seien. Es könne nicht mit der hierfür notwendigen Sicherheit schon seit 2003 bzw seit August 2001 mit der hierfür notwendigen Sicherheit von dauerhaften gravierenden Leistungseinschränkungen ausgegangen werden. Retrospektiv habe es sich bei der 2001 aufgetretenen psychiatrischen Symptomatik sehr wahrscheinlich bereits um eine paranoide Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gehandelt. Sicher nachgewiesen sei die paranoide Schizophrenie allerdings erst 2011 anlässlich der stationär-psychiatrischen Behandlung in der psychiatrischen Klinik Z. 2001 sei eine wesentliche Besserung unter psychiatrischer Behandlung belegt. Vom behandelnden Nervenarzt Dr. C. sei 2003 ebenfalls eine wesentliche Besserung unter Neuroleptikamedikation angegeben worden. Im weiteren Krankheitsverlauf habe sich dann eine paranoide Schizophrenie manifestiert. Ab August 2001 habe der Kläger mit Rücksicht auf die bestehenden Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs bis unter acht Stunden arbeiten können. Mit weiterer Krankheitsentwicklung und nachgewiesener Verschlechterung der psychiatrischen Symptomatik ab ca August 2011 (Verschlimmerungszeitpunkt, der im Entlassungsbericht des ZfP S. angegeben werde) könne der Kläger mit Rücksicht auf die bestehende Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch leichte Arbeiten in Wechselpositionen überwiegend in geschlossenen Räumen weniger als drei Stunden täglich verrichten. Vermieden werden müssten Verrichtungen verbunden mit besonderen Anforderungen an die psychische und nervliche Belastbarkeit, unter besonderem Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht, Arbeiten an Maschinen sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Diese qualitativen Leistungseinschränkungen würden bereits ab August 2001 gelten. Die Wegefähigkeit sei gegeben.

Der Kläger ist der Auffassung, dass psychotische Symptome bereits 1999 und 2001 bestanden hätten. Als Folge der Psychosen habe er sich nicht mehr weiter behandeln lassen. Eine wesentliche Besserung im Jahr 2001 und 2003 könne nicht nachvollzogen werden, da es ihm im Anschluss krankheitsbedingt schon gar nicht möglich gewesen sei, seinen Arzt aufzusuchen. Ein Leistungsfall habe bereits 1999 und zumindest seit Beginn 2001 vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.03.2015 sowie den Bescheid vom 11.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit ab 01.01.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Schwerbehindertenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2014, mit dem der Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Gemäß § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt - hier der ablehnende Bescheid vom 13.08.2003 - , auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger hat - auch für die Vergangenheit - keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweise Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind.

Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor.

Es kann dabei dahinstehen, ob beim Kläger ab ca August 2011 wegen einer paranoiden Schizophrenie ein Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung oder sogar der vollen Erwerbsminderung eingetreten ist. Denn zu diesem Zeitpunkt und für alle Zeitpunkte nach März 2003 erfüllt er nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger hat dann in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Das gilt auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gem §§ 43 Abs 4 und 5, 241 SGB VI.

Nach § 43 Abs 4 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Nr. 1), Berücksichtigungszeiten (Nr. 2), Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt (Nr. 3) und Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung (Nr. 4).

Nach § 43 Abs 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 53 SGB VI). Dafür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Nach § 241 Abs 1 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, auch um Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 1. Januar 1992. Solche Zeiten hat der Kläger nicht.

Für den Senat stehen ausweislich des nicht umstrittenen Versicherungsverlaufs Pflichtbeitragszeiten durchgehend von Juni 1993 bis Juni 1999, von August 1999 bis Februar 2000 sowie von Mai 2000 bis März 2001 fest. Vom 01.04.2001 bis 02.07.2001 enthält der Versicherungsverlauf eine geklärte Lücke. Die letzten Pflichtbeiträge aufgrund einer versicherten Beschäftigung liegen beim Kläger dann vom 03.07.2001 bis 08.08.2001 vor. Anschließend sind keine Zeiten mehr im Versicherungskonto gespeichert. Solche wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und kommen auch nicht mehr in Betracht. Es gibt insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für vorliegende Anrechnungszeiten nach dem 08.08.2001. Die Arbeitsunfähigkeit während und nach den Klinikaufenthalten 1999 und 2001 ist bereits im Versicherungsverlauf berücksichtigt.

Der Kläger hat demnach letztmals im März 2003 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch zur Überzeugung des Senats weder teilweise noch volle Erwerbsminderung nachgewiesen. Die objektive Feststellungslast bezüglich des Eintritts einer relevanten Erwerbsminderung trägt der Kläger. Um einen Anspruch begründen zu können, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr sprechen mehr Anhaltspunkte dafür als dagegen, dass der Kläger bis ca August 2011 noch in der Lage war, zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Anforderungen an die psychische und nervliche Belastbarkeit, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Arbeiten an Maschinen sowie ohne Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge unter den üblichen Bedingungen täglich sechs bis unter acht Stunden zu verrichten.

Bei dieser Einschätzung stützt sich das Gericht hauptsächlich auf das schlüssige und überzeugende Gutachten der erfahrenen Gerichtsgutachterin Dr. M ... Die Sachverständige hat unter Zugrundelegung sämtlicher medizinischer Befunde und insbesondere sämtlicher Entlassberichte des ZfP S. (früher Mü.rklinik Z.) nachvollziehbar ausgeführt, dass beim Kläger 1999 eine stationär-psychiatrische Behandlung wegen einer akuten Belastungsreaktionen mit einer paranoiden Symptomatik erfolgt sei. Auch 2001 fand eine stationäre psychiatrische Behandlung unter diese Diagnose statt, wobei damals aufgrund ausgeprägter und verschiedener paranoider Ideen wie Verfolgungs- und Beeinträchtigungsängste sowie auch hypochondrischer Ängste differenzialdiagnostisch eine paranoide Psychose in Erwägung gezogen wurde. Psychotische Symptome, die 1999 und 2001 aufgetreten sind, sind unter medikamentöser Therapie rasch abgeklungen. Nach den psychotischen Manifestationen ist das Fortbestehen einer psychotischen Symptomatik nicht dokumentiert. Zudem beschrieb auch der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. C. im Befundbericht vom 11.08.2003 (aufgrund persönlicher Untersuchung am 07.08.2003) einen antriebsgeminderten Kläger ohne floride paranoide Symptomatik und ohne Unruhe. Dr. C. ging von Besserung und Stabilisierung aus und stellte nur eine leicht reduzierte berufliche Belastbarkeit fest.

Von August 2003 bis Juni 2007 klafft eine Lücke in den nervenärztlichen Konsultationen und damit auch den entsprechenden Dokumentationen eines möglicherweise vorliegenden Krankheitsbildes. Möglicherweise ging der Kläger aus primär krankheitsbedingten Gründen nicht zum Nervenarzt. Jedoch kann aus diesem Umstand nicht auf ein schwerwiegendes Krankheitsbild oder gar eine rentenrelevante Erwerbsminderung geschlossen werden. Vielmehr spricht einiges dafür, dass auch bei Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsbildes die Gesundheitsstörungen unter ärztlicher Mithilfe in absehbarer Zeit innerhalb von sechs Monaten hätten überwunden werden können. Dafür sprechen insbesondere die positiv verlaufenen Behandlungen im Jahr 2001 und 2003. Erst im weiteren Krankheitsverlauf manifestiert sich dann eine paranoide Schizophrenie. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Ehefrau und der ältere Sohn des Klägers anlässlich der Einweisung in die stationäre psychiatrische Behandlung im ZfP S. im Dezember 2011 mitgeteilt haben, dass es diesem seit ca August 2011 psychisch zunehmend schlechter gehe, weil er sein Neuroleptikum weggelassen habe. In letzter Zeit habe der Kläger vermehrt Suizidgedanken geäußert.

Aus diesen Aussagen und dem Umstand, dass in der Zeit zwischen Juni 2007 und Dezember 2011 nur eine einmalige Vorstellung bei Dr. C. am 17.10.2008 erfolgt ist und ansonsten keinerlei psychiatrische Befunde vorhanden sind, lässt sich jedenfalls nicht nachweisen, dass der im Dezember 2011 vorliegende Gesundheitszustand bereits vor August 2011 so vorlag. Diese Einschätzung entspricht im Übrigen auch den Ausführungen von Dr. C. in dessen Attest vom 22.10.2013. Denn darin bescheinigte er ein fehlendes Leistungsvermögen seit mindestens fünf Jahren. Er stellt demnach offensichtlich auf seine Untersuchung im Jahr 2008 ab.

Aus der beigezogenen Schwerbehindertenakte ergibt sich nichts anderes. Sämtliche dort enthaltene medizinischen Befunde wurden von der Gutachterin berücksichtigt. Zudem lässt sich aus der festgestellten Höhe des Grades der Behinderung nicht auf eine Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI schließen. Im Übrigen ging der ärztliche Dienst des Versorgungsamtes Rottweil für die vorhandene seelische Krankheit nur von einem Einzel-GdB von 30 aus. Die beim Kläger vorliegende Schwerbehinderung ergibt sich demnach erst in der Zusammenschau mit dem ebenfalls angenommenen Einzel-GdB von 30 für die vorliegende Schwerhörigkeit und nicht alleine aus der psychiatrischen Gesundheitsstörung. Aus der beim Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit lässt sich eine zeitliche Leistungsminderung keinesfalls begründen. Bei der Untersuchung durch Dr. C. am 07.08.2003 wurde angegeben, dass das Hörvermögen gut sei.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers vor August 2011 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1960 und damit vor dem Stichtag geboren, Berufsunfähigkeit ist jedoch jedenfalls vor August 2011 nicht nachgewiesen. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar ist, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN). Der Kläger ist als ungelernter Arbeiter (1999-2000 Maschinenarbeiter, 2000-2001 Bandarbeiter und Mischer sowie kurzzeitig im Jahr 2001 Arbeiter in der Müllentsorgung) auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zum fehlenden Nachweis einer relevanten zeitlichen Erwerbsminderung zumindest vor August 2011 verwiesen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; das vorhandene Gutachten und die Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten aus dem Berufungsverfahren hat dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachterin zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig und auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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