Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1170/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 689/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Stellt der Rentenversicherungsträger während des Rechtsstreits über die Höhe der bewilligten Rente diese Rente durch Bescheid von Anfang an und höher fest, wird dieser Bescheid gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits und ersetzt den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Rentenhöhe in vollem Umfang.
2. Eine eventuelle Versäumung der Klagefrist ist damit gegenstandslos.
3. Streitgegenstand eines Rechtsstreits um höhere Rente ist der vom Versicherten gerügte Fehler.
4. Die Absenkung von Entgeltpunkten um 40 v.H. nach § 22 Abs. 4 FRG ist auch unter Berücksichtigung des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Eine eventuelle Versäumung der Klagefrist ist damit gegenstandslos.
3. Streitgegenstand eines Rechtsstreits um höhere Rente ist der vom Versicherten gerügte Fehler.
4. Die Absenkung von Entgeltpunkten um 40 v.H. nach § 22 Abs. 4 FRG ist auch unter Berücksichtigung des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29.01.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin unter voller Anrechnung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) ermittelten Entgeltpunkte höhere Erwerbsminderungsrente zusteht.
Die am 1952 geborene, aus R. stammende Klägerin zog am 21.08.1992 ins Bundesgebiet zu. Sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Mit Bescheid vom 10.11.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.07.2011 in Höhe von anfänglich 743,95 EUR brutto bzw. nach Neufeststellung der Rentenhöhe von Anfang an in Höhe von 751,09 EUR (Bescheid vom 19.12.2011). Der Rentenberechnung lagen u.a. Versicherungszeiten nach dem FRG, und zwar für den Zeitraum vom 01.10.1971 bis 20.08.1992 zu Grunde. Die durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung festgelegten Werte für die nach dem FRG anerkannten Zeiten wurden bei der Ermittlung der maßgeblichen Entgeltpunkte um 40% durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6 vermindert. Wegen der Einzelheiten der Rentenberechnung wird auf diese Bescheide verwiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin u.a. wegen der erfolgten Kürzung um 40 v.H. Widerspruch. Insoweit machte sie geltend, seit dem Inkrafttreten des Abkommens über Soziale Sicherheit zwischen R. und der Bundesrepublik Deutschland zum 01.06.2006 bzw. seit dem Beitritt R. s zur Europäischen Union (EU) zum 01.01.2007 sei die Kürzung der Entgeltpunkte nicht mehr gerechtfertigt, "da die Deutsche Rentenversicherung nicht mehr - wie vor dem 01.06.2006 - einseitig belastet ist, da R. seit diesem Zeitpunkt ihren Anteil zu den Renten der Aussiedler aus R. beiträgt."
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin insoweit zurück. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 13.06.2006 (1 BvL 9/00 u.a.) entschieden, dass die durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 eingeführte Regelung in § 22 Abs. 4 FRG, wonach die nach dem FRG erworbenen Entgeltpunkte bei einem Rentenbeginn nach dem 30.09.1996 um 40 v.H. zu mindern sind, mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Lediglich für rentennahe Jahrgänge, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 01.01.1991 genommen hätten und deshalb nach der bis zur Verkündung des WFG geltenden Rechtslage eine ungeschmälerte Rente aus Zeiten nach dem FRG beanspruchen könnten, habe es das Fehlen einer Übergangsregelung beanstandet. Diese habe der Gesetzgeber dann durch das am 30.04.2007 verkündete RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz Art. 6 § 4c FANG mit Wirkung zum 01.10.1996 geschaffen. Diese Regelung, die für Zeiten des Rentenbezugs bis 30.06.2000 einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten vorsehe, sei verfassungskonform, wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteilen vom 20.10.2009, B 5 R 38/08 R und 25.02.2010, B 13 R 61/09 R, entschieden habe. Eine gegen diese Übergangsregelung gerichtete Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1201/10) habe das BVerfG mit Beschluss vom 15.07.2010 nicht zur Entscheidung angenommen. Die nach dem FRG berücksichtigten Entgeltpunkte seien daher zu Recht auf 60 % abgesenkt worden.
Gegen den zur Übersendung an ihre Bevollmächtigte am 08.03.2012 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 12.04.2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Mit dieser hat sie sich zuletzt nur noch gegen die Kürzung der nach dem FRG berücksichtigten Entgeltpunkte um 40 % gewandt und geltend gemacht, die Beklagte verkenne, dass der vorliegende Sachverhalt nicht mehr mit jenem vergleichbar sei, der dem BVerfG in den Jahren 2006 und 2010 bzw. dem BSG in den Jahren 2009 und 2010 zu Grunde gelegen hätte. Denn diese Verfahren hätten Personen betroffen, deren Rente vor Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und R. über Soziale Sicherheit vom 08.04.2005 bzw. vor dem EU-Beitritt R. s am 01.01.2007 begonnen hätten, d.h. als R. weder durch zwischenstaatliche Abkommen noch durch europäische Vorschriften zur Zahlung einer ausländischen Rente verpflichtet gewesen sei und dementsprechend auch keine ausländische Rente gezahlt habe. Seinerzeit sei der Deutsche Rentenversicherungsträger einseitig belastet gewesen, ohne dass für die im Ausland ausgeübten Beschäftigungen Rentenbeiträge in Deutschland gezahlt worden seien, was die Kürzung als verfassungsgemäß erscheinen lassen möge. Diese Kürzung könne jedoch nicht auch für Personen aus dem Schutzbereich des FRG gelten, für die der ausländische Rentenversicherungsträger die ausländische Rente zahle, da dies eine Verletzung von Art. 3 Grundgesetz (GG) darstelle. Die Kürzung für Aussiedler aus R. stelle im Übrigen auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Aussiedlern aus Polen dar, die durch Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG 1996 aus der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 herausgenommen seien, was das BVerfG wegen des völkerrechtlichen Grundsatzes der Gegenseitigkeit als gerechtfertigt angesehen habe. Dieser Grundsatz sei mit dem Inkrafttreten des Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und R. nunmehr in gleicher Weise anzuwenden, was eine volle Berücksichtigung der Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten zur Folge haben müsse, wie sich dies im Umkehrschluss aus der Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O. Rdnr. 97) ergebe.
Mit Bescheid vom 18.07.2012 hat die Beklagte die Rente mit Wirkung ab 01.07.2011 neu festgestellt, nachdem aufgefallen war, dass bei der vorangegangenen Rentenberechnung eine Zeit der geringfügigen Beschäftigung irrtümlich berücksichtigt worden war. Der monatliche Rentenbetrag ist nun mit anfangs, zum 01.07.2011, brutto 748,70 EUR festgesetzt worden. Dabei ist es bei der Absenkung der nach dem FRG bewerteten Zeiten geblieben (s. Anlage 3 und 10 des Bescheides). Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnung wird auf den Bescheid (Bl. 66 ff. LSG-Akte) verwiesen. Gegen den Wegfall der in Rede stehenden Zeit bei der Rentenberechnung und die geltend gemachte Erstattungsforderung (27,62 EUR) hat die Klägerin ausdrücklich keine Einwände (mehr) erhoben (s. Widerspruchsakte Nr. II: ihr Widerspruch sei erledigt).
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2015 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 10.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2012 abgewiesen. Diese sei bereits unzulässig, da der am 08.03.2012 abgesandte Widerspruchsbescheid gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post, mithin am 11.03.2012, als bekanntgegeben gelte und die Frist zur Klageerhebung damit am 11.04.2012 geendet habe. Mangels Eingangsvermerk auf dem Widerspruchsbescheid habe die Bevollmächtigte der Klägerin nicht nachweisen können, dass dieser erst nach Ablauf der Dreitagesfrist zugegangen sei. Allerdings sei die Klage auch unbegründet. Im Hinblick auf die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG bestünden auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom 13.06.2006 keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Entsprechendes gelte für die durch Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in Kraft gesetzte Übergangsregelung, was den Entscheidungen des BSG vom 20.10.2009 und 25.02.2010 zu entnehmen sei. Eine abweichende Beurteilung rechtfertige weder das zeitlich vor der Entscheidung des BVerfG vom 13.06.2006 zum 01.06.2006 in Kraft getretene deutsch-rumänische Sozialversicherungsabkommen noch der Beitritt R. s zur EU. Denn den Sicherungssystemen sei gemein, dass die jeweils im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten lediglich zur Begründung der Anwartschaft, nicht jedoch zur Erhöhung der (inländischen) Versicherungsleistungen zu berücksichtigen seien. Entsprechend habe das BSG in den erwähnten Urteilen die in Rede stehende Kürzung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet.
Am 26.02.2015 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Auf Grund des Zugangs des Widerspruchsbescheids bei ihrer damaligen Bevollmächtigten am 12.03.2012 sei die Klage insbesondere fristgerecht erhoben. Zu Begründung hat sie nunmehr ausgeführt, dass nach telefonischer Auskunft der Rentenversicherung ihre Rente auch von der rumänischen Rentenversicherung getragen werde und mit diesem Betrag dann ihre deutsche Rente gekürzt werde. Da die Kürzung um 40 % damit begründet worden sei, dass Deutschland einseitig belastet werde, weil keine Zahlungen aus R. erfolgten, sei die Kürzung seit dem Beitritt R. s zur EU zum 01.07.2007 nicht mehr gerechtfertigt, da die deutsche Rentenkasse nicht mehr die gesamten Kosten trage. Dies hätte das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006 nicht berücksichtigen können, auch das WFG und das FANG seien vor diesem Zeitpunkt erlassen worden. Ihrem Gerechtigkeitsempfinden widerspreche auch die Ungleichbehandlung mit den vor dem 01.01.1991 nach Deutschland gekommenen Volksdeutschen aus R ... Diese seinerzeit "Freigekauften" bezögen eine ungekürzte Rente, wodurch sich aufdränge, dass die nach dem 01.01.1991 Zugezogenen mit der erfolgten Kürzung den "Freikaufpreis" für jene bezahlen müssten. Auch die eingereisten Russlanddeutschen, die Begrüßungsgeld und Entschädigung erhalten hätten, sowie die Aussiedler aus Polen erhielten ungekürzte Renten. Insgesamt liege eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG im Hinblick auf die bundesdeutschen Rentenbezieher, die Aussiedler aus Polen, die Aussiedler aus R. , die vor dem 01.01.1991 ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik genommen hätten, und die Russlanddeutschen, die bei der Einreise große Beträge erhalten hätten, vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29.01.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18.07.2012 zu verurteilen, höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung, nämlich ohne die 40%ige Absenkung der nach FRG bemessenen Entgeltpunkte, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagte sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 18.07.2012. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - so ausdrücklich im Eingangssatz - die Rente neu festgestellt, und zwar mit Wirkung ab dem 01.07.2011, also von Anfang an. Damit ist dieser Bescheid über die Neufeststellung, also Neuberechnung der Rente mit Wirkung ab 01.07.2011 gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn in Bezug auf die allein streitige Höhe der zustehenden Rente hat dieser Bescheid den ursprünglich streitigen Bescheid vom 10.11.2011 und den nachfolgenden Neufeststellungsbescheid vom 19.12.2011 in vollem Umfang ersetzt, so dass diese früheren Bescheide insoweit, was die Rentenhöhe anbelangt, keine Rechtswirkungen mehr entfalten (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Soweit das Sozialgericht in Unkenntnis auch des Bescheides vom 18.07.2012 über den ursprünglichen Bescheid vom 10.11.2011 entschieden hat, wird dieser Mangel durch die Entscheidung des Senats geheilt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 96 Rdnr. 12a).
Indessen beschränkt sich die Prüfung durch den Senat allein auf die von der Klägerin gerügte Absenkung der Entgeltpunkte für die nach dem FRG bewerteten Zeiten. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R; Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2). Dem entsprechend hat die Klägerin den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit - vor und nach Erlass des Bescheides vom 18.07.2011 - zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung). Folglich beschränkt sich auch die gerichtliche Prüfung hierauf (BSG, a.a.O.). Die mit dem Bescheid vom 18.07.2012 einhergehende Verminderung des Rentenbetrages wegen des Wegfalls einer zuvor berücksichtigten Zeit und die erfolgte teilweise Aufhebung und geltend gemachte Erstattung überzahlter Rente hat die Klägerin nicht angegriffen, sondern - im Rahmen des gesondert geführten Widerspruchsverfahrens - ausdrücklich ihre dort vorgebrachten Einwände nicht mehr weiter verfolgt, sondern ihren Widerspruch für erledigt erklärt.
Die Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG setzt nicht voraus, dass die bisherige Klage zulässig gewesen ist (Leitherer, a.a.O., Rdnr. 2, 11 m.w.N.). Entsprechend kommt es vorliegend auch nicht streitentscheidend darauf an, ob die Klägerin die ursprüngliche Klage fristgerecht erhoben hat. Lediglich am Rande weist der Senat daher darauf hin, dass die ursprüngliche Klage rechtzeitig erhoben worden ist. Hier wurde der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid nach dem eindeutigen Vermerk auf Blatt 15 der Widerspruchsakte Nr. I am 08.03.2012 zur Post aufgegeben. Nach der gesetzlichen Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X wäre somit grundsätzlich von einem Zugang am 11.03.2012 auszugehen. Nach Satz 3 der genannten Regelung gilt dies allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, wobei die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs im Zweifel nachzuweisen hat. Vorliegend hat die Klägerin geltend gemacht, ihrer früheren Bevollmächtigten sei der Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 erst am Montag, den 12.03.2012 zugegangen, was diese handschriftlich auf dem an sie gerichteten Anschreiben, mit dem der Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 übersandt worden sei, vermerkt habe. Dieses Vorbringen, das durch das vorgelegte Anschreiben mit dem darauf befindlichen handschriftlichen Vermerk nachvollziehbar ist, und der Umstand, dass der Tag, an dem der Widerspruchbescheid seitens der Beklagten zur Post gegeben wurde (08.03.2012), ein Donnerstag war, begründen beim Senat Zweifel, ob der Widerspruchsbescheid der früheren Bevollmächtigten der Klägerin tatsächlich spätestens bis zum dritten Tag nach dessen Aufgabe zur Post, und damit jedenfalls bis Sonntag den 11.03.2012, zugegangen war. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dass der in Rede stehende Bescheid nach Aufgabe zur Post im Hause der Beklagten dieses erst am Folgetag, einem Freitag, verließ und seinen Empfänger nicht bereits am darauffolgenden Samstag, sondern erst am nächsten Werktag (Montag), d.h. dem auf dem Anschreiben vermerkten 12.03.2012 erreichte. Somit ist die Vermutung des Zugangs am dritten Tag nach Aufgabe zur Post erschüttert und die Zugangsvermutung widerlegt, mit der Folge, dass die Beklagte die Beweislast dafür trägt, zu welchem Zeitpunkt der Verwaltungsakt zuging. Einen früheren Zugang als den 12.03.2012 hat die Beklagte jedoch nicht nachgewiesen, so dass von einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids an diesem Tag auszugehen ist. Damit ist die am 12.04.2012 eingegangene Klage innerhalb der einmonatigen Klagefrist (§ 87 SGG) und damit fristgerecht erhoben.
Das SG hat die Klage jedoch im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf höhere Erwerbsminderungsrente sind die Regelungen der §§ 63ff. des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) über die Rentenhöhe. Nach diesen Vorschriften richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. In die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte fließen gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI dabei u.a. Entgeltpunkte für Beitragszeiten ein, wozu auch Beitrags- und Beschäftigungszeiten in R. gehören (vgl. § 15, 16 FRG).
Für diese Beitrags- und Beschäftigungszeiten, für die Entgeltpunkte nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelt werden, bestimmt § 22 Abs. 4 FRG, dass die maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt werden, mithin um 40 % abzusenken sind.
Dieser Regelung hat die Beklagte mit der von der Klägerin beanstandeten Kürzung zutreffend Rechnung getragen, weshalb die Berechnung der Erwerbsminderungsrente der Klägerin insoweit nicht zu beanstanden ist und sich als rechtmäßig erweist.
Der Anwendung dieser Regelung stehen insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Dass und aus welchen Gründen die in Rede stehende Absenkung der maßgeblichen Entgeltpunkte für Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG mit Verfassungsrecht in Einklang steht, hat das BVerfG mit Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O) entschieden. Weitere Ausführungen bedarf es insoweit daher nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat deshalb auf die entsprechenden Darlegungen des BVerfG.
Soweit das BVerfG die Anwendung der Regelung des § 22 Abs. 4 FRG auf Versicherte, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge mit Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O) für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtstaatlichen Vertrauensschutzprinzip erklärt hat, kann die Klägerin hieraus keine für sich günstigere Entscheidung herleiten. Denn zu der angesprochenen Personengruppe gehört die Klägerin nicht. Zum einen nahm die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht bereits vor dem 01.01.1991 - sie reiste erst am 21.08.1992 ins Bundesgebiet ein - und zum anderen gehörte sie zu dem maßgeblichen (damaligen) Zeitpunkt mit ihrem Geburtsjahr 1952 nicht zu den rentennahen Jahrgängen. Denn im September 1996 war die Klägerin erst 44 Jahre alt und damit Jahrzehnte vom Renteneintrittsalter entfernt. Soweit der Gesetzgeber mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007 daher dem Erfordernis einer Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge nachgekommen ist und Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG angefügt hat, gehört die Klägerin schon von vorneherein nicht zu dem begünstigten Personenkreis.
Nach alledem ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Höhe der Erwerbsminderungsrente der Klägerin unter Anwendung der Regelung des § 22 Abs. 4 FRG ermittelte.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, R. sei zum 01.07.2007 der EU beigetreten, was weder das BVerfG in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 noch der Gesetzgeber bei Inkrafttreten des WFG und des FANG habe berücksichtigen können, ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung dem EU-Beitritt R. s im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 4 FRG oder gar dessen Verfassungsmäßigkeit beizumessen sein soll. Unmittelbare Auswirkungen auf innerdeutsches Recht, insbesondere die Anwendung der in Rede stehenden Vorschrift waren damit nicht verbunden. Damit sind auch keine Gründe erkennbar, die den Schluss zuließen, dass die den Verfahren des BVerfG zu Grunde liegenden Sachverhalte mit dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens nicht (mehr) vergleichbar seien. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin zuletzt angeführten Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004, die - so die Überschrift des entsprechenden Kapitels - für Alters- und Hinterbliebenenrenten gelten. Vorliegend ist aber eine Rente wegen Erwerbsminderung streitig (zur Frage der in diesem Zusammenhang von der Klägerin geltend gemachten Gleichstellung mit polnischen Staatsangehörigen s. später).
Soweit die Klägerin ausführt, die aus R. übergesiedelten Versicherte hätten im Hinblick auf die im Herkunftsland zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten nunmehr auch gegenüber dem rumänischen Versicherungsträger Rentenansprüche, weshalb die deutsche Rentenversicherung nicht mehr die gesamten Kosten der in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten trage, ist schon nicht plausibel, weshalb der Wegfall der einseitigen (alleinigen) Belastung des innerdeutschen Rentensystems mit den in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten nun mit der Verpflichtung einhergehen soll, jetzt ohne die in § 22 Abs. 4 FRG gesetzlich vorgesehene Absenkung höhere Rentenleistungen zu erbringen und damit die beim innerdeutschen Rentensystem auch weiterhin verbliebenen Belastungen durch höhere Rentenleistungen auch noch zu erhöhen. Angesichts der Tatsache, dass nunmehr - nach Abschluss des Sozialversicherungsabkommens bzw. dem Beitritt R. s zur EU - Versicherte ihre Ansprüche gegen den rumänischen Sozialversicherungsträger realisieren können, wäre dies allenfalls Grund die Notwendigkeit einer Begünstigung dieser Versicherten durch das FRG zu prüfen.
Zu den nach dem FRG begründeten sozialversicherungsrechtlichen Rechtspositionen hat sich das BVerfG in dem bereits mehrmals erwähnten Beschluss ausführlich geäußert und dargelegt, dass diesen gerade keine an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachte Eigenleistungen zu Grunde liegen. Vielmehr haben die Versicherten insoweit Beiträge zur Rentenversicherung im Herkunftsland gezahlt, weshalb diese Beiträge auch nicht den Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland zugeflossen sind. Auch die Arbeitsleistung ist in einem anderen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem als der Bundesrepublik Deutschland erbracht worden und diesem zu Gute gekommen. Wenn der Gesetzgeber sich vor diesem Hintergrund - so die weiteren Ausführungen des BVerfG - entschließt, die in den Herkunftsländern zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten wie Zeiten zu behandeln, die die Berechtigten im System der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben, so sei dies ein Akt besonderer staatlicher Fürsorge. Damit verfolge der Gesetzgeber das legitime Ziel, insbesondere Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler, die in die Bundesrepublik übersiedeln, soweit als möglich mit Hilfe auch der Sozialversicherung zu integrieren, ohne zu dieser Lösung aber verfassungsrechtlich verpflichtet zu sein. Damit lässt sich die von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtung zur Erbringung höherer Rentenleistungen auch nicht mit einer Minderung der Last des innerdeutschen Rentenversicherungsträgers begründen. Schließlich haben sich auch die tragenden Gründe, die den Gesetzgeber veranlasst haben, die in Rede stehende Vorschrift des § 22 Abs. 4 FRG in das FRG aufzunehmen durch den Beitritt R. s zur EU nicht maßgeblich geändert. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber - neben zahlreichen anderen Regelungen - das Ziel verfolgt, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse der Beitragszahler, der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O. Rdnr. 86), gleichermaßen aber auch das Versicherungsprinzips und des Prinzips der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente zu stärken sowie die Akzeptanz des Fremdrentenrechts bei den einheimischen Versicherten zu erhöhen (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 87).
Soweit Anknüpfungspunkt der Ausführungen der Klägerin die Regelung des § 31 FRG ist, wonach die innerdeutsche Rente in der Höhe ruht, in der dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt wird, kann der Argumentation der Klägerin schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Klägerin neben der von der Beklagten bewilligten Erwerbsminderungsrente gerade keine anzurechnende Rente aus R. bezieht. Damit ist die einseitige Belastung des innerdeutschen Rentensystems mit den von ihr in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten aber gerade nicht weggefallen, so dass die Klägerin selbst nicht die Voraussetzungen erfüllt, die nach ihrem Vorbringen höhere Rentenleistungen rechtfertigen sollen, weshalb ihr diesbezügliches Vorbringen ins Leere geht.
Schließlich ist die Klägerin durch die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG - entgegen der von ihr vertretenen Ansicht - auch nicht in ihrem Grundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt nur dann vor, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG 117,272,300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr. 7 Rdnr 70, st. Rspr.).
Eine derartige Ungleichbehandlung der Klägerin liegt nicht vor. Denn soweit die Gruppe, der die Klägerin angehört im Vergleich zu anderen Gruppen benachteiligt wird, ist die ungleiche Behandlung hinreichend gerechtfertigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auch insoweit auf die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006 und hierbei insbesondere auf die Darlegungen zur unterschiedlichen Behandlung im Vergleich zu den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik versicherten Beschäftigten (Rdnr. 95) sowie zu den Inhabern von Ansprüchen und Anwartschaften nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen (Rdnr. 96), hinsichtlich derer eine Ungleichbehandlung der Klägerin angesichts ihres Einreisezeitpunkts im Jahr 1992 gerade nicht vorliegt, weil die beanstandete Vergünstigung der Aussiedler aus Polen gerade an eine Einreise vor dem 01.01.1991 anknüpft (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 09.09.1998, a.a.O.). Was die günstigere Behandlung der Aussiedler anbelangt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt bereits vor dem 01.01.1991 in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, ist durch die genannte Entscheidung des BVerfG geklärt, dass die Absenkung der Entgeltpunkte verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt und damit auch eine verfassungsrechtlich zulässige Stichtagsregelung vorliegt. Das weitere unsubstantiierte Vorbringen der Klägerin in Bezug auf den "Freikaufpreis" und die Aussiedler aus Russland bedarf keiner weiteren Erwägungen.
Soweit die Klägerin sich in ihrer Auffassung durch die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006, Rdnr. 97 bestätigt sieht, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Insoweit ist ausgeführt, dass die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG auch nicht Art. 3 Abs. 3 GG verletze, da sie eine Benachteiligung wegen der Herkunft oder der Heimat der nach dem FRG Berechtigten nicht bewirke. Vielmehr sei die rentenrechtliche Behandlung dieser Personen allein darin begründet, dass sie ihre Versicherungsbiographie in einem anderen Land als der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben und ihre Beiträge anderen Versicherungsträgern und ihre Beschäftigung einem anderen Wirtschafts- und Sozialsystem zugutegekommen seien. Die unterschiedliche Behandlung sei allein in unterschiedlichen Versicherungsbiographien begründet und nicht in der Anwendung eines Merkmals, das im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG diskriminiere. Schlussfolgerungen im Sinne des Begehrens der Klägerin lassen sich hieraus nicht ziehen.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin unter voller Anrechnung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) ermittelten Entgeltpunkte höhere Erwerbsminderungsrente zusteht.
Die am 1952 geborene, aus R. stammende Klägerin zog am 21.08.1992 ins Bundesgebiet zu. Sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Mit Bescheid vom 10.11.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.07.2011 in Höhe von anfänglich 743,95 EUR brutto bzw. nach Neufeststellung der Rentenhöhe von Anfang an in Höhe von 751,09 EUR (Bescheid vom 19.12.2011). Der Rentenberechnung lagen u.a. Versicherungszeiten nach dem FRG, und zwar für den Zeitraum vom 01.10.1971 bis 20.08.1992 zu Grunde. Die durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung festgelegten Werte für die nach dem FRG anerkannten Zeiten wurden bei der Ermittlung der maßgeblichen Entgeltpunkte um 40% durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6 vermindert. Wegen der Einzelheiten der Rentenberechnung wird auf diese Bescheide verwiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin u.a. wegen der erfolgten Kürzung um 40 v.H. Widerspruch. Insoweit machte sie geltend, seit dem Inkrafttreten des Abkommens über Soziale Sicherheit zwischen R. und der Bundesrepublik Deutschland zum 01.06.2006 bzw. seit dem Beitritt R. s zur Europäischen Union (EU) zum 01.01.2007 sei die Kürzung der Entgeltpunkte nicht mehr gerechtfertigt, "da die Deutsche Rentenversicherung nicht mehr - wie vor dem 01.06.2006 - einseitig belastet ist, da R. seit diesem Zeitpunkt ihren Anteil zu den Renten der Aussiedler aus R. beiträgt."
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin insoweit zurück. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 13.06.2006 (1 BvL 9/00 u.a.) entschieden, dass die durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 eingeführte Regelung in § 22 Abs. 4 FRG, wonach die nach dem FRG erworbenen Entgeltpunkte bei einem Rentenbeginn nach dem 30.09.1996 um 40 v.H. zu mindern sind, mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Lediglich für rentennahe Jahrgänge, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 01.01.1991 genommen hätten und deshalb nach der bis zur Verkündung des WFG geltenden Rechtslage eine ungeschmälerte Rente aus Zeiten nach dem FRG beanspruchen könnten, habe es das Fehlen einer Übergangsregelung beanstandet. Diese habe der Gesetzgeber dann durch das am 30.04.2007 verkündete RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz Art. 6 § 4c FANG mit Wirkung zum 01.10.1996 geschaffen. Diese Regelung, die für Zeiten des Rentenbezugs bis 30.06.2000 einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten vorsehe, sei verfassungskonform, wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteilen vom 20.10.2009, B 5 R 38/08 R und 25.02.2010, B 13 R 61/09 R, entschieden habe. Eine gegen diese Übergangsregelung gerichtete Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1201/10) habe das BVerfG mit Beschluss vom 15.07.2010 nicht zur Entscheidung angenommen. Die nach dem FRG berücksichtigten Entgeltpunkte seien daher zu Recht auf 60 % abgesenkt worden.
Gegen den zur Übersendung an ihre Bevollmächtigte am 08.03.2012 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 12.04.2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Mit dieser hat sie sich zuletzt nur noch gegen die Kürzung der nach dem FRG berücksichtigten Entgeltpunkte um 40 % gewandt und geltend gemacht, die Beklagte verkenne, dass der vorliegende Sachverhalt nicht mehr mit jenem vergleichbar sei, der dem BVerfG in den Jahren 2006 und 2010 bzw. dem BSG in den Jahren 2009 und 2010 zu Grunde gelegen hätte. Denn diese Verfahren hätten Personen betroffen, deren Rente vor Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und R. über Soziale Sicherheit vom 08.04.2005 bzw. vor dem EU-Beitritt R. s am 01.01.2007 begonnen hätten, d.h. als R. weder durch zwischenstaatliche Abkommen noch durch europäische Vorschriften zur Zahlung einer ausländischen Rente verpflichtet gewesen sei und dementsprechend auch keine ausländische Rente gezahlt habe. Seinerzeit sei der Deutsche Rentenversicherungsträger einseitig belastet gewesen, ohne dass für die im Ausland ausgeübten Beschäftigungen Rentenbeiträge in Deutschland gezahlt worden seien, was die Kürzung als verfassungsgemäß erscheinen lassen möge. Diese Kürzung könne jedoch nicht auch für Personen aus dem Schutzbereich des FRG gelten, für die der ausländische Rentenversicherungsträger die ausländische Rente zahle, da dies eine Verletzung von Art. 3 Grundgesetz (GG) darstelle. Die Kürzung für Aussiedler aus R. stelle im Übrigen auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Aussiedlern aus Polen dar, die durch Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG 1996 aus der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 herausgenommen seien, was das BVerfG wegen des völkerrechtlichen Grundsatzes der Gegenseitigkeit als gerechtfertigt angesehen habe. Dieser Grundsatz sei mit dem Inkrafttreten des Sozialversicherungsabkommens zwischen Deutschland und R. nunmehr in gleicher Weise anzuwenden, was eine volle Berücksichtigung der Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten zur Folge haben müsse, wie sich dies im Umkehrschluss aus der Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O. Rdnr. 97) ergebe.
Mit Bescheid vom 18.07.2012 hat die Beklagte die Rente mit Wirkung ab 01.07.2011 neu festgestellt, nachdem aufgefallen war, dass bei der vorangegangenen Rentenberechnung eine Zeit der geringfügigen Beschäftigung irrtümlich berücksichtigt worden war. Der monatliche Rentenbetrag ist nun mit anfangs, zum 01.07.2011, brutto 748,70 EUR festgesetzt worden. Dabei ist es bei der Absenkung der nach dem FRG bewerteten Zeiten geblieben (s. Anlage 3 und 10 des Bescheides). Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnung wird auf den Bescheid (Bl. 66 ff. LSG-Akte) verwiesen. Gegen den Wegfall der in Rede stehenden Zeit bei der Rentenberechnung und die geltend gemachte Erstattungsforderung (27,62 EUR) hat die Klägerin ausdrücklich keine Einwände (mehr) erhoben (s. Widerspruchsakte Nr. II: ihr Widerspruch sei erledigt).
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2015 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 10.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2012 abgewiesen. Diese sei bereits unzulässig, da der am 08.03.2012 abgesandte Widerspruchsbescheid gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post, mithin am 11.03.2012, als bekanntgegeben gelte und die Frist zur Klageerhebung damit am 11.04.2012 geendet habe. Mangels Eingangsvermerk auf dem Widerspruchsbescheid habe die Bevollmächtigte der Klägerin nicht nachweisen können, dass dieser erst nach Ablauf der Dreitagesfrist zugegangen sei. Allerdings sei die Klage auch unbegründet. Im Hinblick auf die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG bestünden auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom 13.06.2006 keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Entsprechendes gelte für die durch Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in Kraft gesetzte Übergangsregelung, was den Entscheidungen des BSG vom 20.10.2009 und 25.02.2010 zu entnehmen sei. Eine abweichende Beurteilung rechtfertige weder das zeitlich vor der Entscheidung des BVerfG vom 13.06.2006 zum 01.06.2006 in Kraft getretene deutsch-rumänische Sozialversicherungsabkommen noch der Beitritt R. s zur EU. Denn den Sicherungssystemen sei gemein, dass die jeweils im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten lediglich zur Begründung der Anwartschaft, nicht jedoch zur Erhöhung der (inländischen) Versicherungsleistungen zu berücksichtigen seien. Entsprechend habe das BSG in den erwähnten Urteilen die in Rede stehende Kürzung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet.
Am 26.02.2015 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Auf Grund des Zugangs des Widerspruchsbescheids bei ihrer damaligen Bevollmächtigten am 12.03.2012 sei die Klage insbesondere fristgerecht erhoben. Zu Begründung hat sie nunmehr ausgeführt, dass nach telefonischer Auskunft der Rentenversicherung ihre Rente auch von der rumänischen Rentenversicherung getragen werde und mit diesem Betrag dann ihre deutsche Rente gekürzt werde. Da die Kürzung um 40 % damit begründet worden sei, dass Deutschland einseitig belastet werde, weil keine Zahlungen aus R. erfolgten, sei die Kürzung seit dem Beitritt R. s zur EU zum 01.07.2007 nicht mehr gerechtfertigt, da die deutsche Rentenkasse nicht mehr die gesamten Kosten trage. Dies hätte das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006 nicht berücksichtigen können, auch das WFG und das FANG seien vor diesem Zeitpunkt erlassen worden. Ihrem Gerechtigkeitsempfinden widerspreche auch die Ungleichbehandlung mit den vor dem 01.01.1991 nach Deutschland gekommenen Volksdeutschen aus R ... Diese seinerzeit "Freigekauften" bezögen eine ungekürzte Rente, wodurch sich aufdränge, dass die nach dem 01.01.1991 Zugezogenen mit der erfolgten Kürzung den "Freikaufpreis" für jene bezahlen müssten. Auch die eingereisten Russlanddeutschen, die Begrüßungsgeld und Entschädigung erhalten hätten, sowie die Aussiedler aus Polen erhielten ungekürzte Renten. Insgesamt liege eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG im Hinblick auf die bundesdeutschen Rentenbezieher, die Aussiedler aus Polen, die Aussiedler aus R. , die vor dem 01.01.1991 ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik genommen hätten, und die Russlanddeutschen, die bei der Einreise große Beträge erhalten hätten, vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29.01.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18.07.2012 zu verurteilen, höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung, nämlich ohne die 40%ige Absenkung der nach FRG bemessenen Entgeltpunkte, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagte sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 18.07.2012. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - so ausdrücklich im Eingangssatz - die Rente neu festgestellt, und zwar mit Wirkung ab dem 01.07.2011, also von Anfang an. Damit ist dieser Bescheid über die Neufeststellung, also Neuberechnung der Rente mit Wirkung ab 01.07.2011 gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn in Bezug auf die allein streitige Höhe der zustehenden Rente hat dieser Bescheid den ursprünglich streitigen Bescheid vom 10.11.2011 und den nachfolgenden Neufeststellungsbescheid vom 19.12.2011 in vollem Umfang ersetzt, so dass diese früheren Bescheide insoweit, was die Rentenhöhe anbelangt, keine Rechtswirkungen mehr entfalten (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Soweit das Sozialgericht in Unkenntnis auch des Bescheides vom 18.07.2012 über den ursprünglichen Bescheid vom 10.11.2011 entschieden hat, wird dieser Mangel durch die Entscheidung des Senats geheilt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 96 Rdnr. 12a).
Indessen beschränkt sich die Prüfung durch den Senat allein auf die von der Klägerin gerügte Absenkung der Entgeltpunkte für die nach dem FRG bewerteten Zeiten. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R; Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2). Dem entsprechend hat die Klägerin den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit - vor und nach Erlass des Bescheides vom 18.07.2011 - zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung). Folglich beschränkt sich auch die gerichtliche Prüfung hierauf (BSG, a.a.O.). Die mit dem Bescheid vom 18.07.2012 einhergehende Verminderung des Rentenbetrages wegen des Wegfalls einer zuvor berücksichtigten Zeit und die erfolgte teilweise Aufhebung und geltend gemachte Erstattung überzahlter Rente hat die Klägerin nicht angegriffen, sondern - im Rahmen des gesondert geführten Widerspruchsverfahrens - ausdrücklich ihre dort vorgebrachten Einwände nicht mehr weiter verfolgt, sondern ihren Widerspruch für erledigt erklärt.
Die Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG setzt nicht voraus, dass die bisherige Klage zulässig gewesen ist (Leitherer, a.a.O., Rdnr. 2, 11 m.w.N.). Entsprechend kommt es vorliegend auch nicht streitentscheidend darauf an, ob die Klägerin die ursprüngliche Klage fristgerecht erhoben hat. Lediglich am Rande weist der Senat daher darauf hin, dass die ursprüngliche Klage rechtzeitig erhoben worden ist. Hier wurde der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid nach dem eindeutigen Vermerk auf Blatt 15 der Widerspruchsakte Nr. I am 08.03.2012 zur Post aufgegeben. Nach der gesetzlichen Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X wäre somit grundsätzlich von einem Zugang am 11.03.2012 auszugehen. Nach Satz 3 der genannten Regelung gilt dies allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, wobei die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs im Zweifel nachzuweisen hat. Vorliegend hat die Klägerin geltend gemacht, ihrer früheren Bevollmächtigten sei der Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 erst am Montag, den 12.03.2012 zugegangen, was diese handschriftlich auf dem an sie gerichteten Anschreiben, mit dem der Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 übersandt worden sei, vermerkt habe. Dieses Vorbringen, das durch das vorgelegte Anschreiben mit dem darauf befindlichen handschriftlichen Vermerk nachvollziehbar ist, und der Umstand, dass der Tag, an dem der Widerspruchbescheid seitens der Beklagten zur Post gegeben wurde (08.03.2012), ein Donnerstag war, begründen beim Senat Zweifel, ob der Widerspruchsbescheid der früheren Bevollmächtigten der Klägerin tatsächlich spätestens bis zum dritten Tag nach dessen Aufgabe zur Post, und damit jedenfalls bis Sonntag den 11.03.2012, zugegangen war. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dass der in Rede stehende Bescheid nach Aufgabe zur Post im Hause der Beklagten dieses erst am Folgetag, einem Freitag, verließ und seinen Empfänger nicht bereits am darauffolgenden Samstag, sondern erst am nächsten Werktag (Montag), d.h. dem auf dem Anschreiben vermerkten 12.03.2012 erreichte. Somit ist die Vermutung des Zugangs am dritten Tag nach Aufgabe zur Post erschüttert und die Zugangsvermutung widerlegt, mit der Folge, dass die Beklagte die Beweislast dafür trägt, zu welchem Zeitpunkt der Verwaltungsakt zuging. Einen früheren Zugang als den 12.03.2012 hat die Beklagte jedoch nicht nachgewiesen, so dass von einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids an diesem Tag auszugehen ist. Damit ist die am 12.04.2012 eingegangene Klage innerhalb der einmonatigen Klagefrist (§ 87 SGG) und damit fristgerecht erhoben.
Das SG hat die Klage jedoch im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf höhere Erwerbsminderungsrente sind die Regelungen der §§ 63ff. des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) über die Rentenhöhe. Nach diesen Vorschriften richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. In die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte fließen gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI dabei u.a. Entgeltpunkte für Beitragszeiten ein, wozu auch Beitrags- und Beschäftigungszeiten in R. gehören (vgl. § 15, 16 FRG).
Für diese Beitrags- und Beschäftigungszeiten, für die Entgeltpunkte nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelt werden, bestimmt § 22 Abs. 4 FRG, dass die maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt werden, mithin um 40 % abzusenken sind.
Dieser Regelung hat die Beklagte mit der von der Klägerin beanstandeten Kürzung zutreffend Rechnung getragen, weshalb die Berechnung der Erwerbsminderungsrente der Klägerin insoweit nicht zu beanstanden ist und sich als rechtmäßig erweist.
Der Anwendung dieser Regelung stehen insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Dass und aus welchen Gründen die in Rede stehende Absenkung der maßgeblichen Entgeltpunkte für Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG mit Verfassungsrecht in Einklang steht, hat das BVerfG mit Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O) entschieden. Weitere Ausführungen bedarf es insoweit daher nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat deshalb auf die entsprechenden Darlegungen des BVerfG.
Soweit das BVerfG die Anwendung der Regelung des § 22 Abs. 4 FRG auf Versicherte, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge mit Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O) für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtstaatlichen Vertrauensschutzprinzip erklärt hat, kann die Klägerin hieraus keine für sich günstigere Entscheidung herleiten. Denn zu der angesprochenen Personengruppe gehört die Klägerin nicht. Zum einen nahm die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht bereits vor dem 01.01.1991 - sie reiste erst am 21.08.1992 ins Bundesgebiet ein - und zum anderen gehörte sie zu dem maßgeblichen (damaligen) Zeitpunkt mit ihrem Geburtsjahr 1952 nicht zu den rentennahen Jahrgängen. Denn im September 1996 war die Klägerin erst 44 Jahre alt und damit Jahrzehnte vom Renteneintrittsalter entfernt. Soweit der Gesetzgeber mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007 daher dem Erfordernis einer Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge nachgekommen ist und Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG angefügt hat, gehört die Klägerin schon von vorneherein nicht zu dem begünstigten Personenkreis.
Nach alledem ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Höhe der Erwerbsminderungsrente der Klägerin unter Anwendung der Regelung des § 22 Abs. 4 FRG ermittelte.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, R. sei zum 01.07.2007 der EU beigetreten, was weder das BVerfG in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 noch der Gesetzgeber bei Inkrafttreten des WFG und des FANG habe berücksichtigen können, ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung dem EU-Beitritt R. s im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 4 FRG oder gar dessen Verfassungsmäßigkeit beizumessen sein soll. Unmittelbare Auswirkungen auf innerdeutsches Recht, insbesondere die Anwendung der in Rede stehenden Vorschrift waren damit nicht verbunden. Damit sind auch keine Gründe erkennbar, die den Schluss zuließen, dass die den Verfahren des BVerfG zu Grunde liegenden Sachverhalte mit dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens nicht (mehr) vergleichbar seien. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin zuletzt angeführten Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004, die - so die Überschrift des entsprechenden Kapitels - für Alters- und Hinterbliebenenrenten gelten. Vorliegend ist aber eine Rente wegen Erwerbsminderung streitig (zur Frage der in diesem Zusammenhang von der Klägerin geltend gemachten Gleichstellung mit polnischen Staatsangehörigen s. später).
Soweit die Klägerin ausführt, die aus R. übergesiedelten Versicherte hätten im Hinblick auf die im Herkunftsland zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten nunmehr auch gegenüber dem rumänischen Versicherungsträger Rentenansprüche, weshalb die deutsche Rentenversicherung nicht mehr die gesamten Kosten der in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten trage, ist schon nicht plausibel, weshalb der Wegfall der einseitigen (alleinigen) Belastung des innerdeutschen Rentensystems mit den in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten nun mit der Verpflichtung einhergehen soll, jetzt ohne die in § 22 Abs. 4 FRG gesetzlich vorgesehene Absenkung höhere Rentenleistungen zu erbringen und damit die beim innerdeutschen Rentensystem auch weiterhin verbliebenen Belastungen durch höhere Rentenleistungen auch noch zu erhöhen. Angesichts der Tatsache, dass nunmehr - nach Abschluss des Sozialversicherungsabkommens bzw. dem Beitritt R. s zur EU - Versicherte ihre Ansprüche gegen den rumänischen Sozialversicherungsträger realisieren können, wäre dies allenfalls Grund die Notwendigkeit einer Begünstigung dieser Versicherten durch das FRG zu prüfen.
Zu den nach dem FRG begründeten sozialversicherungsrechtlichen Rechtspositionen hat sich das BVerfG in dem bereits mehrmals erwähnten Beschluss ausführlich geäußert und dargelegt, dass diesen gerade keine an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachte Eigenleistungen zu Grunde liegen. Vielmehr haben die Versicherten insoweit Beiträge zur Rentenversicherung im Herkunftsland gezahlt, weshalb diese Beiträge auch nicht den Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland zugeflossen sind. Auch die Arbeitsleistung ist in einem anderen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem als der Bundesrepublik Deutschland erbracht worden und diesem zu Gute gekommen. Wenn der Gesetzgeber sich vor diesem Hintergrund - so die weiteren Ausführungen des BVerfG - entschließt, die in den Herkunftsländern zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten wie Zeiten zu behandeln, die die Berechtigten im System der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben, so sei dies ein Akt besonderer staatlicher Fürsorge. Damit verfolge der Gesetzgeber das legitime Ziel, insbesondere Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler, die in die Bundesrepublik übersiedeln, soweit als möglich mit Hilfe auch der Sozialversicherung zu integrieren, ohne zu dieser Lösung aber verfassungsrechtlich verpflichtet zu sein. Damit lässt sich die von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtung zur Erbringung höherer Rentenleistungen auch nicht mit einer Minderung der Last des innerdeutschen Rentenversicherungsträgers begründen. Schließlich haben sich auch die tragenden Gründe, die den Gesetzgeber veranlasst haben, die in Rede stehende Vorschrift des § 22 Abs. 4 FRG in das FRG aufzunehmen durch den Beitritt R. s zur EU nicht maßgeblich geändert. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber - neben zahlreichen anderen Regelungen - das Ziel verfolgt, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse der Beitragszahler, der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O. Rdnr. 86), gleichermaßen aber auch das Versicherungsprinzips und des Prinzips der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente zu stärken sowie die Akzeptanz des Fremdrentenrechts bei den einheimischen Versicherten zu erhöhen (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 87).
Soweit Anknüpfungspunkt der Ausführungen der Klägerin die Regelung des § 31 FRG ist, wonach die innerdeutsche Rente in der Höhe ruht, in der dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt wird, kann der Argumentation der Klägerin schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Klägerin neben der von der Beklagten bewilligten Erwerbsminderungsrente gerade keine anzurechnende Rente aus R. bezieht. Damit ist die einseitige Belastung des innerdeutschen Rentensystems mit den von ihr in R. zurückgelegten Beschäftigungszeiten aber gerade nicht weggefallen, so dass die Klägerin selbst nicht die Voraussetzungen erfüllt, die nach ihrem Vorbringen höhere Rentenleistungen rechtfertigen sollen, weshalb ihr diesbezügliches Vorbringen ins Leere geht.
Schließlich ist die Klägerin durch die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG - entgegen der von ihr vertretenen Ansicht - auch nicht in ihrem Grundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt nur dann vor, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG 117,272,300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr. 7 Rdnr 70, st. Rspr.).
Eine derartige Ungleichbehandlung der Klägerin liegt nicht vor. Denn soweit die Gruppe, der die Klägerin angehört im Vergleich zu anderen Gruppen benachteiligt wird, ist die ungleiche Behandlung hinreichend gerechtfertigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auch insoweit auf die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006 und hierbei insbesondere auf die Darlegungen zur unterschiedlichen Behandlung im Vergleich zu den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik versicherten Beschäftigten (Rdnr. 95) sowie zu den Inhabern von Ansprüchen und Anwartschaften nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen (Rdnr. 96), hinsichtlich derer eine Ungleichbehandlung der Klägerin angesichts ihres Einreisezeitpunkts im Jahr 1992 gerade nicht vorliegt, weil die beanstandete Vergünstigung der Aussiedler aus Polen gerade an eine Einreise vor dem 01.01.1991 anknüpft (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 09.09.1998, a.a.O.). Was die günstigere Behandlung der Aussiedler anbelangt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt bereits vor dem 01.01.1991 in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, ist durch die genannte Entscheidung des BVerfG geklärt, dass die Absenkung der Entgeltpunkte verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt und damit auch eine verfassungsrechtlich zulässige Stichtagsregelung vorliegt. Das weitere unsubstantiierte Vorbringen der Klägerin in Bezug auf den "Freikaufpreis" und die Aussiedler aus Russland bedarf keiner weiteren Erwägungen.
Soweit die Klägerin sich in ihrer Auffassung durch die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006, Rdnr. 97 bestätigt sieht, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Insoweit ist ausgeführt, dass die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG auch nicht Art. 3 Abs. 3 GG verletze, da sie eine Benachteiligung wegen der Herkunft oder der Heimat der nach dem FRG Berechtigten nicht bewirke. Vielmehr sei die rentenrechtliche Behandlung dieser Personen allein darin begründet, dass sie ihre Versicherungsbiographie in einem anderen Land als der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben und ihre Beiträge anderen Versicherungsträgern und ihre Beschäftigung einem anderen Wirtschafts- und Sozialsystem zugutegekommen seien. Die unterschiedliche Behandlung sei allein in unterschiedlichen Versicherungsbiographien begründet und nicht in der Anwendung eines Merkmals, das im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG diskriminiere. Schlussfolgerungen im Sinne des Begehrens der Klägerin lassen sich hieraus nicht ziehen.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
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