L 5 KR 3946/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3584/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3946/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.08.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (noch) um die Kostenerstattung für die im Zeitraum vom 13.05.2014 bis zum 14.05.2014 durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung mit Blasensteinentfernung in der Klinik für Prostatatherapie in H. i. H. v. 3.583,38 EUR.

Der 1941 geborene Kläger litt seit längerem unter Harnverhalt und Prostatavergrößerung. In Folge dieser Beschwerden trug er ab dem 01.03.2014 einen Blasenkatheter.

Unter dem 22.04.2014 beantragte der Kläger schriftlich bei der Beklagten, bei der er gesetzlich krankenversichert ist, die Übernahme der Kosten für eine sogenannten Greenlight-PVP-Laser Prostatatherapie unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Klinik für Prostatatherapie, einer nicht zur vertragsärztlichen nach § 108 Sozialgesetzbuch (SGB) V zugelassenen Privatklinik, i. H. v. ca. 6.400,00 EUR.

Bereits am 13.05.2014 begab sich der Kläger zur stationären Behandlung in die genannte Klinik. Im Rahmen der Zystoskopie wurden allerdings Blasensteine gefunden, weshalb diese zunächst entfernt und die geplante Prostata-Laser-Behandlung zurückgestellt wurde. Die Entlassung erfolgte am 14.05.2014 (Entlassungsbericht der Urologischen Privatpraxis Dr. D./Dr. L. vom 14.05.2014). Nachdem sich die Beschwerden jedoch trotz Entfernung der Blasensteine nicht besserten, wurde schließlich vom 24.06. bis 25.06.2014 die Prostata-Behandlung wie geplant durchgeführt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15.05.2014 die Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung mit der Begründung ab, dass es sich bei der Klinik für Prostatatherapie nicht um ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des SGB V handele.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 26.05.2014 Widerspruch mit der Begründung, dass bei dem Eingriff zur Prostatabehandlung Blasensteine gefunden und entfernt worden seien. Die Entfernung der Blasensteine sei eine Operation, die jede Krankenkasse bezahle. Auch wären diese in den zugelassenen Krankenhäusern und von den behandelnden Ärzten, in denen bzw. von denen er sich zuvor habe behandeln lassen, nicht entdeckt worden. Weiterhin begehre er die Übernahme der im Juni stattfindenden Prostata-Behandlung. Der Kläger legte insoweit nachgehend Rechnungen und Zahlungsnachweise für die Entfernung der Blasensteine i. H. v. 3.583,38 EUR und die Prostata-Behandlung i. H. v. 6.525,52 EUR, mithin insgesamt 10.108,90 EUR vor und reichte eine Stellungnahme des Dr. D. vom 25.07.2014 ein.

Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 30.06.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2014 mit der Begründung zurück, dass die Klinik nicht zugelassen sei und daher weder Steinentfernung noch Prostata-Behandlung zu übernehmen seien. Zur Behandlung hätten auch zur Vertragsbehandlung zugelassene Klinken zur Verfügung gestanden. Zudem sei die Prostata-Behandlung mittels Laser eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die nach § 135 Abs. 1 SGB V nicht zu übernehmen sei. Die Beschlussfassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss sei ausgesetzt.

Gegen den Widerspruchsbescheid richtete sich die vom Kläger am 21.10.2014 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Entfernung der Blasensteine zu übernehmen sei, da vorliegend ein Systemversagen anzunehmen sei. Es sei von den Behandlern übersehen worden, dass er unter Blasensteinen gelitten habe. Die Methode der Prostata-Behandlung sei effektiver und risikoloser, weswegen diese Kosten ebenfalls zu übernehmen seien.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend wies sie darauf hin, dass sich der Kläger die Leistung besorgt habe, ohne ihre - der Beklagten - Entscheidung abzuwarten. Im Hinblick auf den zweiten Aufenthalt habe kein Notfall vorgelegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.08.2015 wies das SG die Klage ab. Die Übernahme der Kosten einer Blasensteinentfernung i. H. v. 3.583,38 EUR scheitere bereits daran, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei. Der Kläger habe erst nach Durchführung der Entfernung der Blasensteine einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten gestellt, sodass es an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung fehle. Die Entfernung der Blasensteine sei - angesichts fehlender akuter Beschwerden - auch nicht unaufschiebbar gewesen. Selbst bei Einhaltung des Beschaffungsweges hätte der Kläger im Übrigen keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Entfernung der Blasensteine, da er nach §§ 39 Abs. 1 Satz 2 und 108 SGB V nur Anspruch auf Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus habe, nicht aber in einer Privatklinik. Gleiches gelte auch für die zweite stationäre Behandlung der Prostata mit dem Greenlight-Laser-Verfahren. Auf die Frage, ob ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB V vorgelegen habe, komme es damit nicht an. Selbst wenn die Voraussetzungen vorlägen, würde die Annahme eines Notfalles einem Erstattungsanspruch entgegenstehen.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten am 04.09.2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 17.09.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung. Mit dieser begehrt der Kläger nur noch die Kostenerstattung hinsichtlich der in der Klinik für Prostatatherapie vom 13.05.2014 bis zum 14.05.2014 durchgeführten stationären Krankenhausbehandlung mit Blasensteinentfernung i. H. v. 3.583,38 EUR. Er habe bereits im März 2014 wegen akuten Harnverhaltes eine dringende Katheterverordnung erhalten. Insgesamt sei er vor dieser Operation 13 mal katheterisiert worden. Keiner der behandelnden Kassenärzte habe vor der Operation die Blasensteine erkannt. Der (erste) Eingriff in der Klinik für Prostatatherapie am 13.05.2014 sei daher eigentlich für die Prostataoperation vorgesehen gewesen. Bei diesem Eingriff hätten sich jedoch multiple Blasensteine gezeigt. Es habe daher die Möglichkeit bestanden, dass sich seine gravierenden Beschwerden durch die Entfernung der Blasensteine verbessern würden. In der weiteren Folge habe sich dies dann allerdings leider nicht realisiert, sodass sich anschließend die Prostataoperation ca. sechs Wochen später nicht vermeiden habe lassen. Daher sei vorliegend von einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB V auszugehen. Es läge ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor. Es wäre ihm nicht zumutbar gewesen, dass man die Operation abbricht, ihn wieder zunäht und wegen der nach wie vor medizinisch notwendigen Entfernung der massiv vorhandenen Blasensteine wieder in einer Vertragsklinik "öffne". Insoweit dürfte auch wertend von Belang sein, dass ungeachtet der Nichterforderlichkeit etwaigen Verschuldens eine Mehrzahl der dem Leistungsbereich der Beklagten zuzuordnender Vertragsärzte im zeitlich unmittelbaren Vorfeld trotz sonographischer Untersuchungen und sonstiger Anamnesemethoden nicht in der Lage gewesen seien, den zur Operation nötigenden Blasensteinbefund zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.08.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2014 insoweit aufzuheben, als die Erstattung der Behandlungskosten in der Klinik für Prostatatherapie zur Entfernung der Blasensteine i. H. v. 3.583,38 EUR abgelehnt wurde und die Beklagte zur Zahlung von 3.583,38 EUR zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung weist sie darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht gegeben seien. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V seien nicht gegeben, da es an einem Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenentstehung fehle. Der Kläger habe am 22.04.2014 einen Antrag auf Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung in der Klinik für Prostatatherapie in H. gestellt. Die Entscheidung über diesen Antrag sei jedoch nicht abgewartet worden. Vielmehr habe sich der Kläger bereits am 13.05.2014 auf eigene Kosten in die Klinik begeben. Hinzukomme, dass es sich bei dem stationären Aufenthalt vom 13.05.2014 bis zum 14.05.2014 um eine geplante Behandlung gehandelt habe. Daher seien auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V nicht gegeben. Des Weiteren wären aber auch bei einer notfallmäßigen Behandlung eines gesetzlich Krankenversicherten private Krankenhäuser im vertragsärztlichen System abrechnungsbefugt und dürften den Patienten daher nicht mit der Kostenrechnung belasten. Schließlich sei auch nicht von einem Systemversagen auszugehen. Eine Blasensteinentfernung hätte auch in einer zur Vertragsbehandlung zugelassenen Klinik erfolgen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Sozialgerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750,00 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von 3.583,38 EUR überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch sonst gem. § 151 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Streitgegenstand ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Kläger für die Entfernung der Blasensteine in der Klinik für Prostatatherapie in der Zeit vom 13.05. bis 14.05.2014 i. H. v. 3.583,38 EUR entstanden sind. Im Hinblick auf die ausdrückliche Begrenzung der Berufung ist die Kostenerstattung für die Greenlight-Laser-Prostataoperation im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich.

Ein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten zur Entfernung der Blasensteine in der Zeit vom 13.05. bis 14.05.2014 in der Klinik für Prostatatherapie i. H. v. 3.583,38 EUR besteht jedoch nicht.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist, nachdem der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung gewählt hat, § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V.

Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Fall 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).

Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 26.02.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen "Formalismus" in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur "formal" abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.

Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG (Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).

Davon ausgehend steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten in der Klinik für Prostatatherapie zur Entfernung der Blasensteine in der Zeit vom 13.05. bis 14.05.2014 nicht zu. Das SG hat die hierauf gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

Im Hinblick auf den Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V hat der Kläger den vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten. Vor der Durchführung der Operation zur Entfernung der Blasensteine hat der Kläger den entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme nicht gestellt. Dementsprechend hat die Beklagte den Antrag auch nicht abgewiesen, weshalb es am Kausalzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung der Maßnahme fehlt. Auch das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Zu Beginn der streitgegenständlichen Operation bestand keine unaufschiebbare Notwendigkeit zur Durchführung der Blasensteinoperation. Dies wird vom Kläger auch nicht behauptet. Dieser stellt lediglich darauf ab, dass nach Öffnung des Körpers es nicht mehr zumutbar gewesen sei, die Behandlung abzubrechen. Hierauf kann jedoch nicht abgestellt werden, da entscheidungserheblicher Zeitpunkt der Beginn der Operation ist.

Selbst wenn man freilich dem Vortrag des Klägers folgen würde, ergibt sich kein Anspruch auf Kostenerstattung. Denn es fehlt schon an der - den (besonderen) Voraussetzungen der beiden Erstattungstatbestände des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorausgehenden - (allgemeinen) Voraussetzung der Zugehörigkeit der selbst beschafften Leistung zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst zwar auch die Krankenhausbehandlung gem. § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V. Gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung aber nur in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Ein Behandlungsanspruch besteht daher nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur in einem zugelassenen Krankenhaus. Um ein solches handelt es sich in der Klinik für Prostatatherapie in H. nicht.

Soweit der Klägervertreter im vorliegenden Fall auf § 76 Abs. 1 SGB V abstellt und im Hinblick auf die bereits begonnene Operation einen Notfall annimmt, kann sich auch hieraus kein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung ergeben. Zutreffend hat insoweit das SG darauf hingewiesen, dass dieser einen Anspruch auf Kostenerstattung nicht geriert, sondern vielmehr eine Notfallbehandlung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung einordnet. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Krankenkasse wird durch das Vorliegen einer Notfallbehandlung daher nicht begründet, sondern verneint (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris). Die Notfallbehandlung schließt die Kostenerstattung aus.

Schließlich sind auch nicht die Voraussetzungen eines Systemversagens gegeben. Von der Existenz einer Versorgungslücke kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine im Rahmen des vertragsärztlichen Leistungssystems nicht behandelbare Erkrankung vorliegt, die allerdings privatärztlich mit hinreichender Erfolgsaussicht behandelbar ist. Die Feststellung, ob eine Versorgungslücke gegeben ist, obliegt nicht dem Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über den rechtlichen Rahmen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Information in der Regel zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann (BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -, in juris).

Allein das Nichterkennen der Blasensteine durch die den Kläger behandelnden Ärzte führt zur Überzeugung des Senats nicht zu einem Systemversagen. Die Entfernung der Blasensteine hätte ohne Weiteres in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgen können. Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm das Aufsuchen eines Vertragskrankenhauses nach Öffnung des Körpers in der Privatklinik nicht zumutbar ist, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Klägers selbst in eine Privatklinik begeben und somit das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenkasse verlassen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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