L 11 KR 4685/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 251/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4685/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Versicherte der GKV, die an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leiden, haben keinen Anspruch auf Versorgung mit SpongiCol.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.09.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für SpongiCol, ein Collagen-Lecithin-Granulat.

Der im Jahr 1977 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Der Kläger leidet unter Colitis ulcerosa, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, mit Erstdiagnose im Jahr 2006. Der Kläger nimmt deswegen seit einigen Jahren Phosphatidylcholin (Lecithin) zu sich. Er erhielt das Phosphatidylcholin in einer retardierten Darreichungsform zunächst als Studienpräparat (Sterpur P-30) von der Universitätsklinik H ... Nach Studienende wurde die Herstellung von Sterpur P-30 eingestellt. Inzwischen läuft eine neue Studie mit einem überarbeiteten Präparat namens LT-02, welches der Kläger allerdings nicht mehr einnimmt. Seit Beendigung der Lieferung von Sterpur P-30 führte der Kläger Selbstversuche mit Alternativen durch. Er bezog zunächst magensaftresistente Kapseln mit Lecithin von einer Apotheke. Seit Ende 2012 erwirbt er Kläger SpongiCol, ein Collagen-Lecithin-Granulat. Zusätzlich zu dem Granulat versorgt sich der Kläger mit dem reinen Rohstoff Phosphatidylcholin (Lipoid S 100) und lässt sich aus diesem vom Klinikum K., in dem er arbeitet, Zäpfchen erstellen, die er seither neben dem Granulat einnimmt.

In der Vergangenheit hatte der Kläger von der Beklagten die Kostenübernahme für Lecithin 800 mg als Kapsel oder Granulat sowie Lecithin-Suppositorien als Rezepturarzneimittel verlangt. Diesbezüglich wurden von Beklagten diverse Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) eingeholt. Im Gutachten des Dr. B. vom 15.08.2012 (Bl 23 Verwaltungsakte) wurde dabei ausgeführt, dass keine Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestünde. Lecithin könne als nicht apothekenpflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Wirkstoff nicht zu Lasten der GKV als Rezeptur-Arzneimittel verordnet werden. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs la Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) vor. Es bestehe zwar eine schwere, die Lebensqualität beträchtlich einschränkende Erkrankung, es sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Colitis ulcerosa im Fall des Klägers als in der Regel tödlich verlaufende oder gleichzustellende Krankheit ausgeprägt wäre. Es seien zudem nicht die Möglichkeiten zugelassener Therapien ausgeschöpft. Überdies bestünden keine Wirksamkeitsbelege in Form von methodisch hochwertigen Studien, die einer zulassungsreifen Datenlage entsprächen.

Dennoch wurden von der Beklagten die Kosten für ein Lecithin-Granulat beim Kläger zuletzt bis Ende 2013 übernommen.

Mit Schreiben vom 12.12.2013 (Bl 1 Verwaltungsakte) beantragte der Kläger eine Verlängerung der Kostenübernahme. Er legte eine Arzneimittelverordnung des Internisten Dr. C. über zwölfmal SpongiCol Collagen-Lecithin Granulat 250g vom 18.10.2013 und eine Rechnung einer F. Apotheke vom 23.10.2013, gerichtet an die Zentralapotheke des Klinikum K., über zwölf SpongiCol-Packungen in Höhe von 1.456,95 EUR vor. Ferner legte er ein Attest des Dr. C. vom 26.02.2014 vor, wonach bei ihm eine Stabilisierung der Colitis unter der Lecithintherapie eingetreten sei. Durch die Normalisierung des Stuhlganges sei eine Arbeit zu den üblichen Arbeitszeiten möglich geworden. Das Beenden der Lecithintherapie würde die Gefahr heraufbeschwören, einen teuren Rückfall zu provozieren.

Im darauf von der Beklagten veranlassten Gutachten des MDK vom 03.06.2014 (Dr. P., Bl 13 Verwaltungsakte) wurde angegeben, dass es sich bei SpongiCol Collagen-Lecithin-Granulat um ein Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) und nicht um ein Arzneimittel handele. Nahrungsergänzungsmittel seien von der Versorgung nach § 27 SGB V ausgeschlossen. Hiervon seien nur ausgenommen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung. Im vorliegenden Fall handele es sich aber nicht um eine solche Produktgruppe.

In einem weiteren MDK-Gutachten vom 09.07.2014 (Dr. P., Bl 19 Verwaltungsakte) wurde ausgeführt, dass nach der Arzneimittelrichtlinie keine Leistungspflicht zur Kostenübernahme bestehe. Es bestünden auch alternative Möglichkeiten der medikamentösen Therapie. Colitis ulcerosa könne leitliniengerecht behandelt werden.

Dem wurde in einem Attest des Dr. C. vom 06.08.2014 entgegengehalten, ein erneuter Therapieversuch mit dem Arzneimittel Azathioprin sei dem Kläger nicht zuzumuten; der Zustand unter Infliximab sei desolat gewesen und auf Mesalazin bestehe eine Allergie. Erst durch die Lecithinbehandlung habe eine anhaltende Remission und Arbeitsfähigkeit erreicht werden können.

Im hierauf von der Beklagten eingeholten MKD-Gutachten vom 17.09.2014 (Dr. M., Bl 36 Verwaltungsakte) wurde ausgeführt, dass weitere Therapieoptionen (ua rektale Behandlung) zur Verfügung stünden. SpongiCol sei ein Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel iSe Aufbaupräparates) und entspreche keiner Produktgruppe nach § 19 der Arzneimittelrichtlinie (ausnahmsweise zur Versorgung nach § 27 SGB V zugelassene Nahrungsergänzungsmittel). Nach den vorgelegten Befunden bestehe eine relativ stabile Situation. Aus sozialmedizinischer Sicht sei eine leitliniengerechte Behandlung insb mit Corticosteroiden möglich. Auch sollten die seelische Irritabilität des Klägers und seine nicht rationale Ernährungsweise mit behandelt werden. Die vom Versicherten seit Jahren praktizierte äußerst eingeschränkte Ernährungsweise (hauptsächlich Flüssignahrung, Ensure+ [hochkalorische Trinknahrung ohne diätetische Ballaststoffe] und Milchprodukte) entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage und sei möglicherweise psychogen/angstgeneriert. Im Vordergrund stehe daher eine entsprechende Beratung und baldmöglichst konsequenter Nahrungsaufbau zur Vermeidung von Mangelzuständen.

Mit Bescheid vom 24.09.2014 (Bl 46 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für Lecithin über den 31.12.2013 hinaus ab.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.10.2014 Widerspruch mit der Begründung, dass bei ihm zwar aktuell eine relativ stabile Situation bestehe, dies aber nur, weil er seit 1,5 Jahren ein gutes Phosphatidylcholin-Präparat zu sich nehme. Eine reine Symptombehandlung seiner Erkrankung sei ihm nicht zuzumuten. SpongiCol sei nur eine Notlösung, da sich die Pharmafirma mit der Zulassung des überarbeiteten offiziellen Studien-Präparates LT-02 viel Zeit lasse. Aktuell gebe es weder Studienpräparate noch zugelassene Produkte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2015 (Bl 53 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da SpongiCol ein Nahrungsergänzungsmittel und daher von den Leistungen der GKV ausgeschlossen sei. Es sei auch kein Medikament, das zur Behandlung von Colitis ulcerosa zugelassen sei. Eine tödliche verlaufende oder vergleichbare Erkrankung liege beim Kläger nicht vor. Außerdem seien vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft.

Hiergegen hat der Kläger am 04.02.2015 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er begehre Kostenerstattungen für die Rechnungen über SpongiCol vom 03.02.2014, 02.05.2014, 14.07.2014, 07.10.2014, 30.12.2014, 23.03.2015 und 02.06.2015 in Höhe von insgesamt 10.845,95 EUR. Er leide er unter einer schwerwiegenden chronischen Krankheit, die bei Nichtbehandlung zu einem tödlichen Verlauf führen könne. Er sei austherapiert. Als einzige Behandlungsmöglichkeit werde die Entfernung des Dickdarms angesehen. Für das offizielle Studienpräparat LT-02 laufe eine Phase-III-Studie. Die Studie werde noch 1,5 Jahre laufen. Die Studie zeige eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten. SpongiCol sei ferner als Arzneimittel einzustufen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Lecithin sei in Europa als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Für Nahrungsergänzungsmittel könne keine Kostenübernahme erfolgen.

Am 25.06.2015 hat das SG die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Mit Urteil vom 17.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für das selbstbeschaffte SpongiCol. Dieses Produkt gehöre nicht zum Leistungsumfang der GKV. Es handele sich weder um ein zugelassenes apothekenpflichtiges Arzneimittel, noch um ein Heil- oder Hilfsmittel. Offen bleiben könne, ob eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe, da Lebensmittel grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen seien. Soweit der Kläger die ursprünglich erhobene Leitungsklage auf Sachleistung (Versorgung mit SpongiCol in der Zukunft) nicht mehr aufrecht erhalten, sondern in eine Feststellungsklage geändert habe, sei die Klage unzulässig, da es am Feststellungsinteresse fehle und eine allgemeine Leistungsklage vorrangig sei.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 19.10.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 09.11.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er habe zumindest nach § 2 Abs 1a SGB V einen Anspruch auf Kostenerstattung in der geltend gemachten Höhe. Es handele sich bei SpongiCol um ein Arzneimittel und nicht um ein Lebensmittel. Es sei unerheblich, dass der Hersteller SpongiCol als Nahrungsergänzungsmittel bewerbe. Das Produkt werde vom Hersteller bewusst als Mittel zur Behandlung von Colitis ulcerosa beschrieben. Bei dieser Erkrankung handele es sich zumindest um eine wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbaren Erkrankung. Eine Standardtherapie stehe nicht zur Verfügung. Es bestehe auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Beim Kläger habe sich nachweislich eine Besserung gezeigt, wie Dr. C. mehrfach in Attesten bestätigt habe.

Der Kläger hat Atteste des Dr. C. vom 12.02.2012, 26.02.2014 und 15.02.2016 sowie eine Reihe ärztlicher Verordnungen des Dr. C. vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.09.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die seit 01.01.2014 entstandenen Kosten für die Versorgung mit SpongiCol in Höhe von 10.845,95 EUR zu erstatten und ihn auch in Zukunft mit SpongiCol zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In einem Erörterungstermin am 03.03.2016 hat der Berichterstatter die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Im Erörterungstermin sind die Beteiligten auch darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 07.04.2016 gegeben worden. Eine Äußerung ist nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Erstattung der für den Kauf von SpongiCol entstandenen Kosten noch einen Anspruch auf Versorgung für die Zukunft. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) und er hat das Zahlungsbegehren für die Vergangenheit im notwendigen Umfang beziffert. Ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Gegenstand und muss deshalb beziffert werden. Soweit der Kläger SpongiCol erhalten, aber noch nicht bezahlt hat, ist es prozessual zulässig, der Klage einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die selbst beschaffte Leistung zugrunde zu legen und für die Zukunft einen Anspruch auf SpongiCol als Sachleistung zu erheben. Beide Formen der Leistungsklage sind durch die Formulierung abgedeckt, die Beklagte werde verurteilt, den Kläger auch in Zukunft mit SpongiCol zu versorgen (vgl zum Ganzen BSG 17.06.2010, B 3 KR 7/09 R, BSGE 106, 173). Den vom Kläger zuletzt gestellten Antrag hat das SG zu Unrecht als isolierte Feststellungsklage gewertet. Eine solche wäre in der Tat hier unzulässig. Nach seinem hinreichend deutlich gewordenen Klagebegehren (vgl Antrag im Schriftsatz vom 17.04.2015, Bl 25 SG-Akte) und der erkennbaren Unsicherheit, wie der Antrag sachdienlich zu fassen sei, muss das Begehren als (zulässige) Anfechtungs- und Leistungsklage gewertet werden. Das Gericht ist – als Folge des Dispositionsgrundsatzes – nur an das erkennbare Rechtsschutzbegehren, nicht an die (vielleicht irrtümlich gewählte) Fassung der Anträge gebunden (§ 123 SGG).

Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs 3 Alternative 2 SGB V). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 mwN). So haben Versicherte nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 3 Nr 3 SGB V). Bei SpongiCol handelt es sich jedoch weder um ein Arzneimittel noch um ein Heilmittel. Es gehört auch nicht zu den Nahrungsmitteln, die ausnahmsweise als Teil der enteralen Ernährung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind. Darüber hinaus kann SpongiCol auch nicht als Hilfsmittel angesehen werden.

SpongiCol ist kein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist notwendige, nicht hinreichende Bedingung für die Qualität als GKV-Arzneimittel (§ 31 Abs 1 Satz 1 SGB V), dass Arzneimitteleigenschaft iS des Arzneimittelgesetzes (Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 12.12.2005, BGBl I 3394, zuletzt geändert durch Art 2a Gesetz vom 27.03.2014, BGBl I 261) besteht (BSG 03.07.2012, B 1 KR 23/11 R, juris – Gepan instill, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9 Rn 15 mwN - Lorenzos Öl). Nach § 2 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaft zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (Nr 1) oder die in oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu stellen (Nr 2). Dieser weite Arzneimittelbegriff erfährt eine Eingrenzung in § 2 Abs 3 Nr 1 AMG, wonach Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) keine Arzneimittel sind. § 2 Abs 2 LFGB verweist auf den Lebensmittelbegriff des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr 178/2002 (vom 28.01.2002, ABl EU L 31, 1, geändert durch VO vom 22.07.2003 ABl EU L 245, 4; sog Basis VO). Danach sind Lebensmittel alle Stoffe der Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder teilweise unverarbeitetem Zustand vom Menschen aufgenommen werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGRL) 65/65 (ABl EWG 1965 P 22, 369) und 92/73 (ABl EWG 1992 L 297, 8) des Rates. Diese Richtlinien wurden zwar mittlerweile durch Art. 128 Abs 1 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates EGRL 2001/83 (vom 06.11.2001, ABl EG L 311, 67) ausdrücklich aufgehoben. Nach Art. 128 Abs 2 EGRL 2001/83 gelten aber Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie als Bezugnahme auf die vorliegende Richtlinie (BSG 16.12.2008, B 1 KN 3/07 KR R, USK 2008-73). Artikel 2 Abs 2 EWGRL 2001/83 sichert dabei den Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts. Artikel 1 EGRL 2001/83 unterscheidet zwischen den sog Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktionen); diese Unterscheidung liegt auch den Definitionen in § 2 Abs 1 AMG zugrunde (vgl BSG 16.12.2008 aaO). Durch die Neufassung des AMG hat sich in Bezug auf die Definition des Arzneimittelbegriffs keine Änderung ergeben, da die Bestimmung des § 2 AMG aF, die den nationalen Arzneimittelbegriff regelte, richtlinienkonform im Sinne des neu gefassten europarechtlichen Arzneimittelbegriffs auszulegen war (BGH 26.06.2008, I ZR 112/05, juris – HMB-Kapseln; vgl auch BSG 28.02.2008, B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103 – Lorenzos Öl; Senatsurteil vom 22.07.2014, L 11 KR 4441/12).

Nach Art 1 Nr 2 Buchst a) der Richtlinie 2001/83/EG, § 2 Abs 1 Nr 1 AMG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind (sog Präsentationsarzneimittel). Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (EuGH 15.11.2007, C-319/05, GesR 2008, 526). Das Produkt SpongiCol wird vom Hersteller KliniPharm selbst als "neuartiges Nahrungsergänzungsmittel" (vgl Bl 60 Senatsakte) bezeichnet, und ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Produkt tatsächlich ein Arzneimittel sei. Trotz der Bezeichnung können andere Umstände hinzutreten, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (BVerwG 26.05.2009, 3 C 5/09, NVwZ 2009, 1038). Solche Umstände liegen nicht vor. Der Hersteller macht vielmehr in der Produktbeschreibung deutlich, dass SpongiCol gerade kein Arzneimittel ist. Es werde "aus natürlichen Grundstoffen" hergestellt, und "so sorgfältig wie ein Pharmazeutikum entwickelt und produziert". Der Umstand, dass das Präparat möglicherwiese auch in Apotheken verkauft wird, rechtfertigt nicht die Annahme, ein Verbraucher werde das Produkt nur deshalb als Arzneimittel betrachten. Neben Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten darf ein Apotheker auch apothekenübliche Waren iSv § 1a Abs 10 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) idF der Bekanntmachung vom 26.09.1995, BGBl. I S. 1195, zuletzt geändert durch Art 2a der Verordnung vom 06.03.2015, BGBl I S 278) anbieten (vgl hierzu BVerwG 19.09.2013, 3 C 15.12, BVerwGE 148, 28). Es ist offenkundig und bedarf deshalb keines weiteren Beweises, dass in nahezu jeder Apotheke auch Produkte angeboten werden, die keine Arzneimittel sind (Senatsurteil vom 22.07.2014, L 11 KR 4441/12; vgl auch VGH Baden-Württemberg 23.02.2010, 13 S 2696/09, juris). Weder der Vertriebsweg noch die Art des Vertriebs sowie die Verpackung lassen eine Zuordnung SpongiCols als Arzneimittel erkennen. Vielmehr ist das Produkt SpongiCol im Handel als Lebensmittel geführt. Es handelt sich um ein Nahrungsmittel im Sinne einer Nahrungsergänzung bzw eines Aufbaupräparates (vgl das für den Senat überzeugende MDK-Gutachten vom 17.09.2014 unter Bezugnahme auf die Lauer-Taxe).

Das Produkt ist auch kein sog Funktionsarzneimittel iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AMG. Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung (Präsentationsarzneimittel), dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen (EuGH aaO). Die Voraussetzungen eines sog Funktionsarzneimittels iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AMG sind nicht erfüllt, weil die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Präparats weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus, sondern auf physikalischem Weg erreicht wird (vgl BGH 10.12.2009, I ZR 189/07, juris Golly Telly). Es handelt sich auch nicht um ein Produkt, das durch seine auf physikalischem Gebiet liegende primäre Wirkung eine auf pharmakologischem Gebiet liegende weitere Wirkung auslöst und diese weitere Wirkung die bestimmungsgemäße Hauptwirkung darstellt (vgl hierzu BGH 24.11.2010, I ZR 204/09, PharmR 2011, 299 = juris). Da das Produkt kein Arzneimittel ist, kommen die vom BSG entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV (vgl hierzu ua BSG 08.11.2011, B 1 KR 19/10 R, BSGE 109, 211) von vornherein nicht in Betracht. Auch bedarf es keiner Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen nicht zugelassene Arzneimittel im Einzelfall zum Leistungsumfang der GKV gehören (vgl hierzu BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170). Dass die vom Kläger durchgeführte Form der Einnahme von SpongiCol in Verbindung mit den selbst hergestellten Zäpfchen mit Lipoid S 100 möglicherweise den Arzneimittel-Studienpräparaten Sterpur P-30 und LT-02 ähneln mag, ändert daran nichts. Ein selbst erstelltes mögliches Arzneimittel führt noch nicht dazu, dass die zugrundeliegenden Bestandteile, ua SpongiCol, selbst zum Arzneimittel werden, wie das SG zutreffend ausgeführt hat.

SpongiCol ist auch kein arzneimittelähnliches Medizinprodukt iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V. Es ist nicht in der Anlage V zum Abschnitt J der auf der Grundlage von § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V erlassenen Arzneimittel-Richtlinie - Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte – enthalten und daher in der GKV nicht verordnungsfähig.

SpongiCol ist – wie vom Hersteller bezeichnet – ein Nahrungsergänzungsmittel. Es gehört auch nicht als Bestandteil einer bilanzierten Diät zur enteralen Ernährung unter den Voraussetzungen des § 31 Abs 5 SGB V zum Leistungsumfang der GKV. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte es bei dem Grundsatz bleiben, dass die Versorgung mit Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, sog Krankenkost und anderen diätetischen Lebensmitteln nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, auch wenn therapeutische Effekte behauptet werden (BT-Drs 16/10609, 51). Der Gemeinsame Bundesausschuss hat gemäß § 31 Abs 5 Satz 2 SGB V in den §§ 18 ff AM-RL die Voraussetzungen festgelegt, unter denen bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können. Danach ist SpongiCol nicht verordnungsfähig. Als Elementardiät oder Sondennahrung ist das Produkt nicht geeignet, weil es nicht allein ernähren kann (§ 19 Abs 3 und 4 AM-RL). Dies ergibt sich aus den Angaben des Herstellers (Bl 60 f Senatsakte). Der Kläger wird auch nicht enteral ernährt. Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen (§ 21 Abs 1 Satz 1 der AM-RL). Die nach § 31 Abs 5 SGB V gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Nahrungsmittel beruht auf sachgerechten Gründen, ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu widersprechen (BSG 08.11.2011, B 1 KR 20/10 R, BSGE 109, 218).

Der Kläger kann Kostenerstattung schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt verlangen, SpongiCol hätte ihm von der Beklagten gemäß § 33 Abs 1 SGB V als Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden müssen. SpongiCol ist kein Hilfsmittel. Hilfsmittel sind alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel einschließlich der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel (BSG 05.07.2005, B 1 KR 12/03, ArztR 2006, 266; 19.10.2004, B 1 KR 28/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 2 Rn 3 f, jeweils mwN). SpongiCol hat schon seiner Art nach keine Ähnlichkeit mit den in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V beispielhaft aufgeführten typischen Hilfsmitteln, wie zB mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln und hat auch nicht die Funktion, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern. Die Colitis ulcerosa als solche kann durch SpongiCol nicht beseitigt werden. Nahrungsergänzungsmittel wie SpongiCol sind vom Gesetzgeber - obgleich es sich der Sache nach um Nahrungsaufnahme und Ernährung handelt - systematisch der Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln zugeordnet worden. Wollte man SpongiCol gleichwohl als Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 SGB V qualifizieren, liefen die engen Voraussetzungen, unter denen der Gesetzgeber im Bereich der Ernährung und Nahrungsaufnahme eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen hat, leer (vgl BSG 05.07.2005, B 1 KR 12/03 aaO, juris Rn 25 [Dickungsmittel]).

SpongiCol ist auch kein Heilmittel. Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln gegenüber der GKV, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind (§ 32 Abs 1 SGB V). Eine Behandlung mit Heilmitteln liegt bei SpongiCol nicht vor, denn dies setzt eine Anwendung (Dienstleistung) voraus, die am Patienten von speziell ausgebildeten Personen erbracht wird (BSG 28.06.2001, B 3 KR 3/00 R, BSGE 88, 204, SozR 3-2500 § 33 Nr 41), was hier nicht der Fall ist.

Schließlich kommt ein Leistungsanspruch nach § 2 Abs la SGB V nicht in Betracht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Dabei kann es dahinstehen, ob beim Kläger eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, da das SGB V Lebensmittel grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen, sie also dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten (§ 2 Abs 1 S 1 SGB V) zugerechnet hat, selbst wenn hierfür den Versicherten krankheitsbedingt ein Mehraufwand entstehen sollte (vgl BSG 08.11.2011, B 1 KR 20/10 R, BSGE 109, 218, SozR 4-2500 § 31 Nr 20). Das Gesetz sieht vielmehr - bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit - insoweit Ansprüche gegen diejenigen Sozialleistungsträger vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt, die aber beim Kläger nicht vorliegt.

Nach dem Vorstehenden hat der Kläger auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zurverfügungstellung von SpongiCol in der Zukunft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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