L 4 KR 1/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 27 KR 5864/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen das Ruhen seiner Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger ist seit Jahren Mitglied der beklagten Krankenkasse und der bei ihr errichteten Pflegekasse. Er wendet sich, unter anderem auch in zahlreichen Klageverfahren, seit dem Jahr 2010 gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagte. Der Kläger war versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) ab 20. Mai 2011 in der so genannten Auffangversicherung und ab 28. April 2015 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der Kläger zahlte die durch Bescheide der Beklagten zugleich im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse für die Zeit vom 20. Mai 2011 bis 27. April 2015 festgesetzten Beiträge nicht. Die Beklagte mahnte beim Kläger mit Bescheid vom 20. September 2013 (mit Rechtsbehelfsbelehrung) einen Betrag in Höhe von EUR 154,84 (Beitrag für August 2013: EUR 152,27, Säumniszuschlag für August 2013 EUR 1,50; Mahnkosten für August 2013 EUR 1,07) und bezifferte die darüber hinaus bestehenden Beitragsrückstände mit EUR 4.673,98 sowie mit Bescheid vom 19. Oktober 2013 (mit Rechtsbehelfsbelehrung) einen Betrag in Höhe von EUR 501,26 (Beitrag für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 EUR 341,73; für September 2013: EUR 152,27 sowie für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 30. September 2013 Säumniszuschlag in Höhe von EUR 4,50 und Mahnkosten in Höhe von EUR 2,67) und bezifferte die darüber hinaus bestehenden Beitragsrückstände mit EUR 4.861,82. In beiden Bescheiden wies sie auch darauf hin, sie sei gesetzlich verpflichtet, den Leistungsanspruch des Klägers einzuschränken, wenn er die offenen Beiträge nicht bis zum 6. Oktober und 4. November 2013 zahle. Da der Kläger die rückständigen Beiträge nicht zahlte, verfügte die Beklagte das Ruhen der Leistungsansprüche ab dem 24. Dezember 2013 (Bescheid vom 17. Dezember 2013, ohne Rechtsbehelfsbelehrung). Zugleich übersandte sie dem Kläger für das Quartal 4/13 einen Nachweis der Anspruchsberechtigung zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie einen Erfassungsschein für konservierende/chirurgische zahnärztliche Leistungen. Der Kläger erhob wegen des Bescheids vom 17. Dezember 2013 am 9. April 2014 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 19 KR 2276/14). Die Beklagte sah die Klageerhebung nach entsprechendem Hinweis des SG als Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2013 an. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2014). Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2015 ab. Die hiergegen vom Kläger erhobene Berufung wies der Senat mit Beschluss vom 29. April 2016 zurück (L 4 KR 3861/15).

Die Beklagte übersandte dem Kläger in der Folgezeit zu Beginn eines jeden Quartals einen Nachweis der Anspruchsberechtigung zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie einen Erfassungsschein für konservierende/chirurgische zahnärztliche Leistungen und wies ihn zugleich darauf hin, seit dem 24. Dezember 2013 ruhe sein ein Anspruch auf Leistungen, so dass er seine Versichertenkarte derzeit nicht einsetzen dürfe. Für das Quartal IV/15 erfolgte dies mit Schreiben vom 1. Oktober 2015.

Der Kläger erhob am 28. Oktober 2015 Klage beim SG (S 27 KR 5864/15) mit dem Begehren festzustellen, der "Leistungsbescheid der Beklagten ... vom 1. Oktober 2015 und der untergeordnete "Ruhebescheid der Beklagten vom 1. Oktober [2015]" sei mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswidrig. In der mündlichen Verhandlung des SG beantragte er, festzustellen, dass der Bescheid vom 1. Oktober 2015 rechtswidrig sei. Er wandte sich wie bereits in zahlreichen anderen Verfahren gegen die Beitragserhebung (in der Klageschrift einschließlich Säumniszuschläge und Mahnkosten von ihm auf EUR 8.243,57 beziffert) mit der Folge des Ruhens seines Leistungsanspruchs und hielt die Zwangsvollstreckung für rechtswidrig.

Die Beklagte verwies darauf, dass die Frage des Ruhens des Leistungsanspruches seit dem 24. Dezember 2013 Gegenstand des Verfahrens L 4 KR 3861/15 sei. Unter dem 1. Oktober 2015 sei kein "Leistungsbescheid" bekannt, sondern nur der Nachweis über die Anspruchsberechtigung versandt worden.

Das SG, das als Beklagte sowohl die Krankenkasse als auch die Pflegekasse führte, wies die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 2015 ab. Die Klage sei unzulässig. Eine Anfechtungsklage sei nicht statthaft, weil es sich bei dem Schreiben vom 1. Oktober 2015 nicht um einen Verwaltungsakt handle. Auch eine Feststellungsklage sei nicht statthaft. Es mangele am Feststellungsinteresse, da die Berufung gegen den Ruhensbescheid vom 17. Dezember 2013 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängig sei.

Gegen das ihm am 5. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Dezember 2015 beim SG sinngemäß Berufung eingelegt. Er macht - wie auch in anderen beim Senat anhängigen oder anhängig gewesenen Berufungs- und Beschwerdeverfahren - geltend, das SG habe sein tatsächliches und rechtliches Vorbringen sowie seine Klage-, Beweis- und anderen Anträge überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und erwogen. Die in der mündlichen Verhandlung des SG erschienene Bevollmächtigte der Beklagten habe beim SG keine Vollmacht vorgelegt sowie falsche Aussagen gemacht und das SG getäuscht. Die Kammervorsitzende habe die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter beeinflusst sowie seine Grundrechte und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Ferner wiederholt er seine Auffassung, das Schreiben der Beklagten vom 1. Oktober 2015 sei ein Bescheid, der rechtswidrig sei, sowie dass die Zwangsvollstreckung missbräuchlich fortgeführt werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2015 rechtswidrig bzw. nichtig sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die Akten des SG sowie die von den Beklagten zu den Rechtsstreiten des Klägers vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Der Senat hat das Rubrum auf Beklagtenseite von Amts wegen nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten berichtigt. Im Hauptsacheverfahren (S 27 KR 5864/15; L 4 KR 1/16) ist richtige Beklagte allein die Krankenkasse. Denn der Rechtsstreit betrifft ausschließlich das Ruhen der Leistungsansprüche des Klägers nach § 16 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), weil der Kläger die Beiträge zur Krankenversicherung nicht zahlte. Eine entsprechende Regelung gibt es im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung nicht. Es besteht - anders als in den Verfahren, in denen der Kläger sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung wendet - kein Anlass, die Klage bei sachgerechter Auslegung des Begehrens des Klägers (§ 123 SGG) auch als gegen die Pflegekasse gerichtet anzusehen.

3. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Der Kläger wendet sich gegen das Ruhen seiner Leistungsansprüche in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen nicht gezahlter Beiträge. Dies umfasst einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

4. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

a) Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist unzulässig, weil sie subsidiär gegenüber der Anfechtungsklage ist (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. Juli 2013 - B 4 AS 74/12 R - juris, Rn. 24). Wenn der Kläger der Auffassung ist, das Schreiben der Beklagten vom 1. Oktober 2015 sei ein Bescheid und damit ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), hätte er hiergegen richtigerweise Anfechtungsklage erheben müssen. Er kann - seine Rechtsauffassung zugrundegelegt - sein Rechtsschutzziel, die Beseitigung dieses (nach seiner Auffassung) Bescheids durch eine Anfechtungsklage erreichen. Deshalb greifen auch nicht die Ausnahmen ein, die vom Grundsatz der Subsidiarität gemacht werden (z.B. BSG, Urteil vom 2. Juli 2013 - B 4 AS 74/12 R - a.a.O.).

b) Auch wenn man die vom Kläger erhobene Klage sachgerecht (§ 123 SGG) als Anfechtungsklage (§ 54 SGG) ansieht, ist diese Anfechtungsklage ebenfalls unzulässig. Gegenstand einer Anfechtungsklage muss ein Verwaltungsakt sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn wie das SG zutreffend entschied, ist das Schreiben der Beklagten vom 1. Oktober 2015 kein Verwaltungsakt nach § 31 SGB X. Die Beklagte traf im Schreiben vom 1. Oktober 2015 keine Regelung zum Ruhen der Leistungsansprüche des Klägers. Diese Regelung enthält vielmehr der Bescheid vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2014. Weder das Übersenden des Nachweises der Anspruchsberechtigung zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie des Erfassungsscheins für konservierende/chirurgische zahnärztliche Leistungen für das Quartal IV/15, noch der Hinweis, dass wegen des verfügten Ruhens des Leistungsanspruchs des Klägers die Versichertenkarte nicht eingesetzt werden dürfe, ist eine Regelung zum Ruhen des Leistungsanspruchs, sondern nur eine Folge des mit dem Bescheid vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2014 verfügten Ruhen des Leistungsanspruchs.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

6. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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