L 4 KR 4535/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3761/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4535/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Rechtsstreit betrifft im Rahmen eines sog. Zugunstenverfahrens die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 16. Juli 2012.

Die im Jahr 1962 geborene Klägerin war ab Dezember 2007 als Selbständige zunächst bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten und sodann bei der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig krankenversichert. Die Beitragseinstufung erfolgte ab dem 1. August 2008 als nebenberuflich Selbständige in Höhe der jeweiligen Mindestbeitragsbemessungsgrenze. Zuletzt hatte die Beklagte mit Bescheid von "Januar 2012" den Krankenversicherungsbeitrag ab dem 1. Januar 2012 nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze für freiwillig Versicherte von EUR 851,67 auf EUR 130,38 monatlich festgesetzt.

Mit Schreiben vom 1. Juli 2011 und vom 2. August 2011 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihren Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vorzulegen. Am 4. Januar 2012 legte die Klägerin den ihr gegenüber ergangenen Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2009 des Finanzamtes H. vom 15. Dezember 2011 vor. Dem Bescheid liegen Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von EUR 8.000,00 sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 3.500,00 zu Grunde. Die Klägerin gab ergänzend an, seit dem Jahr 2000 selbständig Putzarbeiten zu verrichten und jährlich Bruttoeinnahmen hieraus in Höhe von EUR 7.000,00 zu erzielen. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte der Steuerberater der Klägerin das Formular um die Angaben einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 sowie eine Anzahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von zwei und sandte das Formular – bei der Beklagten eingehend am 27. März 2012 – zurück.

Mit Bescheid vom 29. März 2012 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass sie hauptberuflich selbständig tätig sei und die Versicherung zum 1. Januar 2012 umgestellt werde. Die Klägerin übe ihre selbständige Tätigkeit 40 Stunden wöchentlich aus und beschäftige zwei Arbeitnehmer. Mit weiterem Bescheid vom 29. März 2012 setzte die Beklagte die von der Klägerin zu zahlenden Beiträge für Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2012 auf Grund eines (fiktiven) monatlichen Einkommens von EUR 1.968,75 ab dem 1. Januar 2012 fest und zwar auf EUR 293,34 zur Krankenversicherung (Beitragssatz 14,9 Prozent) und auf EUR 38,39 zur Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,95 Prozent).

Mit Schreiben vom 16. Mai 2012 – bei der Beklagten am 21. Mai 2012 eingegangen – teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie Putzstellen verloren habe und nur noch an einer Putzstelle vier Stunden in der Woche arbeite. Sie erhalte hierfür monatlich EUR 550,00. Sie überlege, ob sie ihre selbständige Tätigkeit aufgebe. Sie gab ergänzend auf einem Formular unter dem 16. Mai 2012 an, ihr monatliches Einkommen betrage EUR 1.200,00. Sie arbeite vier Stunden pro Woche.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 entschied die Beklagte, dass weiterhin eine hauptberuflich selbständige Tätigkeit vorliege. Selbständig erwerbstätig sei grundsätzlich jede Person, die mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene Rechnung und Gefahr ausübe. Ein Merkmal dafür sei unter anderem die Anmeldung eines Gewerbes. Hauptberuflich werde die selbständige Tätigkeit dann ausgeübt, wenn sie den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Beide Voraussetzungen lägen bei der Klägerin vor. Die Tatsache, dass die Klägerin derzeit nur noch eine Putzstelle habe, führe zu keiner abweichenden Feststellung. Die Tätigkeit sei nach einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Deshalb könnten nur Änderungen, die nicht nur von vorübergehender Dauer seien, berücksichtigt werden.

Am 16. Juli 2012 meldete die Klägerin ihr Gewerbe gegenüber der Gemeinde Wiesloch ab. Sie kreuzte in den entsprechenden Formular auf die Frage, ob die aufgegebene Tätigkeit (zuletzt) im Nebenerwerb betrieben worden sei, die Antwort "Nein" an.

Am 19. Juli 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die Beiträge gemäß dem Bescheid von "Januar 2012" festzusetzen. Diese Beiträge habe sie bezahlt. Sie habe ihren Betrieb wegen mangelnder Aufträge abgeben müssen und seit letztem Jahr nur noch Umsätze von ca. EUR 500,00 monatlich.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es bei der Beitragseinstufung wie mit Schreiben vom 29. März 2012 mitgeteilt für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 16. Juli 2012 bleibe. Die Klägerin habe mitgeteilt, dass sie die Selbständigkeit 40 Stunden pro Woche ausübe und zwei Arbeitnehmer in ihrem Betrieb beschäftige. Es handele sich darum um eine hauptberufliche Selbständigkeit, die nach einem fiktiven Einkommen von EUR 1.968,25 verbeitragt werde.

Am 6. August 2012 erwiderte die Klägerin, dass die Einkommensanfrage vom 27. März 2012 von ihrem ehemaligen Steuerbüro ausgefüllt worden sei. Sie habe mangels Sprachkenntnissen die Angaben nicht richtig zur Kenntnis genommen. Es treffe nicht zu, dass sie 40 Stunden pro Woche arbeite. Es seien höchstens zehn Stunden gewesen und sie habe die Arbeiten ohne Angestellte erledigt. Sie bat um Abänderung des Beitrages, denn sie könne nach der Betriebsaufgabe den Beitrag nicht bezahlen, da sie keine Einnahmen mehr habe.

Nachdem die Klägerin eine Bestätigung der Bahn-BKK vorgelegt hatte, nach der sie ab dem 17. Juli 2012 familienversichert sei, beendete die Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2012 die freiwillige Versicherung der Klägerin "zum Vortag".

Am 19. Dezember 2012 legte die Klägerin bei der Beklagten den ihr und ihrem Ehemann gegenüber ergangenen Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2010 des Finanzamtes H. vom 5. Dezember 2012 (Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb: EUR 15.379,00; Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung: EUR 13,00) sowie den Änderungsbescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2009 des Finanzamtes H. vom 5. Dezember 2012 (Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb: EUR 14.116,00; Einkünfte des Ehemannes der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit: EUR 4.986,00; Einkünfte des Ehemannes der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung: EUR 2.827,00) vor.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Einkommensteuerbescheide nur zukunftsbezogen zu Grunde gelegt werden dürften, also ab dem 1. Januar 2013. Die freiwillige Versicherung der Klägerin sei aber schon zum 16. Juli 2012 beendet gewesen. Die Klägerin bat gleichwohl um eine rückwirkende Änderung der Beiträge, weil es nicht ihr Verschulden sei, dass die Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2009 und 2010 erst jetzt eingegangen seien.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2013 entschied die Beklagte nach der Überprüfung der Beitragseinstufung und der erstellten Bescheide ab dem 1. Januar 2012 im Rahmen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), dass die Einstufung nach der Mindestbemessungsgrundlage für Selbständige ab dem 1. Januar 2012 zu Recht erfolgt sei. Bis zum 31. Dezember 2011 sei die Beitragsberechnung auf Grund einer freiwilligen Versicherung nach dem Mindestbemessungstarif erfolgt. Der Steuerbescheid 2009 sei am 5. Januar 2012 eingereicht worden. Hierin seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin in Höhe von EUR 8.000,00 und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 3.500,00 ausgewiesen. Daraufhin sei die Versicherung der Klägerin angepasst worden. Die Beitragsberechnung sei auf Grund einer freiwilligen Versicherung als Selbständige nach dem Mindestbemessungstarif erfolgt. Die am 27. März 2012 eingegangene Einkommensanfrage habe die Einstufung als hauptberuflich Selbständige bestätigt. Hier sei die selbständige Tätigkeit mit 40 Stunden wöchentlich mit einer Beschäftigung von zwei Arbeitnehmern angegeben worden. Aus den Steuerbescheiden 2009 und 2010 seien ebenfalls Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb hervorgegangen. Mit Bescheid vom 29. März 2012 sei die Klägerin rückwirkend zum Mindestbeitrag für Selbständige eingestuft worden. Nach Prüfung am 23. Mai 2012 sei das weiter Vorliegen der hauptberuflichen Selbständigkeit bescheinigt worden. Auf Grund der Betriebsaufgabe zum 16. Juli 2012 sei die freiwillige Versicherung beendet worden. Auf eine detaillierte Auflistung der selbständigen Tätigkeiten nach wöchentlicher Arbeitszeit und Einkommenshöhe habe sie – die Beklagte – in der Vergangenheit verzichtet. Man habe sich auf die Angaben der Klägerin verlassen, ob und wann die selbständige Tätigkeit nur noch nebenberuflich ausgeübt werde. Die Klägerin sei immer zum Mindestbeitrag versichert gewesen. Eine Reduzierung dieser Beiträge sei daher nicht möglich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 13. Mai 2013 Widerspruch.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 zurück. Solange Versicherte hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, würden ihre Beiträge entsprechend berechnet. Die Mindestbemessung bei diesem Personenkreis liege gemäß § 240 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei monatlich EUR 1.968,75 im Jahr 2012. Aufgrund der vorliegenden Sach- und Rechtslage sei anhand des Steuerbescheids 2009 die Einstufung ab 1. Januar 2012 zum Mindestbeitrag für Selbständige vorgenommen worden, da hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung ausgewiesen worden seien.

Hiergegen erhob die Klägerin am 8. November 2013 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie sei bis zum 31. Dezember 2011 als nebenberuflich Selbständige versichert gewesen. Es sei nicht ersichtlich, was sich ab dem 1. Januar 2012 geändert haben solle. Ihre Einkünfte seien geringer geworden. Dies werde durch die vorgelegten Einkommensunterlagen bestätigt. Sie sei dann auch nur teilzeitbeschäftigt gewesen. Versicherungspflichtige Arbeitnehmer seien nicht beschäftigt worden. Die wöchentliche Arbeitszeit habe klar unter 18 Stunden gelegen, wobei das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit auch nicht die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltes gewesen sei. Vielmehr habe der Ehemann für ihren Unterhalt gesorgt, da sie nicht in der Lage gewesen sei, auf Grund ihres geringen Verdienstes für ihren eigenen Unterhalt selbst zu sorgen. Sie sei in sprachlicher Hinsicht nicht in der Lage gewesen, den Einkommensfragebogen selbst auszufüllen. Sie habe den Fragebogen ihrem Steuerberater übergeben, der den Fragenbogen dann ausgefüllt habe. Dort habe der Steuerberater versehentlich als wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden und als Anzahl der regelmäßigen in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zwei angegeben. Diese Angaben seien nicht zutreffend, weil sie pro Woche zwölf Stunden nicht überschritten habe und auch keine zwei Mitarbeiter gehabt habe. Im Jahr 2011 habe sie eine geringfügig beschäftigte Mitarbeiterin gehabt, die allerdings nur vertretungsweise für sie tätig gewesen sei, wenn sie krank oder verhindert gewesen sei. Der Steuerberater habe ihr bestätigt, dass er versehentlich diese Angaben gemacht habe. Er habe offenbar sie mit einer anderen Mandantin verwechselt. Die Frage nach dem Nebenerwerbscharakter in der Gewerbeabmeldung sei versehentlich mit "Nein" beantwortet worden. Die Klägerin legte den Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2011 des Finanzamtes H. vom 13. November 2013 (Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb: EUR 19.000,00; Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung: EUR 200,00; Einkünfte des Ehemann des Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit: EUR 11.706,00), den Änderungsbescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2011 des Finanzamtes H. vom 21. Mai 2014 (Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb: EUR 5.990,00; Verlust der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung: EUR 6.877,00; Einkünfte des Ehemann des Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit: EUR 17.107,00), den Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2012 des Finanzamtes H. vom 21. Mai 2014 (Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb: EUR 2.773,00; Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit: EUR 1.810,00; Verlust der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung: EUR 7.359,00; Einkünfte des Ehemann des Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit: EUR 18.099,00) sowie den Bescheid für 2011 über Umsatzsteuer des Finanzamts H. vom 13. November 2013 vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. In der Einkommensfrage 2011 habe die Klägerin selbst angegeben, selbständig zu sein und zwei regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer zu haben. Es sei nicht nachvollziehbar, wie nun das Gegenteil behauptet werden könnte. Es sei bereits die Einstufung zum Mindestbeitrag für hauptberuflich Selbständige erfolgt. Eine Beitragsermäßigung sei auf Grund des Vorliegens von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht möglich. Der letzte Steuerbescheid, der vorgelegt worden sei, sei derjenige von 2010 gewesen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 1. Oktober 2015 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bescheides vom 29. März 2012 und Festsetzung geringer Beiträge. Als Rechtsgrundlage für die von ihr erstrebte Teilrücknahme komme allein § 44 Abs. 1 SGB X in Betracht. Eine rechtswidrige Beitragserhebung liege aber nicht vor. Die Beitragseinstufung der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 16. Juli 2012 sei zutreffend erfolgt. Die Beklagte habe die selbständige Tätigkeit der Klägerin zu Recht als hauptberuflich angesehen. Denn die Klägerin habe ausweislich des von ihr am 16. Mai 2012 unterschiebenen Fragebogens zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes nur die hier in Rede stehende selbständige Tätigkeit ausgeübt. Bei Zugrundelegung des bei Erlass des Bescheides vom 29. März 2012 vorgelegten Steuerbescheides 2009, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 8.000,00 ausgewiesen habe, und der Angabe der Klägerin vom 10. August 2011, sie werde im Jahr 2011 voraussichtlich Bruttoeinnahmen aus selbständigen Putzarbeiten in Höhe von EUR 7.000,00 erzielen, ergebe sich eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit. Aber auch der von der Klägerin am 16. Mai 2012 angeführte jährlichen Gewinn von EUR 6.000,00 aus einer wöchentlichen vierstündigen selbständigen Tätigkeit hätte keine lediglich nebenberufliche Tätigkeit zu Folge, da die selbständige Putztätigkeit nach der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand in Ermangelung der weiteren Erwerbstätigkeit den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit dargestellt habe. Selbst unter Zugrundelegung des in die Beurteilung wohl nicht mehr einzubeziehenden Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012 ergebe sich nicht anderes. Denn angesichts des Umstandes, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 2.773,00 nicht das gesamte Jahr 2012, sondern nur die Zeit bis zur Betriebsaufgabe und Abmeldung des Gewerbes zum 16. Juli 2012 betroffen hätten und in dieser Zeit die alleinigen Erwerbseinkünfte der Klägerin dargestellt hätten, wäre von einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Dies gelte umso mehr als die Klägerin nach ihren abschließenden Angaben in der mündlichen Verhandlung zwei Mitarbeiter, nämlich ihren Ehemann und eine weiblichen Mitarbeiterin, wenn auch in geringem Umfang beschäftigt und mit rund EUR 300,00 (Ehemann) sowie EUR 80,00 (weitere Mitarbeiterin) entlohnt habe, also als Arbeitgeberin fungiert habe. Sei die Klägerin also hauptberuflich selbständig tätig gewesen, ergebe sich eine Beitragsbemessung anhand des Mindesteinkommens in Höhe von kalendertäglich 1/40 der monatlichen Bezugsgröße.

Gegen das ihr am 19. Oktober 2015 zugestellt Urteil hat die Klägerin am 29. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie hauptberuflich selbständig tätig gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe sich die Maßgeblichkeit eines Umfangs einer selbständigen Erwerbstätigkeit vor allem aus systematischen Gesichtspunkten, insbesondere aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, wonach erst ein regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen oberhalb eines Siebtels der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zum Ausschluss der Familienversicherung führe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. Dezember 2012 – B 12 KR 4/10 R – juris, Rn. 16). Die bewusste Verwendung des Begriffs Gesamteinkommen (§ 16 SGB IV), das der Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts entspreche und insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen umfasse, zwinge zu dem Schluss, dass auch Arbeitseinkommen in Sinne von § 15 SGB IV für die Ermittlung dieser Einkommensgrenze relevant sei. Dem zufolge könne nicht jede selbständige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werde, bereits nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V zum Ausschluss von der Familienversicherung führen. Anderenfalls liefe die Regelung der Nr. 5 in Bezug auf Arbeitseinkommen leer. Gleichzeitig sei aus der gesonderten Feststellung einer Einkommensgrenze in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zu folgern, dass es für die Hauptberuflichkeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht (jedenfalls nicht allein) auf die Höhe des damit erzielten Einkommens ankommen könne, da § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V ohnehin nur Tätigkeiten betreffen könne, bei denen das Einkommen unterhalb der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V genannten Schwelle von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße liege. So spreche auch die Entwurfsbegründung zum Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) davon, dass die in Nr. 4 genannten Angehörigen ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens von der Versicherung ausgeschlossen seien (Hinweis auf Bundestags-Drucksache 11/2237, S. 161). Vor diesem Hintergrund könne das Merkmal "hauptberuflich" nur eine bestimmte Qualität der Tätigkeit und/oder deren Umfang betreffen. Ein solches Verständnis läge auch § 10 Abs. 1 Satz 2 SGB V zugrunde, der sicherstellen solle, dass Nebenerwerbsbäuerinnen, die ihre Arbeit zwar überwiegend auf die Haushaltsführung verwendeten und deshalb im Regelfall nicht wegen hauptberuflicher selbständiger Erwerbstätigkeit aus der Familienversicherung ausschieden (Hinweis auf Bundestags-Drucksache 11/3480, S. 49 zu § 10), nicht aufgrund der Fiktion der § 1 Abs. 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte hiervon ausgeschlossen würden. Dementsprechend stelle auch die Entwurfsbegründung des GRG zu § 5 Abs. 5 SGB V (allerdings in Abgrenzung zu daneben ausgeübter weiterer Erwerbstätigkeit) zur Umschreibung des Begriffs "hauptberuflich" auf die wirtschaftliche Bedeutung und den zeitlichen Aufwand der selbständigen Tätigkeit ab (Hinweis auf Bundestags-Drucksache 11/2237, S. 159). Aufgrund der geringen zeitlichen Umfangs der Erwerbstätigkeit habe sie die Selbständigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt. In dem Urteil des BSG vom 29. Dezember 2012 (a.a.O.) weise das BSG darauf hin, dass im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V eine hauptberufliche Tätigkeit in der Regel jeweils dann gegeben sei, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit mehr als halbtags ausgeübt werde. Unstreitig habe sie die selbständige Erwerbstätigkeit keineswegs mehr als halbtags ausgeübt. Eine wöchentliche Arbeitszeit von zwölf Stunden sei nicht überschritten worden. Vielmehr habe sie weit unter zwölf Stunden gearbeitet. Das BSG habe in dem Urteil vom 29. Dezember 2012 (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit auch dann nicht angenommen werden könne, wenn der Selbständige mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt hätte. Entgegen der Ansicht des SG könne die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer zwar ein Indiz für den Umfang einer selbständigen Tätigkeit sein, ein genereller Ausschluss nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V von der Familienversicherung bestehe aber auch dann nicht. Der unbedingte Rückschluss von der Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf die Hauptberuflichkeit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit finde bereits keine Stütze im Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V. Gleichzeitig stünden einer solchen Auslegung der Norm deren Regelungsgeschichte und systematische Gesichtspunkten entgegen. Sie habe eine Mitarbeiterin zu einem Monatslohn von EUR 80,00 und ihren Ehemann zeitweise zu einem Lohn von EUR 300,00 beschäftigt. Hieraus eine hauptberufliche Selbständigkeit zu ziehen, widerspreche den Vorgaben des BSG, zumal es sich um eine äußerst geringfügige Beschäftigung gehandelt habe, insbesondere sei es um den Einsatz bei eigener Erkrankung gegangen. Die Beschäftigung des Ehemannes in Höhe von monatlich EUR 300,00 monatlich sei aus rein familiären Gründen und aus Solidarität erfolgt. Schaue man sich das Gesamteinkommen im Jahr 2012 an, betrage dies für die Zeit vom 1. Januar bis 16. Juli 2012 EUR 2.773,00, verteilt auf sechseinhalb Monate rechne sich ein monatliches Einkommen von EUR 426,61; dieses Einkommen sei ein maßgebliches Indiz dafür, dass keine Hauptberuflichkeit bestanden habe.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 3. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 29. März 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die von der Klägerin dargelegten Abgrenzungskriterien einer hauptberuflichen Tätigkeit beträfen den Fall des Vorliegens weiterer Erwerbstätigkeiten. Diese spielten jedoch keine Rolle, wenn eine Person ausschließlich eine selbständige Tätigkeit ausübe. In diesem Falle spiele der zeitliche Umfang oder der erzielte Gewinn keine Rolle für die Einstufung als hauptberuflich Selbständiger. Genauso verhalte es sich hier. Die Klägerin übe nur eine selbständige Tätigkeit aus. Das Abgrenzungskriterium beim Vorliegen weiterer Erwerbstätigkeiten spielten also keine Rolle, da es nichts abzugrenzen gebe.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerin hat daraufhin vorgetragen, dass ihre Selbständigkeit nicht als hauptberuflich selbständige Tätigkeit betrachtet werden könne, da für das Familieneinkommen die Einkünfte ihres Ehemannes maßgeblich gewesen seien. Wie aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden ersichtlich, habe dieser Einkünfte von knapp EUR 18.000,00 gehabt, während ihre Einkünfte nur 2/3 hiervon gewesen seien. Insofern komme es sehr wohl auf den zeitlichen Umfang und die Höhe des Gewinns an. Sie habe geringfügig eine Nebentätigkeit bzw. eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, während ihr Ehemann hauptberuflich tätig und für den Familienunterhalt gesorgt habe. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da die Klägerin eine Beitragsreduzierung von insgesamt mehr als EUR 750,00 begehrt, so dass der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten ist.

Unmittelbar streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2013, mit dem die Rücknahme des Beitragsbescheides vom 29. März 2012 abgelehnt worden ist, so dass der Bescheid von "Januar 2012" wieder Geltung erlangen würde. Dieser (mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene) Bescheid vom 29. März 2012 war bestandskräftig geworden. Zwar mag man in dem bei der Beklagten am 21. Mai 2012 eingegangenen Schreiben der Klägerin die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. März 2012 sehen; dieser Widerspruch wäre aber jedenfalls verfristet gewesen (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X; § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG). Streitgegenständlich sind nur die Beiträge zur Krankenversicherung. Nur hierüber hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 3. Mai 2013 und im Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 entschieden. Ein Hinweis darauf, dass auch über die Beiträge zur Pflegeversicherung entschieden werden sollte, findet sich in diesen Bescheiden nicht.

3. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2013 ist rechtmäßig. Die Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29. März 2012 und die Festsetzung geringerer Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 16. Juli 2012 durch Wiederaufleben des Bescheides von "Januar 2012".

a) Als Rechtsgrundlage für den geltenden gemachten Anspruch der Klägerin kommt allein § 44 Abs. 1 SGB X und nicht – entgegen der Formulierung der Beklagten im Bescheid vom 3. Mai 2013 – § 45 SGB X in Betracht. Denn § 45 SGB X betrifft nur rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte. Die Klägerin wendet sich aber gegen den belastenden Teil des Beitragsbescheides vom 29. März 2012.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da bei Erlass des Bescheides vom 29. März 2012 das Recht nicht unrichtig angewandt und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist.

aa) Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkasse geregelt. Dabei ist gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 SGB V besteht, sind unzulässig (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ist dem Regelungsauftrag des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch die Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) nachgekommen. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind als untergesetzliche Normen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, die als solche im Einklang mit höherrangigem Recht stehen (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 – juris, Rn. 13).

Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III oder einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III oder eine entsprechende Leistung nach § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der vom 28. Dezember 2011 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung) bzw. für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder eine entsprechende Leistung nach § 16b SGB II erhalten (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der vom 1. März 2012 bis 31. Juli 2014 geltenden Fassung), der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrunde gelegt werden (§ 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Dabei sind insbesondere das Vermögen des Mitglieds sowie Einkommen und Vermögen von Personen, die mit dem Mitglied in Bedarfsgemeinschaft leben, zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V).

bb) Nach diesen Maßstäben ist die Beitragsfestsetzung durch den Bescheid vom 29. März 2012 nicht zu beanstanden.

(1) Die Beklagte ist insbesondere zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin jedenfalls zwischen dem 1. Januar und 16. Juli 2012 hauptberuflich selbständig war. Eine solche hauptberufliche selbständige Tätigkeit liegt schon deswegen vor, weil die Klägerin – dies ist unstreitig – ansonsten keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen bezüglich der Abgrenzung einer hauptberuflichen von einer nebenberuflichen selbständigen Tätigkeit stellt sich also nicht, weil letztere bereits begrifflich mindestens eine weitere Erwerbstätigkeit voraussetzt, neben der die selbständige Tätigkeit verrichtet wird (vgl. Felix, in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 5 Rn. 111; Hedermann, NZS 2016, 8 ff.; Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 5 SGB V Rn. 191 [September 2015]; Wiegand, in: Eichenhofer/Wenner [Hrsg.], SGB V, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 136 ff.). Bei der gebotenen relativen Betrachtungsweise führt allein der Umstand, dass neben der selbständigen Tätigkeit keine weitere Tätigkeit ausgeübt wird, bereits zur Annahme hauptberuflicher Tätigkeit, ohne dass es auf deren zeitlichen Umfang oder finanziellen Ertrag ankommt.

Keine entscheidende Bedeutung kommt daher den von der Klägerin in den Vordergrund gestellten Fragen nach ihrer Wochenarbeitszeit und ihren Einnahmen zu. Insofern ist allerdings durchaus festzustellen, dass die Klägerin insoweit ein wechselhaftes Vortragsverhalten zeigt. So gab die Klägerin zunächst gegenüber der Beklagten an, jährliche Bruttoeinnahmen in Höhe von EUR 7.000,00 zu erzielen und regelmäßig zwei Arbeitnehmer zu beschäftigen (bei der Beklagten am 27. März 2012 eingegangene Selbstauskunft). Nach Erlass des Bescheides vom 29. März 2012 gab sie an, monatlich EUR 550,00 für eine vierstündige Tätigkeit pro Woche zu erhalten (Schreiben vom 16. Mai 2012) bzw. dass ihr monatliches Einkommen EUR 1.200,00 betrage (Angaben im Formular unter dem 16. Mai 2012). Die Angabe, zwei Arbeitnehmer zu beschäftigen, stellte sie später als fehlerhafte Angabe ihres Steuerberaters dar (bei der Beklagten am 6. August 2012 eingegangenes Schreiben), räumte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hingegen wieder die (geringfügige) Beschäftigung von zwei Arbeitnehmern ein. Auf diese Widersprüche kommt es indes nach dem oben Dargelegten nicht an.

Auch die von der Klägerin zuletzt aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der Höhe ihres eigenen Einkommens zu der Höhe des Einkommens ihres Ehemann spielt für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin hauptberuflich selbständig tätig war, keine Rolle. Insofern ist allein die einzelne Person in den Blick zu nehmen, nicht die Erwerbssituation der gesamten Familie.

(2) Die Beklagte hat der Beitragsberechnung auch gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V zu Recht und rechnerisch zutreffend ein fiktives Mindesteinkommen in Höhe von kalendertäglich 1/40 der monatlichen Bezugsgröße im Sinne des § 18 Abs. 1 SGB IV zugrundegelegt. Diese monatliche Bezugsgröße betrugt im Jahr 2012 EUR 2.625,00 (§ 2 Abs. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 vom 2. Dezember 2011, BGBl. I S. 2421). 1/40 hiervon beträgt EUR 65,625. Das durch Multiplikation mit 30 zu ermittelnde monatliche Mindesteinkommen betrug damit EUR 1.968,75. Diesen Betrag hat die Beklagte der Beitragsberechnung zugrunde gelegt.

Der für die Klägerin maßgebliche Beitragssatz betrug, da sie ohne Anspruch auf Krankengeld versichert war, gemäß § 243 SGB V in der zwischen dem 1. Januar 2011 und dem 31. Dezember 2014 geltenden Fassung 14,9 Prozent, so dass der monatliche Beitrag EUR 293,34 betrug. Diesen Beitrag hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 29. März 2012 festgesetzt.

Die Voraussetzungen für eine Beitragsbemessung nach einem Sechzigstel der monatlichen Bezugsgröße lagen nicht vor. Die Klägerin erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum weder einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III a.F. bzw. § 93 SGB III noch einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III oder eine entsprechende Leistung nach § 16b SGB II, so dass § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V insofern nicht eingreift.

Auch lagen die Voraussetzungen nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler nicht vor. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler werden auf Antrag die Beiträge für Mitglieder, deren beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag 1/40 der monatlichen Bezugsgröße unterschreiten, nach den tatsächlichen Einnahmen, mindestens jedoch nach 1/60 der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag bemessen. Eine solche Beitragsbemessung ist jedoch nach § 7 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler unter anderem dann ausgeschlossen, wenn die Bedarfsgemeinschaft positive oder negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, es sei denn, das Mitglied weist nach, dass das den Einkünften zugrunde liegende Miet- oder Pachtobjekt nicht verwertbar ist oder eine Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich oder unzumutbar wäre. Die Klägerin hat im Jahr 2009 positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (in Höhe von EUR 3.500,00) erzielt, so dass eine Beitragsbemessung nach 1/60 der monatlichen Bezugsgröße schon deswegen ausscheidet (vgl. allgemein zur Zulässigkeit der Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – juris, Rn. 18 ff.).

Die von der Klägerin im Laufe des Verfahrens vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 sind unerheblich. Dies gilt schon deswegen, weil gemäß § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises niedrigerer Einnahmen, der nur durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides geführt werden kann (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 16; vgl. auch BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – juris, Rn. 21), nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden können (vgl. auch § 7 Abs. 7 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Die erste Vorlage eines Einkommensteuerbescheides für spätere Jahre als 2009 erfolgte indes erst am 19. Dezember 2012 und damit nach dem Ende des hier streitigen Zeitraums.

(3) Die Klägerin hat die Beiträge auch selbst zu tragen. Dies folgt aus § 250 Abs. 2 SGB V, wonach unter anderem freiwillige Mitglieder den Beitrag allein tragen.

(4) Der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29. März 2012 steht auch nicht entgegen, dass hierdurch in Abänderung des Bescheides von "Januar 2012" teilweise rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 die Beiträge neu festgesetzt worden sind. Dabei kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 29. März 2012 den formellen Anforderungen des § 45 SGB X oder § 48 SGB X genügt. Den im hier vorliegenden Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X wäre für einen Rücknahmeanspruch nicht ausreichend, wenn der Bescheid vom 29. März 2012 wegen Verstoßes gegen § 45 SGB X oder § 48 SGB X wegen Verstoßes gegen Vertrauensschutzregelungen rechtswidrig gewesen wäre. Hierauf kann sich die Klägerin nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 29. März 2012 nicht mehr berufen. Erforderlich ist im Rahmen des Zugunstenverfahrens vielmehr, dass die Beitragserhebung materiell rechtswidrig gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 1997 – 14/10 RKg 25/95 – juris, Rn. 20 m.w.N. – auch zum Folgenden; BSG, Urteil vom 22. März 1989 – 7 RAr 122/87 – juris, Rn. 24; a.A. etwa Baumeister, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 44 Rn. 73 m.w.N. zum Streitstand). Aus der Formulierung "und soweit deshalb" in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X folgt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung bestehen muss. Das lässt sich nur anhand der materiellen Rechtslage beurteilen, so dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X dahin zu verstehen ist, dass die Beiträge materiell zu Unrecht erhoben worden seien müssen. Ziel des § 44 SGB X ist die Auflösung der Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten der letzteren (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1985 – 10 RKg 14/85 – juris, Rn. 23). Das Gebot, der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg zu verhelfen, bedeutet, dass im Zugunstenverfahren ein Betroffenen (nur) diejenige Beitragserhebung abwehren kann, die nach materiellem Recht von Anfang an rechtswidrig gewesen wäre. Dem materiellen Recht widersprechende Besserstellungen schließt § 44 SGB X demgegenüber aus (BSG, Urteil vom 28. Mai 1997 – 14/10 RKg 25/95 – juris, Rn. 20).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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