L 9 R 4004/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1126/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4004/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. August 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Im Übrigen bleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.07.2015 streitig.

Die 1961 geborene Klägerin erlernte von 1979 bis 1982 den Beruf der Einzelhandelskauffrau. Anschließend war sie mit kurzen Unterbrechungen als Aushilfe, Arbeiterin und (überwiegend) als Verkäuferin, zuletzt in einer Bäckerei, versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 18.10.2011 bezog die Klägerin Krankengeld; seither ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Derzeit bezieht sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Vom 16.05.2012 bis 08.06.2012 gewährte die Beklagte der Klägerin eine ganztägige ambulante Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik Sonnenhof in Waldachtal, Abteilung Orthopädie. Im Entlassungsbericht vom 12.06.2012 wurden die Diagnosen chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom, chronisches Halswirbelsäulen-Schulter-Syndrom, primäre Gonarthrose Stadium II rechts, benigne Hypertonie und Asthma bronchiale angegeben. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten zeitweise im Sitzen, überwiegend im Gehen und Stehen für mindestens sechs Stunden und mehr täglich auszuführen. In Anbetracht des psychischen Befundes werde im Anschluss an die Maßnahme eine ambulante Psychotherapie empfohlen.

Am 14.06.2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte nach Beiziehung mehrerer Befundberichte der behandelnden Ärzte und Einholung der sozialmedizinischen Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin H. vom 30.07.2012 mit Bescheid vom 16.08.2012 ablehnte. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen der Klägerin ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

Zur Begründung ihres hiergegen am 30.08.2012 eingelegten Widerspruchs legte die Klägerin Befundberichte der behandelnden Ärzte vor und führte aus, sie befinde sich derzeit in einer teilstationären Behandlung in der d. Fachklinik GmbH in E.

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der d. Fachklinik vom 16.11.2012 über die dortige tagesklinische Behandlung vom 05.09.2012 bis zum 19.10.2012 bei und veranlasste Begutachtungen der Klägerin durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie M. und den Internisten und Rheumatologen Dr. L. Der Gutachter M. gab in seinem Gutachten vom 12.01.2013 als Diagnose eine somatoforme Schmerzstörung an. Dr. L. führte in seinem Gutachten vom 17.01.2013 aus, bei der Klägerin bestünden ein Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 mit Hinweisen auf sensible und motorische Wurzelaffektion S1 rechts und leichte Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule, wiederkehrende Nackenschmerzen und Muskelverspannungen bei leichtgradigen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und leichten Funktionsstörungen, eine Polyarthrose der Fingergelenke mit Hinweisen auf aufgepfropfte Entzündungen (Pfropfarthritis) und eine mittelgradige Funktionseinschränkung rechts (links gering), eine leichtgradige Kniegelenksarthrose rechts mit Meniskusschädigung, Knorpelschaden und Kreuzbandschädigung, Bluthochdruck sowie ein hyperreagibles Bronchialsystem. Unter Einbeziehung des Gutachtens des Psychiaters M. gelangte Dr. L. zu der Einschätzung, dass der Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten weiterhin quantitativ uneingeschränkt zumutbar seien.

Gestützt auf die Gutachten von Dr. L. und des Psychiaters M. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.03.2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat in ihrer Auskunft vom 29.07.2013 ausgeführt, die Klägerin sei vor allem aufgrund der schweren Lumboischialgien rechts nicht in der Lage, einer körperlich leichten Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Darüber hinaus könne sie keine zwei Stunden sitzen und habe nach 200 m Gehstrecke Schmerzen im rechten Knie; aufgrund der Fußheberschwäche bestehe außerdem ein unsicheres Gehen. Die Klägerin sei nervlich nicht belastbar; sie leide unter schwerer Schlaflosigkeit, depressiver Verstimmung und Angstzuständen. Der Neurologe und Psychiater Dr. W. hat unter dem 01.09.2013 angegeben, die Klägerin einmalig am 31.07.2012 behandelt zu haben und daher keine Auskünfte zu ihrem Leistungsvermögen machen zu können. Nach Auskunft des Augenarztes Dr. H. bestehen aus augenärztlicher Sicht keine Einschränkungen. Der Orthopäde Dr. D. hat unter dem 05.08.2013 dargelegt, dass aus orthopädischer Sicht leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden möglich seien. In seiner Auskunft vom 05.08.2013 hat der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. angegeben, die Klägerin bis zum 01.02.2012 aufgrund einer bronchialen Hyperreagibilität behandelt zu haben. Eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei nicht festgestellt worden. Der Psychiater Dr. S. hat unter dem 08.08.2013 mitgeteilt, die Klägerin seit Oktober 2012 in vierwöchigem Abstand zu behandeln. Es sei nur eine geringe Besserung des Symptomatik eingetreten. Die Klägerin sei allenfalls noch vier Stunden täglich leistungsfähig. Diese Einschränkung ergebe sich aufgrund der mittelschweren Funktionsstörung bzgl. Kognition, Affekt und Antrieb. Die Klägerin habe ein eingeschränktes Ausdauervermögen, eine eingeschränkte Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit und benötige längere Pausen zur psychischen und körperlichen Erholung. Der Neurochirurg Dr. B. hat unter dem 19.08.2013 angegeben, nach den von ihm erhobenen Befunden seien leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich möglich.

In seinem Gutachten vom 04.04.2014 hat Dr. N. ausgeführt, bei der Klägerin bestünden eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige depressive Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine gemischte Angststörung, ein paroxysmaler Lagerungsschwindel sowie Funktionsstörungen der rechten Hand mit neurografischen Hinweisen auf ein Karpaltunnelsyndrom sowie Funktionsstörungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und eine Schulterfunktionsstörung des rechten Schultergelenks. Gegenüber der Begutachtung durch den Psychiater M. sei eine tendenzielle Verschlechterung eingetreten. Allerdings sei im Hinblick auf die relativ gute Tagesbewältigung und die noch offenstehenden therapeutischen Optionen aktuell nicht von einer dauerhaften quantitativen Leistungseinschränkung auszugehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.05.2014 führt Dr. N. aus, unter der Voraussetzung, dass die Klägerin die von ihm angeführten Therapien, insbesondere die geplante ambulante Psychotherapie beim behandelnden Psychiater oder aber eine stationäre Behandlung in einer psychosomatisch-schmerztherapeutisch ausgerichteten Klinik nicht in Anspruch nehme, ergäben sich Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens. So wäre die Klägerin in diesem Falle aufgrund der zahlreichen Komorbiditäten und der dadurch bedingten psychomentalen Einschränkungen in ihrem Durchhaltevermögen einschränkt und nur unter sechs Stunden leistungsfähig.

Mit Urteil vom 26.08.2014 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 16.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.07.2015 zu gewähren sowie der Klägerin ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung seien in der Zeit von Oktober 2014 bis Juli 2015 erfüllt. Die Klägerin leide vorrangig an Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lägen bei der Klägerin eine wiederkehrende depressive Erkrankung aktuell mittelgradigen Ausmaßes, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine gemischte Angststörung, ein Lagerungsschwindel und Funktionsstörungen der rechten Hand mit Hinweisen auf ein Karpaltunnelsyndrom vor. Diese Diagnosen ergäben sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. N. und stimmten mit dem von ihm erhobenen psychischen Befund überein. So habe er die Klägerin als nervös und leidend wirkend mit eingeengtem Kontaktverhalten beschrieben. Er habe ferner eine depressive Herabgestimmtheit mit einer Antriebsstörung sowie eine psychosomatische Anspannung bei der Untersuchung vernommen. Des Weiteren habe er leichtgradige Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und teilweise auch Gedächtnisstörungen beobachtet. Seine Befunde korrelierten im Wesentlichen mit den Angaben des behandelnden Nervenarztes Dr. S. Mit diesen Erkrankungen sei die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit auch für körperlich leichte Arbeiten in zeitlicher Hinsicht auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschränkt. Diese Einschränkung sei jedoch erst seit der Untersuchung durch Dr. N. am 17.03.2014 nachgewiesen. Es stehe fest, dass sich das Leistungsvermögen der Klägerin nicht in absehbarer Zeit, d. h. vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt des Leistungsfalls, wesentlich bessern werde. Dr. N. habe zutreffend auf weitere therapeutische Optionen, insbesondere auf eine medikamentöse Umstellung, die bereits im Januar 2014 begonnen habe und auf die Durchführung einer höherfrequenten Psychotherapie sowie hilfsweise auf die Teilnahme an einer stationären Maßnahme verwiesen. Die Umstellung der Medikamente habe zum Zeitpunkt der Untersuchung jedoch schon zwei Monate angedauert, ohne dass Dr. N. eine Verbesserung habe feststellen können. In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin auch glaubhaft angegeben, dass im Sommer diesen Jahres erneut eine Umstellung erfolgt sei, welche bislang ohne Erfolg geblieben sei. Außerdem fänden die psychotherapeutischen Sitzungen der Klägerin nur etwa alle drei bis vier Wochen statt. Von einem nennenswerten Behandlungserfolg könne somit nicht ausgegangen werden. Der Klägerin stehe mit diesem Leistungsvermögen nicht nur ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser, sondern auch wegen voller Erwerbsminderung zu. Denn aufgrund eines derzeit verschlossenen Arbeitsmarktes schlage die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung durch. Die Klägerin habe auch keinen ihr gesundheitlich zumutbaren Arbeitsplatz inne. Die Rente sei zu befristen gewesen. Im Hinblick auf die bereits beschriebenen therapeutischen Optionen sei von einer Besserungsmöglichkeit bis 31.07.2015, also etwa ein Jahr nach erneuter Umstellung der Medikamente auszugehen.

Gegen das ihr am 03.09.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.09.2015 Berufung eingelegt und zu deren Begründung insbesondere auf eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. E., Fachärztin für Neurologie und Psychotherapie, vom 18.09.2014 Bezug genommen. Das Gutachten von Dr. N. vom 04.04.2014 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 06.05.2014, auf die sich das SG hauptsächlich stütze, seien nicht schlüssig und daher nicht nachvollziehbar. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass die Tagesstruktur der Klägerin gut erhalten sei. Eine Störung des Antriebs oder ein Verlust von Interessen oder Freude, wie sie bei rentenrelevanten Depressionen auftreten, lasse sich nicht erkennen. Auch sei während der Untersuchung keine verstärkte Ermüdbarkeit registriert worden. Es sei ferner nicht geprüft worden, ob die Klägerin die Medikation regelmäßig einnehme. Der Psychiater M. habe in seinem Gutachten vom 12.01.2013 bereits daraufhin gewiesen, dass die Klägerin ihre Medikamente nicht einnehme, auch habe er auf ein gravierendes Darstellungsbestreben hingewiesen. Dieses Bestreben werde auch in den von Dr. N. durchgeführten Tests deutlich, in denen ebenfalls eine negative Antwortverzerrung aufgefallen sei. Bei den vom Gutachter durchgeführten Tests handle es sich zudem um sog. Selbstbeurteilungstests, welchen subjektive Beschwerdeangaben der Probanden zugrunde lägen. Gerade in einem Rentenklageverfahren könne aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass Probanden besonders motiviert seien, möglichst leistungsstarke Testergebnisse zu erzielen, mit der Folge, dass ihnen daraufhin eine begehrte Rentenleistung abgesprochen werde. Insofern seien diese Testuntersuchungen mit erheblichen Vorbehalten zu bewerten. Bei der Klägerin sei zudem eine Diskrepanz in ihrer subjektiven Beschwerdeschilderung und ihrem Freizeitverhalten ersichtlich. So gebe sie im Deutschen Schmerzfragebogen bei den Alltags- und Freizeitaktivitäten und der Arbeitsfähigkeit den größtmöglichen Schmerz an, nehme als Medikament gegen Schmerz aber lediglich Paracetamol ein. Im Gutachten von Dr. N. sei nicht ersichtlich, dass dieser die subjektiven Angaben der Klägerin kritisch gewürdigt und die negative Antwortverzerrung in seiner Entscheidungsfindung ausreichend gewürdigt habe. Im Hinblick auf den vorläufigen Entlassungsbericht der Sana Kliniken Bad W. hat die Beklagte eine orthopädisch-rheumatologische Begutachtung der Klägerin angeregt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. August 2014 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend und hat einen vorläufigen Entlassungsbericht der S. GmbH über einen stationären Aufenthalt vom 01.09.2014 bis 07.09.2014 vorgelegt.

Der Senat hat den Psychiater und Psychotherapeuten Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen; dieser hat unter dem 11.01.2015 ausgeführt, die Klägerin seit 19.10.2012 vierwöchentlich aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelschwer, und einer posttraumatischen Belastungsstörung zu behandeln. Trotz ausreichender stationärer Behandlung, permanenter Richtlinienpsychotherapie und intensiver medikamentöser Behandlung sei es zu keiner wesentlichen Besserung der Symptomatik gekommen. Die Klägerin sei allenfalls bis drei Stunden täglich belastbar.

Die Beteiligten haben sich im Rahmen eines durch die Berichterstatterin am 21.04.2016 durchgeführten Erörterungstermins mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet. Die Klägerin hat in der Zeit vom 01.10.2014 bis 31.07.2015 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier durch die Klägerin beanspruchte Rente wegen voller Erwerbsminderung - § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. N. am 17.03.2014 ein auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränktes Leistungsvermögen nachgewiesen ist und daher und weil die Klägerin über einen Teilzeitarbeitsplatz nicht verfügt, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2014 befristet zu gewähren war. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass der Senat anders als die Beklagte und ebenso wie das SG zu der Überzeugung gelangt ist, dass das Leistungsvermögen der Klägerin spätestens seit dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. N. auf unter sechs Stunden, nicht aber auf unter drei Stunden abgesunken ist und die Klägerin, die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt erfüllt, damit einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung abhängig von der Arbeitsmarktlage hat. Im Hinblick darauf, dass nur die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, ist allein zu beurteilen, ob die Klägerin im Zeitraum 01.10.2014 bis 31.07.2015 voll erwerbsgemindert war. Hinsichtlich des hier streitigen Zeitraums hat Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.05.2014 überzeugend dargelegt, dass eine Einschränkung des Leistungsvermögens ohne die durch ihn aufgezeigten Therapien auf unter sechs Stunden täglich eingeschränkt ist. Ausgehend von dieser Einschätzung und dem Umstand, dass auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG ungefähr fünf Monate nach der Begutachtung durch Dr. N. und acht Monate nach Umstellung der Therapie, eine adäquate Therapie noch nicht durchführbar war, ist das SG zutreffend unter Verweis auf Dr. N. von einer Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden ausgegangen. Der Sachverständige hat das Aggravationsverhalten der Klägerin gesehen und in seinem Gutachten kritisch gewürdigt. Er hat auch berücksichtigt, dass die Tagesstruktur der Klägerin noch erhalten ist und umfangreiche Therapieoptionen bestehen, dies aber als Argument dafür herangeführt, dass nicht von einer dauerhaften Leistungseinschränkung ausgegangen werden kann. Die Einschätzung von Dr. N. wird durch die Aussagen des behandelnden Psychiaters Dr. S. sowohl gegenüber dem SG als auch gegenüber dem Senat bestätigt. Ob sich das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund der psychiatrischen Erkrankung - Dr. S. geht in seiner Aussage gegenüber dem Senat vom 11.01.2016 von einem Leistungsvermögen von allenfalls bis drei Stunden arbeitstäglich aus - oder aufgrund der Erkrankungen auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet verschlechtert hat, konnte der Senat dahinstehen lassen, da allein der Zeitraum bis 31.07.2015 streitig war. Aufgrund des begrenzten Zeitraums ist auch nicht maßgeblich, ob aufgrund der Erkrankungen auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet eine Verschlechterung des Leistungsvermögens eingetreten ist. Der Senat sah sich daher zu der seitens der Beklagten angeregten Begutachtung auf diesem Fachgebiet nicht veranlasst.

Das SG hat die Rente auch zu Recht befristet gewährt; nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Rentengewährung erfolgt nur unbefristet, wenn sie nicht von der Arbeitsmarktlage abhängt und es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI. Hier kommt nur eine befristete Rente in Betracht, da der Klägerin der Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nur wegen der Verschlossenheit des (Teilzeit-)Arbeitsmarktes zusteht und im Übrigen nach den Ausführungen von Dr. N., dessen Einschätzung sich der Senat auch insoweit anschließt, eine relevante Besserung der Leistungsfähigkeit der Klägerin mit einer optimierten Behandlung nicht unwahrscheinlich ist. Die Befristung erfolgt nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI verlängert werden, wobei es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist, § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI. Die Dauer der durch das SG angenommenen Befristung ist ausgehend von dem Umstand, dass die Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft waren, nicht zu beanstanden.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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