L 13 AL 3442/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 147/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3442/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 93 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) hat.

Der 1981 geborene Kläger hat keinen Ausbildungsberuf erlernt und hat zuletzt von Juli 2010 bis 31. März 2012 als angelernter Polsterer gearbeitet. Zuvor war er als Produktionsmitarbeiter, Paketzusteller und Qualitätsprüfer beschäftigt. Am 5. März 2012 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihm ab 1. April 2012 für 360 Tage Arbeitslosengeld. Am 12. April 2012 schloss der Kläger mit der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung ab, in der als Ziel die Arbeitsaufnahme in Vollzeit als Qualitätskontrolleur oder gewerblicher Helfer im Umkreis von 25 km bzw. alternative Stellensuche als Polsterer, Helfer im Lager-, Metall- oder Kunststoffbereich vereinbart wurde und die Beklagte sich u.a. verpflichtete, dem Kläger passende Stellenangebote zuzuschicken. Im April 2012 erhielt der Kläger von der Beklagten drei Vermittlungsvorschläge und im Juni 2012 einen Vermittlungsvorschlag. Am 17. Juli 2012 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und gab an, er werde am 1. August eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit als Kurierdienst für kleine Transporte in Heilbronn aufnehmen und für diese Tätigkeit 40 Wochenstunden aufwenden. Er legte die Gewerbeanmeldung zum 1. August 2012 und eine fachkundige Stellungnahme der EURO-Unternehmensberatung M.-B. vom 25. Juli 2012 zur bestätigten Tragfähigkeit der Existenzgründung sowie einen Businessplan vor. Die zuständige Arbeitsberaterin Hentschel hat hierzu in ihrem Vermerk über den Kundenkontakt am 18. September 2012 ausgeführt, für den Kläger sei aufgrund seines Werdegangs und seiner Fähigkeiten zeitnah eine dauerhafte Integration in einen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens sechs Monaten Dauer möglich. Maßgeblich für diese Einschätzung sei eine Suche in den Berufen Qualitätskontrolle, Helfer, Lager, Polsterer im Umkreis von 25 Kilometern um den Wohnort. Die dabei gefundenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsmöglichkeiten seien zumutbar. Beigefügt waren verschiedene Stellenangebote als Lagerhelfer/in, Lager- und Produktionshelfer/in sowie ein Auszug aus der Umkreissuche nach Stellenangeboten.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil zeitnah eine dauerhafte Integration des Klägers in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens sechs Monaten Dauer möglich sei. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch brachte der Kläger vor, er habe bis 31. März 2012 aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Polsterer gearbeitet. Das Arbeitsverhältnis sei nicht verlängert worden, weil bei der Arbeitgeberin Arbeitsplätze hätten abgebaut werden müssen. Er sei dann arbeitslos gewesen und in der gesamten Zeit sei ihm nie ein Arbeitsverhältnis angetragen worden. Umso mehr sei er durch den Ablehnungsbescheid überrascht worden. Ein zumutbares sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sei weder vor noch in der Antragsphase ein Thema gewesen. Er erfülle auch die übrigen Förderungsvoraussetzungen, wie noch mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld etc ... Die Beklagte zog daraufhin zwei Beratungsvermerke über einen telefonischen Kontakt mit dem Kläger am 2. Juli 2012 und einen persönlichen Kontakt am 17. Juli 2012 bei, in denen die vom Kläger beabsichtigte Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit thematisiert wurde und holte eine Stellungnahme der Teamleiterin R. ein. Diese teilte mit, der Kläger habe im Gespräch klar geäußert, dass er sich auf die Selbständigkeit konzentriere und er die Gründung auch ohne finanzielle Unterstützung seitens der Beklagten umsetzen werde. Daher seien ihm keine weiteren Vermittlungsvorschläge zugesandt worden, obwohl diese zur Verfügung gestanden hätten. Man habe mögliche Arbeitgeber nicht verärgern wollen, weil sich der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit nicht beworben hätte. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger erfülle zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 SGB III. Im Rahmen der Ermessensausübung sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Vermittlung in Arbeit grundsätzlich Vorrang vor der Gewährung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung habe. Auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Der Vortrag des Klägers, ihm sei während der Zeit der Arbeitslosigkeit nie ein Stellenangebot unterbreitet worden, treffe nicht zu. Ihm seien am 12. April 2012 3 Stellenangebote und am 15. Juni 2012 ein weiteres Stellenangebot unterbreitet worden. Als der Kläger aber deutlich zu erkennen gegeben habe, dass er sich hauptsächlich auf seine Selbständigkeit konzentriere und diese jedenfalls auch ohne die Unterstützung der Beklagten beginnen werde, habe die Beklagte die aktive Unterbreitung von Stellenangeboten eingestellt. Das persönliche Interesse des Klägers an einer Förderung müsse nach alldem hinter den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Verwendung der Beitragsmittel zurückstehen. Dagegen hat der Kläger am 9. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Es liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da der Ablehnungsbescheid die Ablehnungsgründe nicht hinreichend nachvollziehbar erkennen lasse. Der Hinweis auf die Haushaltslage, welche laut Ablehnungsbescheid vom 4. Oktober 2012 bei Antragstellung am 15. Juli 2012 vorgelegen habe, könne kein Ablehnungsgrund sein. Im Jahr 2012 sei ein Gründungszuschuss in Höhe von 1.000.000.000 EUR im Bereich des Alg I für 12 Monate bereitgestellt worden, welcher kurz nach dem ersten Halbjahr noch nicht habe aufgebraucht sein können. Zudem habe er den Antrag schon deutlich früher gestellt. Die Ablehnungsgründe hätten sich auch mit seiner individuellen Situation nicht hinreichend beschäftigt. Es sei unzutreffend, dass ihm am 12. April und am 15. Juni 2012 weitere Arbeitsplatzangebote gemacht worden seien. Er habe seit seiner Arbeitslosigkeit kein Arbeitsplatzangebot erhalten. Hierzu hat er im weiteren Verlauf klargestellt, die potentiellen 30 Arbeitsangebote, die sich in der Akte der Beklagten befänden, seien ihm nicht übermittelt worden. Zudem handele es sich dabei um Zeitarbeitsfirmen, bei denen die Zumutbarkeitsgrenzen des § 121 SGB III nicht erfüllt gewesen seien. Gleiches gelte für die anderen Angebote als Raumausstatter etc., für die er nicht ausreichend qualifiziert gewesen sei. Er sei nur angelernter Polsterer und habe am Band gearbeitet. Bei der Firma S. u. Partner, der Firma Formel D und der Autosattlerei L. habe er sich vorgestellt, diese hätten ihn aber nicht eingestellt. Die Firma E. S. habe ihm nichts gesagt. Für etwa 6,50 EUR je Stunde hätte er nicht gearbeitet. In der Zeit vom 5. Juli 2012 bis 25. Juli 2012 sei er arbeitsunfähig und vom 6. Juli 2012 bis 8. Juli 2012 stationär wegen einer Nasen-OP in Behandlung gewesen. Er habe sich bei der Firma L. in Bietigheim schriftlich beworben, welche wie seine letzte Arbeitgeberin, die Firma F. S. in Serienfertigung herstelle. Er habe aber eine Absage erhalten. Wenn er wieder ab ca. 1.700 netto verdient hätte, wie bei seiner letzten Arbeitgeberin, hätte er sicherlich wieder abhängig beschäftigt weitergearbeitet, ohne sich dem Abenteuer der Selbständigkeit hinzugeben. Eine andere adäquate Vermittlungsmöglichkeit habe deshalb nicht bestanden. Er habe sich zum 1. August 2012 als Subunternehmer beim D.P. im Vertrauen auf den Gründungszuschuss selbständig gemacht, insbesondere da er vom damaligen Sachbearbeiter positive Förderungssignale und keinen Hinweis auf bereits ausgeschöpfte Förderungsmittel erhalten habe. Es könne keine Rede davon sein, dass er sich auf jeden Fall unabhängig von der Förderung habe selbständig machen wollen. Allerdings habe die Zeit gedrängt. Er habe einen Vertrag mit dem Hauptunternehmer etwa Ende Juli 2012 im Vertrauen auf die Förderung unterschrieben und der Beginn der Selbständigkeit sei dann bereits am 1. August 2012 gewesen. Seit 1. März 2013 sei er direkt bei der D. P. als Subunternehmer angestellt. Die Beklagte ist bei ihrer Rechtsauffassung geblieben und hat daran festgehalten, dass der Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung jedenfalls Vorrang zugekommen sei. Der Kläger habe über keine abgeschlossene Ausbildung verfügt und sei aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten sowie entsprechend seiner Lebens- und Berufserfahrung für eine Vielzahl von Tätigkeiten in unterschiedlichsten Branchen in Betracht gekommen. Dementsprechend sei in die Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2012 eine Arbeitsaufnahme als Qualitätskontrolleur oder gewerblicher Helfer vereinbart worden. Dem Kläger sei im Hinblick auf den Umstand, dass er noch keinen Ausbildungsabschluss nachweisen konnte, auch eine Förderung der sog. Externenprüfung als Polsterer oder im Lagerbereich angeboten worden. Es sei mehr als nachvollziehbar, dass der Kläger, wenn er nicht die Selbständigkeit bevorzugt hätte, zeitnah eine versicherungspflichtige Beschäftigung hätte aufnehmen können. Der Kläger wohne im Stadtgebiet Heilbronn und könne daher eine Vielzahl von Arbeitsstellen in kurzer Zeit erreichen. Er hätte sich mit Sicherheit auch um Arbeitsstellen bemühen können, die nicht von Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen angeboten würden. Es sei in keiner Weise zu erkennen, dass der Kläger selbst Anstrengungen unternommen habe, eine versicherungspflichtige Beschäftigung zu erhalten. Mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten, keinen Gründungszuschuss zu gewähren, sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Gewährung des Gründungszuschusses gemäß § 93 SGB III stehe im Ermessen der Beklagten. Der Kläger habe deshalb nur einen Anspruch darauf, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I pflichtgemäß ausübe. Das Gericht sei darauf beschränkt, die Entscheidung der Beklagten dahingehend zu überprüfen, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten seien bzw. ob die Entscheidung der Behörde ermessensfehlerhaft sei. Die Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden, da sie jedenfalls im Widerspruchsverfahren Ermessen ausgeübt habe und auch keine Ermessensfehler der Beklagten festzustellen seien.

Gegen den ihm am 6. Juli 2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 6. August 2015 erhobene Berufung des Klägers. Er sei ab 31. März 2012 arbeitslos gewesen. Zu einer erfolgreichen Vermittlung sei es bis zur Aufnahme der Selbständigkeit am 1. August 2012 nicht gekommen, so dass er seine Hoffnungen in die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gesetzt habe. Hierbei sei er zwingend auf den Gründungszuschuss angewiesen gewesen, insbesondere für die Gründungsphase, da er von Freunden aus dem Gewerbe gewusst habe, dass es am Anfang nicht viel zu verdienen gebe. Dies habe sich dann auch schnell gezeigt. Ohne die Unterstützung seiner Freunde hätte er beinahe sein Gewerbe wieder abgemeldet und sich wieder arbeitssuchend gemeldet. Er habe die ganze Zeit auf die Erteilung des Gründungszuschusses gehofft und vertraut. Vor der Selbständigkeit habe er keine zumutbaren Beschäftigungsangebote bekommen. Aus der Stellungnahme der Sachbearbeiterin R. im Widerspruchsverfahren gehe hervor, dass die Beklagte ihm keine Vermittlungsvorschläge mehr unterbreitet habe in der Vermutung, dass er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beworben hätte und sich auch ohne den Gründungszuschuss selbständig machen wolle. Dieser Vermerk sei nicht nachvollziehbar. Er wisse nur, dass er am 17. Juli 2012 infolge seiner Arbeitsunfähigkeit bis 31. Juli 2012 nach der unfallbedingten Nasen-OP am 6. Juli 2012 mit stationärer Behandlung bis 8. Juli 2012 nicht persönlich bei der Beklagten im Hause gewesen sei. Ihm seien bewusst keine Vermittlungsvorschläge mehr unterbreitet worden, basierend auf der fehlerhaften Annahme, dass er sowieso keine Angebote mehr annehmen würde und sich in jedem Fall selbständig machen wolle. Gegebenenfalls hätte er nochmals eindringlich darüber belehrt werden müssen, dass er gerade dann auch keinen Anspruch auf Gründungszuschuss hätte und keinen bekommen werde, anstatt ihm keine Vermittlungsvorschläge mehr zuzuschicken. Der Beklagten sei daher ein Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2012 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids und auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie den Vortrag im Erörterungstermin am 29. Oktober 2015 bezogen. Soweit in der Berufungsbegründung vorgetragen werde, der Kläger habe am 17. Juli 2012 nicht persönlich bei der Beklagten vorgesprochen und auch nie geäußert, sich auch ohne den Gründungszuschuss selbständig machen zu wollen, handele es sich um Schutzbehauptungen. Die positive Vermittlungsprognose sei nicht unhaltbar. Zu berücksichtigen sei, dass alle der Arbeitsfähigkeit entsprechende Beschäftigungen zumutbar seien und kein Berufsschutz bestehe. Der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten erweitere sich mit der Dauer der Arbeitslosigkeit. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg habe in seinem Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 entschieden, dass eine Förderung durch den Gründungszuschuss nur in Frage komme, wenn dies für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich sei, d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führe. Entscheidend für das Ermessen sei, ob eine möglichst nachhaltige Integration im Alg-Bezugszeitraum (360 Tage) realistisch sei, sofort oder in absehbarer Zeit Vermittlungsvorschläge möglich seien und ob Hemmnisse bestünden, die den Integrationserfolg behindern könnten (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 – juris). Eine belastbare negative Vermittlungsprognose sei erst möglich, wenn während eines längeren Zeitraums (nicht schon nach 2 ½ Monaten) vergebliche Vermittlungsbemühungen stattgefunden hätten (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2015 – L 12 AL 1669/14 und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Die allgemeine Einschätzung des für den Kläger erreichbaren Arbeitsmarktes sei positiv gewesen. Auch eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Klägers habe eine positive Prognose gerechtfertigt. Seine Berufsbiographie habe keine größeren Lücken aufgewiesen. Er habe über Kenntnisse in den Bereichen Lagerarbeit, Kommissionieren und Werkstoffprüfung und einen Führerschein der Klasse B verfügt. Vermittlungshemmnisse seien nicht aktenkundig. Er habe im Antrag auf Arbeitslosengeld keine gesundheitlichen Einschränkungen geltend gemacht und im Stadtgebiet Heilbronn gewohnt, so dass bereits im Tagespendelbereich genügend zumutbare Stellen zur Verfügung gestanden hätten. Er sei sowohl als Qualitätskontrolleur als auch als Polsterer oder gewerblicher Helfer im Lager-, Metall- oder Kunststoffbereich vermittelbar gewesen. Dementsprechend sei in der Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2012 vereinbart worden, dass der Kläger eine Arbeitsaufnahme als Qualitätskontrolleur oder gewerblicher Helfer im Umkreis von 25 km anstrebe und auch alternative Stellen als Polsterer und Helfer im Lager-, Metall- oder Kunststoffbereich suche. Auch sei festgehalten worden, dass sich der Kläger umgehend auf ausgehändigte Stellenangebote bewerbe und zur Monatsmitte eine Liste seiner Bewerbungsbemühungen einreiche. Ihm seien vier Vermittlungsvorschläge (drei am 12. April 2012 und einer am 15. Juni 2012) unterbreitet worden und zusätzlich hätten weitere Möglichkeiten in Form von Stellenbörsen und Selbstinformationseinrichtungen bestanden, auf die der Kläger hingewiesen worden sei. Weitere Vermittlungsvorschläge seien aus nachvollziehbaren Gründen nicht erfolgt, wie sich aus der dienstlichen Stellungnahme der Mitarbeiterin R. ergebe. Nach dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juli 2015 – L 8 AL 2364/14 dürften die Dokumentationspflichten der Beklagten nicht überspannt werden, wenn ein Kläger erkläre, sich selbständig machen zu wollen und deshalb keine weiteren Vermittlungsvorschläge mehr unterbreitet würden. Der Kläger sei am 2. Juli 2012 telefonisch allgemein über die Förderungsvoraussetzungen belehrt worden. Laut Beratungsvermerk vom 17. Juli 2012 habe der Kläger persönlich vorgesprochen und sei über die Förderungsvoraussetzungen, insbesondere den Vermittlungsvorrang belehrt worden. Ihm sei das Merkblatt "Gründungszuschuss" ausgehändigt worden und er sei auf die Möglichkeit der Ablehnung hingewiesen worden. Daraufhin habe der Kläger angegeben, sich auch ohne den Gründungszuschuss selbständig machen zu wollen. Es habe keine Eingliederungsvereinbarung gegeben, mit der die Förderung durch einen Gründungszuschuss festgelegt worden wäre und auch keine anderen schriftlichen oder mündlichen Zusagen. Ergänzend hat die Beklagte auf die Ausführungen des Klägers in seinem Businessplan verwiesen, wonach er jederzeit neues Kapital aus seinem Privatvermögen zuführen könne, soweit dies notwendig erscheine. Er habe somit nicht auf die Förderung durch einen Gründungszuschuss vertrauen können.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses - § 93 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die ablehnende Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist, weil sie das ihr kraft Gesetzes eingeräumte Ermessen bewusst ausgeübt hat und die Ermessenausübung auch nicht zu beanstanden ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung uneingeschränkt an und weist die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gem. § 153 Abs. 2 SGG zurück. Auch aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren ergibt sich nichts anderes, so dass sich die von der Beklagten vorgenommene Ermessensentscheidung weiterhin als rechtmäßig erweist, weshalb Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen waren.

Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist bei Ermessensentscheidungen gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Beklagte ist bei Ermessensentscheidungen nicht völlig frei, sie hat ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben. § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) bestimmt, dass die Leistungsträger, wenn sie ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben. Auf pflichtgemäße Ermessensausübung besteht nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I ein Anspruch. Eine Ermessensentscheidung ist rechtwidrig bei Ermessensnichtgebrauch, d. h. wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, bei Ermessensunterschreitung, d. h. wenn die Verwaltung ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, bei Ermessensüberschreitung, d. h. wenn die Behörde nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehandelt hat und bei Ermessensfehlgebrauch, d. h. wenn die Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rdnr. 27). Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft folglich nur, ob einer der oben aufgeführten Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist (Keller, a.a.O., Rdnr. 28). Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt nur in Betracht, wenn das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre (vgl. Keller a.a.O., § 54, Rn. 29).

Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt hat, liegt ein Ermessensnichtgebrauch nicht vor. Auch sind Anhaltspunkte für eine Ermessensunterschreitung oder eine Ermessensüberschreitung nicht ersichtlich. Die Beklagte hat darüber hinaus - wie auch das SG zutreffend angenommen hat - in zulässiger Weise im Rahmen der Ermessensausübung den Vorrang der Vermittlung berücksichtigt und ist dabei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Vorrang der Vermittlung stellt eine zulässige Ermessenserwägung dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2. April 2014 – L 3 AL 4184/13 - sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2013 – L 18 AL 5/13 B ER – juris; Kuhnke in jurisPK SGB III, 1. Auflage 2014, § 93 Rn. 21). Nach § 4 Abs. 2 SGB III gilt der Vermittlungsvorrang im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Die Beklagte hat zutreffend angenommen, dass der Kläger voraussichtlich in angemessener Zeit in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hätte vermittelt werden können. Der Kläger hat zuletzt gar nicht mehr bestritten, dass er von der Beklagten ab April 2012 vier Vermittlungsvorschläge erhalten hat, sondern sogar eingeräumt, dass er sich bei drei der vorgeschlagenen Firmen beworben habe. Sein Vortrag, dass er ohne nachvollziehbaren Grund keine weiteren Vermittlungsvorschlägen erhalten habe, lässt sich unter Berücksichtigung der aktenkundigen Beratungsvermerke vom 2. Juli 2012 bzw. vom 17. Juli 2012 nicht nachvollziehen. Denn aus diesen Vermerken ergibt sich eindeutig, dass der Kläger seine Entscheidung bezüglich der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bereits getroffen hatte. Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass sich seine eigenen Bemühungen um eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf eine einzige Bewerbung bei einem potentiellen Arbeitgeber beschränkt haben und er sein Gewerbe bereits am 13. Juli 2012, also noch vor dem Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses, angemeldet hat. Der Kläger hat sich darüber hinaus auch niemals mit der Bitte an die Beklagte gewandt, ihm weitere Vermittlungsvorschläge zu übermitteln. Der Vortrag, dass er am 17. Juli 2012 gar nicht persönlich bei der Beklagten vorgesprochen habe, ist aufgrund des Beratungsvermerks, in dem ausdrücklich die persönliche Vorsprache vermerkt wird, nicht haltbar. Darüber hinaus wurden ihm bei dieser Vorsprache - wie aus dem Beratungsvermerk erkennbar – die Antragsformulare ausgehändigt und dementsprechend als Tag der Antragstellung im Antragsformular der 17. Juli 2012 vermerkt. Unabhängig davon, ob der Kläger Interesse an weiteren Vermittlungsvorschlägen gehabt hätte oder ob die Beklagte dem Kläger seit Beginn der Arbeitslosigkeit noch weitere Vermittlungsvorschläge hätte übermitteln können, ist die von der Beklagten vorgenommene Prognose, dass der Kläger in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hätte vermittelt werden können, nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass beim Kläger keine Vermittlungshemmnisse bestanden und ihm aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit und der dabei erworbenen Qualifikationen, der bisherigen Berufsbiographie ohne größeren Lücken und der günstigen Lage seines Wohnorts (Stadtgebiet Heilbronn) eine Vielzahl von offenen Stellen zur Verfügung stand, so dass bei entsprechender Motivation des Klägers in absehbarer Zeit eine Vermittlung möglich gewesen wäre. Dies ergibt sich auch nachvollziehbar aus dem aktenkundigen Ausdruck über die von der Beklagten am 18. September 2012 durchgeführte Umkreissuche, aus der sich 40 freie Stellenangebote im Bereich Produktions-/Lagerhelfer/Kommissionierer ergeben. Aufgrund der Vielzahl dieser ab sofort freien Stellen ist davon auszugehen, dass ähnliche Stellenangebote in ähnlicher Anzahl ab dem Beginn der Arbeitslosigkeit des Klägers im April 2012 vorhanden waren. In jedem Fall kann eine belastbare negative Vermittlungsprognose erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2015 - L 12 AL 1669/14 - Sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 - 9 AL 81/13 - juris;). Gerade auch § 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB III, wonach bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von mindestens 150 Tagen bestehen muss, spricht in Anbetracht der bereits nach einer zweijährigen Beschäftigung geltenden Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen dafür, dass von einer Erforderlichkeit des Gründungszuschusses erst ausgegangen werden kann, wenn nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraums keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (vgl. LSG Baden-Württemberg a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Gemessen hieran kann im vorliegenden Fall keine negative Vermittlungsprognose getroffen werden, da der Kläger erst seit April 2012 arbeitslos war, im Juli 2012 zeitweise wegen Arbeitsunfähigkeit keine Bemühungen zur Arbeitsvermittlung möglich waren und der Kläger darüber hinaus - wie oben bereits erwähnt - im Juli 2012 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er an der Vermittlung in eine nichtselbständige Arbeit nicht interessiert ist und deshalb keine weiteren Bemühungen zur Arbeitsvermittlung angezeigt waren. Insgesamt ist somit bei der Berücksichtigung des Vorrangs der Vermittlung kein Ermessensfehler erkennbar. Darüber hinaus ergibt sich auch keine Beschränkung des der Beklagten eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Klägers aufgrund einer Zusage oder einer positiven Rückmeldung seitens der Beklagten im Zusammenhang mit dem beantragten Gründungszuschuss. Eine Zusicherung gemäß § 34 SGB X liegt nicht vor. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er habe auf die Gewährung des Gründungszuschusses vertraut und von seinem Sachbearbeiter positive Signale erhalten, findet sich dafür anhand der Vermerke vom 2. Juli und 17. Juli 2012 keine objektive nachvollziehbare Grundlage. Denn insbesondere aus dem Vermerk über den Kontakt am 17. Juli 2012 ergibt sich, dass der Kläger ausdrücklich auf den Vorrang der Vermittlung eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses und die Grundlagen einer Ermessensentscheidung hingewiesen wurde, so dass die Beklagte dem Kläger in keiner Weise Anlass gegeben hat, auf die Gewährung eines Gründungszuschusses zu vertrauen und seine Entscheidung zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit darauf zu stützen. Nach alldem hat die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ohne Ermessensfehler abgelehnt. Deshalb war auch der Hilfsantrag zurückzuweisen.

Da das SG die Klage daher zu Recht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2015 abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8 erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved