Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1731/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2890/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 94.125,05 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG), im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, in Höhe von EUR 94.125,05 für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. März 2007 auf Grund einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger.
Der am 1968 geborene Kläger betrieb im streitigen Zeitraum unter anderem in der D.-S.-Straße in M. ein Gemüse- und Lebensmittelgeschäft. Der am 1979 geborene Beigeladene zu 1) ist ein Cousin und Schwager des Klägers; er war in Deutschland nicht zur Sozialversicherung angemeldet. Er war im März 2007 durch das Landratsamt E. zur Festnahme/Abschiebung ausgeschrieben.
Aufgrund einer anonymen Anzeige führte das Hauptzollamt K. am 19. März 2007 in den Räumlichkeiten des Geschäftes des Klägers in M. eine Prüfung gemäß § 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) durch. Die Beamten trafen dort den am 1981 geborenen Zeugen R. T., den Bruder des Klägers, an. Dieser gab an, den Chef – den Kläger – zu vertreten, der gerade abwesend sei. Außerdem befand sich der Beigeladene zu 1) in den Verkaufsräumen, der sich aus dem Geschäft entfernte und anschließend nicht mehr angetroffen werden konnte. Bis zum Eintreffen des Klägers wurden Zeugen befragt. Der Kunde T. G. gab an, dass in dem Geschäft überwiegend ein "Mucahit" arbeite. Die im Nachbargebäude arbeitende L. K. gab an, sie habe den Beigeladenen zu 1) seit ca. einem halben Jahr in dem Geschäft des Klägers gesehen. Die in der benachbarten Schlecker-Filiale arbeitende M. R. gab an, dass der Beigeladene zu 1) seit drei Jahren in dem Geschäft des Klägers arbeite. Die ebenfalls in der benachbarten Schlecker-Filiale arbeitende M. L. gab an, dass der Beigeladene zu 1) seit drei Jahren in dem Geschäft des Klägers arbeite und sie bei einer Kontrolle durch den Wirtschaftskontrolldienst am 16. März 2007 gebeten habe, den Kontrollbeamten zu sagen, dass der Chef gleich komme.
Dem Bediensteten des Landratsamtes E., Herrn S., der die Kontrolle am 16. März 2007 durchgeführt hatte, wurde in der Folgezeit vom Hauptzollamt per E-Mail ein Foto des Beigeladenen zu 1) vorgelegt; er bestätigte, dass er und ein weiterer Beamter, Herr Dr. G., den Beigeladenen zu 1) bei Kontrollen am 13. und 16. März 2007 im Geschäft des Klägers angetroffen hätten; dieser habe sich dann jeweils unauffindbar entfernt.
Am 26. März 2007 wurde einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung M., Frau G., ein Lichtbild des Beigeladenen zu 1) vorgelegt. Frau G. gab an, dass sie im Geschäft in der D ...-S.-Straße öfters eingekauft habe und den Beigeladenen zu 1) dort seit ca. Oktober 2003 öfters beim Arbeiten gesehen habe. Zuerst habe er ca. ein halbes Jahr zusammen mit R. T. im Laden bedient, anschließend sei er dort allein tätig gewesen.
In dem daraufhin von der Staatsanwaltschaft K. gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahren (93 Js 8622/08) wegen des Verdachts einer Straftat nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) wurden M. R. und M. L. durch das Hauptzollamt K. mündlich als Zeuginnen vernommen. Frau R. gab am 27. August 2008 an, seit 2004 in einer Filiale der Firma Schlecker in der D ...-S.-Str. in M. tätig zu sein. Der Beigeladene zu 1), den sie auf einem Lichtbild identifizierte, habe zumindest seit 2004 in dem benachbarten Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Der Laden sei im Dezember 2007 geschlossen worden. Der Beigeladene zu 1) sei jedoch bereits nach der Kontrolle im März 2007 dort nicht mehr aufgetaucht. Er habe dort jeden Tag von morgens bis abends gearbeitet. Er habe Waren eingeräumt, kassiert und die Kunden bedient. Er sei die meiste Zeit alleine in dem Geschäft gewesen. Frau L. gab in ihrer Zeugenvernehmung am 22. September 2008 an, seit Juli 2000 in der Filiale der Firma Schlecker in der D ...-S.-Str. in M. tätig zu sein. Der Kläger habe den Lebensmittelladen im Jahr 2002 übernommen. Seit diesem Zeitpunkt sei dort der Beigeladene zu 1), den sie auf einem Lichtbild identifizierte, regelmäßig tätig gewesen. Dieser sei jeden Tag von montags bis samstags dort gewesen und habe den Laden quasi alleine betrieben. Der Kläger sowie dessen Bruder seien nur hin und wieder gekommen, um Waren anzuliefern. Der Laden sei morgens um 8.00 Uhr geöffnet worden. Abends sei er zumindest um 18.30 Uhr noch offen gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe in dem Geschäft alles gemacht, was so angefallen sei, z.B. kassiert, die Waren eingeräumt, geputzt usw. Das Geschäft sei im Dezember 2007 geschlossen worden. Der Beigeladene zu 1) sei am Tag der Kontrolle geflüchtet und danach dort nicht mehr aufgetaucht.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft K. verhängte das Amtsgericht Ma. am 20. April 2009 einen Strafbefehl gegen den Kläger über eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tages-sätzen zu je EUR 30,00, insgesamt also in Höhe von EUR 6.300,00 (1 Cs 93 Js 8622/08). Der Strafbefehl wurde dem Kläger am 22. April 2009 zugestellt und am 7. Mai 2009 rechtskräftig. Am 6. Juli 2009 legte der Kläger Einspruch gegen den Strafbefehl ein, der vom Amtsgericht Ma. mit Beschluss vom 20. Juli 2009 verworfen wurde.
Am 28. September 2009 trug Rechtsanwalt H. für den Kläger gegenüber der Staatsanwaltschaft K. vor, dass der Strafbefehl dem Kläger "höchstwahrscheinlich nicht ordnungsgemäß zugestellt" worden sei, und beantragte die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die vernommenen Zeugen hätten zwar festgestellt, dass seit Jahren Personen in den Geschäften des Klägers anwesend gewesen seien, und behauptet, dass diese Personen dort "gearbeitet" hätten. Dies scheine jedoch nur eine Vermutung zu sein. Es handele sich – unter anderem bei dem Beigeladenen zu 1) – um Asylbewerber aus dem Familienclan des Klägers. Gehälter seien nicht bezahlt worden, sondern diese Personen sei untergebracht worden, hätten Essen und Trinken erhalten und eventuell ein kleines Taschengeld. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2009 trug Rechtsanwalt H. vor, zunächst habe der Bruder des Klägers das Geschäft geführt. Erst ca. im Juni 2006 habe der Kläger das Geschäft übernommen; zu diesem Zeitpunkt habe der Beigeladene zu 1) dort illegal gearbeitet. Der Kläger habe dem Beigeladenen zu 1) dann einen Aushilfslohn von ca. EUR 400,00 monatlich gezahlt.
Das Amtsgericht K. verwarf den Wiederaufnahmeantrag mit Beschluss vom 3. November 2009 (5 Ds 530 Js 38061/09). Die sofortige Beschwerde des Klägers wurde vom Landgericht K. mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 verworfen (2 Qs 90/09).
Die Beklagte führte am 28. Januar 2010 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch. Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 gab die Beklagte den Kläger Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt EUR 94.125,05 an. Der Kläger äußerte sich nicht.
Mit undatiertem, dem Kläger Anfang Juli 2010 zugegangenen Bescheid setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt EUR 94.125,05 (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 32.350,00) fest. Zwischen Januar 2004 und März 2007 sei ein Arbeitnehmer – ausweislich der dem Bescheid beigefügten Berechnung der Beiträge der Beigeladene zu 1) – beschäftigt worden. Der Lohn sei in bar ausbezahlt worden. Der Arbeitnehmer sei nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden. Beiträge seien für diesen Arbeitnehmer weder ermittelt noch entrichtet worden. Der Arbeitnehmer sei in der gesetzlichen Kranken, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Die nicht entrichteten Beiträge seien nachzuzahlen. Als Bemessungsgrundlage seien die von der Ermittlungsbehörde festgestellten Beträge herangezogen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung des Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 in Verbindung mit dem diesbezüglichen Rundschreiben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 5. November 2003, weiter ausgeführt mit Schreiben des VDR vom 12. Dezember 2003, berechnet worden. Die ermittelten Lohnzahlungen hätten unter Berücksichtigung dieser Vorgaben mit Lohnsteuerklasse VI, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag auf einen Bruttolohn hochgerechnet werden müssen. Da weitere Daten des Arbeitnehmers nicht bekannt seien und die Kassenzugehörigkeit nicht habe ermittelt werden können, sei er auf Grund der letzten beiden Ziffern der Betriebsnummer der Beigeladenen zu 2) zugeordnet worden. Für die vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge seien Säumniszuschläge zu erheben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 23. Juli 2010 Widerspruch. Nachdem er eine Widerspruchsbegründung nicht vorlegte, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2011 zurück. Mangels Widerspruchsbegründung habe eine Überprüfung des Bescheides nur nach Aktenlage vorgenommen werden können. Hierbei hätten sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. November 2011 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage (zunächst S 12 R 4873/11, später S 12 R 1731/14). Er bestreite, den Beigeladenen zu 1) zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 19. März 2007 unangemeldet beschäftigt zu haben. Hilfsweise bestreite er, dass ihm vorsätzliches Handeln anzulasten sei. Die Beklagte habe ihre Nachforderung auf Grundlage von Zeugenaussagen gestützt, ohne jedoch den Beigeladenen zu 1) gehört zu haben. Es erschließe sich nicht, wie die Eingrenzung des angeblichen Tatzeitraums von der Beklagten ermittelt worden sei. Die in der Akte befindlichen Zeugen könnten subjektive Eindrücke wiedergeben, seien jedoch nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in dem genannten Zeitraum vorgelegen habe. Er habe keine Arbeiter schwarz und unangemeldet beschäftigt. Die festgestellte Anwesenheit des angeblich schwarz Beschäftigten in dem Gemüseladen seiner Verwandtschaft sei nicht hinreichend substantiiert genug, damit eine Schwarzbeschäftigung angenommen werden könne. Eine unter Umständen unter Verwandten geleistete Hilfe könne ebenso wenig als Schwarzbeschäftigung angesehen werden, da eine Beschäftigung den Einsatz der Arbeitskraft gegen Entlohnung voraussetze. Der Beigeladene zu 1) habe sich erst seit Anfang/Mitte des Jahres 2006 überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der angebliche Schwarzarbeiter nicht der Beigeladene zu 1), sondern sein – des Klägers – Bruder gewesen sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Im Ermittlungsverfahren des Hauptzollamtes Karlsruhe hätten drei Zeugen bestätigt, dass der Beigeladene zu 1) im Betrieb des Klägers regelmäßig gearbeitet habe.
Die durch Beschluss des SG vom 7. November 2013 Beigeladenen zu 1) bis 3) äußerten sich nicht.
Das SG hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2015 an und vernahm die Zeugin R. (geb. L.), den Zeugen R. T. sowie die Zeugin Z. T., die Ehefrau des Klägers. Zu den Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Sitzung Bezug genommen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Mai 2015 ab. Es habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. März 2007 den Beigeladenen zu 1) in seinem Lebensmittelgeschäft in M. beschäftigt habe, ohne ihn ordnungsgemäß bei der zuständigen Einzugsstelle angemeldet zu haben. Hierfür sprächen zunächst die in der beigezogenen Ermittlungsakte des Hauptzollamtes K. dokumentierten Ermittlungen, insbesondere die vorgefundene Situation bei der Außenprüfung am 19. März 2007, die Aussagen der Zeuginnen R. und L. (nach Heirat R.) sowie die Korrespondenz des damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H. mit dem Amtsgericht Ma. im Rahmen des Strafverfahrens. Bei der Außenprüfung sei neben dem Zeugen R. T. eine weitere Person im Laden angetroffen worden. Die unmittelbar am Tag der Prüfung befragten Zeuginnen L. und R. hätten bestätigt, dass es sich bei dieser Person um den Beigeladenen zu 1) gehandelt habe und dass dieser schon seit mindestens drei Jahren in dem Geschäft arbeiten würde. Das Ergebnis der unmittelbar am Tag der Prüfung vorgenommenen Befragung der Zeuginnen sei durch die Einvernehmung im Strafverfahren bestätigt worden. Darüber hinaus lasse sich die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) in dem Geschäft tatsächlich beschäftigt gewesen sei, auch dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H. vom 1. Oktober 2009 entnehmen. Dieser habe ausgeführt, dass der Kläger das Geschäft erst im Juni 2006 übernommen habe. Der Beigeladene zu 1) habe damals illegal im Geschäft des R. T. gearbeitet. Als R. das Geschäft an den Kläger im Juni 2006 übergeben habe, habe der Beigeladene zu 1) weiterhin in diesem Geschäft gearbeitet. Für eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum spreche aber insbesondere die Aussage der Zeugin R. in der mündlichen Verhandlung. Diese habe bestätigt, dass der Beigeladene zu 1) im Geschäft des Klägers gearbeitet habe. Sie habe ihn anhand des in der Ermittlungsakte des Hauptzollamtes befindlichen Lichtbildes als den Beigeladenen zu 1) identifiziert. Den Aussagen des Zeugen R. T. und der Zeugin Z. T. hinsichtlich der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in dem Geschäft des Klägers schenke die Kammer keinen Glauben. Die Berechnung der Höhe des danach erhobenen Beiträge sei nicht zu beanstanden, entsprechendes sei auch von dem Kläger nicht vorgetragen worden.
Gegen das ihm am 8. Juni 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Juli 2015 Berufung eingelegt. Das SG stütze sein Urteil lediglich auf die Aussage einer Zeugin, die nicht in der Lage sei, den streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen einer Zeugenaussage zu bestätigen. Hierbei handelt es sich um spekulativ einseitig belastende Aussagen einer Zeugin, jedoch seien entlastende Beweisangebote nicht gehört und gewürdigt worden. Der Beigeladene zu 1) habe sich überhaupt erst seit dem Jahr 2006 in Deutschland aufgehalten. Es sei offenbar zu einer Verwechslung mit seinem Bruder gekommen. Der Beigeladene zu 1) habe keine ausreichenden Deutschkenntnisse. Dies wiederlege die Aussage der Zeugin R., dieser habe sie angeblich bedient und mit ihr Gespräche geführt. Zeugin R habe sich eindeutig widersprochen, wenn sie zunächst angegeben habe, dass der Beigeladene zu 1) angeblich seit 2002 in seinem Geschäft gearbeitet habe und sie ihn dort beobachtet haben wolle, wenn sie erst seit Februar 2004 in der Schlecker-Filiale gearbeitet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2015 sowie den undatierten Bescheid der Beklagten von Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Akte des Amtsgerichts Ma. im Verfahren 1 Cs 93 Js 8622/08 Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Beklagten einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, weil der Beigeladene zu 1) angehört werden müsste. Zu der mündlichen Verhandlung des SG erschien der Beigeladene zu 1) trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der derzeit in der Türkei wohnhafte Beigeladene zu 1) bei einer Ladung durch den Senat auch bei Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu einem Termin, in welchem er angehört werden könnte, erscheinen wird.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, denn die Klage betrifft einen auf eine Geldleistung von mehr als EUR 750,00 gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der undatierte Bescheid der Beklagten aus dem Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2011 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt EUR 94.125,05 festgesetzt. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beigeladene zu 1) zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. März 2007 bei dem Kläger abhängig beschäftigt war.
a) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers (hier des Beigeladenen zu 1)) als Drittbetroffene einzugreifen. Die Beklagte darf den an den Arbeitgeber gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen mit dem Hinweis, dass dieser berechtigt sei, Rechtsbehelfe einzulegen, bekanntgeben (Urteil des Senats vom 23. Januar 2015 – L 4 R 916/12 – m.w.N., nicht veröffentlicht).
b) Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem bis zum 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz (LFzG) bzw. nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.
c) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
d) Zur Überzeugung des Senat steht fest, dass der Beigeladene zu 1) zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. März 2007 für den Kläger in dessen Betrieb in M. tätig war (dazu unter aa)) und dass es sich dabei um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat (dazu unter bb)).
aa) Dass es sich bei dem Beigeladenen zu 1) um die Person gehandelt hat, die im Geschäft des Klägers tätig war, ergibt sich insbesondere aus den vorliegenden Aussagen der Frau L. und der Frau R ... Beide haben übereinstimmend gegenüber dem Hauptzollamt Karlsruhe angegeben (zur Zulässigkeit der Verwertung von Zeugenaussagen aus Ermittlungsakten im Wege des Urkundenbeweises: z.B. BSG, Beschluss vom 13. August 2015 – B 9 V 13/15 B – juris Rn. 11; BSG, Beschluss vom 2. April 2014 – B 6 KA 58/13 B – juris Rn. 17), dass der Beigeladene zu 1) jedenfalls seit 2004 in dem Geschäft des Klägers tätig war, dort unter anderem die Waren eingeräumt, Kunden bedient und kassiert habe. Die beiden Frauen haben diese Angaben bereits bei der Außenprüfung am 19. März 2007 gemacht und am 27. August bzw. 22. September 2008 jeweils nach Vorlage eines Lichtbildes des Beigeladenen zu 1) bestätigt, die Zeugin L. (verheiratete R.) erneut in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nach nochmaliger Vorlage eines Lichtbildes des Beigeladenen zu 1) und dem ausdrücklichen Vorhalt, ob sie nicht von dem beim SG anwesenden Bruder des Kläger bedient worden sei; sie hat letztes ausdrücklich verneint. Anlass zu Zweifeln an der Validität dieser Angaben bestehen nicht. Dass es sich bei dem in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Lichtbild, das den zuvor genannten Zeuginnen jeweils vorgelegt wurde, um den Beigeladenen zu 1) handelt, bestätigten auch der Kläger und seine vom SG als Zeugin gehörte Ehefrau.
Auch der bei der Außenprüfung am 19. März 2007 anwesende und befragte Kunde G. gab an, dass im Geschäft ein "Mucahit" arbeitet; hierbei handelt es sich um den Vornamen des Beigeladenen zu 1). Weiter haben die Bediensteten des Landkreises E. bzw. der Stadtverwaltung M., Herr S. und Frau G., nach Vorlage des entsprechenden Lichtbildes bestätigt, den Beigeladenen zu 1) im Geschäft des Kläger angetroffen zu haben. Herr S. hat dies bestätigt für die von ihm am 13. und am 16. März 2007 durchgeführten Kontrollen, Frau G. für verschiedene eigenen Einkäufe in diesem Geschäft.
Der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, Frau R. würde sich widersprechen, wenn sie einerseits ausgesagt habe, dass der Beigeladenen zu 1) seit 2002 in seinem Geschäft gearbeitet habe, aber andererseits angebe, erst seit Februar 2004 in der benachbarten Schlecker-Filiale gearbeitet zu haben, geht ins Leere. Frau R. hat in ihrer Vernehmung beim Hauptzollamt Karlsruhe am 27. August 2008 ausgesagt, seit Februar 2004 in der Schlecker-Filiale gearbeitet zu haben und dass der Beigeladene zu 1) jedenfalls seitdem im Geschäft des Klägers gearbeitet habe. Die Angabe des Jahres "2002" stammt hingegen aus der Vernehmung der Frau L., die selbst bereits seit Juli 2000 in der benachbarten Schlecker-Filiale gearbeitet hat.
Soweit der Kläger teilweise eine Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bestritten hat, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um vom Prozessziel geleitete Schutzbehauptungen. Das Gleiche gilt für die zwischenzeitliche Angabe, den Beigeladenen zu 1) mit EUR 400,00 monatlich entlohnt zu haben, für die Behauptungen, der Beigeladene zu 1) habe sich erst seit Anfang/Mitte des Jahres 2006 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und verfüge über keine ausreichenden Deutschkenntnisse, und für die ohne jeden Beleg gebliebene zwischenzeitliche Behauptung, sein Bruder sei bis ca. Juni 2006 Inhaber des Geschäftes gewesen. Gegen eine Glaubhaftigkeit des Klägers sprechen nicht zuletzt seine widersprüchlichen Angaben und das letztlich bloß diffuse, offenbar routinemäßige Beschreiten einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Während der Bemühungen, gegen den bereits rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vorzugehen, hat der damalige Strafverteidiger des Klägers, Rechtsanwalt H., zunächst halbherzig bestritten, dass der Beigeladene zu 1) im Geschäft des Klägers gearbeitet habe, kurz darauf aber eingeräumt, dass der Beigeladene zu 1) dort illegal gearbeitet habe. Im von der Beklagten eingeleiteten Verwaltungsverfahren hat sich der Kläger überhaupt nicht geäußert, um dann im Klageverfahren die Tätigkeit, ja sogar die Anwesenheit des Beigeladenen zu 1) in seinem Geschäft – wiederum halbherzig ("Eine u.U. unter Verwandten geleistete Hilfe"; "Er hat ab und zu bei mir geholfen") – zu bestreiten, ohne aber positiv darzustellen, auf welche Weise er sein Geschäft betrieben haben will. Der Kläger führt vielmehr aus, es sei nicht auszuschließen, dass der angebliche Schwarzarbeiter nicht der Beigeladene zu 1), sondern sein eigener Bruder gewesen sei. Dabei müsste der Kläger doch wissen, wer in seinem Geschäft tätig gewesen ist. Während der Kläger im Nachgang zum Strafbefehl noch vortragen ließ, das Geschäft erst im Jahr 2006 übernommen zu haben, hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eingeräumt, das Geschäft "wahrscheinlich" seit 2002 betrieben zu haben.
Auch die Angaben der Zeugen R. T. und Z. T. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG sind nicht glaubhaft, sondern nach Überzeugung des Senats – in Übereinstimmung mit der Beurteilung des SG – vom Prozessziel des Klägers, seines Bruders bzw. ihres Ehemanns, geleitet. Ihren Angaben, der Beigeladene zu 1) habe nicht im Betrieb des Klägers gearbeitet, stehen im Widerspruch zum bereits erwähnten Eingeständnis des Klägers selbst durch seinen Strafverteidiger im Nachgang zum Erlass des Strafbefehls.
bb) Es unterliegt außerdem keinen Zweifeln, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Der Beigeladene zu 1) war als – überwiegend einzig anwesende – Verkaufskraft in dem Geschäft des Klägers in die Arbeitsorganisation des Betriebes des Klägers eingegliedert und diesem gegenüber weisungsgebunden. Er hatte nach seinen Weisungen Waren einzuräumen, zu kassieren und die Kunden zu bedienen. Dass er diese Tätigkeiten ausgeübt hat, ergibt sich zur Überzeugung des Senats abermals aus den überstimmenden Angaben der Frau L. und der Frau R. in ihren Zeugenvernehmungen durch das Hauptzollamt K ... Anhaltspunkte für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) liegen nicht vor und sind auch vom Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgebracht worden. Der Kläger hat zwar bestritten, dass es sich bei der in den Räumlichkeiten seines Geschäftes in der Dr.-Simons-Straße in M. um den Beigeladenen zu 1) gehandelt hat, nicht aber dass es sich bei der dort tätigen Person um einen abhängig Beschäftigen gehandelt hat.
e) Die Festsetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insoweit ist auf die dem angefochtenen Bescheid beigefügten Berechnungen zu verweisen. Auch der Kläger hat insoweit keine Einwände erhoben.
f) Schließlich hat die Beklagte auch zu Recht Säumniszuschläge für die Vergangenheit festgesetzt. Denn der Kläger hatte verschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf EUR 50,00 nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Ob der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegensteht (so BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – juris, Rn. 23) oder ob Vorsatz erforderlich ist (so BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 28), kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Kläger hat vorsätzlich gehandelt: Er hat den Beigeladenen zu 1) in seinem Betrieb beschäftigt und ihn bewusst nicht zur Sozialversicherung angemeldet, um keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen.
Die Höhe der Säumniszuschläge hat die Beklagte zutreffend berechnet. Einwände sind von der Klägerin nicht erhoben worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt; es entspricht daher der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten nicht dem Kläger aufzulegen.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für beide Rechtszüge beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei waren die gegen den Kläger festgesetzten Säumniszuschläge streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern nicht um Nebenforderungen im Sinne des § 43 GKG handelt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juni 2010 – B 2 U 4/10 R – juris, Rn. 15 ff. m.w.N.).
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 94.125,05 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG), im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, in Höhe von EUR 94.125,05 für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. März 2007 auf Grund einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger.
Der am 1968 geborene Kläger betrieb im streitigen Zeitraum unter anderem in der D.-S.-Straße in M. ein Gemüse- und Lebensmittelgeschäft. Der am 1979 geborene Beigeladene zu 1) ist ein Cousin und Schwager des Klägers; er war in Deutschland nicht zur Sozialversicherung angemeldet. Er war im März 2007 durch das Landratsamt E. zur Festnahme/Abschiebung ausgeschrieben.
Aufgrund einer anonymen Anzeige führte das Hauptzollamt K. am 19. März 2007 in den Räumlichkeiten des Geschäftes des Klägers in M. eine Prüfung gemäß § 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) durch. Die Beamten trafen dort den am 1981 geborenen Zeugen R. T., den Bruder des Klägers, an. Dieser gab an, den Chef – den Kläger – zu vertreten, der gerade abwesend sei. Außerdem befand sich der Beigeladene zu 1) in den Verkaufsräumen, der sich aus dem Geschäft entfernte und anschließend nicht mehr angetroffen werden konnte. Bis zum Eintreffen des Klägers wurden Zeugen befragt. Der Kunde T. G. gab an, dass in dem Geschäft überwiegend ein "Mucahit" arbeite. Die im Nachbargebäude arbeitende L. K. gab an, sie habe den Beigeladenen zu 1) seit ca. einem halben Jahr in dem Geschäft des Klägers gesehen. Die in der benachbarten Schlecker-Filiale arbeitende M. R. gab an, dass der Beigeladene zu 1) seit drei Jahren in dem Geschäft des Klägers arbeite. Die ebenfalls in der benachbarten Schlecker-Filiale arbeitende M. L. gab an, dass der Beigeladene zu 1) seit drei Jahren in dem Geschäft des Klägers arbeite und sie bei einer Kontrolle durch den Wirtschaftskontrolldienst am 16. März 2007 gebeten habe, den Kontrollbeamten zu sagen, dass der Chef gleich komme.
Dem Bediensteten des Landratsamtes E., Herrn S., der die Kontrolle am 16. März 2007 durchgeführt hatte, wurde in der Folgezeit vom Hauptzollamt per E-Mail ein Foto des Beigeladenen zu 1) vorgelegt; er bestätigte, dass er und ein weiterer Beamter, Herr Dr. G., den Beigeladenen zu 1) bei Kontrollen am 13. und 16. März 2007 im Geschäft des Klägers angetroffen hätten; dieser habe sich dann jeweils unauffindbar entfernt.
Am 26. März 2007 wurde einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung M., Frau G., ein Lichtbild des Beigeladenen zu 1) vorgelegt. Frau G. gab an, dass sie im Geschäft in der D ...-S.-Straße öfters eingekauft habe und den Beigeladenen zu 1) dort seit ca. Oktober 2003 öfters beim Arbeiten gesehen habe. Zuerst habe er ca. ein halbes Jahr zusammen mit R. T. im Laden bedient, anschließend sei er dort allein tätig gewesen.
In dem daraufhin von der Staatsanwaltschaft K. gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahren (93 Js 8622/08) wegen des Verdachts einer Straftat nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) wurden M. R. und M. L. durch das Hauptzollamt K. mündlich als Zeuginnen vernommen. Frau R. gab am 27. August 2008 an, seit 2004 in einer Filiale der Firma Schlecker in der D ...-S.-Str. in M. tätig zu sein. Der Beigeladene zu 1), den sie auf einem Lichtbild identifizierte, habe zumindest seit 2004 in dem benachbarten Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Der Laden sei im Dezember 2007 geschlossen worden. Der Beigeladene zu 1) sei jedoch bereits nach der Kontrolle im März 2007 dort nicht mehr aufgetaucht. Er habe dort jeden Tag von morgens bis abends gearbeitet. Er habe Waren eingeräumt, kassiert und die Kunden bedient. Er sei die meiste Zeit alleine in dem Geschäft gewesen. Frau L. gab in ihrer Zeugenvernehmung am 22. September 2008 an, seit Juli 2000 in der Filiale der Firma Schlecker in der D ...-S.-Str. in M. tätig zu sein. Der Kläger habe den Lebensmittelladen im Jahr 2002 übernommen. Seit diesem Zeitpunkt sei dort der Beigeladene zu 1), den sie auf einem Lichtbild identifizierte, regelmäßig tätig gewesen. Dieser sei jeden Tag von montags bis samstags dort gewesen und habe den Laden quasi alleine betrieben. Der Kläger sowie dessen Bruder seien nur hin und wieder gekommen, um Waren anzuliefern. Der Laden sei morgens um 8.00 Uhr geöffnet worden. Abends sei er zumindest um 18.30 Uhr noch offen gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe in dem Geschäft alles gemacht, was so angefallen sei, z.B. kassiert, die Waren eingeräumt, geputzt usw. Das Geschäft sei im Dezember 2007 geschlossen worden. Der Beigeladene zu 1) sei am Tag der Kontrolle geflüchtet und danach dort nicht mehr aufgetaucht.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft K. verhängte das Amtsgericht Ma. am 20. April 2009 einen Strafbefehl gegen den Kläger über eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tages-sätzen zu je EUR 30,00, insgesamt also in Höhe von EUR 6.300,00 (1 Cs 93 Js 8622/08). Der Strafbefehl wurde dem Kläger am 22. April 2009 zugestellt und am 7. Mai 2009 rechtskräftig. Am 6. Juli 2009 legte der Kläger Einspruch gegen den Strafbefehl ein, der vom Amtsgericht Ma. mit Beschluss vom 20. Juli 2009 verworfen wurde.
Am 28. September 2009 trug Rechtsanwalt H. für den Kläger gegenüber der Staatsanwaltschaft K. vor, dass der Strafbefehl dem Kläger "höchstwahrscheinlich nicht ordnungsgemäß zugestellt" worden sei, und beantragte die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die vernommenen Zeugen hätten zwar festgestellt, dass seit Jahren Personen in den Geschäften des Klägers anwesend gewesen seien, und behauptet, dass diese Personen dort "gearbeitet" hätten. Dies scheine jedoch nur eine Vermutung zu sein. Es handele sich – unter anderem bei dem Beigeladenen zu 1) – um Asylbewerber aus dem Familienclan des Klägers. Gehälter seien nicht bezahlt worden, sondern diese Personen sei untergebracht worden, hätten Essen und Trinken erhalten und eventuell ein kleines Taschengeld. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2009 trug Rechtsanwalt H. vor, zunächst habe der Bruder des Klägers das Geschäft geführt. Erst ca. im Juni 2006 habe der Kläger das Geschäft übernommen; zu diesem Zeitpunkt habe der Beigeladene zu 1) dort illegal gearbeitet. Der Kläger habe dem Beigeladenen zu 1) dann einen Aushilfslohn von ca. EUR 400,00 monatlich gezahlt.
Das Amtsgericht K. verwarf den Wiederaufnahmeantrag mit Beschluss vom 3. November 2009 (5 Ds 530 Js 38061/09). Die sofortige Beschwerde des Klägers wurde vom Landgericht K. mit Beschluss vom 8. Dezember 2009 verworfen (2 Qs 90/09).
Die Beklagte führte am 28. Januar 2010 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch. Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 gab die Beklagte den Kläger Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt EUR 94.125,05 an. Der Kläger äußerte sich nicht.
Mit undatiertem, dem Kläger Anfang Juli 2010 zugegangenen Bescheid setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt EUR 94.125,05 (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 32.350,00) fest. Zwischen Januar 2004 und März 2007 sei ein Arbeitnehmer – ausweislich der dem Bescheid beigefügten Berechnung der Beiträge der Beigeladene zu 1) – beschäftigt worden. Der Lohn sei in bar ausbezahlt worden. Der Arbeitnehmer sei nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden. Beiträge seien für diesen Arbeitnehmer weder ermittelt noch entrichtet worden. Der Arbeitnehmer sei in der gesetzlichen Kranken, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Die nicht entrichteten Beiträge seien nachzuzahlen. Als Bemessungsgrundlage seien die von der Ermittlungsbehörde festgestellten Beträge herangezogen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung des Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 in Verbindung mit dem diesbezüglichen Rundschreiben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 5. November 2003, weiter ausgeführt mit Schreiben des VDR vom 12. Dezember 2003, berechnet worden. Die ermittelten Lohnzahlungen hätten unter Berücksichtigung dieser Vorgaben mit Lohnsteuerklasse VI, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag auf einen Bruttolohn hochgerechnet werden müssen. Da weitere Daten des Arbeitnehmers nicht bekannt seien und die Kassenzugehörigkeit nicht habe ermittelt werden können, sei er auf Grund der letzten beiden Ziffern der Betriebsnummer der Beigeladenen zu 2) zugeordnet worden. Für die vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge seien Säumniszuschläge zu erheben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 23. Juli 2010 Widerspruch. Nachdem er eine Widerspruchsbegründung nicht vorlegte, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2011 zurück. Mangels Widerspruchsbegründung habe eine Überprüfung des Bescheides nur nach Aktenlage vorgenommen werden können. Hierbei hätten sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. November 2011 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage (zunächst S 12 R 4873/11, später S 12 R 1731/14). Er bestreite, den Beigeladenen zu 1) zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 19. März 2007 unangemeldet beschäftigt zu haben. Hilfsweise bestreite er, dass ihm vorsätzliches Handeln anzulasten sei. Die Beklagte habe ihre Nachforderung auf Grundlage von Zeugenaussagen gestützt, ohne jedoch den Beigeladenen zu 1) gehört zu haben. Es erschließe sich nicht, wie die Eingrenzung des angeblichen Tatzeitraums von der Beklagten ermittelt worden sei. Die in der Akte befindlichen Zeugen könnten subjektive Eindrücke wiedergeben, seien jedoch nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in dem genannten Zeitraum vorgelegen habe. Er habe keine Arbeiter schwarz und unangemeldet beschäftigt. Die festgestellte Anwesenheit des angeblich schwarz Beschäftigten in dem Gemüseladen seiner Verwandtschaft sei nicht hinreichend substantiiert genug, damit eine Schwarzbeschäftigung angenommen werden könne. Eine unter Umständen unter Verwandten geleistete Hilfe könne ebenso wenig als Schwarzbeschäftigung angesehen werden, da eine Beschäftigung den Einsatz der Arbeitskraft gegen Entlohnung voraussetze. Der Beigeladene zu 1) habe sich erst seit Anfang/Mitte des Jahres 2006 überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der angebliche Schwarzarbeiter nicht der Beigeladene zu 1), sondern sein – des Klägers – Bruder gewesen sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Im Ermittlungsverfahren des Hauptzollamtes Karlsruhe hätten drei Zeugen bestätigt, dass der Beigeladene zu 1) im Betrieb des Klägers regelmäßig gearbeitet habe.
Die durch Beschluss des SG vom 7. November 2013 Beigeladenen zu 1) bis 3) äußerten sich nicht.
Das SG hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2015 an und vernahm die Zeugin R. (geb. L.), den Zeugen R. T. sowie die Zeugin Z. T., die Ehefrau des Klägers. Zu den Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Sitzung Bezug genommen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27. Mai 2015 ab. Es habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. März 2007 den Beigeladenen zu 1) in seinem Lebensmittelgeschäft in M. beschäftigt habe, ohne ihn ordnungsgemäß bei der zuständigen Einzugsstelle angemeldet zu haben. Hierfür sprächen zunächst die in der beigezogenen Ermittlungsakte des Hauptzollamtes K. dokumentierten Ermittlungen, insbesondere die vorgefundene Situation bei der Außenprüfung am 19. März 2007, die Aussagen der Zeuginnen R. und L. (nach Heirat R.) sowie die Korrespondenz des damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H. mit dem Amtsgericht Ma. im Rahmen des Strafverfahrens. Bei der Außenprüfung sei neben dem Zeugen R. T. eine weitere Person im Laden angetroffen worden. Die unmittelbar am Tag der Prüfung befragten Zeuginnen L. und R. hätten bestätigt, dass es sich bei dieser Person um den Beigeladenen zu 1) gehandelt habe und dass dieser schon seit mindestens drei Jahren in dem Geschäft arbeiten würde. Das Ergebnis der unmittelbar am Tag der Prüfung vorgenommenen Befragung der Zeuginnen sei durch die Einvernehmung im Strafverfahren bestätigt worden. Darüber hinaus lasse sich die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) in dem Geschäft tatsächlich beschäftigt gewesen sei, auch dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H. vom 1. Oktober 2009 entnehmen. Dieser habe ausgeführt, dass der Kläger das Geschäft erst im Juni 2006 übernommen habe. Der Beigeladene zu 1) habe damals illegal im Geschäft des R. T. gearbeitet. Als R. das Geschäft an den Kläger im Juni 2006 übergeben habe, habe der Beigeladene zu 1) weiterhin in diesem Geschäft gearbeitet. Für eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum spreche aber insbesondere die Aussage der Zeugin R. in der mündlichen Verhandlung. Diese habe bestätigt, dass der Beigeladene zu 1) im Geschäft des Klägers gearbeitet habe. Sie habe ihn anhand des in der Ermittlungsakte des Hauptzollamtes befindlichen Lichtbildes als den Beigeladenen zu 1) identifiziert. Den Aussagen des Zeugen R. T. und der Zeugin Z. T. hinsichtlich der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in dem Geschäft des Klägers schenke die Kammer keinen Glauben. Die Berechnung der Höhe des danach erhobenen Beiträge sei nicht zu beanstanden, entsprechendes sei auch von dem Kläger nicht vorgetragen worden.
Gegen das ihm am 8. Juni 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Juli 2015 Berufung eingelegt. Das SG stütze sein Urteil lediglich auf die Aussage einer Zeugin, die nicht in der Lage sei, den streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen einer Zeugenaussage zu bestätigen. Hierbei handelt es sich um spekulativ einseitig belastende Aussagen einer Zeugin, jedoch seien entlastende Beweisangebote nicht gehört und gewürdigt worden. Der Beigeladene zu 1) habe sich überhaupt erst seit dem Jahr 2006 in Deutschland aufgehalten. Es sei offenbar zu einer Verwechslung mit seinem Bruder gekommen. Der Beigeladene zu 1) habe keine ausreichenden Deutschkenntnisse. Dies wiederlege die Aussage der Zeugin R., dieser habe sie angeblich bedient und mit ihr Gespräche geführt. Zeugin R habe sich eindeutig widersprochen, wenn sie zunächst angegeben habe, dass der Beigeladene zu 1) angeblich seit 2002 in seinem Geschäft gearbeitet habe und sie ihn dort beobachtet haben wolle, wenn sie erst seit Februar 2004 in der Schlecker-Filiale gearbeitet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2015 sowie den undatierten Bescheid der Beklagten von Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Akte des Amtsgerichts Ma. im Verfahren 1 Cs 93 Js 8622/08 Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Beklagten einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, weil der Beigeladene zu 1) angehört werden müsste. Zu der mündlichen Verhandlung des SG erschien der Beigeladene zu 1) trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der derzeit in der Türkei wohnhafte Beigeladene zu 1) bei einer Ladung durch den Senat auch bei Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu einem Termin, in welchem er angehört werden könnte, erscheinen wird.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, denn die Klage betrifft einen auf eine Geldleistung von mehr als EUR 750,00 gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der undatierte Bescheid der Beklagten aus dem Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2011 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt EUR 94.125,05 festgesetzt. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beigeladene zu 1) zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. März 2007 bei dem Kläger abhängig beschäftigt war.
a) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers (hier des Beigeladenen zu 1)) als Drittbetroffene einzugreifen. Die Beklagte darf den an den Arbeitgeber gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen mit dem Hinweis, dass dieser berechtigt sei, Rechtsbehelfe einzulegen, bekanntgeben (Urteil des Senats vom 23. Januar 2015 – L 4 R 916/12 – m.w.N., nicht veröffentlicht).
b) Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem bis zum 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz (LFzG) bzw. nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.
c) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
d) Zur Überzeugung des Senat steht fest, dass der Beigeladene zu 1) zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. März 2007 für den Kläger in dessen Betrieb in M. tätig war (dazu unter aa)) und dass es sich dabei um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat (dazu unter bb)).
aa) Dass es sich bei dem Beigeladenen zu 1) um die Person gehandelt hat, die im Geschäft des Klägers tätig war, ergibt sich insbesondere aus den vorliegenden Aussagen der Frau L. und der Frau R ... Beide haben übereinstimmend gegenüber dem Hauptzollamt Karlsruhe angegeben (zur Zulässigkeit der Verwertung von Zeugenaussagen aus Ermittlungsakten im Wege des Urkundenbeweises: z.B. BSG, Beschluss vom 13. August 2015 – B 9 V 13/15 B – juris Rn. 11; BSG, Beschluss vom 2. April 2014 – B 6 KA 58/13 B – juris Rn. 17), dass der Beigeladene zu 1) jedenfalls seit 2004 in dem Geschäft des Klägers tätig war, dort unter anderem die Waren eingeräumt, Kunden bedient und kassiert habe. Die beiden Frauen haben diese Angaben bereits bei der Außenprüfung am 19. März 2007 gemacht und am 27. August bzw. 22. September 2008 jeweils nach Vorlage eines Lichtbildes des Beigeladenen zu 1) bestätigt, die Zeugin L. (verheiratete R.) erneut in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nach nochmaliger Vorlage eines Lichtbildes des Beigeladenen zu 1) und dem ausdrücklichen Vorhalt, ob sie nicht von dem beim SG anwesenden Bruder des Kläger bedient worden sei; sie hat letztes ausdrücklich verneint. Anlass zu Zweifeln an der Validität dieser Angaben bestehen nicht. Dass es sich bei dem in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Lichtbild, das den zuvor genannten Zeuginnen jeweils vorgelegt wurde, um den Beigeladenen zu 1) handelt, bestätigten auch der Kläger und seine vom SG als Zeugin gehörte Ehefrau.
Auch der bei der Außenprüfung am 19. März 2007 anwesende und befragte Kunde G. gab an, dass im Geschäft ein "Mucahit" arbeitet; hierbei handelt es sich um den Vornamen des Beigeladenen zu 1). Weiter haben die Bediensteten des Landkreises E. bzw. der Stadtverwaltung M., Herr S. und Frau G., nach Vorlage des entsprechenden Lichtbildes bestätigt, den Beigeladenen zu 1) im Geschäft des Kläger angetroffen zu haben. Herr S. hat dies bestätigt für die von ihm am 13. und am 16. März 2007 durchgeführten Kontrollen, Frau G. für verschiedene eigenen Einkäufe in diesem Geschäft.
Der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, Frau R. würde sich widersprechen, wenn sie einerseits ausgesagt habe, dass der Beigeladenen zu 1) seit 2002 in seinem Geschäft gearbeitet habe, aber andererseits angebe, erst seit Februar 2004 in der benachbarten Schlecker-Filiale gearbeitet zu haben, geht ins Leere. Frau R. hat in ihrer Vernehmung beim Hauptzollamt Karlsruhe am 27. August 2008 ausgesagt, seit Februar 2004 in der Schlecker-Filiale gearbeitet zu haben und dass der Beigeladene zu 1) jedenfalls seitdem im Geschäft des Klägers gearbeitet habe. Die Angabe des Jahres "2002" stammt hingegen aus der Vernehmung der Frau L., die selbst bereits seit Juli 2000 in der benachbarten Schlecker-Filiale gearbeitet hat.
Soweit der Kläger teilweise eine Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bestritten hat, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um vom Prozessziel geleitete Schutzbehauptungen. Das Gleiche gilt für die zwischenzeitliche Angabe, den Beigeladenen zu 1) mit EUR 400,00 monatlich entlohnt zu haben, für die Behauptungen, der Beigeladene zu 1) habe sich erst seit Anfang/Mitte des Jahres 2006 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und verfüge über keine ausreichenden Deutschkenntnisse, und für die ohne jeden Beleg gebliebene zwischenzeitliche Behauptung, sein Bruder sei bis ca. Juni 2006 Inhaber des Geschäftes gewesen. Gegen eine Glaubhaftigkeit des Klägers sprechen nicht zuletzt seine widersprüchlichen Angaben und das letztlich bloß diffuse, offenbar routinemäßige Beschreiten einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Während der Bemühungen, gegen den bereits rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vorzugehen, hat der damalige Strafverteidiger des Klägers, Rechtsanwalt H., zunächst halbherzig bestritten, dass der Beigeladene zu 1) im Geschäft des Klägers gearbeitet habe, kurz darauf aber eingeräumt, dass der Beigeladene zu 1) dort illegal gearbeitet habe. Im von der Beklagten eingeleiteten Verwaltungsverfahren hat sich der Kläger überhaupt nicht geäußert, um dann im Klageverfahren die Tätigkeit, ja sogar die Anwesenheit des Beigeladenen zu 1) in seinem Geschäft – wiederum halbherzig ("Eine u.U. unter Verwandten geleistete Hilfe"; "Er hat ab und zu bei mir geholfen") – zu bestreiten, ohne aber positiv darzustellen, auf welche Weise er sein Geschäft betrieben haben will. Der Kläger führt vielmehr aus, es sei nicht auszuschließen, dass der angebliche Schwarzarbeiter nicht der Beigeladene zu 1), sondern sein eigener Bruder gewesen sei. Dabei müsste der Kläger doch wissen, wer in seinem Geschäft tätig gewesen ist. Während der Kläger im Nachgang zum Strafbefehl noch vortragen ließ, das Geschäft erst im Jahr 2006 übernommen zu haben, hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eingeräumt, das Geschäft "wahrscheinlich" seit 2002 betrieben zu haben.
Auch die Angaben der Zeugen R. T. und Z. T. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG sind nicht glaubhaft, sondern nach Überzeugung des Senats – in Übereinstimmung mit der Beurteilung des SG – vom Prozessziel des Klägers, seines Bruders bzw. ihres Ehemanns, geleitet. Ihren Angaben, der Beigeladene zu 1) habe nicht im Betrieb des Klägers gearbeitet, stehen im Widerspruch zum bereits erwähnten Eingeständnis des Klägers selbst durch seinen Strafverteidiger im Nachgang zum Erlass des Strafbefehls.
bb) Es unterliegt außerdem keinen Zweifeln, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Der Beigeladene zu 1) war als – überwiegend einzig anwesende – Verkaufskraft in dem Geschäft des Klägers in die Arbeitsorganisation des Betriebes des Klägers eingegliedert und diesem gegenüber weisungsgebunden. Er hatte nach seinen Weisungen Waren einzuräumen, zu kassieren und die Kunden zu bedienen. Dass er diese Tätigkeiten ausgeübt hat, ergibt sich zur Überzeugung des Senats abermals aus den überstimmenden Angaben der Frau L. und der Frau R. in ihren Zeugenvernehmungen durch das Hauptzollamt K ... Anhaltspunkte für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) liegen nicht vor und sind auch vom Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgebracht worden. Der Kläger hat zwar bestritten, dass es sich bei der in den Räumlichkeiten seines Geschäftes in der Dr.-Simons-Straße in M. um den Beigeladenen zu 1) gehandelt hat, nicht aber dass es sich bei der dort tätigen Person um einen abhängig Beschäftigen gehandelt hat.
e) Die Festsetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insoweit ist auf die dem angefochtenen Bescheid beigefügten Berechnungen zu verweisen. Auch der Kläger hat insoweit keine Einwände erhoben.
f) Schließlich hat die Beklagte auch zu Recht Säumniszuschläge für die Vergangenheit festgesetzt. Denn der Kläger hatte verschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf EUR 50,00 nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Ob der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegensteht (so BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – juris, Rn. 23) oder ob Vorsatz erforderlich ist (so BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris, Rn. 28), kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Kläger hat vorsätzlich gehandelt: Er hat den Beigeladenen zu 1) in seinem Betrieb beschäftigt und ihn bewusst nicht zur Sozialversicherung angemeldet, um keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen.
Die Höhe der Säumniszuschläge hat die Beklagte zutreffend berechnet. Einwände sind von der Klägerin nicht erhoben worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt; es entspricht daher der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten nicht dem Kläger aufzulegen.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für beide Rechtszüge beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei waren die gegen den Kläger festgesetzten Säumniszuschläge streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern nicht um Nebenforderungen im Sinne des § 43 GKG handelt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juni 2010 – B 2 U 4/10 R – juris, Rn. 15 ff. m.w.N.).
Rechtskraft
Aus
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