L 11 KR 2402/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 6267/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2402/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 01.08. bis 09.12.2012.

Die Klägerin ist 1968 geboren. Sie war vom 01.06.2010 bis 31.05.2012 als Verkäuferin in der Bäckerei ihres Ehemannes versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber am 27.04.2012 wegen Betriebsaufgabe zum 31.05.2012 gekündigt. Am 12.06.2012 meldete sich die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), welches ihr die BA ab 12.06.2012 bewilligte (vgl Bl 7, 12 BA-Akte). Am 13.06.2012 bescheinigte der Hausarzt der Klägerin, Dr. R., das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit (AU) voraussichtlich bis 18.06.2012 wegen einer Spinalkanalstenose und eines Bandscheibenvorfalls. Die Klägerin legte in der Folgezeit weitere AU-Bescheinigungen bei der Beigeladenen vor, in denen durchgehend AU bis zuletzt 26.07.2012 bescheinigt wurde (Bl 15 Verwaltungsakte). Dementsprechend leistete die Beigeladene sechs Wochen lang nach §§ 145, 146 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Alg als Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall bis zum 24.07.2012. Mit Bescheid vom 25.07.2012 hob die Beigeladene die Bewilligung von Alg ab dem 25.07.2012 auf und verwies die Klägerin an die Beklagte (Bl 3 Verwaltungsakte der Beklagten).

Mit Auszahlschein vom 26.07.2012 (Bl 6 Verwaltungsakte) bescheinigte Dr. R. der Kläger weitere AU voraussichtlich bis auf Weiteres. Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 25.07.2012 Krg und veranlasste eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur Frage der Dauer der AU der Klägerin.

Der MDK kam unter dem 26.07.2012 (Bl 22 Verwaltungsakte der Beklagten) zum Ergebnis, dass ab dem 31.07.2012 ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für körperlich leichte Tätigkeiten vorliege.

Mit Schreiben vom 27.07.2012 informierte die Beklagte die Klägerin über die Feststellungen des MDK und teilte mit, dass der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des 31.07.2012 und damit auch die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten in der bisherigen Form ende. Zur Vermeidung möglicher Nachteile solle sich die Klägerin bis spätestens 01.08.2012 bei der Agentur für Arbeit melden. Dies tat die Klägerin nicht. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben der Beklagten nicht.

Am 07.08.2012 sprach der Ehemann der Klägerin bei der Beklagten vor. Seine Frau habe immer noch Schmerzen im Rücken und könne nicht arbeiten. Sie sei momentan für 10 Tage in der Türkei. Am 08.08.2012 legte der Ehemann der Klägerin eine Bescheinigung des Hausarztes Dr. R. (Bl 31 Verwaltungsakte der Beklagten) und weitere ärztliche Unterlagen/Arztbriefe bei der Beklagten vor, ua einen Arztbrief des Neurochirurgen Dr. P. vom 18.06.2012, der von "aktueller Beschwerdefreiheit" berichtet.

Der MDK führte hierauf unter dem 10.08.2012 (Bl 33 Verwaltungsakte) aus, dass keine AU vorliege und es bei den Feststellungen vom 26.07.2012 verbleibe.

Am 17.08.2012 sprach die Klägerin wieder bei der Beigeladenen vor (Bl 34 SG-Akte) und erklärte, sie sei entgegen dem MDK-Gutachten nicht arbeitsfähig.

Mit Schreiben vom 27.08.2012 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012. Ärztliche Untersuchungen hätten die Notwendigkeit einer Hallux-valgus-Operation ergeben. Sobald ein Termin frei werde, werde sie operiert. Der nächste reguläre Termin sei jedoch erst im Dezember. Da sie sowohl unter Belastung als auch in Ruhephasen Schmerzen am rechten Fuß habe, könne sie auch leichte Arbeiten nicht durchführen.

Die Klägerin wurde im Rahmen einer stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus Emmendingen am 20.09.2012 an der rechten Großzehe operiert. Im Anschluss hieran veranlasste die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage beim MDK. Dr. S. kam am 02.10.2012 (Bl 47 Verwaltungsakte) zum Ergebnis, dass die Klägerin aus sozialmedizinischer Sicht aufgrund des Hallux valgus ab dem 01.08.2012 keine ununterbrochenen Tätigkeiten im Gehen bzw Stehen habe ausüben können. Ab dem 01.08.2012 bis zur Operation am 20.09.2012 habe ein positives Leistungsbild für leichte sitzende Tätigkeiten bestanden. Eine erneute AU könne wegen der Notwendigkeit postoperativer Schonung ab dem 20.09.2012 angenommen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 (Bl 53 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Nachdem sich die Klägerin erneut bei der Beigeladenen arbeitslos gemeldet hatte, gewährte die Beigeladene wiederum Alg in den Zeiträumen 10.12.2012 bis 19.03.2013, 11.04.2013 bis 14.08.2013 und 01.09.2013 bis 02.12.2013. Die Gewährung von Alg im Zeitraum vom 01.08.2012 bis 09.12.2012 lehnte die Beigeladene ab, da sich die Klägerin in diesem Zeitraum dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestellt habe. Diesbezüglich ist vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) unter dem Aktenzeichen S 15 AL 4896/14 ein Verfahren der Klägerin gegen die Beigeladene anhängig.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 hat die Klägerin am 14.12.2012 Klage zum SG erhoben. Sie habe über den 31.07.2012 hinaus erhebliche gesundheitliche Beschwerden gehabt. Von den behandelnden Ärzten sei sie nach dem 31.07.2012 als arbeitsunfähig krankgeschrieben worden. Eine vollschichtige Arbeitsfähigkeit auch für leichte sitzende Tätigkeiten habe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bestanden. Sie werde zwischen der Beklagten und der Beigeladenen hin und her geschoben. Aufgrund der ärztlich festgestellten Beschwerden und der bescheinigten AU habe sie im Zeitraum ab dem 01.08.2012 dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch nicht zur Verfügung gestanden. Vom 01.08.2012 bis zum 10.12.2012 sei sie nicht arbeitsfähig gewesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Befunde sowie Arztbriefe seien die Feststellungen des MDK schlüssig und nachvollziehbar. Im Zeitraum vom 01.08.2012 bis jedenfalls 19.09.2012 habe ein positives Leistungsbild für leichte sitzende Tätigkeiten vorgelegen, weshalb eine AU nicht gegeben gewesen sei und ein Anspruch auf Krg über den 31.07.2012 hinaus nicht bestehe.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte.

Der Chirurg Dr. Ri. hat mit Schreiben vom 26.11.2013 (Bl 42 SG-Akte) mitgeteilt, dass die Klägerin erstmals im Januar 2010 behandelt worden sei und bereits damals über Schmerzen im Großzehengrundgelenk rechts geklagt habe. Die operative Korrektur am 20.09.2012 sei zufriedenstellend verlaufen. Vor dem Behandlungszeitraum sei nicht ersichtlich, weshalb leichte körperliche Tätigkeiten aufgrund der Diagnose Hallux valgus bzw Hallux limitus nicht hätten ausgeführt werden können.

Der Allgemeinmediziner Dr. R. hat mit Schreiben vom 08.12.2013 (Bl 44 SG-Akte) mitgeteilt, dass die Krankschreibung wegen Rückenschmerzen und Fußbeschwerden im Zeitraum vom 13.06.2012 bis 02.10.2012 aus seiner Sicht erforderlich gewesen sei, da die Klägerin als Bäckereifachverkäuferin tätig gewesen sei und deshalb ganztägig habe stehen müssen. Sie sei allerdings sicherlich in der Lage gewesen, körperlich leichte Tätigkeiten auszuüben, jedoch nicht für die Zeit der Operation des Großzehengrundgelenks. Bis zum Operationsbeginn hätte sie leichte sitzende Tätigkeiten ausüben können. Sie hätte auch den Weg zur Arbeit zurücklegen können.

Der Chirurg Dr. P. hat mit Schreiben vom 04.02.2014 (Bl 57 SG-Akte) mitgeteilt, dass im Zeitraum zwischen Juni 2012 und Juli 2013 fünf Vorstellungen der Klägerin erfolgt seien, in diesem Zeitraum seien leichte körperliche Tätigkeiten mit Wechselbelastung, ohne längeres Sitzen und Stehen und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten möglich gewesen. Zwischen dem 01.08. und 19.09.2012 sei die Klägerin nicht vorstellig gewesen, sodass bezüglich einer AU keine Beurteilung erfolgen könne.

Mit Beschluss vom 15.07.2013 hat das SG die BA zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat keinen Klagantrag gestellt. Sie hat vorgebracht, eine Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 01.08.2012 sei nicht möglich, da keine erneute persönliche Arbeitslosmeldung der Klägerin erfolgt sei. Dies sei erst am 10.12.2012 geschehen. Die Klägerin habe sich ab dem 01.08.2012 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestellt.

Mit Urteil vom 27.03.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf die weitere Gewährung von Krg über den 31.07.2012 hinaus. Über diesen Zeitraum hinaus sei sie nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Eine erneute Gewährung von Krg ab dem 19.09.2012 (stationäre Aufnahme zur Operation des Großzehengrundgelenks) scheitere an einer fehlenden Versicherung der Klägerin bei der Beklagten mit Anspruch auf Krg.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 08.05.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 06.06.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die nach Aktenlage erstellten Ferndiagnosen einzelner Ärzte, auf die sich das SG berufen habe, seien nicht überzeugend. Das SG habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten zu ihren gesundheitlichen Beschwerden einzuholen. Eine Gesamtberücksichtigung und Gesamtbeurteilung des Gesundheitszustandes der Klägerin sei nicht erfolgt. Bereits vor dem 31.07.2012 habe festgestanden, dass sie sich einer Operation an der Großzehe unterziehen müsse, weshalb bis zum Zeitpunkt der Operation eine Arbeitsaufnahme nicht möglich gewesen sei. Auch die Nichtgewährung des Krg ab dem 19.09.2012 sei rechtswidrig, denn die Beigeladene habe der Klägerin zu Unrecht Alg verweigert.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.03.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31.07.2012 hinaus Krankengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 27.03.2015 Bezug. Nach den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen, insbesondere des Dr. R., sei die Klägerin ab dem 31.07.2012 in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

In einem Erörterungstermin am 11.02.2016 wurde der Sachverhalt mit den Beteiligten eingehend erörtert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Streitgegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Krg für die Zeit vom 01.08. bis 09.12.2012. Ab dem 10.12.2012 bezog die Klägerin wieder Alg; für diesen Zeitraum wird kein Krg beansprucht. Die Klägerin hat bereits im Klageverfahren mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.03.2013 vorgetragen: "Nach alledem ist festzuhalten, dass die Klägerin für den betreffenden Zeitraum vom 01.08.2012 bis zum 10.12.2012 nicht arbeitsfähig war und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand, so dass die Klage begründet ist."

Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache allerdings unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krg über den 31.07.2012 hinaus, da ab 01.08.2012 AU nicht mehr vorlag und ab 19.09.2012 (Tag der stationären Aufnahme) keine mit einem Anspruch auf Krg verbundene Mitgliedschaft bei der Beklagten vorlag.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff SGB V. Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (Bundessozialgericht [BSG] 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Bei einer Krankschreibung "auf nicht absehbare Zeit" oder "bis auf Weiteres" müssen für eine ärztliche Feststellung iSd § 46 S 1 Nr 1 SGB V keine neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt werden unabhängig davon, ob die KK dieser Beurteilung folgt oder nicht; es ist dann Sache der KK, die AU durch den MDK prüfen zu lassen (vgl Senatsurteil vom 21.01.2014, L 11 KR 4174/12, Die Leistungen Beilage 2014, 128), wie vorliegend am 26.07.2012 geschehen.

Das bei Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krankengeld hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4). Vor Beginn des Krg-Bezugs am 25.07.2012 bezog die Klägerin Alg von der Beigeladenen und war über den Alg-Leistungsbezug nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V pflichtversichert. Die Klägerin hat sich der AA ohne Einschränkungen für auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zur Verfügung gestellt; dies ist der Maßstab für die Beurteilung der AU, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Maßstab für die Beurteilung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen sind auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit alle Beschäftigungen, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, BSGE 94, 247, SozR 4-2500 § 44 Nr 6; 04.04.2006, B 1 KR 21/05 R, BSGE 96, 182, SozR 4-2500 § 44 Nr 9). Einen darüber hinausgehenden krankenversicherungsrechtlichen "Berufsschutz" gibt es nicht. Nicht abzustellen ist daher auf die frühere Beschäftigung als Bäckereiverkäuferin. Es kommt darauf an, ob die Klägerin über den 31.07.2012 in der Lage gewesen ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zu verrichten. Dies ist zur Überzeugung des Senats der Fall gewesen, weshalb AU nicht mehr vorlag.

Die Einschätzungen des MDK vom 26.07.2012 und vom 02.12.2012, wonach die Klägerin ab dem 01.08.2012 körperlich leichte sitzende Tätigkeiten vollschichtig verrichten konnte, sind nachvollziehbar und plausibel und werden von den behandelnden Ärzten der Klägerin bestätigt. Der Senat schließt sich den ausführlich dargelegten Ausführungen des SG an und nimmt hierauf Bezug. Der Hausarzt Dr. R. hat mit Schreiben vom 08.12.2013 mitgeteilt, dass seine Feststellung von AU im Zeitraum vom 13.06.2012 bis 02.10.2012 sich auf eine Tätigkeit der Klägerin als Bäckereifachverkäuferin mit nicht zumutbarem ganztägigem Stehen bezogen habe. Körperlich leichte Tätigkeiten hätten bis zur Operation im September 2012 verrichtet werden können. Die Chirurgen Dr. Ri. und Dr. P. haben dies bestätigt. Letzterer hat außerdem bereits am 18.06.2012 mitgeteilt, die Rückenbeschwerden seien abgeklungen; diesbezüglich passt ins Bild, dass die Klägerin zwischen dem 01.08. und 19.09.2012 gar nicht mehr dort vorstellig geworden ist.

Ab dem 19.09.2012 – Tag der stationären Aufnahme wegen der Halux-valgus-OP am 20.09.2012 - hat zwar wieder AU bestanden, jedoch war die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Anspruch auf Krg krankenversichert. Die durch den Alg-Bezug begründete Mitgliedschaft hat nur bis zum 31.07.2012 bestanden (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V), danach ist kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg ersichtlich. Die Klägerin war ab dem 01.08.2012 über die bestehende Versicherung des Ehemannes familienversichert (§ 10 SGB V), was die Gewährung von Krg nicht mit einschließt (§ 44 Abs 2 SGB V).

Die Beigeladene hat weder Alg bewilligt noch besteht ein Anspruch hierauf im Zeitraum vom 01.08.2012 bis 19.09.2012, weshalb eine erneute Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht entstanden ist (vgl Felix in jurisPK SGB V, 2. Aufl 2016, § 5 Rn 29 f). Denn die Klägerin stand nach eigenem Vorbringen nach dem 31.07.2012 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dass dies auf ihrer Fehleinschätzung, es liege bei ihr AU vor, beruhte, ändert nichts am Fehlen der sog subjektiven Verfügbarkeit (§ 138 Abs 1 Nr 3 SGB III, vgl BSG 29.06.1995, 11 Rar 47/95, SozR 3-4100 § 103 Nr 13). Die Klägerin hätte sich am 01.08.2012, wie von der Beklagten zutreffend empfohlen, bei der AA melden und den Ärzten der Beigeladenen die Prüfung der AU überlassen müssen. Eine "Wahlfeststellung" zwischen Alg und Krg in Fällen umstrittener Arbeitsfähigkeit (vgl SG Darmstadt 20.11.2012, S 1 AL 358/12 ER, info also 2013, 62), die der Klägerseite offenbar vorschwebt, indem sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene in zwei gerichtlichen Verfahren für denselben Zeitraum auf die Leistungen Krg bzw Alg in Anspruch genommen werden, setzt jedenfalls voraus, dass seitens des Arbeitsuchenden, der sich für arbeitsunfähig hält, Arbeitsbereitschaft (subjektive Verfügbarkeit) gegeben ist, was vorliegend ausweislich des klägerischen Vortrags gerade nicht der Fall war.

Der geltend gemachte Krg-Anspruch ist auch nicht nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V begründet. Ist die Mitgliedschaft auch unter Berücksichtigung der Erhaltungstatbestände in § 192 SGB V beendet, besteht gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V noch ein nachgehender Leistungsanspruch (ggf auch auf Krankengeld) längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Der beitragsfreie, nachwirkende Versicherungsschutz dient der Vermeidung sozialer Härten. Er soll verhindern, dass Betroffene bei kurzzeitigen Beschäftigungslücken, etwa einem Arbeitsplatzwechsel, vorübergehend keinen Krankenversicherungsschutz haben. Da § 19 Abs 2 Satz 1 eine Ausnahmevorschrift zur Vermeidung sozialer Härten darstellt, entfallen die Schutzbedürftigkeit und damit der gesetzgeberische Grund für die Gewährung eines über das Mitgliedschaftsende hinausreichenden, begrenzten, beitragsfreien Versicherungsschutzes, wenn es keine Sicherungslücke (mehr) gibt. Eine solche Lücke ist nicht gegeben, wenn entweder unmittelbar im Anschluss eine bisherige Pflichtmitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V ein neues Versicherungsverhältnis begründet wird (BSG 26.06.2007, B 1 KR 2/07 R, juris). Das aktuelle Versicherungsverhältnis hat mithin Vorrang gegenüber dem nachgehenden Anspruch. Die bei der Klägerin bestehende Versicherung nach § 10 SGB V (Familienversicherung) hat deswegen Vorrang vor dem nachgehenden Leistungsanspruch. Mitglieder, deren eigene Mitgliedschaft endet, die aber nach § 10 SGB V Familienversicherte sind oder werden können, sind daher auf den Familienversicherungsschutz verwiesen. Sie haben mangels Schutzbedürftigkeit keinen nachgehenden Leistungsanspruch aus § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V (vgl eingehend Senatsbeschluss vom 19.02.2013, L 11 KR 1768/12 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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