Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 785/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3922/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. August 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall streitig.
Die im Jahr 1960 geborene, in einer Gaststätte beschäftigte Klägerin stürzte am 08.04.2013 gegen 13.45 Uhr bei dem Versuch, durch ihr Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen, circa drei Meter in die Tiefe und zog sich dabei eine Lendenwirbelfraktur zu.
Sie gab unter dem 21.04.2013 gegenüber der Betriebskrankenkasse A. und, nachdem diese den Vorgang an die Beklagte weitergeleitet hatte, am 24.06.2013 gegenüber der Beklagten an, sie habe sich am Morgen des Unfalltages in einem Einkaufszentrum aufgehalten. Als sie gegen 11:00 Uhr in die Gaststätte habe fahren wollen, habe sie ihren, auch ihren Autoschlüssel enthaltenden, Schlüsselbund nicht mehr bei sich gehabt. Daraufhin habe ihr Arbeitgeber, nachdem sie ihn telefonisch kontaktiert habe, einen in der Gaststätte anwesenden Gast zu ihr geschickt. Dieser habe sie sodann abgeholt und in die Gaststätte gefahren, von wo aus sie gegen 13:00 Uhr einen Schlüsseldienst beauftragt habe. Dieser sei bei ihr zu Hause gegen 13:20 Uhr eingetroffen und habe sie hiervon benachrichtigt. Daraufhin sei sie von ihrem Arbeitgeber gegen 13:30 Uhr zu ihrer Wohnung gebracht worden. Da der Schlüsseldienst-Mitarbeiter die Tür habe auffräsen wollen und sie diesen geplanten Vorgang hinsichtlich etwaiger Beschädigungen falsch eingeschätzt habe, habe sie versucht, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen. Am 17.09.2014 vertrat die Klägerin gegenüber der Beklagten die Ansicht, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, da sich dieser während der Arbeitszeit ereignet habe.
Mit Bescheid vom 24.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und führte zur Begründung aus, es liege kein Arbeitsunfall vor. Nachdem der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass die Tür beim Öffnen beschädigt werden müsse, habe sie auf eigene privatwirtschaftliche Gefahr versucht, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen, so dass ihre finale Handlungstendenz dabei rein auf private Belange ausgerichtet gewesen sei. Danach habe ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht nachgewiesen werden können. Die zum Unfall führende Tätigkeit habe persönlichen Zwecken gedient und sei dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Dies sei rechtlich allein wesentlich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte ergänzend aus, sie habe am Morgen des Unfalltages während ihrer Arbeitszeit Arbeitskleidung für sich eingekauft. Aus Angst davor, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können, habe sie ihren Arbeitgeber gebeten, sie zu ihrer Wohnung zu fahren, und habe sodann einen Schlüsseldienst angerufen, welcher sich dann auch an ihrer Wohnung eingefunden habe. Aus Angst vor eventuellen Beschädigungen durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter an der Wohnungstür habe sie beschlossen, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung zu klettern. Daraufhin führte die Beklagte aus, wenn die Klägerin während ihrer Arbeitszeit eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehe, begründe dies keinen Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit. Weder habe die Klägerin den Weg nach Hause angetreten, um sich in einer Arbeitspause zu erholen, noch sei der Weg nach Beendigung der Arbeitsschicht erfolgt. Sie habe lediglich ihre Arbeit unterbrochen, um sicher zu gehen, dass sie nach Arbeitsende auch in ihre Wohnung komme. Dieser Weg sei allein aus eigenwirtschaftlichen Gründen angetreten und deshalb nicht versichert. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die unfallbringende Tätigkeit habe nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der vorliegend während der versicherten Tätigkeit eingeschobene Weg nach Hause sei nicht wesentlich dadurch geprägt gewesen, vom Ort der Tätigkeit zurückzukehren. Denn der zusätzliche Weg von der Gaststätte zur Wohnung sei nicht aus betrieblichen Gründen nochmals zurückgelegt worden, sondern nur aus privaten Gründen, nämlich zu klären, ob und inwieweit mit Hilfe des Schlüsseldienstes ein Öffnen des Wohnbereiches möglich sei, um anschließend wieder an die Arbeitsstelle zurückzukehren. Es hätte nicht ein für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlicher Schlüssel oder ein für den Betrieb der Gaststätte erforderliches sonstiges Betriebsmittel geholt oder gesucht werden sollen.
Gegen den ihr am 24.08.2015 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 15.09.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie hat nun vorgetragen, sie habe während der Arbeitszeit für ihren Arbeitgeber Einkäufe erledigen wollen. Ihr Arbeitgeber habe ihr hierfür bereits am Vortag Geld und die Einkaufsliste gegeben. Da sie die Einkaufsliste in ihrer Wohnung vergessen habe, habe sie am Unfalltag zunächst nur Geschirrtücher und Ähnliches eingekauft. Die fehlenden Lebensmittel hätten rasch beschafft werden sollen. Ihr Arbeitgeber habe Druck auf sie ausgeübt und sie aufgefordert, sie solle die Einkäufe mit ihrem Auto erledigen und daher ihren Ersatzautoschlüssel schnellstmöglich aus der Wohnung holen. Es sei diesbezüglich Druck und Hektik von ihrem Arbeitgeber ausgeübt worden, da er gleich wieder in die Gaststätte zurückgewollt habe. Der Einstieg durch das Schlafzimmerfenster sei ihr daher zu diesem Zeitpunkt als eine logische Lösung erschienen. Es habe sich daher um eine dienstlich angeordnete Einkaufsfahrt gehandelt, während derer es zum Unfall gekommen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. August 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2015 aufzuheben und das Ereignis vom 8. April 2013 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, der nunmehr erfolgte Vortrag der Klägerin wirke nachgeschoben, um den beruflichen Bezug herzustellen. Zum anderen sei davon auszugehen, dass die Hauptpriorität der Klägerin darauf gerichtet gewesen sei, sich wieder Zugang zu ihrem Wohnraum zu verschaffen, nicht aber darauf, die Einkäufe für ihren Arbeitgeber weiter zu führen.
Der Senat hat den Arbeitgeber der Klägerin, B. C., unter dem 18.01.2016 schriftlich als Zeugen gehört. Er hat ausgeführt, am Vorabend des Unfalltages sei die Einkaufsliste für den Unfalltag durchgesprochen und die Klägerin beauftragt worden, am Unfalltag die Einkäufe zu erledigen. Diese Einkäufe erledige die Klägerin üblicherweise mit ihrem eigenen Auto in der Zeit bis 11:30 Uhr. Ein in der Gaststätte anwesender Gast habe die Klägerin, da diese ihren Schlüsselbund verloren habe, abgeholt und zur Gaststätte gebracht. Er habe der Klägerin nun befohlen, sofort einen Schlüsseldienst anzurufen, um den Ersatzschlüsselbund aus ihrer Wohnung holen und ihre Einkäufe fortsetzen zu können. Nachdem der Schlüsseldienst, an der Wohnung der Klägerin angekommen, in der Gaststätte angerufen habe, habe er die Klägerin zu ihrer Wohnung gefahren. Die Zeit habe gedrängt, da in der Gaststätte Gäste anwesend gewesen seien und er eigentlich Vorbereitungen in der Küche für den Mittagstisch zu treffen gehabt habe. Da er davon ausgegangen sei, dass der Schlüsseldienst die Wohnungstür in kürzester Zeit öffnen werde, habe er im Auto gewartet. Offensichtlich habe der Schlüsseldienst jedoch erhebliche Probleme gehabt, die Tür zu öffnen. Da ihm das zu lange gedauert habe, habe er begonnen, zu hupen. Durch seine Drängelei und Huperei habe sich die Klägerin sehr gedrängt gefühlt. Sie habe kurz überlegt und sodann über ihr Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einsteigen wollen. Dabei sei es dann zu dem Sturz gekommen.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, zwar möge es auch eine betriebliche Motivation für das Holen der Schlüssel der Klägerin aus ihrer Wohnung gegeben haben, allerdings sei weiterhin davon auszugehen, dass die vorwiegende Motivation in der Beschaffung eines Wohnungsschlüssels darin bestanden habe, nach der Arbeit wieder in die eigenen Wohnräume zu gelangen. Dass auch ein Autoschlüssel geholt werden müsse, der für eine betriebsbezogene Tätigkeit gebraucht werde, sei dabei nicht vorrangig gewesen. Eine privatnützige Tätigkeit sei auch dann nicht versichert, wenn sie zugleich für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis unentbehrlich sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Die private Motivation, den eigenen Wohnungs- und Autoschlüssel wieder zu erlangen, habe eindeutig im Vordergrund gestanden. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Wiedererlangung der eigenen Wohnungsschlüssel habe keine zeitliche Priorität gehabt, so dass diesbezüglich der Schlüsseldienst hätte in Anspruch genommen werden können.
In der mündlichen Verhandlung am 11.05.2016 hat die Klägerin angegeben, dass der Schlüsseldienst-Mitarbeiter ihr mitgeteilt habe, die Wohnungstür lasse sich nicht öffnen, da sie abgeschlossen sei. Erst später habe sie erfahren, dass die Wohnungstür hätte aufgefräst werden können. Den Namen des Schlüsseldienstes und dessen Mitarbeiters kenne sie nicht. Eine Rechnung des Schlüsseldienstes habe sie nicht erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 13.08.2015, mit dem die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2015 abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Aufhebung dieses Bescheides und die Feststellung des Ereignisses vom 08.04.2013 als Arbeitsunfall. Diese prozessualen Ziele kann die Klägerin zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris).
Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 08.04.2013 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) abgelehnt.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Für einen Arbeitsunfall ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 16 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 28 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Feststellung des Ereignisses vom 08.04.2013 als Arbeitsunfall nicht gegeben.
Nach den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren gegenüber der Betriebskrankenkasse A. und der Beklagten, im Widerspruchsverfahren sowie schriftsätzlich im Klage- und Berufungsverfahren gemachten Angaben und der Zeugenaussage ihres Arbeitgebers stellt der Senat folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt in einer Gaststätte beschäftigt. Am Vorabend des Unfalltages sprachen die Klägerin und ihr Arbeitgeber die von ihr am Unfalltag zu erledigende Einkaufsliste durch. Zwecks Erledigung der Einkäufe hielt sich die Klägerin am Morgen des Unfalltages in einem Einkaufszentrum auf. Da sie die Einkaufsliste in ihrer Wohnung vergessen hatte, kaufte sie zunächst nur Geschirrtücher und Ähnliches und/oder Arbeitskleidung ein. Als sie gegen 11:00 Uhr in die Gaststätte fahren wollte, hatte sie ihren Schlüsselbund samt Auto- und Wohnungsschlüssel nicht mehr bei sich. Aus Angst davor, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können, bat sie ihren Arbeitgeber, sie zu ihrer Wohnung zu fahren. Daraufhin schickte ihr Arbeitgeber, nachdem sie ihn telefonisch kontaktiert hatte, einen in der Gaststätte anwesenden Gast zu ihr. Dieser holte sie sodann ab und fuhr sie in die Gaststätte. Ihr Arbeitgeber forderte sodann die Klägerin auf, sofort einen Schlüsseldienst anzurufen, um den Ersatzschlüsselbund aus ihrer Wohnung holen und mit ihrem Auto die Einkäufe der Lebensmittel erledigen zu können. Daraufhin beauftragte die Klägerin gegen 13:00 Uhr von der Gaststätte aus einen Schlüsseldienst. Dieser traf bei ihr zu Hause gegen 13:20 Uhr ein und benachrichtigte sie hiervon. Sodann wurde sie von ihrem Arbeitgeber gegen 13:30 Uhr zu ihrer Wohnung gebracht. Ihr Arbeitgeber wollte möglichst rasch wieder in der Gaststätte sein, da er für dort anwesende Gäste Vorbereitungen in der Küche zu treffen hatte. Da er davon ausging, dass der Schlüsseldienst die Wohnungstür in kürzester Zeit öffnen würde, wartete er in seinem Auto. Währenddessen teilte der Schlüsseldienst-Mitarbeiter der Klägerin mit, die Wohnungstür müsse aufgefräst werden. Da dem Arbeitgeber der Klägerin das Öffnen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst zu lange dauerte, begann er zu hupen. Deshalb und aus Angst vor eventuellen Beschädigungen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter, beschloss die Klägerin, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen. Bei dem Versuch, so in ihre Wohnung zu gelangen, stürzte die Klägerin gegen 13:45 Uhr circa drei Meter in die Tiefe und zog sich dabei eine Lendenwirbelfraktur zu.
Demgegenüber schenkt der Senat den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der Schlüsseldienst-Mitarbeiter habe mitgeteilt, die Wohnungstür lasse sich nicht öffnen, da sie abgeschlossen sei, und sie habe erst nach dem Unfall erfahren, dass die Wohnungstür hätte aufgefräst werden können, keinen Glauben. Diese Angabe steht im Widerspruch zu ihren mehrfachen und diesbezüglich einheitlichen Angaben im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren und wurde erst getätigt, nachdem sie von der Vorsitzenden auf die in dem Vermeiden des Auffräsens der Wohnungstür gegebenenfalls liegende eigenwirtschaftliche Handlungstendenz hingewiesen worden ist. Weitere Ermittlungen des Senats sind nicht möglich, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Namen des Schlüsseldienstes und/oder dessen Mitarbeiters nicht hat mitteilen können und auch ausgeführt hat, eine Rechnung des Schlüsseldienstes nicht erhalten zu haben.
Die Klägerin war zwar als Mitarbeiterin der Gaststätte ihres Arbeitgebers Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und damit grundsätzlich unfallversichert. Sie hat auch infolge des Sturzes eine Lendenwirbelfraktur und damit einen Unfall erlitten.
Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall.
Die Verrichtung der Klägerin zur Zeit des Unfallereignisses stand nicht in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung. Denn die Klägerin befand sich nicht auf einem mit der versicherten Tätigkeit "zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Diese Formulierung kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit. Er besteht, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden. Es muss also die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Handeln der Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte gehört (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - juris Rn. 11, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - juris, BSG, Urteil vom 04.09.2007 - B 2 U 24/06 R - juris, BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - juris).
Rein örtlich gesehen befand sich die Klägerin beim Einsteigen in ihre Wohnung durch das Schlafzimmerfenster auf dem Weg zwischen der Betriebsstätte und ihrer Wohnung. Bei der Beurteilung, ob ein versicherter Wegeunfall vorliegt, ist es zunächst unschädlich, dass die Klägerin bereits die Außentür des von ihr bewohnten Hauses durchschritten und sich daher zunächst im nicht-unfallversicherten privaten Bereich befunden hatte. Denn im Zeitpunkt ihres Unfalls befand sie sich wieder außerhalb des Hauses und damit wieder im grundsätzlich unfallversicherten öffentlichen Bereich. Allerdings trat die Klägerin den Rückweg nach Hause weder wegen der Beendigung der Arbeit noch zur Einlegung der Mittagspause an, sondern um ihren Ersatzschlüsselbund zu holen. Die Motivation, den Ersatzschlüsselbund während der Arbeitszeit zu holen, bestand einerseits darin, dass die Klägerin Angst hatte, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können, andererseits aber auch darin, mit ihrem Auto noch Einkäufe für ihren Arbeitgeber tätigen zu müssen. Doch nicht nur die finale Zielrichtung, nämlich das Holen des Ersatzschlüsselbundes während der Arbeitszeit, sondern auch die Art und Weise ihres Tuns waren durch verschiedene Motivationslagen gekennzeichnet. Denn die Motivation, gerade durch Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung zu gelangen, bestand einerseits darin, dass die Klägerin Beschädigungen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter vermeiden wollte, und andererseits darin, dass ihrem Arbeitgeber das Öffnen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst zu lange dauerte und dieser zu hupen begann.
Damit handelte es sich bei dem Holen des Ersatzschlüsselbundes durch Einsteigen in die Wohnung durch das Schlafzimmerfenster um eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz beziehungsweise mit gemischter Motivationslage, also mit sowohl betrieblicher als auch privatwirtschaftlicher Handlungstendenz. Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Es ist dabei zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - juris Rn. 23 und 24; BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R - juris Rn. 16).
Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar waren der Ausgangsort (hier die Betriebsstätte des Arbeitgebers der Klägerin) und der Zielort (hier die Wohnung der Klägerin) durch betriebliche Erfordernisse - nämlich das Holen des Ersatzschlüsselbundes, um betriebsbedingte Lebensmitteleinkäufe für die Gaststätte mit dem Auto der Klägerin fortsetzen zu können - bestimmt. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Ersatzschlüssel möglichst rasch zu holen waren, da der Arbeitgeber der Klägerin möglichst rasch wieder in der Gaststätte sein wollte, um wegen der dort anwesenden Gäste Vorbereitungen in der Küche treffen zu können.
Die Klägerin hätte aber - wenn diese betrieblichen Gründe nicht vorgelegen hätten - in etwa zum gleichen Zeitpunkt ihren Ersatzschlüsselbund geholt, da sie nachvollziehbar in Sorge war, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können. Doch nicht nur der Zeitpunkt des Holens des Ersatzschlüsselbundes, sondern auch die Art und Weise der geplanten Zurücklegung des Weges in die Wohnung, nämlich über das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster, lässt eine privatwirtschaftliche Handlungstendenz von überragender Bedeutung erkennen. Zwar stand die Klägerin betrieblich bedingt unter Zeitdruck, da ihr Arbeitgeber wieder möglichst rasch in seiner Gaststätte weiter arbeiten wollte. Allerdings war von überragender Bedeutung der Umstand, dass die Klägerin Beschädigungen der Wohnungstür infolge Auffräsens durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter vermeiden wollte. Hierfür spricht zum einen, dass die Klägerin sicherlich mindestens ebenso schnell in ihre Wohnung gelangt wäre, wenn sie die Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter hätte auffräsen lassen. Zum anderen spricht für die im Vordergrund stehende privatwirtschaftliche Handlungstendenz, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren durchgängig von Anfang an sowie auch noch im Widerspruchs- und Klageverfahren angab, den Weg über das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster gewählt zu haben, um Beschädigungen der Wohnungstür zu vermeiden, während sie - nachdem das SG im angegriffenen Gerichtsbescheid unter anderem darauf hingewiesen hatte, es hätte nicht ein für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlicher Schlüssel geholt oder gesucht werden sollen - erstmals im Berufungsverfahren vortrug, von ihrem Arbeitgeber gedrängt worden zu sein, möglichst rasch ihren für die Erledigung der Lebensmitteleinkäufe erforderlichen Ersatzschlüsselbund zu holen. Damit zieht der Senat ihre diesbezüglichen Angaben sowie diejenigen ihres Arbeitgebers zwar nicht in Zweifel. Der Senat berücksichtigt jedoch den zeitlichen Ablauf des Vortrages der Klägerin bei seiner Bewertung ihrer maßgeblichen Motivationslage im Zeitpunkt ihres Handelns.
In rechtlicher Wertung spricht nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu dem unfallbringenden Einsteigen der Klägerin durch das Schlafzimmerfenster geführt hätte. Ohne die private Motivation, Beschädigungen ihrer Wohnungstür zu vermeiden, hätte die Klägerin die Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter auffräsen lassen, wäre so unverletzt und rasch in ihre Wohnung gelangt und hätte den Ersatzschlüsselbund holen können. Es wäre also ohne die private Motivation nicht zu der konkreten, zum Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung - nämlich das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster - gekommen. Das gefährliche Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster ist objektiv eine andere Verrichtung als ein ungefährliches Hineingelangen in die Wohnung nach Auffräsen der Wohnungstür. Mithin ist das vorliegend zu beurteilende Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster nach wertender Betrachtung als privatwirtschaftlich motiviert und daher als nicht-unfallversichert anzusehen.
Hinzu kommt, dass nicht einmal eine Streckenidentität zwischen dem mit privater Handlungstendenz erfolgten Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster mit einem möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten Hineingelangen in die Wohnung durch die Wohnungstür vorliegt. Im Übrigen ist es ohnehin so, dass eine reine Streckenidentität keinen inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Handlung als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen könnte (BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - juris Rn. 28 und 29, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - juris; so auch Mehrtens/Bereiter-Hahn, SGB VII, 5. Auflage, § 8, Rn. 12.3, 12.4; Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, 13. Auflage, § 8, Rn. 201; Keller, Hauck/Noftz SGB VII, Stand Mai 2015, § 8, Rn. 290a; Ricke, Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2013, § 8, Rn. 189; Schmitt, SGB VII, 3. Auflage, § 8, Rn. 194; Schwerdtfeger, Lauterbach SGB VII, 4. Auflage, § 8, Rn. 363 und 383).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Grundsatz, dass den Versicherten, selbst wenn Unterschiede hinsichtlich der Unfallgefährdung bestehen, grundsätzlich die Wahl der Art und Weise des Fortsetzung eines Weges frei steht. Denn dieser Grundsatz gilt nur, wenn eine bestimmte Art und Weise der Fortsetzung eines Weges wesentlich in der Absicht gewählt wird, den Weg nach und von der versicherten Tätigkeit zurückzulegen (Mehrtens/Bereiter-Hahn, SGB VII, 5. Auflage, § 8, Rn. 12.5; Keller, Hauck/Noftz SGB VII, Stand Mai 2015, § 8, Rn. 230; Ziegler, Nomos-Kommentar, 4. Auflage, § 8, Rn. 235; Schwerdtfeger, Lauterbach SGB VII, 4. Auflage, § 8, Rn. 467), was vorliegend aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall war.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall streitig.
Die im Jahr 1960 geborene, in einer Gaststätte beschäftigte Klägerin stürzte am 08.04.2013 gegen 13.45 Uhr bei dem Versuch, durch ihr Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen, circa drei Meter in die Tiefe und zog sich dabei eine Lendenwirbelfraktur zu.
Sie gab unter dem 21.04.2013 gegenüber der Betriebskrankenkasse A. und, nachdem diese den Vorgang an die Beklagte weitergeleitet hatte, am 24.06.2013 gegenüber der Beklagten an, sie habe sich am Morgen des Unfalltages in einem Einkaufszentrum aufgehalten. Als sie gegen 11:00 Uhr in die Gaststätte habe fahren wollen, habe sie ihren, auch ihren Autoschlüssel enthaltenden, Schlüsselbund nicht mehr bei sich gehabt. Daraufhin habe ihr Arbeitgeber, nachdem sie ihn telefonisch kontaktiert habe, einen in der Gaststätte anwesenden Gast zu ihr geschickt. Dieser habe sie sodann abgeholt und in die Gaststätte gefahren, von wo aus sie gegen 13:00 Uhr einen Schlüsseldienst beauftragt habe. Dieser sei bei ihr zu Hause gegen 13:20 Uhr eingetroffen und habe sie hiervon benachrichtigt. Daraufhin sei sie von ihrem Arbeitgeber gegen 13:30 Uhr zu ihrer Wohnung gebracht worden. Da der Schlüsseldienst-Mitarbeiter die Tür habe auffräsen wollen und sie diesen geplanten Vorgang hinsichtlich etwaiger Beschädigungen falsch eingeschätzt habe, habe sie versucht, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen. Am 17.09.2014 vertrat die Klägerin gegenüber der Beklagten die Ansicht, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, da sich dieser während der Arbeitszeit ereignet habe.
Mit Bescheid vom 24.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und führte zur Begründung aus, es liege kein Arbeitsunfall vor. Nachdem der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass die Tür beim Öffnen beschädigt werden müsse, habe sie auf eigene privatwirtschaftliche Gefahr versucht, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen, so dass ihre finale Handlungstendenz dabei rein auf private Belange ausgerichtet gewesen sei. Danach habe ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht nachgewiesen werden können. Die zum Unfall führende Tätigkeit habe persönlichen Zwecken gedient und sei dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Dies sei rechtlich allein wesentlich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte ergänzend aus, sie habe am Morgen des Unfalltages während ihrer Arbeitszeit Arbeitskleidung für sich eingekauft. Aus Angst davor, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können, habe sie ihren Arbeitgeber gebeten, sie zu ihrer Wohnung zu fahren, und habe sodann einen Schlüsseldienst angerufen, welcher sich dann auch an ihrer Wohnung eingefunden habe. Aus Angst vor eventuellen Beschädigungen durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter an der Wohnungstür habe sie beschlossen, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung zu klettern. Daraufhin führte die Beklagte aus, wenn die Klägerin während ihrer Arbeitszeit eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehe, begründe dies keinen Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit. Weder habe die Klägerin den Weg nach Hause angetreten, um sich in einer Arbeitspause zu erholen, noch sei der Weg nach Beendigung der Arbeitsschicht erfolgt. Sie habe lediglich ihre Arbeit unterbrochen, um sicher zu gehen, dass sie nach Arbeitsende auch in ihre Wohnung komme. Dieser Weg sei allein aus eigenwirtschaftlichen Gründen angetreten und deshalb nicht versichert. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die unfallbringende Tätigkeit habe nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der vorliegend während der versicherten Tätigkeit eingeschobene Weg nach Hause sei nicht wesentlich dadurch geprägt gewesen, vom Ort der Tätigkeit zurückzukehren. Denn der zusätzliche Weg von der Gaststätte zur Wohnung sei nicht aus betrieblichen Gründen nochmals zurückgelegt worden, sondern nur aus privaten Gründen, nämlich zu klären, ob und inwieweit mit Hilfe des Schlüsseldienstes ein Öffnen des Wohnbereiches möglich sei, um anschließend wieder an die Arbeitsstelle zurückzukehren. Es hätte nicht ein für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlicher Schlüssel oder ein für den Betrieb der Gaststätte erforderliches sonstiges Betriebsmittel geholt oder gesucht werden sollen.
Gegen den ihr am 24.08.2015 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 15.09.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie hat nun vorgetragen, sie habe während der Arbeitszeit für ihren Arbeitgeber Einkäufe erledigen wollen. Ihr Arbeitgeber habe ihr hierfür bereits am Vortag Geld und die Einkaufsliste gegeben. Da sie die Einkaufsliste in ihrer Wohnung vergessen habe, habe sie am Unfalltag zunächst nur Geschirrtücher und Ähnliches eingekauft. Die fehlenden Lebensmittel hätten rasch beschafft werden sollen. Ihr Arbeitgeber habe Druck auf sie ausgeübt und sie aufgefordert, sie solle die Einkäufe mit ihrem Auto erledigen und daher ihren Ersatzautoschlüssel schnellstmöglich aus der Wohnung holen. Es sei diesbezüglich Druck und Hektik von ihrem Arbeitgeber ausgeübt worden, da er gleich wieder in die Gaststätte zurückgewollt habe. Der Einstieg durch das Schlafzimmerfenster sei ihr daher zu diesem Zeitpunkt als eine logische Lösung erschienen. Es habe sich daher um eine dienstlich angeordnete Einkaufsfahrt gehandelt, während derer es zum Unfall gekommen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. August 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2015 aufzuheben und das Ereignis vom 8. April 2013 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, der nunmehr erfolgte Vortrag der Klägerin wirke nachgeschoben, um den beruflichen Bezug herzustellen. Zum anderen sei davon auszugehen, dass die Hauptpriorität der Klägerin darauf gerichtet gewesen sei, sich wieder Zugang zu ihrem Wohnraum zu verschaffen, nicht aber darauf, die Einkäufe für ihren Arbeitgeber weiter zu führen.
Der Senat hat den Arbeitgeber der Klägerin, B. C., unter dem 18.01.2016 schriftlich als Zeugen gehört. Er hat ausgeführt, am Vorabend des Unfalltages sei die Einkaufsliste für den Unfalltag durchgesprochen und die Klägerin beauftragt worden, am Unfalltag die Einkäufe zu erledigen. Diese Einkäufe erledige die Klägerin üblicherweise mit ihrem eigenen Auto in der Zeit bis 11:30 Uhr. Ein in der Gaststätte anwesender Gast habe die Klägerin, da diese ihren Schlüsselbund verloren habe, abgeholt und zur Gaststätte gebracht. Er habe der Klägerin nun befohlen, sofort einen Schlüsseldienst anzurufen, um den Ersatzschlüsselbund aus ihrer Wohnung holen und ihre Einkäufe fortsetzen zu können. Nachdem der Schlüsseldienst, an der Wohnung der Klägerin angekommen, in der Gaststätte angerufen habe, habe er die Klägerin zu ihrer Wohnung gefahren. Die Zeit habe gedrängt, da in der Gaststätte Gäste anwesend gewesen seien und er eigentlich Vorbereitungen in der Küche für den Mittagstisch zu treffen gehabt habe. Da er davon ausgegangen sei, dass der Schlüsseldienst die Wohnungstür in kürzester Zeit öffnen werde, habe er im Auto gewartet. Offensichtlich habe der Schlüsseldienst jedoch erhebliche Probleme gehabt, die Tür zu öffnen. Da ihm das zu lange gedauert habe, habe er begonnen, zu hupen. Durch seine Drängelei und Huperei habe sich die Klägerin sehr gedrängt gefühlt. Sie habe kurz überlegt und sodann über ihr Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einsteigen wollen. Dabei sei es dann zu dem Sturz gekommen.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, zwar möge es auch eine betriebliche Motivation für das Holen der Schlüssel der Klägerin aus ihrer Wohnung gegeben haben, allerdings sei weiterhin davon auszugehen, dass die vorwiegende Motivation in der Beschaffung eines Wohnungsschlüssels darin bestanden habe, nach der Arbeit wieder in die eigenen Wohnräume zu gelangen. Dass auch ein Autoschlüssel geholt werden müsse, der für eine betriebsbezogene Tätigkeit gebraucht werde, sei dabei nicht vorrangig gewesen. Eine privatnützige Tätigkeit sei auch dann nicht versichert, wenn sie zugleich für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis unentbehrlich sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Die private Motivation, den eigenen Wohnungs- und Autoschlüssel wieder zu erlangen, habe eindeutig im Vordergrund gestanden. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Wiedererlangung der eigenen Wohnungsschlüssel habe keine zeitliche Priorität gehabt, so dass diesbezüglich der Schlüsseldienst hätte in Anspruch genommen werden können.
In der mündlichen Verhandlung am 11.05.2016 hat die Klägerin angegeben, dass der Schlüsseldienst-Mitarbeiter ihr mitgeteilt habe, die Wohnungstür lasse sich nicht öffnen, da sie abgeschlossen sei. Erst später habe sie erfahren, dass die Wohnungstür hätte aufgefräst werden können. Den Namen des Schlüsseldienstes und dessen Mitarbeiters kenne sie nicht. Eine Rechnung des Schlüsseldienstes habe sie nicht erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 13.08.2015, mit dem die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2015 abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Aufhebung dieses Bescheides und die Feststellung des Ereignisses vom 08.04.2013 als Arbeitsunfall. Diese prozessualen Ziele kann die Klägerin zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris).
Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 08.04.2013 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) abgelehnt.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Für einen Arbeitsunfall ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 16 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 28 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Feststellung des Ereignisses vom 08.04.2013 als Arbeitsunfall nicht gegeben.
Nach den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren gegenüber der Betriebskrankenkasse A. und der Beklagten, im Widerspruchsverfahren sowie schriftsätzlich im Klage- und Berufungsverfahren gemachten Angaben und der Zeugenaussage ihres Arbeitgebers stellt der Senat folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt in einer Gaststätte beschäftigt. Am Vorabend des Unfalltages sprachen die Klägerin und ihr Arbeitgeber die von ihr am Unfalltag zu erledigende Einkaufsliste durch. Zwecks Erledigung der Einkäufe hielt sich die Klägerin am Morgen des Unfalltages in einem Einkaufszentrum auf. Da sie die Einkaufsliste in ihrer Wohnung vergessen hatte, kaufte sie zunächst nur Geschirrtücher und Ähnliches und/oder Arbeitskleidung ein. Als sie gegen 11:00 Uhr in die Gaststätte fahren wollte, hatte sie ihren Schlüsselbund samt Auto- und Wohnungsschlüssel nicht mehr bei sich. Aus Angst davor, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können, bat sie ihren Arbeitgeber, sie zu ihrer Wohnung zu fahren. Daraufhin schickte ihr Arbeitgeber, nachdem sie ihn telefonisch kontaktiert hatte, einen in der Gaststätte anwesenden Gast zu ihr. Dieser holte sie sodann ab und fuhr sie in die Gaststätte. Ihr Arbeitgeber forderte sodann die Klägerin auf, sofort einen Schlüsseldienst anzurufen, um den Ersatzschlüsselbund aus ihrer Wohnung holen und mit ihrem Auto die Einkäufe der Lebensmittel erledigen zu können. Daraufhin beauftragte die Klägerin gegen 13:00 Uhr von der Gaststätte aus einen Schlüsseldienst. Dieser traf bei ihr zu Hause gegen 13:20 Uhr ein und benachrichtigte sie hiervon. Sodann wurde sie von ihrem Arbeitgeber gegen 13:30 Uhr zu ihrer Wohnung gebracht. Ihr Arbeitgeber wollte möglichst rasch wieder in der Gaststätte sein, da er für dort anwesende Gäste Vorbereitungen in der Küche zu treffen hatte. Da er davon ausging, dass der Schlüsseldienst die Wohnungstür in kürzester Zeit öffnen würde, wartete er in seinem Auto. Währenddessen teilte der Schlüsseldienst-Mitarbeiter der Klägerin mit, die Wohnungstür müsse aufgefräst werden. Da dem Arbeitgeber der Klägerin das Öffnen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst zu lange dauerte, begann er zu hupen. Deshalb und aus Angst vor eventuellen Beschädigungen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter, beschloss die Klägerin, durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung einzusteigen. Bei dem Versuch, so in ihre Wohnung zu gelangen, stürzte die Klägerin gegen 13:45 Uhr circa drei Meter in die Tiefe und zog sich dabei eine Lendenwirbelfraktur zu.
Demgegenüber schenkt der Senat den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der Schlüsseldienst-Mitarbeiter habe mitgeteilt, die Wohnungstür lasse sich nicht öffnen, da sie abgeschlossen sei, und sie habe erst nach dem Unfall erfahren, dass die Wohnungstür hätte aufgefräst werden können, keinen Glauben. Diese Angabe steht im Widerspruch zu ihren mehrfachen und diesbezüglich einheitlichen Angaben im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren und wurde erst getätigt, nachdem sie von der Vorsitzenden auf die in dem Vermeiden des Auffräsens der Wohnungstür gegebenenfalls liegende eigenwirtschaftliche Handlungstendenz hingewiesen worden ist. Weitere Ermittlungen des Senats sind nicht möglich, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Namen des Schlüsseldienstes und/oder dessen Mitarbeiters nicht hat mitteilen können und auch ausgeführt hat, eine Rechnung des Schlüsseldienstes nicht erhalten zu haben.
Die Klägerin war zwar als Mitarbeiterin der Gaststätte ihres Arbeitgebers Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und damit grundsätzlich unfallversichert. Sie hat auch infolge des Sturzes eine Lendenwirbelfraktur und damit einen Unfall erlitten.
Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall.
Die Verrichtung der Klägerin zur Zeit des Unfallereignisses stand nicht in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung. Denn die Klägerin befand sich nicht auf einem mit der versicherten Tätigkeit "zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Diese Formulierung kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit. Er besteht, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden. Es muss also die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Handeln der Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte gehört (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - juris Rn. 11, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - juris, BSG, Urteil vom 04.09.2007 - B 2 U 24/06 R - juris, BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - juris).
Rein örtlich gesehen befand sich die Klägerin beim Einsteigen in ihre Wohnung durch das Schlafzimmerfenster auf dem Weg zwischen der Betriebsstätte und ihrer Wohnung. Bei der Beurteilung, ob ein versicherter Wegeunfall vorliegt, ist es zunächst unschädlich, dass die Klägerin bereits die Außentür des von ihr bewohnten Hauses durchschritten und sich daher zunächst im nicht-unfallversicherten privaten Bereich befunden hatte. Denn im Zeitpunkt ihres Unfalls befand sie sich wieder außerhalb des Hauses und damit wieder im grundsätzlich unfallversicherten öffentlichen Bereich. Allerdings trat die Klägerin den Rückweg nach Hause weder wegen der Beendigung der Arbeit noch zur Einlegung der Mittagspause an, sondern um ihren Ersatzschlüsselbund zu holen. Die Motivation, den Ersatzschlüsselbund während der Arbeitszeit zu holen, bestand einerseits darin, dass die Klägerin Angst hatte, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können, andererseits aber auch darin, mit ihrem Auto noch Einkäufe für ihren Arbeitgeber tätigen zu müssen. Doch nicht nur die finale Zielrichtung, nämlich das Holen des Ersatzschlüsselbundes während der Arbeitszeit, sondern auch die Art und Weise ihres Tuns waren durch verschiedene Motivationslagen gekennzeichnet. Denn die Motivation, gerade durch Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster in ihre Wohnung zu gelangen, bestand einerseits darin, dass die Klägerin Beschädigungen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter vermeiden wollte, und andererseits darin, dass ihrem Arbeitgeber das Öffnen der Wohnungstür durch den Schlüsseldienst zu lange dauerte und dieser zu hupen begann.
Damit handelte es sich bei dem Holen des Ersatzschlüsselbundes durch Einsteigen in die Wohnung durch das Schlafzimmerfenster um eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz beziehungsweise mit gemischter Motivationslage, also mit sowohl betrieblicher als auch privatwirtschaftlicher Handlungstendenz. Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Es ist dabei zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - juris Rn. 23 und 24; BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R - juris Rn. 16).
Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar waren der Ausgangsort (hier die Betriebsstätte des Arbeitgebers der Klägerin) und der Zielort (hier die Wohnung der Klägerin) durch betriebliche Erfordernisse - nämlich das Holen des Ersatzschlüsselbundes, um betriebsbedingte Lebensmitteleinkäufe für die Gaststätte mit dem Auto der Klägerin fortsetzen zu können - bestimmt. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Ersatzschlüssel möglichst rasch zu holen waren, da der Arbeitgeber der Klägerin möglichst rasch wieder in der Gaststätte sein wollte, um wegen der dort anwesenden Gäste Vorbereitungen in der Küche treffen zu können.
Die Klägerin hätte aber - wenn diese betrieblichen Gründe nicht vorgelegen hätten - in etwa zum gleichen Zeitpunkt ihren Ersatzschlüsselbund geholt, da sie nachvollziehbar in Sorge war, spät abends nach Ende der Arbeitszeit keinen Schlüsseldienst mehr erreichen zu können. Doch nicht nur der Zeitpunkt des Holens des Ersatzschlüsselbundes, sondern auch die Art und Weise der geplanten Zurücklegung des Weges in die Wohnung, nämlich über das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster, lässt eine privatwirtschaftliche Handlungstendenz von überragender Bedeutung erkennen. Zwar stand die Klägerin betrieblich bedingt unter Zeitdruck, da ihr Arbeitgeber wieder möglichst rasch in seiner Gaststätte weiter arbeiten wollte. Allerdings war von überragender Bedeutung der Umstand, dass die Klägerin Beschädigungen der Wohnungstür infolge Auffräsens durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter vermeiden wollte. Hierfür spricht zum einen, dass die Klägerin sicherlich mindestens ebenso schnell in ihre Wohnung gelangt wäre, wenn sie die Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter hätte auffräsen lassen. Zum anderen spricht für die im Vordergrund stehende privatwirtschaftliche Handlungstendenz, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren durchgängig von Anfang an sowie auch noch im Widerspruchs- und Klageverfahren angab, den Weg über das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster gewählt zu haben, um Beschädigungen der Wohnungstür zu vermeiden, während sie - nachdem das SG im angegriffenen Gerichtsbescheid unter anderem darauf hingewiesen hatte, es hätte nicht ein für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlicher Schlüssel geholt oder gesucht werden sollen - erstmals im Berufungsverfahren vortrug, von ihrem Arbeitgeber gedrängt worden zu sein, möglichst rasch ihren für die Erledigung der Lebensmitteleinkäufe erforderlichen Ersatzschlüsselbund zu holen. Damit zieht der Senat ihre diesbezüglichen Angaben sowie diejenigen ihres Arbeitgebers zwar nicht in Zweifel. Der Senat berücksichtigt jedoch den zeitlichen Ablauf des Vortrages der Klägerin bei seiner Bewertung ihrer maßgeblichen Motivationslage im Zeitpunkt ihres Handelns.
In rechtlicher Wertung spricht nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu dem unfallbringenden Einsteigen der Klägerin durch das Schlafzimmerfenster geführt hätte. Ohne die private Motivation, Beschädigungen ihrer Wohnungstür zu vermeiden, hätte die Klägerin die Wohnungstür durch den Schlüsseldienst-Mitarbeiter auffräsen lassen, wäre so unverletzt und rasch in ihre Wohnung gelangt und hätte den Ersatzschlüsselbund holen können. Es wäre also ohne die private Motivation nicht zu der konkreten, zum Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung - nämlich das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster - gekommen. Das gefährliche Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster ist objektiv eine andere Verrichtung als ein ungefährliches Hineingelangen in die Wohnung nach Auffräsen der Wohnungstür. Mithin ist das vorliegend zu beurteilende Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster nach wertender Betrachtung als privatwirtschaftlich motiviert und daher als nicht-unfallversichert anzusehen.
Hinzu kommt, dass nicht einmal eine Streckenidentität zwischen dem mit privater Handlungstendenz erfolgten Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster mit einem möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten Hineingelangen in die Wohnung durch die Wohnungstür vorliegt. Im Übrigen ist es ohnehin so, dass eine reine Streckenidentität keinen inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Handlung als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen könnte (BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - juris Rn. 28 und 29, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - juris; so auch Mehrtens/Bereiter-Hahn, SGB VII, 5. Auflage, § 8, Rn. 12.3, 12.4; Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, 13. Auflage, § 8, Rn. 201; Keller, Hauck/Noftz SGB VII, Stand Mai 2015, § 8, Rn. 290a; Ricke, Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2013, § 8, Rn. 189; Schmitt, SGB VII, 3. Auflage, § 8, Rn. 194; Schwerdtfeger, Lauterbach SGB VII, 4. Auflage, § 8, Rn. 363 und 383).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Grundsatz, dass den Versicherten, selbst wenn Unterschiede hinsichtlich der Unfallgefährdung bestehen, grundsätzlich die Wahl der Art und Weise des Fortsetzung eines Weges frei steht. Denn dieser Grundsatz gilt nur, wenn eine bestimmte Art und Weise der Fortsetzung eines Weges wesentlich in der Absicht gewählt wird, den Weg nach und von der versicherten Tätigkeit zurückzulegen (Mehrtens/Bereiter-Hahn, SGB VII, 5. Auflage, § 8, Rn. 12.5; Keller, Hauck/Noftz SGB VII, Stand Mai 2015, § 8, Rn. 230; Ziegler, Nomos-Kommentar, 4. Auflage, § 8, Rn. 235; Schwerdtfeger, Lauterbach SGB VII, 4. Auflage, § 8, Rn. 467), was vorliegend aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall war.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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