Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 1391/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3858/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015.
Der Kläger ist seit Jahren Mitglied der zu 1) beklagten Krankenkasse und der zu 2) beklagten Pflegekasse. Er wendet sich, unter anderem auch in zahlreichen Klageverfahren, seit dem Jahr 2010 gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagten. Der Kläger war versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) ab 20. Mai 2011 in der so genannten Auffangversicherung und ab 28. April 2015 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie dementsprechend versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2).
Für die Zeit ab 1. Januar 2015 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung auf insgesamt EUR 162,07 (Krankenversicherung EUR 139,86; Pflegeversicherung EUR 22,21) fest. Auf den Widerspruch des Klägers erläuterte die Beklagte zu 1) im Schreiben vom 12. Februar 2015 die Festsetzung der Beiträge. Gegen die Angabe in diesem Schreiben, der Kläger sei freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 4. März 2015 und bezeichnete dieses Schreiben als Bescheid. Die Beklagte zu 1) korrigierte sich daraufhin, dass der Kläger der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliege (Schreiben vom 11. März 2015). Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2014 zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015).
Der Kläger erhob am 4. März 2015 Klage beim SG (S 19 KR 1391/15) und begehrte festzustellen, dass der "Bescheid" vom 12. Februar 2015 für die Vergangenheit (ab 1. Januar 2015) rechtswidrig bzw. nichtig ist. Am 1. April 2015 begehrte der Kläger ferner festzustellen, dass eine Forderungsaufstellung der Beklagten ab 1. Januar 2015 rechtswidrig bzw. nichtig ist und bezeichnete dies als Fortsetzungsfeststellungsklage. Des Weiteren beantragte er, die "Beklagte" zu verurteilen, einen Bescheid gemäß § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und gemäß dem "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 zu erlassen und bezeichnete dies als Verpflichtungsklage. Der Kläger verwies wiederum darauf, versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) zu sein. Der "Bescheid" vom 12. Februar 2015 verletze die gesetzlichen Vorschriften in schwerwiegender Weise, weil in diesem Bescheid fehlerhaft entschieden sei, er sei freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) und habe freiwillige Beiträge nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen. Zudem werde die Zwangsvollstreckung missbräuchlich fortgeführt. Mit dem "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 habe die "Beklagte" (gemeint wohl die Beklagte zu 1)) entschieden, "dass der Bescheid vom 12. Februar 2015 nicht richtig" sei "bzw. den nicht begünstigenden Bescheid vom 12. Februar 2015 mit Wirkung für die Vergangenheit (ab 1. Januar 2015) aufzuheben". Nach Erledigung des Begehrens bestehe wegen Wiederholungsgefahr ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die "Beklagte" (gemeint wohl die Beklagte zu 1)) entschieden habe, die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Die "Beklagte" (gemeint wohl die Beklagte zu 1)) weigere sich, einen Bescheid gemäß § 63 SGB X und gemäß "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 zu erlassen.
Die Beklagten verwiesen auf den Widerspruchsbescheid.
Mit Bescheid vom 18. März 2015 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Februar 2015 in unveränderter Höhe fest.
In der mündlichen Verhandlung des SG erklärte die Bevollmächtigte der Beklagten, der Beitragsbescheid vom 22. Dezember 2014, der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 sowie der Bescheid vom 18. März 2015 seien jeweils mit Wirkung ab dem 28. April 2015 "hinfällig". Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung des SG, den Bescheid vom 22. Dezember 2014, den Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 sowie den Bescheid vom 18. März 2015 aufzuheben und die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2015 ab. Streitgegenstand sei die Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015. Für die Zeit ab 28. April 2015 seien der Bescheid vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 sowie der Bescheid vom 18. März 2015 gegenstandslos. Statthafte Klageart sei die reine Anfechtungsklage. Die genannten Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei seit dem 20. Mai 2011 bei den Beklagten im Rahmen der Auffangversicherung kranken- und pflegepflichtversichert und deshalb auch für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 beitragspflichtig. Die Beitragshöhe sei in den genannten Bescheiden zutreffend festgesetzt. Es mache keinen Unterschied, ob er mit EUR 0,00 Einnahmen freiwillig oder auffangpflichtversichert sei. Soweit sich der Kläger gegen die Zwangsvollstreckung wende, sei schon unklar, wogegen genau er sich wende. Dass die Beklagten die Zwangsvollstreckung wegen der genannten Bescheide betrieben, sei nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Die Klage sei im Übrigen als Vollstreckungsabwehrklage schon deshalb unzulässig, weil keine Vollstreckung auf der Grundlage eines Urteils stattfinde. Das SG fügte seinem Urteil die Rechtsmittelbelehrung bei, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.
Die zugleich mit der Erhebung der Klage vom Kläger begehrte Anordnung der klageaufschiebenden Wirkung blieb erfolglos (Beschluss vom 23. Juli 2015 - S 19 KR 1390/15 ER; Beschluss des Senats vom 17. März 2016 - L 4 KR 3866/15 ER-B -).
Gegen das ihm am 28. Juli 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. August 2015 beim SG sinngemäß Berufung eingelegt, mit der er weiterhin seine Auffassung verfolgt, das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12. Februar 2015, der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2015 seien rechtswidrig bzw. nichtig. Er macht - wie auch in anderen beim Senat anhängigen oder anhängig gewesenen Berufungs- und Beschwerdeverfahren - geltend, das SG habe sein tatsächliches und rechtliches Vorbringen sowie seine Klage-, Beweis- und anderen Anträge überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und erwogen sowie ihm keine Gelegenheit gegeben, Ergänzungsfragen oder Beweisanträge zu stellen. Die in der mündlichen Verhandlung des SG erschienene Bevollmächtigte der Beklagten habe beim SG keine Vollmacht vorgelegt sowie falsche Aussagen gemacht und das SG getäuscht. Der Kammervorsitzende habe die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter beeinflusst sowie seine Grundrechte und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Ferner wiederholt er sein bisheriges Vorbringen, die Beklagten verlangten zu Unrecht Beiträge und vollstreckten zu Unrecht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 12. Februar 2015, der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2015 rechtswidrig bzw. nichtig seien sowie die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil vom 23. Juli 2015 (S 19 KR 1391/15) für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die Akten des SG sowie die von den Beklagten zu den Rechtsstreiten des Klägers vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015, die durch den Bescheid vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 sowie den Bescheid vom 18. März 2015 erfolgte (a)), die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des "Bescheids" vom 12. Februar 2015 (b)) und das Begehren des Klägers, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären (c)).
a) Gegenstand des Klageverfahrens S 19 KR 1391/15 war, wovon auch das SG zutreffend ausging, bei sachgerechter Auslegung des Begehrens des Klägers (§ 123 SGG) von vornherein die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015. Zwar focht der Kläger den Bescheid vom 22. Dezember 2014, mit welchem die Beklagten die Beiträge ab 1. Januar 2015 festsetzten, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 mit der Erhebung der Klage am 4. März 2015 nicht an, sondern begehrte die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des "Bescheids" vom 12. Februar 2015. "Zur Ergänzung der Klage" wandte er sich am 1. April 2015 gegen Forderungsaufstellungen der Beklagten ab 1. Januar 2015, Letzteres als Fortsetzungsfeststellungsklage, sowie begehrte als Verpflichtungsklage die "Beklagte" zu verurteilen, einen Bescheid gemäß § 63 SGB X und gemäß dem "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 zu erlassen. Erst in der mündlichen Verhandlung des SG am 23. Juli 2015 begehrte er die Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 sowie des während des Klageverfahrens ergangenen Bescheids vom 18. März 2015. Damit gab der Kläger sein zunächst formuliertes Klagebegehren auf. Das SG entschied allein über die die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, was sich schon daraus ergibt, dass er unter anderem die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 und des Beitragsbescheids vom 18. März 2015 begehrt.
b) Sein Begehren festzustellen, der "Bescheid" vom 12. Februar 2015 sei rechtswidrig bzw. nichtig, hat der Kläger im Berufungsverfahren erneut aufgegriffen und dies ausdrücklich als Antrag in der Berufungsschrift formuliert.
c) Hinsichtlich der Einstellung der Zwangsvollstreckung hat der Kläger dies in seinen Anträgen in der Berufungsschrift zwar nicht ausdrücklich aufgeführt. Aus den Ausführungen zur Begründung seiner Berufung ergibt sich aber, dass er dieses Begehren nicht aufgegeben hat, sondern weiter verfolgt.
3. Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich der Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 (a)) unzulässig. Insoweit bedarf die Berufung der Zulassung, was nicht erfolgte.
a) Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Beschwerdewert von EUR 750,00 wird nicht erreicht. Zu den Geldleistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zählen auch Beitragsforderungen (BSG, Beschluss vom 28. Januar 1999 - B 12 KR 51/98 B - juris, Rn. 6). Die Beitragsforderung der Beklagten für die streitige Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 beläuft sich - selbst wenn man den gesamten Monat April 2015 berücksichtigt - auf EUR 648,28 (EUR 162,07 x 4). Der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Denn die Beitragsforderung betrifft nicht einen Zeitraum von einem Jahr, sondern nur knapp vier Monate.
Dass die Berufung hinsichtlich der Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 der Zulassung bedarf, entfällt nicht deswegen, weil hinsichtlich der beiden weiteren Streitgegenstände des Rechtsstreits die Berufung nicht der Zulassung bedarf (dazu sogleich unter 3b und 4.). Werden im Wege objektiver Klagehäufung einerseits Ansprüche verfolgt, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte zum Gegenstand haben (hier die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015), und andererseits Ansprüche anderer Art (hier der Versicherungsstatus sowie die Einstellung der Zwangsvollstreckung), so können die auf diese verschiedenen Ansprüche entfallenden Gegenstandswerte nicht nach § 202 SGG i.V.m. § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammengerechnet werden (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - L 13 AS 2698/09 NZB - juris Rn. 4).
Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 23. Juli 2015 erfolgt. Die beigefügte (unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 45/11 B - juris, Rn. 12).
b) Die Berufung ist auch hinsichtlich des vom Kläger im Berufungsverfahren erneut aufgegriffenen Begehrens, festzustellen, das von ihm als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12. Februar 2015 sei rechtswidrig bzw. nichtig, unzulässig. Zwar bedarf insoweit die Berufung nicht der Zulassung, weil die Frage des Versicherungsstatus des Klägers und mithin keinen Anspruch auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt streitig ist. Denn der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte zu 1) in diesem Schreiben ausgeführt hat, er sei freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1). Insoweit betrifft die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Die Berufung ist jedoch unzulässig, weil - wie sich aus den Ausführungen zum Streitgegenstand unter 2a) ergibt - dies nicht mehr Gegenstand des Klageverfahrens war und es deshalb insoweit an einer Entscheidung des SG fehlt.
4. Im Übrigen ist die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers zulässig und statthaft. Sie bedurfte insoweit nicht der Zulassung. Denn das Begehren des Klägers, die Zwangsvollstreckung einzustellen, betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
5. Soweit die Berufung des Klägers zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Beklagten sind berechtigt, die rückständigen Beitragsforderungen zu vollstrecken.
a) Für die Vollstreckung gilt nach § 198 Abs. 1 SGG das Achte Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Der Vollstreckungsschuldner kann deshalb die der ZPO vorgesehenen Rechtsmittel erheben.
Die Voraussetzungen der Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO sind nicht gegeben. Einwendungen, die einen durch Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen (§ 767 Abs. 1 ZPO). Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (§ 767 Abs. 2 ZPO). Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass die Beklagten nicht aufgrund eines Urteils vollstrecken, sondern aufgrund von Beitragsbescheiden, die für die Jahre 2011 bis 2014 bestandskräftig sind. Soweit § 767 ZPO entsprechend auf bestandskräftige Bescheide angewendet wird, müsste der Kläger Einwände vorbringen, die nach Bestandskraft der Bescheide entstanden sind. Solche sind nicht erkennbar. Der Kläger wiederholt vielmehr nur sein Vorbringen aus zahlreichen anderen Verfahren, wonach er wegen fehlender Einnahmen die Erhebung von Beiträgen für rechtswidrig hält.
b) Die Vollstreckung - soweit sie derzeit überhaupt noch erfolgen sollte - ist auch nicht auf Grund von Vorschriften der Abgabenordnung (AO) einzustellen.
Soll zu Gunsten einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so richtet sich nach § 200 Abs. 1 SGG die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). Das Gleiche bestimmt § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagten sind bundesunmittelbare Körperschaften und damit bundesunmittelbare Versicherungsträger (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Denn ihr Zuständigkeitsbereich erstreckt sich über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus.
Die Vollstreckung wegen Geldforderungen richtet sich nach dem ersten Abschnitt des VwVG. Nach § 1 Abs. 1 VwVG werden die öffentlich-rechtlichen Geldforderungen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach den Bestimmungen dieses Gesetzes im Verwaltungswege vollstreckt. Nach § 3 Abs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner (wer dies ist bestimmt § 2 VwVG) durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Die Voraussetzungen der Vollstreckungsanordnung regeln § 3 Abs. 2 bis 4 VwVG. Zuständig für die Vollstreckung sind nach § 4 Buchst. b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 Finanzverwaltungsgesetz (FinVG) die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung. Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich nach § 5 VwVG im Falle des § 4 VwVG nach den Vorschriften der AO (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327 AO). Nach § 257 Abs. 1 AO ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, sobald 1. die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind, 2. der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird, 3. der Anspruch auf die Leistung erloschen ist, 4. die Leistung gestundet worden ist. Keine dieser Voraussetzungen liegen hier vor.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
7. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015.
Der Kläger ist seit Jahren Mitglied der zu 1) beklagten Krankenkasse und der zu 2) beklagten Pflegekasse. Er wendet sich, unter anderem auch in zahlreichen Klageverfahren, seit dem Jahr 2010 gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagten. Der Kläger war versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) ab 20. Mai 2011 in der so genannten Auffangversicherung und ab 28. April 2015 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie dementsprechend versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2).
Für die Zeit ab 1. Januar 2015 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung auf insgesamt EUR 162,07 (Krankenversicherung EUR 139,86; Pflegeversicherung EUR 22,21) fest. Auf den Widerspruch des Klägers erläuterte die Beklagte zu 1) im Schreiben vom 12. Februar 2015 die Festsetzung der Beiträge. Gegen die Angabe in diesem Schreiben, der Kläger sei freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 4. März 2015 und bezeichnete dieses Schreiben als Bescheid. Die Beklagte zu 1) korrigierte sich daraufhin, dass der Kläger der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliege (Schreiben vom 11. März 2015). Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2014 zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015).
Der Kläger erhob am 4. März 2015 Klage beim SG (S 19 KR 1391/15) und begehrte festzustellen, dass der "Bescheid" vom 12. Februar 2015 für die Vergangenheit (ab 1. Januar 2015) rechtswidrig bzw. nichtig ist. Am 1. April 2015 begehrte der Kläger ferner festzustellen, dass eine Forderungsaufstellung der Beklagten ab 1. Januar 2015 rechtswidrig bzw. nichtig ist und bezeichnete dies als Fortsetzungsfeststellungsklage. Des Weiteren beantragte er, die "Beklagte" zu verurteilen, einen Bescheid gemäß § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und gemäß dem "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 zu erlassen und bezeichnete dies als Verpflichtungsklage. Der Kläger verwies wiederum darauf, versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) zu sein. Der "Bescheid" vom 12. Februar 2015 verletze die gesetzlichen Vorschriften in schwerwiegender Weise, weil in diesem Bescheid fehlerhaft entschieden sei, er sei freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) und habe freiwillige Beiträge nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen. Zudem werde die Zwangsvollstreckung missbräuchlich fortgeführt. Mit dem "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 habe die "Beklagte" (gemeint wohl die Beklagte zu 1)) entschieden, "dass der Bescheid vom 12. Februar 2015 nicht richtig" sei "bzw. den nicht begünstigenden Bescheid vom 12. Februar 2015 mit Wirkung für die Vergangenheit (ab 1. Januar 2015) aufzuheben". Nach Erledigung des Begehrens bestehe wegen Wiederholungsgefahr ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die "Beklagte" (gemeint wohl die Beklagte zu 1)) entschieden habe, die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Die "Beklagte" (gemeint wohl die Beklagte zu 1)) weigere sich, einen Bescheid gemäß § 63 SGB X und gemäß "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 zu erlassen.
Die Beklagten verwiesen auf den Widerspruchsbescheid.
Mit Bescheid vom 18. März 2015 setzte die Beklagte zu 1) zugleich im Namen der Beklagten zu 2) die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Februar 2015 in unveränderter Höhe fest.
In der mündlichen Verhandlung des SG erklärte die Bevollmächtigte der Beklagten, der Beitragsbescheid vom 22. Dezember 2014, der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 sowie der Bescheid vom 18. März 2015 seien jeweils mit Wirkung ab dem 28. April 2015 "hinfällig". Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung des SG, den Bescheid vom 22. Dezember 2014, den Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 sowie den Bescheid vom 18. März 2015 aufzuheben und die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2015 ab. Streitgegenstand sei die Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015. Für die Zeit ab 28. April 2015 seien der Bescheid vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 sowie der Bescheid vom 18. März 2015 gegenstandslos. Statthafte Klageart sei die reine Anfechtungsklage. Die genannten Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei seit dem 20. Mai 2011 bei den Beklagten im Rahmen der Auffangversicherung kranken- und pflegepflichtversichert und deshalb auch für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 beitragspflichtig. Die Beitragshöhe sei in den genannten Bescheiden zutreffend festgesetzt. Es mache keinen Unterschied, ob er mit EUR 0,00 Einnahmen freiwillig oder auffangpflichtversichert sei. Soweit sich der Kläger gegen die Zwangsvollstreckung wende, sei schon unklar, wogegen genau er sich wende. Dass die Beklagten die Zwangsvollstreckung wegen der genannten Bescheide betrieben, sei nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Die Klage sei im Übrigen als Vollstreckungsabwehrklage schon deshalb unzulässig, weil keine Vollstreckung auf der Grundlage eines Urteils stattfinde. Das SG fügte seinem Urteil die Rechtsmittelbelehrung bei, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.
Die zugleich mit der Erhebung der Klage vom Kläger begehrte Anordnung der klageaufschiebenden Wirkung blieb erfolglos (Beschluss vom 23. Juli 2015 - S 19 KR 1390/15 ER; Beschluss des Senats vom 17. März 2016 - L 4 KR 3866/15 ER-B -).
Gegen das ihm am 28. Juli 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. August 2015 beim SG sinngemäß Berufung eingelegt, mit der er weiterhin seine Auffassung verfolgt, das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12. Februar 2015, der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2015 seien rechtswidrig bzw. nichtig. Er macht - wie auch in anderen beim Senat anhängigen oder anhängig gewesenen Berufungs- und Beschwerdeverfahren - geltend, das SG habe sein tatsächliches und rechtliches Vorbringen sowie seine Klage-, Beweis- und anderen Anträge überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und erwogen sowie ihm keine Gelegenheit gegeben, Ergänzungsfragen oder Beweisanträge zu stellen. Die in der mündlichen Verhandlung des SG erschienene Bevollmächtigte der Beklagten habe beim SG keine Vollmacht vorgelegt sowie falsche Aussagen gemacht und das SG getäuscht. Der Kammervorsitzende habe die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter beeinflusst sowie seine Grundrechte und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Ferner wiederholt er sein bisheriges Vorbringen, die Beklagten verlangten zu Unrecht Beiträge und vollstreckten zu Unrecht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 12. Februar 2015, der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2015 rechtswidrig bzw. nichtig seien sowie die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil vom 23. Juli 2015 (S 19 KR 1391/15) für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die Akten des SG sowie die von den Beklagten zu den Rechtsstreiten des Klägers vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015, die durch den Bescheid vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 sowie den Bescheid vom 18. März 2015 erfolgte (a)), die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des "Bescheids" vom 12. Februar 2015 (b)) und das Begehren des Klägers, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären (c)).
a) Gegenstand des Klageverfahrens S 19 KR 1391/15 war, wovon auch das SG zutreffend ausging, bei sachgerechter Auslegung des Begehrens des Klägers (§ 123 SGG) von vornherein die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015. Zwar focht der Kläger den Bescheid vom 22. Dezember 2014, mit welchem die Beklagten die Beiträge ab 1. Januar 2015 festsetzten, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 mit der Erhebung der Klage am 4. März 2015 nicht an, sondern begehrte die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des "Bescheids" vom 12. Februar 2015. "Zur Ergänzung der Klage" wandte er sich am 1. April 2015 gegen Forderungsaufstellungen der Beklagten ab 1. Januar 2015, Letzteres als Fortsetzungsfeststellungsklage, sowie begehrte als Verpflichtungsklage die "Beklagte" zu verurteilen, einen Bescheid gemäß § 63 SGB X und gemäß dem "Widerspruchsbescheid" vom 11. März 2015 zu erlassen. Erst in der mündlichen Verhandlung des SG am 23. Juli 2015 begehrte er die Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 sowie des während des Klageverfahrens ergangenen Bescheids vom 18. März 2015. Damit gab der Kläger sein zunächst formuliertes Klagebegehren auf. Das SG entschied allein über die die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, was sich schon daraus ergibt, dass er unter anderem die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 und des Beitragsbescheids vom 18. März 2015 begehrt.
b) Sein Begehren festzustellen, der "Bescheid" vom 12. Februar 2015 sei rechtswidrig bzw. nichtig, hat der Kläger im Berufungsverfahren erneut aufgegriffen und dies ausdrücklich als Antrag in der Berufungsschrift formuliert.
c) Hinsichtlich der Einstellung der Zwangsvollstreckung hat der Kläger dies in seinen Anträgen in der Berufungsschrift zwar nicht ausdrücklich aufgeführt. Aus den Ausführungen zur Begründung seiner Berufung ergibt sich aber, dass er dieses Begehren nicht aufgegeben hat, sondern weiter verfolgt.
3. Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich der Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 (a)) unzulässig. Insoweit bedarf die Berufung der Zulassung, was nicht erfolgte.
a) Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Beschwerdewert von EUR 750,00 wird nicht erreicht. Zu den Geldleistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zählen auch Beitragsforderungen (BSG, Beschluss vom 28. Januar 1999 - B 12 KR 51/98 B - juris, Rn. 6). Die Beitragsforderung der Beklagten für die streitige Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 beläuft sich - selbst wenn man den gesamten Monat April 2015 berücksichtigt - auf EUR 648,28 (EUR 162,07 x 4). Der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Denn die Beitragsforderung betrifft nicht einen Zeitraum von einem Jahr, sondern nur knapp vier Monate.
Dass die Berufung hinsichtlich der Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015 der Zulassung bedarf, entfällt nicht deswegen, weil hinsichtlich der beiden weiteren Streitgegenstände des Rechtsstreits die Berufung nicht der Zulassung bedarf (dazu sogleich unter 3b und 4.). Werden im Wege objektiver Klagehäufung einerseits Ansprüche verfolgt, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte zum Gegenstand haben (hier die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 27. April 2015), und andererseits Ansprüche anderer Art (hier der Versicherungsstatus sowie die Einstellung der Zwangsvollstreckung), so können die auf diese verschiedenen Ansprüche entfallenden Gegenstandswerte nicht nach § 202 SGG i.V.m. § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammengerechnet werden (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - L 13 AS 2698/09 NZB - juris Rn. 4).
Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 23. Juli 2015 erfolgt. Die beigefügte (unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 45/11 B - juris, Rn. 12).
b) Die Berufung ist auch hinsichtlich des vom Kläger im Berufungsverfahren erneut aufgegriffenen Begehrens, festzustellen, das von ihm als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12. Februar 2015 sei rechtswidrig bzw. nichtig, unzulässig. Zwar bedarf insoweit die Berufung nicht der Zulassung, weil die Frage des Versicherungsstatus des Klägers und mithin keinen Anspruch auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt streitig ist. Denn der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte zu 1) in diesem Schreiben ausgeführt hat, er sei freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1). Insoweit betrifft die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Die Berufung ist jedoch unzulässig, weil - wie sich aus den Ausführungen zum Streitgegenstand unter 2a) ergibt - dies nicht mehr Gegenstand des Klageverfahrens war und es deshalb insoweit an einer Entscheidung des SG fehlt.
4. Im Übrigen ist die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers zulässig und statthaft. Sie bedurfte insoweit nicht der Zulassung. Denn das Begehren des Klägers, die Zwangsvollstreckung einzustellen, betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
5. Soweit die Berufung des Klägers zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Beklagten sind berechtigt, die rückständigen Beitragsforderungen zu vollstrecken.
a) Für die Vollstreckung gilt nach § 198 Abs. 1 SGG das Achte Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Der Vollstreckungsschuldner kann deshalb die der ZPO vorgesehenen Rechtsmittel erheben.
Die Voraussetzungen der Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO sind nicht gegeben. Einwendungen, die einen durch Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen (§ 767 Abs. 1 ZPO). Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (§ 767 Abs. 2 ZPO). Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass die Beklagten nicht aufgrund eines Urteils vollstrecken, sondern aufgrund von Beitragsbescheiden, die für die Jahre 2011 bis 2014 bestandskräftig sind. Soweit § 767 ZPO entsprechend auf bestandskräftige Bescheide angewendet wird, müsste der Kläger Einwände vorbringen, die nach Bestandskraft der Bescheide entstanden sind. Solche sind nicht erkennbar. Der Kläger wiederholt vielmehr nur sein Vorbringen aus zahlreichen anderen Verfahren, wonach er wegen fehlender Einnahmen die Erhebung von Beiträgen für rechtswidrig hält.
b) Die Vollstreckung - soweit sie derzeit überhaupt noch erfolgen sollte - ist auch nicht auf Grund von Vorschriften der Abgabenordnung (AO) einzustellen.
Soll zu Gunsten einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so richtet sich nach § 200 Abs. 1 SGG die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). Das Gleiche bestimmt § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagten sind bundesunmittelbare Körperschaften und damit bundesunmittelbare Versicherungsträger (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Denn ihr Zuständigkeitsbereich erstreckt sich über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus.
Die Vollstreckung wegen Geldforderungen richtet sich nach dem ersten Abschnitt des VwVG. Nach § 1 Abs. 1 VwVG werden die öffentlich-rechtlichen Geldforderungen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach den Bestimmungen dieses Gesetzes im Verwaltungswege vollstreckt. Nach § 3 Abs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner (wer dies ist bestimmt § 2 VwVG) durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Die Voraussetzungen der Vollstreckungsanordnung regeln § 3 Abs. 2 bis 4 VwVG. Zuständig für die Vollstreckung sind nach § 4 Buchst. b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 Finanzverwaltungsgesetz (FinVG) die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung. Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich nach § 5 VwVG im Falle des § 4 VwVG nach den Vorschriften der AO (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327 AO). Nach § 257 Abs. 1 AO ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, sobald 1. die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind, 2. der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird, 3. der Anspruch auf die Leistung erloschen ist, 4. die Leistung gestundet worden ist. Keine dieser Voraussetzungen liegen hier vor.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
7. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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