L 4 KR 1160/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 767/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1160/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. März 2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich als Rechtsnachfolgerin ihres spätestens am 2016 verstorbenen Ehemanns (im Folgenden: Versicherter) im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine an diesen gerichtete Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation.

Die Antragsgegnerin gewährte dem Versicherten aufgrund einer ab dem 30. November 2015 bestehenden Arbeitsunfähigkeit Krankengeld ab dem 1. Januar 2016. Nach Einholung eines Gutachtens von Dr. H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 1. Februar 2016 und Anhörung des Versicherten forderte die Antragsgegnerin diesen mit Bescheid vom 23. Februar 2013 auf, innerhalb von 10 Wochen, spätestens bis zum 6. Mai 2016 einen Antrag auf Maßnahmen zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (Rehabilitation) zu stellen. Werde der Antrag nicht fristgerecht gestellt, entfalle der Krankengeldanspruch und die Mitgliedschaft ende. Mit Antragstellung könne sein Dispositionsrecht bezüglich eventueller späterer Rentenantragsstellung auch rückwirkend entfallen.

Nachdem der Versicherte bereits im Rahmen der Anhörung angekündigt hatte, gegen einen die Aufforderung regelnden Verwaltungsakt Widerspruch einzulegen, wandte er sich mit einem am 1. März 2016 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben gegen die Aufforderung zum Reha-Antrag und forderte die Überlassung des dem MDK erteilten Auftrags nebst der insoweit vorgelegten Unterlagen. Auf seine Anfrage, welche Ziele mit der Aufforderung verfolgt würden, teilte die Antragsgegnerin ihm mit, nach dem ihr vorliegenden Gutachten erlaube sein Gesundheitszustand bis auf weiteres keine Arbeitsaufnahme oder Genesung. Zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit prüfe der Rentenversicherungsträger medizinische und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen auf Antrag; ebenso erfolge eine Prüfung im Hinblick auf eine Erwerbsminderungsrente.

Am 8. März 2016 beantragte der Versicherte beim Sozialgericht Heilbronn (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Begehren, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Februar 2016 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Widerspruch gegen diesen Bescheid aufschiebende Wirkung habe. Der Bescheid vom 23. Februar 2016 leide an Anhörungsfehlern und enthalte keine Ermessensausübung. Damit sei rechtswidrig in seine Dispositionsbefugnis eingegriffen worden, was zu Konsequenzen führen könne, die er Zeit seines Lebens spüren werde. Die Aufforderung wirke sich negativ auf seinen Gesundheitszustand aus. Er gehe davon aus, dass er noch genesen und arbeiten können werde. Mit der Aufforderung zum Reha-Antrag und gegebenenfalls dem Rentenantrag werde ihm sein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vor Augen geführt.

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen.

Mit Beschluss vom 16. März 2016 lehnte das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 23. Februar 2016 sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Widerspruch habe zweifellos aufschiebende Wirkung. Der Versicherte habe aber nicht dargetan noch sei sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin diese aufschiebende Wirkung nicht beachte. Soweit der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auf die Aufhebung des Bescheides vom 23. Februar 2016 (und damit auf die Vorwegnahme der Hauptsache) abziele, sei er jedenfalls unbegründet. Es fehle bereits am nötigen Anordnungsgrund, da der Versicherte eine besondere Eilbedürftigkeit weder im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand noch auf finanzielle Nachteile glaubhaft gemacht habe.

Gegen diesen der Prozessbevollmächtigten des Versicherten am 21. März 2016 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten am 24. März 2016 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ausgeführt, die Antragsgegnerin habe wesentliche Pflichten verletzt und den Versicherten unvollständig informiert, darüber hinaus ihrer Hinweis-, Aufklärungs-, Beratungs- und Fürsorgepflicht nicht entsprochen, mit der Folge dass der Versicherte in seinen Rechten verletzt worden und die Möglichkeit materiellen Schadens für ihn eher wahrscheinlich gewesen sei. Allein die Möglichkeit der Widerspruchseinlegung gegen den Bescheid vom 23. Februar 2016 zeige sich nicht geeignet, die Folgen aus dem rechtswidrigen Bescheid zu eliminieren. Mit der rechtswidrig von der Antragsgegnerin in Gang gesetzten Zehn-Wochen-Frist sei der Versicherte genötigt worden, innerhalb dieser Frist einen Reha-Antrag zu stellen, da ansonsten die Zahlung des Krankengeldes eingestellt oder zurückgefordert werden könne. Hinsichtlich der glaubhaft gemachten und vom Antragsteller zu leistenden monatlichen Zahlungsverpflichtungen bedeuteten derartige Fallkonstellationen den Verlust, zumindest aber die Gefährdung seiner Existenzgrundlage. Mit der Aufforderung zum Stellen eines Reha-Antrags und spätestens mit der Umdeutung dieses Antrags in einen Rentenantrag sei dem Versicherten sein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vor Augen geführt worden. Die Antragsgegnerin habe diese Möglichkeit durch den rechtswidrigen Bescheid zumindest billigend in Kauf genommen, ungeachtet möglicher Auswirkungen auf die Gesundheitszustand des Versicherten. Bedingt durch die Erkrankung des Versicherten und die Vorgehensweise der Antragsgegnerin mit den hiermit verbundenen Aufregungen und nervlichen Belastungen in Form von Existenz- und Zukunftsängsten habe sich der Gesundheitszustand des Versicherten wider Erwarten schnell verschlechtert und zu dessen frühzeitigem Tod geführt. Eine Nichtbeachtung dieser Möglichkeit durch den Gutachter und die Antragsgegnerin begründe einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß. Schon hiernach werde zweifelsfrei unter Beweis gestellt, dass die benannten Pflichtverletzungen sich zumindest vorliegend nicht nachträglich eliminieren ließen und demnach durch den rechtswidrigen Bescheid die Zehn-Wochen-Frist nicht wirksam habe in Gang gesetzt werden können. Durch den Beschluss des SG werde durch das unvollständige und fehlerhaft dargestellte Ermittlungsergebnis ein falscher Rechtsschein erzeugt, der keinen Bestand haben dürfe. Entgegen der Auffassung des SG sei der Bescheid vom 23. Februar 2016 aufzuheben und festzustellen gewesen, dass die hiermit in Gang gesetzte Zehn-Wochen-Frist nicht rechtswirksam zustande gekommen sei. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und nach ständiger Rechtsprechung sei es der Antragsgegnerin verboten, den Versicherten zur Stellung eines Rentenantrages aufzufordern, solches sei nach Satz 2 nur bei Versicherten mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland vorgesehen. Die von der Rechtsprechung zwischenzeitlich entwickelte, dem entgegenstehende Praxis zeige sich nicht geeignet, den sich aus dem Gesetzeswortlaut eindeutig ergebenden Willen des Gesetzgebers widerspruchsfrei gerecht zu werden. Eine widerspruchsfreie und eindeutige Regelung des § 51 SGB V sei somit nicht gegeben. Die Auswirkungen der Vorgehensweise der Antragsgegnerin könnten sich nicht nur auf den Versicherten, sondern unter Umständen auf dessen Existenz und demnach auf die gesamte Familie auswirken. Wenn zum Zeitpunkt des Todes noch Rechtsmittelfristen liefen, könne der Rechtsnachfolger das Rechtsmittel einlegen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. März 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Februar 2016 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt. Gegenüber dem SG hat sie mit Schreiben vom 31. März 2016 die Auffassung vertreten, das Widerspruchsverfahren könne nach dem Tod des Versicherten nicht mehr durchgeführt werden, da ein höchstpersönliches, im Falle des Todes nicht übergangsfähiges Recht im Streit gestanden habe.

Mit Schreiben vom 7. April 2016 hat der Berichterstatter die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass es sich bei der Aufforderung zum Reha-Antrag um ein höchstpersönliches Rechtsverhältnis handle, das einer Rechtsnachfolge nicht zugänglich sei. Darüber hinaus sei eine endgültige Klärung im Sinne einer Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Antragsgegnerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich. Mit Beschluss vom 27. April 2016 (L 4 SF 1542/16 AB) hat der Senat das daraufhin gestellte Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen den Berichterstatter zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

1. Die gem. § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht zulässig. Der angefochtene Beschluss des SG vom 16. März 2016 erging nicht dieser gegenüber, sondern gegenüber dem Versicherten. Somit fehlt es an einer Beschwer der Antragstellerin. Eine solche ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aufgrund einer Sonder- oder sonstigen Rechtsnachfolge der Antragstellerin nach dem Tode des Versicherten.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten zunächst dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist (Sonderrechtsnachfolge). Mit diesen Leistungen verbundene öffentlich-rechtliche Gestaltungsrechte können ebenfalls auf den Rechtsnachfolger übergehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R – juris, Rn. 26). Eine laufende Geldleistung stand im erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG nicht im Streit. Gegenstand war allein die Aufforderung zur Stellung eines Reha-Antrags. Diese kann zwar leistungsrechtliche Folgen für das Krankengeld als laufende Geldleistungen nach sich ziehen. Denn nach § 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist, wenn Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht stellen. Vorliegend ist der Versicherte jedoch vor Ablauf der mit Bescheid vom 23. Februar 2016 gesetzten Zehn-Wochen-Frist verstorben. Das Entfallen des Krankengeldanspruches ist somit nicht bewirkt worden. Dass der Versicherte den Reha-Antrag nicht stellte, hat auch keinerlei Auswirkungen auf das bis zu seinem Tod bezogene Krankengeld. Der Bescheid vom 23. Februar 2016 hat sich im Sinne des § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf andere Weise erledigt. Eine Rechtsnachfolge in einen noch nicht erfüllten Anspruch auf Krankengeld ist somit ausgeschlossen. Damit kommt auch eine Rechtsnachfolge in ein damit verbundenes Gestaltungsrecht nicht in Betracht. Da ein Reha-Antrag bis zum Tode des Versicherten nicht gestellt wurde und somit die Umdeutung eines solchen Antrags in einen Rentenantrag gemäß § 116 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ausscheidet, kommt auch eine Rechtsnachfolge in einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung oder ein mit der Umdeutung verbundenes Gestaltungsrecht des Versicherten (vergleiche hierzu BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004, a.a.O.) vorliegend nicht in Betracht. Bei der Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation handelt es sich um eine Sachleistung, die nur dem betroffenen Versicherten zusteht und nicht vererblich ist (vergleiche § 59 Satz 1 SGB I). Damit handelt es sich auch bei der Stellung eines Reha-Antrags um ein höchstpersönliches Rechtsverhältnis, das einer Rechtsnachfolge nicht zugänglich ist, sondern mit dem Tod des Versicherten untergeht. Damit scheidet auch eine Rechtsnachfolge im Wege der Universalsukzession des Erben gemäß §§ 1922, 1967 Bürgerliches Gesetzbuch aus.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da sich die Antragstellerin auf die Folgen eines Leistungswegfalls für die Familie des Versicherten berufen hat, geht der Senat zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass sie die Beschwerde als - vermeintliche - Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten führt und damit dem Kostenprivileg des § 183 Satz 1 SGG unterfällt.

3. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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