L 8 SB 1549/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 1380/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1549/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten sind.

Der 1969 geborene Kläger ist t. Staatsangehöriger und im Besitz einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis. Das Landratsamt O. – Amt für Soziales und Versorgung – (LRA) hatte bei dem Kläger einen GdB von 20 seit 29.01.2009 festgestellt (Bescheid vom 31.03.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.07.2009, Bl. 25/26, 31/33 VA). Dabei waren folgende Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt worden: 1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 10), 2. Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (Teil-GdB 10), 3. Depression (Teil-GdB 20). Die dagegen erhobene Klage hatte das Sozialgericht Freiburg (S 3 SB 4094/09) mit Urteil vom 13.09.2011 abgewiesen. Im dagegen geführten Berufungsverfahrens (L 8 SB 4361/11) hatte sich der Beklagte im Rahmen eines Vergleichs vom 07.09.2012 verpflichtet, beim Kläger einen GdB von 40 ab 29.01.2009 festzustellen, wobei nach den versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 22.03.2012 und vom 25.06.2012 von einem Teil-GdB von 30 für eine seelische Störung, einem Teil-GdB von 20 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Schulter-Arm-Syndrom, einem Teil-GdB von 10 für Knorpelschäden am linken Kniegelenk und einem Teil-GdB von 10 für eine Gebrauchseinschränkung des rechten Armes ausgegangen wurde (Bl. 37/39, 48 d. Senatsakten im Verfahren L 8 SB 4361/11). In Ausführung des Vergleichs stellte der Beklagte mit Bescheid vom 04.10.2012 (Bl. 89/90 VA) beim Kläger dementsprechend einen GdB von 40 ab 29.01.2009 fest.

Am 02.07.2013 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB. Dabei führte er zur Begründung die bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen an und gab darüber hinaus eine Verschlimmerung des allgemeinen Wohlbefindens, chronische Leiden und eine Verschlimmerung von Schmerzen im Bereich des Halses rechts sowie Arm/Schulter links an.

Der Beklagte zog den Bericht des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. H. vom 17.01.2013 (Diagnose: Depression, Bandscheibenschaden HWS, zervikale Wurzelstörung, Bl. 103 VA) und den Befundbericht des Internisten Dr. We. (Bl. 106 VA), der außerdem den OP-Bericht vom 14.05.1998 der Ärzte für Anästhesiologie Dres. La. /M. (Bl. 107 VA), den Bericht der Fachärzte für Orthopädie-Unfallchirurgie/Chirurgie Dres. Le. /Lo. vom 21.06.2010 (Diagnose: Myogelosen mit Lumbalgien, Bl. 108 VA), den Bericht des Orthopäden Dr. N. vom 07.01.2011 (Beurteilung: kein normabweichender Befund auf orthopädischem Fachbereich, Bl. 109 VA) und den Bericht des HNO-Arztes Dr. Hi. vom 22.04.2013 (Diagnose: Septumdeviation, Nasenmuschelhyperplasie, Bl. 110 VA) vorlegte, bei.

Das LRA holte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 19.09.2013 bei Dr. Kö. ein (Bl. 111/112 VA). Diese bewertete die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt: 1. Depression (Teil-GdB 40), 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10), 3. Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 10), 4. Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks (Teil-GdB 10). Den Gesamt-GdB bewerte sie mit 40. Eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten.

Mit Bescheid vom 19.09.2013 (Bl. 113/114 VA) lehnte das LRA den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab. Die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB lägen nicht vor.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er insbesondere vermehrte seelische und psychische Schmerzen und Schlafstörungen sowie Schmerzen im Bereich des gesamten Körpers an.

Nach Einholung der weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Ki. vom 11.12.2013, der auf das Zutreffen der Stellungnahme der Dr. Ko. vom 19.09.2013 verwies, wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2014 zurück.

Am 20.03.2014 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Er beantrage, den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 70 festzustellen bzw. ihm einen Schwerbehindertenausweis auszuhändigen.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständigen Zeugen.

Der Neurologe Dr. W. teilte dem SG unter dem 25.05.2014 mit (Bl. 13/14 SGA), der Kläger habe sich am 10.03.2011 wegen eines Schulter-Arm-Schmerzes links und am 16.08.2013 wegen einer Restless-legs-Symtomatik vorgestellt. Zur aktuellen Ausprägung könne er keine Angaben machen.

Der Arzt für Psychiatrie Prof. Dr. H. schrieb dem SG unter dem 27.05.2014 (Bl. 15/17 SGA), er habe den Kläger am 08.01.2013 und am 25.02.2013 behandelt und eine Depression diagnostiziert. Er stimme auf seinem Fachgebiet der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.09.2013 zu.

Der Facharzt für Urologie B. teilte mit Schreiben vom 15.08.2014 (Bl. 19 SGA) eine unklare Harninkontinenz mit Drangsymptomatik mit, welche nach seiner Einschätzung einen GdB von 10 bedinge.

Ferner holte das Gericht bei Dr. C. das neurologische Gutachten vom 12.11.2014 (Bl. 29/38 SGA) ein. Aufgrund der Untersuchung des Klägers am 12.11.2014 stellte der Gutachter folgende Diagnosen: - Rezidivierende depressive Störung, - anhaltende somatoforme Schmerzstörung, - degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule ohne Nervenwurzelläsion. Die seelische Störung sei unter Berücksichtigung der überwiegend stabilisierten depressiven Symptomatik bei fortbestehender Indikation für eine antidepressive Medikation und unter Berücksichtigung der somatoformen Symptomatik mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit geringen funktionellen Auswirkungen seien mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die fachfremden Erkrankungen erschienen im letzten maßgeblichen Bescheid des Beklagten adäquat bewertet. Insofern sei der Gesamt-GdB mit 40 anzusetzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.03.2015 wies das SG die Klage ab.

Gegen den dem Kläger am 17.03.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.04.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Da er über 12 Monate Schmerzen an Beinen, Kribbeln und Taubheitsgefühle sowie Rückenverspannungen gehabt habe, sei er von Dr. W. (Praxis Dr. Ba. ) mit Restex 100 Milligramm/25 Gramm behandelt worden. Aber die Medikamente seien von Dr. Ba. selber einfach abgelehnt worden bzw. er habe sie nicht verschreiben wollen, weshalb er jetzt nicht mehr in der Praxis in Behandlung sei. Er nehme die Tabletten, die ihm Dr. H. verschrieben habe, weiterhin von seinem Hausarzt (Dr. We. ). Zusätzlich nehme er Schmerzmittel und erhalte Spritzen vom Hausarzt. Der Orthopäde Dr. Be. habe einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule links und rechts diagnostiziert. Er erhalte weiterhin eine Schmerztherapie durch örtliche Betäubung mit Spritzen.

Der Rechtsstreit ist durch die Berichterstatterin am 11.06.2015 erörtert worden. Der Kläger machte geltend, einen GdB von 60 zu begehren. Auf die Niederschrift Bl. 13/14 der Senatsakten wird Bezug genommen.

Der Kläger hat die Bescheinigung des Dr. We. vom 09.06.2015 (Bl. 15 d. Senatsakten), wonach bei ihm aufgrund therapierefraktärer Lumbalbeschwerden sowie pericoxaler Schmerzen seit Anfang 2015 CT-gesteuerte Facetteninfiltrationen durchgeführt werden, und den Bericht des Dr. Be. vom 22.01.2015 (Diagnosen: Lumbalgie, Spondylarthrose der LWS, Wirbelsäulendegeneration, lumbaler NPP, Bl. 16 d. Senatsakten) vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11.03.2015 und den Bescheid vom 19.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat den ärztlichen Entlassungsbericht der Z. -Klinik – Klinik für konservative Orthopädie und Verhaltensmedizin, S. B. vom 29.12.2010 (Bl. 22/36 d. Senatsakten) sowie von dem Augenarztes Dr. Schü. den Bericht vom 22.09.2015 (Bl. 40 d. Senatsakten), von Dr. Be. den Bericht des Radiologen K. vom 22.01.2015 (Bl. 42 d. Senatsakten) und von Dr. We. insbesondere den Bericht des O. Klinikums vom 03.10.2015 über eine Notfallbehandlung (Diagnose: Platzwunde Kopf, Bl. 46 d. Senatsakten) und den Bericht des Dr. Hi. vom 13.03.2015 (Bl. 47 d. Senatsakten) und von Dr. B. den Bericht vom 19.10.2015 (Diagnose: Vorsorgeuntersuchung der Prostata, Bl. 50/51 d. Senatsakten) beigezogen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (Bl. 60 und 61 der Senatsakte).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten sowie die vom Senat beigezogenen Gerichtsakten im Verfahren L 8 SB 4361/11 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 11.03.2015 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 19.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.

Rechtsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnisse seit Erlass des Bescheides vom 04.10.2012 nicht eingetreten ist. Die Funktionsbehinderungen, die im Allgemeinen in den einzelnen Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) bewertet werden, rechtfertigen in ihrer Gesamtschau weiterhin keinen Gesamt-GdB von mehr als 40, weshalb ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB nicht besteht.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) liegen beim Kläger keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, die einen höheren Teil-GdB als 30 rechtfertigen.

Beim Kläger bestehen auf psychiatrischem Fachgebiet eine Depression und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten des Dr. C ... Nach Teil B Nr. 3.7 VG, welcher die Bewertung von Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen regelt, bedingen stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40. Ein GdB von 50 und mehr kommt erst bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Betracht. Eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ist beim Kläger nicht festzustellen. Auch eine Ausschöpfung des Bewertungsrahmens bis 40 für eine stärker behindernde Störung ist nicht begründet. Dagegen spricht schon der von dem Gutachter Dr. C. erhobene psychische Befund, welcher weitgehend unauffällig ist. So zeigte sich in der Untersuchungssituation das Stimmungsbild des Klägers nicht depressiv gefärbt, sondern ausgeglichen. Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis waren im Rahmen der Untersuchung nicht beeinträchtigt. Der Antrieb war lediglich etwas gesteigert, die Schwingungsfähigkeit nicht vermindert. Gravierende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung lassen sich dem Gutachten nicht entnehmen. Der Gutachter hat keine sozialen Rückzugstendenzen festgestellt. Der Kläger verfügt über soziale Kontakte und pflegt Freizeitaktivitäten. So hat er angegeben, mit Freunden ein Café zu besuchen, gerne spazieren zu gehen und Fahrrad zu fahren. Zudem hat er Kinder, die zur Zeit der Untersuchung durch Dr. C. 4 Jahre bzw. 8 Monate alt waren. Probleme im Kontakt mit den Kindern hat der Kläger nach dem Gutachten nicht geschildert. Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit seiner depressiven Erkrankung hat der Kläger gegenüber dem Gutachter insoweit geäußert, dass er nervös oder zeitweise auch aggressiv werde, wenn er etwas schlechtes höre. Er müsse aus der Situation weglaufen, sonst komme es zu Ärger, insbesondere auch mit der Ehefrau. Demnach verfügt der Kläger offenbar über eine Bewältigungsstrategie hinsichtlich der nach seinen Angaben zeitweise auftretenden Aggressivität, was auch dadurch gestützt wird, dass es zu tätlichen Auseinandersetzungen bisher nicht gekommen ist. Zwar hat auch der Gutachter den Kläger als psychomotorisch etwas hektisch und unruhig geschildert. Dabei war das Stimmungsbild jedoch ausgeglichen, mithin nicht aggressiv. Zudem lässt sich aus der psychomotorischen leichten Unruhe allein nicht auf eine wesentliche Beeinträchtigung schließen, wenn der Gutachter als Grund für das in diesem Zusammenhang angegebene häufige Aufstehen des Klägers während der Untersuchung die Demonstration seiner Beschwerden anführt. Vegetative Störungen hat der Kläger nur in Form eines unregelmäßigen Schlafes mit häufigem nächtlichem Erwachen angegeben. Bedeutende Beeinträchtigungen dadurch sind jedoch ebenfalls nicht erkennbar. Weder wurde vom Kläger eine vermehrte Müdigkeit beklagt, noch ergeben sich aus dem Gutachten des Dr. C. Hinweise auf eine solche. Soweit das formale Denken des Klägers fixiert war auf seine Beschwerden, insbesondere Schmerzen im Bereich der rechten Schulter, begründet das keine schwerwiegende Beeinträchtigung. Denn im Übrigen war das Denken geordnet. Dem Gutachten lassen sich auch keine relevanten Beeinträchtigungen des Klägers durch bestehende Schmerzen entnehmen – weder aus dem vom Gutachter erhobenen Befund noch aus den dargestellten Aktivitäten des Klägers. Nach den danach nur geringen Beeinträchtigungen des Klägers kann weder auf eine schwere Störung, noch auf eine mittelgradige Störung mit Tendenz zu einer schweren Störung, was eine Bewertung im oberen Bereich des Bewertungsrahmens für stärker behindernde Störungen rechtfertigen könnte, festgestellt werden. Die vom Kläger gegenüber dem Gutachter berichteten Stimmungstiefs bzw. intermittierende Lust- und Freudlosigkeit sind mit einer GdB-Bewertung von 30 bereits hinreichend berücksichtigt. Die depressive Symptomatik ist nach dem Gutachten durch die antidepressive Medikation überwiegend stabilisiert, so dass von starken Schwankungen, insbesondere von gegenüber der Gutachtenssituation wesentlichen Verschlechterungen, nicht auszugehen ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger zuletzt am 25.02.2013 in psychiatrischer Behandlung bei Prof. Dr. H. war (vgl. Auskunft Dr. H. vom 25.05.2014, Bl. 15/17 SGA, und vom 18.11.2015, Bl. 52 d. Senatsakten). Dies spricht bereits gegen einen Leidensdruck des Klägers, der bei einer mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertenden stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre (vgl. dazu Senatsurteil vom 17.12.2010 L 8 SB 1549/10, juris Rn. 31). Im Übrigen ist nach Teil A Nr. 2. f) VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. In einem GdB von 30 ist bei den nach dem Gutachten festgestellten nur geringen Beeinträchtigungen bereits vorübergehenden Verschlimmerungen angemessen Rechnung getragen. Jedenfalls kann vor diesem Hintergrund keine Verschlimmerung des seelischen Leidens, das nach der der Feststellung eines GdB von 40 im Bescheid vom 04.10.2012 zugrundeliegenden Bewertung des Beklagten einem Teil-GdB von 30 entspricht, hergeleitet werden. Soweit die Versorgungsärztin Dr. Kö. das seelische Leiden in der Stellungnahme vom 19.09.2013 mit einem Teil-GdB von 40 bewertet hat, obwohl auch sie nicht vom Eintritt einer wesentlichen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse ausgegangen ist, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar, begründet aber auch keine Bindung an eine entsprechende Bewertung. Soweit Dr. C. das seelische Leiden mit einem Teil-GdB von 40 bewertet hat, ist dies nach den von ihm erhobenen Befunden für den Senat ebenfalls nicht überzeugend. Die fortbestehende Indikation für eine antidepressive Medikation und die bestehende somatoforme Symptomatik begründen die Annahme einer stärker behindernden Störung, die bereits eine Tendenz zu einer schweren Störung aufweist, nicht. Denn maßgeblich sind die konkret bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen, welche nach dem Gutachten des Dr. C. – wie ausgeführt – gerade nicht so gravierend sind, dass die Annahme eines Teil-GdB von 40 gerechtfertigt wäre.

Das Bestehen einer affektiven Psychose, die nach Teil B Nr. 3.6 VG zu bewerten wäre, ist nicht festzustellen. Soweit nach dem Bericht der Z.-Klinik vom 29.12.2010 der Verdacht auf eine paranoide Psychose bestand, ergeben sich seither aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen weder eine Bestätigung der Diagnose noch Hinweise auf ein erneut bestehendes psychotisches Erleben, worauf auch der Gutachter Dr. C. hingewiesen hat, so dass eine nach Teil B Nr. 3.6 VG zu bewertende Gesundheitsstörung nicht angenommen werden kann.

Im Funktionssystem des Rumpfes (vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e VG) besteht beim Kläger eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend bewertet ist. Nach Teil B Nr. 18.9 VG entspricht ein Teil-GdB von 20 Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome). Ein Teil-GdB von 30 ist für Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Solche schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt liegen beim Kläger nicht vor. Beim Kläger bestehen im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule degenerative Veränderungen. Die daraus resultierenden Auswirkungen entsprechen jedoch insgesamt nicht mehr als mittelgradigen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt. Für den Bereich der Halswirbelsäule hat der Gutachter Dr. C. überzeugend dargelegt, dass insoweit nur geringe funktionelle Auswirkungen bestehen. Eine Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule hat er ebenso wenig wie neurologische Störungen festgestellt. Die elektrophysiologischen Untersuchungen ergaben einen regelrechten Befund ohne Nachweis einer manifesten Nervenkompressionen, einer Nervenwurzelläsion oder einer Halsmarkschädigung. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen nach dem Bericht des Dr. Be. vom 22.01.2015 degenerative Veränderungen und ein schmaler, nicht kompressiver NPP L5/S1. Das Vorliegen einer schweren anhaltenden Bewegungseinschränkungen ist nicht ersichtlich. Nach dem Gutachten des Dr. C. wurden Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht geklagt. Hinweise auf Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind dem Gutachten auch nicht zu entnehmen. Neurologische Ausfälle liegen ebenfalls nicht vor. Dr. C. hat auch hinsichtlich der unteren Extremitäten keine neurologischen Sensibilitäts- oder motorischen Störungen festgestellt. Auch nach dem Bericht des Dr. Be. vom 22.01.2015 bestehen keine neurologischen Ausfälle. Es fanden sich keine ausstrahlenden Schmerzen, der Laségue war negativ und neurologische Auffälligkeiten ergaben sich nicht. Ebenso wenig lassen sich dem Bericht über die Notfallbehandlung des O. Klinikums vom 16.01.2013 neurologische Ausfälle entnehmen. Es bestand kein Kompressionssyndrom, Paresen und Parästhesien wurden nicht festgestellt, der Laségue war negativ, die Reflexe erhalten. Es wurde lediglich die Diagnose eines Lumbago gestellt. Über das Bestehen von Schmerzen hinausgehende Beeinträchtigungen lassen sich hinsichtlich der Lendenwirbelsäule demnach nicht herleiten. Insoweit besteht auch kein ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom im Sinne der GdB-Bewertungsstufe von 30. Die im Januar 2015 aufgetretene Lumbalgie wurde nach dem genannten Bericht des Dr. Be. und der Bescheinigung der Dr. We. vom 09.06.2015 durch eine CT-gesteuerte Facetteninfiltration therapiert. Dies führt nicht zur Erhöhung des GdB 20, denn ein Schmerzsyndrom der LWS ist dem Einzel-GdB für die Wirbelsäule bereits zugrundegelegt. Zuletzt sind Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule 2 Jahre zuvor durch den Bericht des O. Klinikums vom 16.01.2013 dokumentiert, wonach seit 3 bis 4 Tagen Schmerzen im unteren Rücken bestanden, welche medikamentös behandelt wurden. Häufig rezidivierende Wirbelsäulensyndromen im Sinne schwerer Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden sind den beigezogenen Unterlagen und den eingeholten Aussagen der behandelnden Ärzte nicht zu entnehmen. Im Übrigen ist im Rahmen der Bewertung der psychischen Störung ein Schmerzsyndrom bereits als die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erheblich beeinträchtigend berücksichtigt. Dem Schmerzsyndrom und nicht den Wirbelsäulenschäden sind auch die vom Kläger geklagten Kribbelmissempfindungen im Bereich der unteren Extremitäten zuzuordnen, da Dr. C. Sensibilitätsstörungen nicht feststellen konnte und die Beschwerden nach seinen Ausführungen insbesondere bei seelischer Belastung auftreten. Die Annahme schwerer Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden ist bei nicht vorliegenden wesentlichen funktionellen Einschränkungen jedenfalls nicht gerechtfertigt.

Wesentliche Änderungen der Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Kniegelenkes sowie im Bereich des rechten Schultergelenks und des rechten Ellenbogengelenks sind nicht festzustellen. Dass der Kläger wegen der Beschwerden des linken Kniegelenks und des rechten Ellenbogens/Armes seit Erlass des Bescheides vom 04.10.2012 in ärztlicher Behandlung gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Hinweise auf Beeinträchtigungen im Bereich des Kniegelenkes lassen sich dem Gutachten des Dr. C. nicht entnehmen. Auch im Bereich des Nervus ulnaris rechts hat der Gutachter keinen Nachweis einer persistierenden Kompression bzw. Läsion nach der zuletzt am 14.05.1998 erfolgten Operation erhoben. Die vom Kläger unter anderem im Bereich der Schulter geklagten Schmerzen sind im Rahmen der somatoformen Schmerzstörung bewertet.

Weitere GdB-relevante Gesundheitsstörungen sind nicht festzustellen.

GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen der Harnorgane liegen nicht vor. Der Urologe B. hat unter dem 15.08.2014 lediglich das Bestehen einer unklaren Harninkontinenz mit Drangsymptomatik angegeben, weshalb eine Therapie mit Spasmex eingeleitet wurde. Ein häufiger Harnabgang, der nach Teil B Nr. 12.2.4 VG bereits mit einem GdB von 20 zu bewerten sein könnte, oder eine nach Teil B Nr. 12.2.2 VG zu bewertende Entleerungsstörung der Harnblase, kann den Ausführungen nicht entnommen werden. Nach dem Bericht des Urologen vom 19.10.2015 hat der Kläger bei der Vorsorgeuntersuchung am 15.06.2015 keine Miktionsbeschwerden angegeben, so dass jedenfalls keine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung vorliegt.

Die Funktionsbeeinträchtigung der Augen ist nach dem Bericht des Dr. Schü. vom 22.09.2015 durch eine Sehhilfe vollständig korrigiert, so dass nach Teil B Nr. 4 VG kein GdB anzusetzen ist.

Nach Teil B Nr. 6 VG mit einem GdB zu bewertende Gesundheitsstörungen der Nase sind nicht festzustellen. Eine Septumdeviation wurde nach dem Bericht des Dr. Hi. vom 22.04.2013 korrigiert. Das (Fort-)Bestehen einer relevanten Atembehinderung ist nicht ersichtlich. Eine allergische Rhinopathie bedingt ohne ersichtliche Beeinträchtigung im Bereich der tieferen Atemwege bzw. Lungen keinen GdB.

Hiervon ausgehend ergibt sich unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen ein Gesamt-GdB von 40, gebildet aus den Teil-GdB von 30 für das seelische Leiden, dem Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden und Teil-GdB von jeweils 10 für die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks und die Funktionsbehinderung des rechten Armes (Ellenbogengelenk und Schultergelenk). Selbst wenn man für die psychische Störung einen GdB von 40 annehmen würde, wäre durch die Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit einem Einzel-GdB von 20 ein Gesamt-GdB von insgesamt 50 oder mehr nach Überzeugung des Senats nicht angemessen. Nach Teil A Nr. 3 d) ee) VG ist es nämlich auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Hier kommt hinzu, dass die den Einzel-GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden im Wesentlichen begründende Schmerzsymptomatik auch mit der somatoformen Schmerzstörung im Rahmen des seelischen Leidens berücksichtigt ist, so dass auch diese Überschneidungen einer Erhöhung des Gesamt-GdB entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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