Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 889/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 442/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die (ambulante) Behandlung des Prostatakarzinoms durch Irreversible Elektroporation (IRE) ist vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen - auch unter Berücksichtigung der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs - nicht umfasst. Die Krankenkassen müssen ihren Mitgliedern die für die Beschaffung dieser Behandlung als privatärztliche Leistung entstehenden Kosten daher nicht erstatten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.12.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer ambulanten Prostatakrebsbehandlung (insbesondere) durch irreversible Elektroporation (IRE).
Der 1949 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Im Mai 2014 wurde bei ihm durch Stanzbiopsie ein lokal begrenztes Prostatakarzinom bei einem PSA-Wert von 12 ng/ml und einem Entdifferenzierungsgrad von 8 nach dem Gleason-Score diagnostiziert. Dr. Pf. (Oberarzt an der Urologischen Universitätsklinik M.) empfahl dem Kläger im Juni 2014 die operative Entfernung oder die Bestrahlung der Prostata; es liege ein High-Risk-Prostatakarzinom vor, bei dem nach der vorliegenden klinischen Konstellation eine offene radikale Prostatektomie ohne Nerverhalt angeraten sei (Schreiben vom 27.06.2014).
Am 04.07.2014 beantragte der Kläger die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer IRE-Behandlung der Prostata (bei Prof. Dr. St., Prostata-Center, O.). Damit könnten Nebenwirkungen einer Operation oder Strahlenbehandlung, wie Impotenz oder Harninkontinenz, vermieden werden. Der Kläger legte einen Kostenvoranschlag für die zu erwartenden Behandlungskosten vor. Darin sind Kosten für die IRE-Behandlung, ein multiparametrisches MRT und eine 3-D-Biospie der Prostata sowie Kosten eines Krankenhausaufenthaltstags mit Transport von insgesamt 19.043,29 EUR ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 15.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Bei der IRE-Behandlung handele es sich um eine neue Behandlungsmethode. Diese gehöre nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen, da sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht anerkannt worden sei.
Am 04.08.2014 legte der Kläger Widerspruch ein. Die IRE-Behandlung stelle die derzeit schonendste Behandlung seiner Krebserkrankung dar.
Am 21.08.2014 führte Prof. Dr. St. - nach diagnostischen Voruntersuchungen - die IRE-Behandlung im Bereich der gesamten Prostatakapsel im Rahmen einer ambulanten privatärztlichen Behandlung durch.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK).
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 30.09.2014 führte Dr. U. aus, beim Kläger liege ein beidseitiges Prostatakarzinom (Adenokarzinom) Gleason 6 bis 7 vor. Der PSA-Wert sei auf 12,3 ng/ml erhöht. Es bestehe ein Z.n. TUR-P (Transurethrale Resektion der Prostata). Die IRE-Behandlung sei ein sehr junges minimalinvasives, nicht-thermisches Gewebeablationsverfahren, das bei Patienten mit fortgeschrittenen, nicht resektierbaren Prostata- oder Pankreastumoren sowie Lebermetastasen eingesetzt werden könne. Bei dem Verfahren, das auch "Nanoknife" genannt werde, würden Zellen gezielt durch starke, örtlich begrenzte elektrische Felder zerstört. Die IRE töte das Tumorgewebe mit kurzen, mehrere Tausend Volt starken elektrischen Impulsen ab. Bei der multiparametrischen MRT würden eine Diffusionswichtung, eine MR-Spektroskopie der Prostata und eine dynamische Kontrastmitteluntersuchung angefertigt zum Nachweis auch kleinerer Läsionen, so dass laut Literatur auch eine gezielte Biopsie möglich sein solle. Die dynamische Kontrastmitteluntersuchung werde durchgeführt zur besseren Unterscheidung zwischen benignen und malignen Lymphknoten. Hierbei werde oft ein superparamagnetisches Kontrastmittel mit Nanopartikeln (sog. USPIOs), z.B. das nicht zugelassene KM Sinerem, verwendet. Mittels der verfügbaren MR-Techniken, insbesondere der Diffusionswichtung mit Fusionierung der ADC-Werte auf die T2-gewichteten Aufnahmen sowie der Anfertigung einer MR-Spektroskopie sollten unterschiedlich aggressive Tumorareale in der Prostata identifiziert und differenziert werden. Dadurch könnte eine evtl. notwendige Radiatio der Prostata optimiert werden oder eben eine genauere Biopsie. Der GBA habe die in Rede stehenden Methoden nicht beraten. Ein Beratungsantrag liege nicht vor. Die Methoden seien daher in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen. Beim Kläger liege eine schwere, zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht lebensbedrohliche Erkrankung vor. Zu deren Behandlung stehe je nach Stadium und Vorbefund die radikale Prostatektomie, Radiatio und ggf. eine Hormontherapie zur Verfügung. Ein Wirksamkeitsnachweis für die IRE-Behandlung anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken liege bisher nicht vor. Überlegenheit, medizinischer Nutzen und Wirtschaftlichkeit gegenüber vertraglichen Behandlungsmethoden seien bisher nicht belegt. Die Literaturrecherche habe 15 Treffer ergeben, darunter jedoch keine Phase-II- oder Phase-III-Studien oder randomisiert kontrollierte Studien. Das Verfahren habe zwar in Europa ein CE-Marking, in den USA aber bislang nur einen IDE-Status (Investigational Device Exemption), wonach es erst in einer klinischen Zulassungsstudie seine Wirksamkeit beweisen müsse. Die US-amerikanische IDE-Studie sei als multi-zentrische randomisierte 2-armige Studie zur IRE bei lokalisiertem unilateralem Prostatakarzinom geplant. Die Patientenrekrutierung habe jedoch noch nicht begonnen. Beim Kläger sei eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation durch Nichtanwendung der IRE-Behandlung - bei Ausschöpfung der vertragsärztlich erbringbaren Leistungen - nicht erkennbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf das MDK-Gutachten des Dr. U. zurück.
Am 25.03.2015 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er trug vor, seine behandelnden Ärzte hätten die Totaloperation der Prostata empfohlen und dabei darauf hingewiesen, dass mangels Nerverhalts mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit Harninkontinenz bzw. Impotenz auftreten könne. Er habe sich deshalb für die (schonende) IRE-Behandlung entschieden, die durch Prof. Dr. St. im darauf spezialisierten Prostata-Center, O., erfolgreich durchgeführt worden sei. Komplikationen seien nicht aufgetreten und er sei schmerzfrei. Bei ihm liege mit dem High-Risk-Prostatakarzinom eine lebensbedrohliche Erkrankung vor; es genüge, wenn sich die tödliche Gefahr möglicherweise erst in einigen Jahren realisiere. Die IRE-Behandlung könne die erheblichen Nebenwirkungen der schulmedizinischen Behandlung vermeiden. Sie müsse deshalb in erweiternder Auslegung des Leistungskatalogs der Krankenkassen gewährt werden.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.
Das SG befragte behandelnde Ärzte:
Prof. Dr. St. führte im Bericht vom 27.05.2015 (unter Vorlage u.a. des von ihm verwendeten Patientenaufklärungsformulars) aus, das Prostatakarzinom sei komplex, weise unterschiedliche Gentypen auf, entwickle sich über Jahrzehnte und verlaufe nur in einem geringen Teil der Fälle, was im Einzelfall aber schwer zu prognostizieren sei, überhaupt tödlich. Er habe den Kläger (u.a.) am 21.08.2014 behandelt; an diesem Tag sei die gesamte Prostatakapsel mittels IRE behandelt worden. Danach seien Kontrolluntersuchungen durchgeführt worden. Nach den S3-Leitlinien "Prostatakarzinom" der Deutschen Gesellschaft für Urologie wäre beim Kläger eine radikale Prostatektomie, als zweite Option die Strahlentherapie, anzuwenden gewesen. Der Kläger habe sich nach Aufklärung gegen diese Behandlungsmethoden entschieden, da sie nur einen geringen Überlebensvorteil (Verbesserung in der Gesamtsterblichkeit um 2,6%) brächten und die erhebliche Operation mit monatelanger Rekonvaleszenzzeit und hohem Nebenwirkungsrisiko (beim Kläger Impotenz zu 100%, Inkontinenz zwischen 10% bis 50%;) verbunden sei. Wegen des unbefriedigenden Verhältnisses von Nutzen und Schaden der schulmedizinischen Behandlung würden mehrere Alternativverfahren mit deutlich weniger Nebenwirkungen erprobt. Langzeitergebnisse gebe es zu keinem dieser Verfahren, was u.a. an der kurzen "Halbwertszeit" medizinischen Wissens von ca. 3 Jahren und am langsamen Fortschreiten des Prostatakarzinoms liege. Die IRE-Behandlung sei experimentell, Zahlen gebe es hierzu nicht. Der Überlebensvorteil lasse sich erst in Jahrzehnten quantifizieren. Die IRE-Behandlung zähle aus seiner Sicht zu den in der medizinischen Wissenschaft in Betracht zu ziehenden Verfahren. Das komme schon dadurch zum Ausdruck, dass sie neben der CE-Zulassung auch durch das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) einen OPS-Code (5.601.8) erhalten habe. Die Liste einschlägiger Publikationen umfasse bereits etwa 25.000 Titel; weltweit seien IRE-Behandlungen bei etwa 10.000 bis 20.000 Patienten durchgeführt worden. Er habe in über 4 Jahren über 250 Patienten behandelt und sei dadurch im Bereich der IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms derzeit weltweit führend.
Im Patientenaufklärungsformular des Prof. Dr. St. ist u.a. ausgeführt, die radikale Prostatektomie führe häufig zu vorübergehendem geringgradigem ungewolltem Harnverlust, der jedoch selten auf Dauer unkontrollierbar bleibe. Impotenz trete in einer Häufigkeit von ca. 70% ein, wenn kein nervenerhaltendes Verfahren gewählt werde, was dann jedoch auch mit einem höheren Risiko einer nicht kompletten Tumorbehandlung verbunden sei.
Dr. Pf. führte im Bericht vom 29.05.2015 aus, man habe dem Kläger bei Vorliegen eines High-Risk-Prostatakarzinoms die radikale Prostatektomie oder die Bestrahlung der Prostata empfohlen, basierend auf der einschlägigen S3-Leitlinie. In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Urologie werde die IRE (neben anderen Verfahren) erwähnt, die allgemeine Empfehlung sei, dass die fokale Therapie Patienten mit einem Low- oder Intermediat-Risk-Prostatakarzinom vorbehalten sein solle. Außerdem werde in den Empfehlungen ausgeführt, dass fokale Therapieverfahren "noch in den Kinderschuhen" steckten und nicht als therapeutische Alternativen außerhalb klinischer Studien empfohlen werden könnten.
Der Urologe Dr. M. gab im Bericht vom 12.06.2015 Behandlungstage an und führte aus, der Kläger habe sich zu einer IRE-Behandlung entschlossen, die am 21.08.2014 durchgeführt worden sei. Im weiteren Verlauf sei eine einmalige antihormonelle Therapie erfolgt. Der erstmalig kontrollierte PSA-Wert am 13.01.2015 habe im therapeutisch unauffälligen Bereich gelegen. Beim Kläger wäre als Standardverfahren - für eine kurative Behandlung, die die Krebserkrankung hätte heilen können - die radikale Prostatektomie, alternativ die Strahlenbehandlung durchzuführen gewesen. Bei der radikalen Prostatektomie wäre zumindest vorübergehend mit einer gewissen Harninkontinenz zu rechnen gewesen, die sich jedoch in der Regel binnen 2 bis 3 Monaten verliere. Bezüglich der Bestrahlung wäre mit einer Harninkontinenz in der Regel nicht zu rechnen gewesen, allerdings mit einer Reizung der Blase, welche sich jedoch ebenfalls nach einigen Monaten wieder einstelle. Bezüglich Nachhaltigkeit und Wirksamkeit würden beide Verfahren als kurative Verfahren gesehen. Zu der IRE-Behandlung gebe es in den wissenschaftlichen Literaturdatenbanken lediglich 18 Publikationen. Diese beschrieben technische Grundlagen der Methode oder die Protokolle neuer Studien, die sich noch in Planung befänden. Lediglich 2 Arbeitsgruppen beschrieben kurzfristige Behandlungsergebnisse, aber auch nur bezüglich der Häufigkeit kurzfristiger Behandlungsnebenwirkungen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie warne hier vor falschen Hoffnungen und meine, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand eine Aussage dazu machen könne, ob die IRE-Behandlung überhaupt in der Lage sei, einen Prostatakrebs therapeutisch zu beeinflussen, noch viel weniger, ob sie anderen Behandlungsmethoden überlegen sei.
Zum Erkrankungsverlauf des Klägers wurden (u.a.) die an den Kläger gerichteten Arztbriefe des Prof. Dr. St. vom 09.02.2015 und vom 20.08.2015 vorgelegt. Danach hätten sich in der Verlaufskontrolle nach IRE-Behandlung PSA-Werte von 0,01 bzw. 0,07 ng/ml ergeben. Ein Tumorrezidiv sei nicht nachweisebar; der Kläger gebe subjektiv Beschwerdefreiheit an.
Mit Urteil vom 11.12.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte müsse die Aufwendungen für die (alternative) Krebsbehandlung des Versicherten gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V) nicht erstatten; sie habe die Gewährung der streitgegenständlichen Behandlung (IRE-Behandlung) als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms stelle eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V dar, die von den Krankenkassen nur zu gewähren sei, wenn der GBA eine positive Empfehlung zu ihrem therapeutischen Nutzen abgegeben habe; das sei nicht der Fall. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch könne auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützt werden. Es sei schon zweifelhaft, ob es sich bei der Krebserkrankung des Klägers um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung bzw. damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung handele, da Prof. Dr. St. darauf hingewiesen habe, dass das Prostatakarzinom nur in einem geringen Teil der Fälle einen tödlichen Verlauf habe, was im Einzelfall schwer vorherzusagen sei. Jedenfalls stünden mit der operativen Entfernung der Prostata und der Strahlentherapie allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung; das gehe aus den Berichten der Dres. Pf. und M. hervor, die hierfür auf die Leitlinie "Prostatakarzinom" der Deutschen Gesellschaft für Urologie hingewiesen hätten. Diese Behandlungsmethoden seien nicht wegen etwaiger Nebenwirkungen auszuschließen. Zwar könnten Harninkontinenz oder Blasenreizungen auftreten; beides verschwinde aber in der Regel innerhalb weniger Monate; das habe Dr. M. dargelegt. Auch Prof. Dr. St. gehe in seinem Patientenaufklärungsformular davon aus, dass das Inkontinenzrisiko nach einer Operation 25% betrage, diese Nebenwirkung aber auf Dauer selten unkontrollierbar bleibe. Demgegenüber sei die IRE-Behandlung noch experimentell und nicht Teil des medizinisch anerkannten Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Gegen das am 28.12.2015 abgesandte Urteil (Zugang bei der Beklagten am 07.01.2016) hat der Kläger am 02.02.2016 Berufung eingelegt. Er wiederholt und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Eine lebensbedrohliche Krankheit liege im Hinblick auf die Malignität des Befunds (eines High-Risk-Prostatakarzinoms) vor. Die schulmedizinische Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, die das SG verharmlosend dargestellt habe. Zum Risiko der Inkontinenz und Impotenz komme bei der Operation die Gefahr der Verletzung von Nachbarorganen hinzu. Aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit folge ein Anspruch auf Gewährung einer Behandlung mit den geringstmöglichen Eingriffsfolgen. Auf Operationen, die nachweislich zu erheblichen und regelmäßig dauerhaften Einschränkungen der körperlichen Unversehrtheit führen könnten, dürfe man ihn in Kenntnis der Existenz schonender Behandlungsverfahren nicht verweisen. Dass der Stellenwert der IRE-Behandlung nach der aktuellen medizinischen Literatur noch nicht hinreichend erforscht sei, ändere daran nichts. Dieses Behandlungsverfahren werde in mehreren Universitätskliniken (etwa der Ch., B.) angewendet. Man müsse auch berücksichtigen, dass die Evaluierung neuer Verfahren in der Medizin der Entwicklung deutlich hinterherhinke, wobei auch materielle Interessen und Konkurrenzdenken eine wichtige Rolle spielten, was nicht zu Lasten der Versicherten gehen dürfe. Die Kosten für die IRE-Behandlung seien auch nicht höher als die Kosten einer operativen Behandlung, zumal Kosten für die Anschlussheilbehandlung wegfielen. Sicher und durch Studien nachgewiesen sei, dass die IRE-Behandlung wesentlich schonender als alle anderen Behandlungsverfahren sei, dass nach der Operation die festgestellten Tumoren entfernt worden seien, dass über die derzeit mögliche Beobachtungsphase nur sehr wenige Rezidive aufgetreten seien und dass die Behandlung im Rezidivfall wiederholt werden könne. Die schulmedizinischen Behandlungsverfahren schützten nicht vor Rezidiven. Es sei unbillig, dass er alle Kosten der IRE-Behandlung allein tragen solle und man ihm nicht wenigstens die (hypothetischen) Kosten einer schulmedizinischen Behandlung erstatte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.12.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2015 zu verurteilen, ihm die Kosten für die ambulante privatärztliche IRE-Behandlung seiner Prostatakrebserkrankung sowie für die Durchführung einer multiparametrischen MRT und einer 3-D-Biopsie der Prostata durch Prof. Dr. St. i.H.v. 19.043,29 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Kläger für die privatärztlich ambulant erbrachte Behandlung seiner Prostatakrebserkrankung durch IRE sowie eine multiparametrische MRT und eine 3-D-Biopsie der Prostata entstanden sind. Die Kosten hierfür betragen nach den - von der Beklagte nicht bestrittenen - Angaben des Klägers insgesamt 19.043,29 EUR. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit unzweifelhaft überschritten. Die Berufung ist form- und auch fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig; ein Zustellungsnachweis über die Zustellung des Urteils des SG an den Kläger liegt zwar nicht vor, das Urteil ist vom SG aber am 28.12.2015 abgesandt worden und dem Kläger ersichtlich nicht vor Beginn des Jahres 2016 zugegangen (Zugang bei der Beklagten am 07.01.2016), so dass die einmonatige Berufungsfrist mit der am 02.02.2016 erhobenen Berufung gewahrt ist.
II. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die (ambulante) IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms ist vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst. Die Krankenkassen müssen ihren Mitgliedern die für die Beschaffung dieser Behandlung als privatärztliche Leistung entstehenden Kosten daher nicht erstatten.
1.) Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Alt. 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen "Formalismus" in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur "formal" abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).
2.) Davon ausgehend kann der Kläger die Erstattung der für die ambulante Behandlung seiner Prostatakrebserkrankung durch Prof. Dr. St. entstandenen Aufwendungen nicht beanspruchen. Unaufschiebbare Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V stehen unstreitig nicht in Rede, so dass nur ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V in Betracht kommt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Gewährung der Prostatakrebsbehandlung durch IRE nicht zu Unrecht abgelehnt. Entsprechendes gilt für die Durchführung einer multiparametrischen MRT und einer 3-D-Biopsie der Prostata. Diese Untersuchungen haben der (Erfolgs-)Kontrolle der IRE-Behandlung gedient und sind in rechtlicher Hinsicht nicht anders zu beurteilen als die IRE-Behandlung selbst.
Der Leistungsanspruch des Klägers auf ärztliche Behandlung aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V hat die streitgegenständlichen Behandlungsleistungen nicht umfasst. Sie können von der Krankenkasse nicht als (Sach-)Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Für die Kosten ihrer Beschaffung als privatärztliche Behandlungsleistung kann (und darf) die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten daher nicht aufkommen. Mangels rechtswidriger Leistungsablehnung kommt es auf Fragen des Beschaffungswegs oder der Ursächlichkeit der Leistungsablehnung für die Selbstbeschaffung nicht mehr an.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, dass es sich bei der IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms und ebenso bei den zur Erfolgskontrolle durchgeführten Untersuchungen mittels multiparametrischer MRT und 3-D-Biopsie der Prostata um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden i.S.d. § 135 SGB V handelt, die in der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht und von diesen daher auch nur gewährt werden dürfen, wenn der GBA eine positive Empfehlung nach näherer Maßgabe des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V abgegeben hat, und dass eine solche Empfehlung des GBA nicht vorliegt. Auch ein Fall des so genannten "Systemversagens" (dazu etwa BSG, Urteil vom 07.05.2013, - B 1 KR 44/12 R -, in juris) liegt nicht vor. Über all das streiten die Beteiligten nicht. Der Kläger stützt den geltend gemachten Leistungs- bzw. Erstattungsanspruch demzufolge auch allein auf die Regelung in § 2 Abs. 1a SGB V. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob dem Kläger durch die Selbstbeschaffung der streitgegenständlichen Leistungen eine (zivil-)rechtlich wirksame Kostenlast entstanden ist. Die Beteiligten streiten hierüber (ebenfalls) nicht. Prof. Dr. St. hat dem Kläger die IRE-Behandlung und die in Rede stehenden Untersuchungen ersichtlich als privatärztliche Leistungen in Rechnung gestellt und der Kläger hat den mit Klage und Berufung geltend gemachten Erstattungsbetrag i.H.v. 19.043,29 EUR (der dem Betrag des im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschlags entspricht) ersichtlich auch gezahlt.
Gemäß § 2 Abs. 1a SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht; § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V sieht vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben.
In § 2 Abs. 1a SGB V hat der Gesetzgeber die vom BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung kodifiziert; die Vorschrift ist daher nach den Maßgaben der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG auszulegen. In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 5.5.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; zu alledem auch Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris).
Einem auf die Vorschrift in § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Klägers steht hier nicht schon entgegen, dass der GBA die Krebsbehandlung durch IRE - anders etwa als die Krebsbehandlung durch Hyperthermie - durch Richtlinienentscheidung ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen hat; dann wäre nach der Rechtsprechung des BSG für eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach § 2 Abs. 1a SGB V von vornherein kein Raum mehr (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 -R -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.10.2015, - B 1 KR 69/15 B -; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -; für vorläufige Rechtsschutzverfahren anders etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007, - L 5 B 8/07 KR ER - oder LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2011, - 5 KR 99/11 B ER -; diese Frage offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -; alle in juris; zur Krebsbehandlung durch Hyperthermie auch Senatsurteil vom gleichen Tag im Verfahren L 5 KR 4217/14, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
Der Senat kann offen lassen, ob dem auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Klägers, dessen Prostatakrebserkrankung als High-Risk-Prostatakarzinom eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne der genannten Vorschrift darstellt, entgegen gehalten werden könnte, dass der Kläger sich bei Durchführung der IRE-Behandlung nicht in einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten - notstandsähnlichen - individuellen Notlage befunden hätte. Es kommt entscheidungserheblich hierauf ebenso wenig an wie auf die Bewertung der im Fall des Klägers in Betracht kommenden schulmedizinischen Behandlungsmethoden (radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie) und der mit ihnen möglicherweise verbundenen Nebenwirkungen. Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs aus § 2 Abs. 1a SGB V sind nämlich deswegen nicht erfüllt, weil eine auf Indizien gestützte nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung der IRE-Behandlung auf den Krankheitsverlauf der Prostatakrebserkrankung des Klägers nicht festgestellt werden kann (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret- individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16). Dieses Erfordernis darf einerseits zwar nicht überspannt werden, etwa durch die Forderung eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - (Krebsbehandlung durch dendritische Zellen), nicht veröffentlicht). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Steht in den Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung) eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften "Hinweise" (so BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66) auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Andererseits darf die in Rede stehende und im Einzelfall vielfach maßgebliche Voraussetzung für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs auch nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.).
Wie Dr. U. im MDK-Gutachten vom 30.09.2014 schlüssig dargelegt hat, handelt es sich bei der IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms um ein sehr junges Verfahren, dessen Wirksamkeit nicht anhand einer für die ausreichend sichere Beurteilung notwendigen Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken oder Studien beurteilt werden kann. Auch Prof. Dr. St., der in der Anwendung des in Rede stehenden Behandlungsverfahrens offenbar führend ist, hat im Bericht vom 27.05.2015 eingeräumt, dass es sich bei der IRE-Behandlung (derzeit) um ein experimentelles Verfahren (insoweit - zum Beihilferecht - auch etwa Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, Urteil vom 26.11.2015, - 1 K 926/15 -, in juris) handelt, dessen (Überlebens-)Vorteil für die Patienten sich erst in Jahrzehnten quantifizieren lassen wird. Die Gründe, aus denen die aktuelle Erkenntnislage der medizinischen Wissenschaft die ausreichende Wirksamkeitsbeurteilung einer Behandlungsmethode, hier der IRE-Behandlung, (ggf. noch) nicht zulässt, sind rechtlich nicht von Belang. Dr. Pf. hat, die Einstufung der IRE-Behandlung durch Dr. U. und Prof. Dr. St. als experimentelles Verfahren bestätigend, im Bericht vom 29.05.2015 ausgeführt, dass die IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms in der Leitlinie der zuständigen europäischen Fachgesellschaft, der Europäischen Gesellschaft für Urologie, zwar erwähnt, aber als "noch in den Kinderschuhen steckendes" (fokales) Verfahren angesehen wird. Die Europäische Gesellschaft für Urologie hat die IRE-Behandlung als therapeutische Alternative außerhalb von klinischen Studien daher nicht empfehlen können. Dr. M. hat diese Einschätzung im Bericht vom 12.06.2015 (ebenfalls) bestätigt und dargelegt, dass in den wissenschaftlichen Literaturdatenbanken zur IRE-Behandlung nur 18 Veröffentlichungen vermerkt sind, die im Wesentlichen auch nur die technischen Grundlagen der Behandlungsmethode beschreiben; kurzfristige Behandlungsergebnisse würden nur von 2 Arbeitsgruppen beschrieben und dies auch nur bezüglich der Häufigkeit kurzfristiger Nebenwirkungen der Behandlung. Dr. M. hat ergänzend auf die Beurteilung der zuständigen deutschen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Urologie, verwiesen, die (insoweit im Kern nicht anders als die Europäische Gesellschaft für Urologie) vor falschen Hoffnungen warnt und nach deren Auffassung derzeit niemand eine Aussage dazu machen kann, ob die IRE-Behandlung überhaupt in der Lage ist, einen Prostatakrebs therapeutisch zu beeinflussen, und noch viel weniger, ob sie anderen Behandlungsmethoden überlegen ist. Dass die IRE-Behandlung als experimentelles Verfahren (auch etwa im Rahmen klinischer Studien) in universitären Zentren angewendet wird und das DIMDI hierfür einen OPS-Code festgelegt hat, kann die Rechtsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V ebenso wenig ausfüllen wie die (ersichtlich) positive Erfahrung, die der Kläger in seinem Einzelfall oder die Prof. Dr. St. in seiner Behandlungspraxis mit der IRE-Behandlung gemacht hat. Nach Maßgabe der eingangs dargestellten rechtlichen Anforderungen an die Auslegung des § 2 Abs. 1a SGB V ist damit das Erfordernis nicht ganz entfernt liegender Aussichten auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht zu begründen.
Bei diesem - für die Senatsentscheidung maßgeblichen - Stand der medizinischen Erkenntnis kann ein (letztendlich verfassungsunmittelbar fundierter) Leistungsanspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1a SGB V auf Gewährung der IRE-Behandlung nebst der zur Kontrolle des Behandlungserfolgs durchgeführten Untersuchungen (multiparametrisches MRT und 3-D-Biopsie der Prostata) nicht festgestellt werden, weshalb auch ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Aufwendungen für diese als privatärztliche Behandlung beschafften Leistungen nicht besteht. Auf einen Kostenvergleich - Kosten der IRE-Behandlung einerseits und Kosten einer (hypothetischen) schulmedizinischen Behandlung andererseits - kommt es nicht an (dazu nur etwa BSG, Beschluss vom 26.07.2004, - B 1 KR 30/04 B -, in juris).
Angesichts des vorliegenden MDK-Gutachtens des Dr. U. und der Arztberichte des Prof. Dr. St. sowie der Dres. Pf. und M. drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf; entsprechende Beweisanträge sind auch nicht gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer ambulanten Prostatakrebsbehandlung (insbesondere) durch irreversible Elektroporation (IRE).
Der 1949 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Im Mai 2014 wurde bei ihm durch Stanzbiopsie ein lokal begrenztes Prostatakarzinom bei einem PSA-Wert von 12 ng/ml und einem Entdifferenzierungsgrad von 8 nach dem Gleason-Score diagnostiziert. Dr. Pf. (Oberarzt an der Urologischen Universitätsklinik M.) empfahl dem Kläger im Juni 2014 die operative Entfernung oder die Bestrahlung der Prostata; es liege ein High-Risk-Prostatakarzinom vor, bei dem nach der vorliegenden klinischen Konstellation eine offene radikale Prostatektomie ohne Nerverhalt angeraten sei (Schreiben vom 27.06.2014).
Am 04.07.2014 beantragte der Kläger die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer IRE-Behandlung der Prostata (bei Prof. Dr. St., Prostata-Center, O.). Damit könnten Nebenwirkungen einer Operation oder Strahlenbehandlung, wie Impotenz oder Harninkontinenz, vermieden werden. Der Kläger legte einen Kostenvoranschlag für die zu erwartenden Behandlungskosten vor. Darin sind Kosten für die IRE-Behandlung, ein multiparametrisches MRT und eine 3-D-Biospie der Prostata sowie Kosten eines Krankenhausaufenthaltstags mit Transport von insgesamt 19.043,29 EUR ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 15.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Bei der IRE-Behandlung handele es sich um eine neue Behandlungsmethode. Diese gehöre nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen, da sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht anerkannt worden sei.
Am 04.08.2014 legte der Kläger Widerspruch ein. Die IRE-Behandlung stelle die derzeit schonendste Behandlung seiner Krebserkrankung dar.
Am 21.08.2014 führte Prof. Dr. St. - nach diagnostischen Voruntersuchungen - die IRE-Behandlung im Bereich der gesamten Prostatakapsel im Rahmen einer ambulanten privatärztlichen Behandlung durch.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK).
Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 30.09.2014 führte Dr. U. aus, beim Kläger liege ein beidseitiges Prostatakarzinom (Adenokarzinom) Gleason 6 bis 7 vor. Der PSA-Wert sei auf 12,3 ng/ml erhöht. Es bestehe ein Z.n. TUR-P (Transurethrale Resektion der Prostata). Die IRE-Behandlung sei ein sehr junges minimalinvasives, nicht-thermisches Gewebeablationsverfahren, das bei Patienten mit fortgeschrittenen, nicht resektierbaren Prostata- oder Pankreastumoren sowie Lebermetastasen eingesetzt werden könne. Bei dem Verfahren, das auch "Nanoknife" genannt werde, würden Zellen gezielt durch starke, örtlich begrenzte elektrische Felder zerstört. Die IRE töte das Tumorgewebe mit kurzen, mehrere Tausend Volt starken elektrischen Impulsen ab. Bei der multiparametrischen MRT würden eine Diffusionswichtung, eine MR-Spektroskopie der Prostata und eine dynamische Kontrastmitteluntersuchung angefertigt zum Nachweis auch kleinerer Läsionen, so dass laut Literatur auch eine gezielte Biopsie möglich sein solle. Die dynamische Kontrastmitteluntersuchung werde durchgeführt zur besseren Unterscheidung zwischen benignen und malignen Lymphknoten. Hierbei werde oft ein superparamagnetisches Kontrastmittel mit Nanopartikeln (sog. USPIOs), z.B. das nicht zugelassene KM Sinerem, verwendet. Mittels der verfügbaren MR-Techniken, insbesondere der Diffusionswichtung mit Fusionierung der ADC-Werte auf die T2-gewichteten Aufnahmen sowie der Anfertigung einer MR-Spektroskopie sollten unterschiedlich aggressive Tumorareale in der Prostata identifiziert und differenziert werden. Dadurch könnte eine evtl. notwendige Radiatio der Prostata optimiert werden oder eben eine genauere Biopsie. Der GBA habe die in Rede stehenden Methoden nicht beraten. Ein Beratungsantrag liege nicht vor. Die Methoden seien daher in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen. Beim Kläger liege eine schwere, zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht lebensbedrohliche Erkrankung vor. Zu deren Behandlung stehe je nach Stadium und Vorbefund die radikale Prostatektomie, Radiatio und ggf. eine Hormontherapie zur Verfügung. Ein Wirksamkeitsnachweis für die IRE-Behandlung anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken liege bisher nicht vor. Überlegenheit, medizinischer Nutzen und Wirtschaftlichkeit gegenüber vertraglichen Behandlungsmethoden seien bisher nicht belegt. Die Literaturrecherche habe 15 Treffer ergeben, darunter jedoch keine Phase-II- oder Phase-III-Studien oder randomisiert kontrollierte Studien. Das Verfahren habe zwar in Europa ein CE-Marking, in den USA aber bislang nur einen IDE-Status (Investigational Device Exemption), wonach es erst in einer klinischen Zulassungsstudie seine Wirksamkeit beweisen müsse. Die US-amerikanische IDE-Studie sei als multi-zentrische randomisierte 2-armige Studie zur IRE bei lokalisiertem unilateralem Prostatakarzinom geplant. Die Patientenrekrutierung habe jedoch noch nicht begonnen. Beim Kläger sei eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation durch Nichtanwendung der IRE-Behandlung - bei Ausschöpfung der vertragsärztlich erbringbaren Leistungen - nicht erkennbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf das MDK-Gutachten des Dr. U. zurück.
Am 25.03.2015 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er trug vor, seine behandelnden Ärzte hätten die Totaloperation der Prostata empfohlen und dabei darauf hingewiesen, dass mangels Nerverhalts mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit Harninkontinenz bzw. Impotenz auftreten könne. Er habe sich deshalb für die (schonende) IRE-Behandlung entschieden, die durch Prof. Dr. St. im darauf spezialisierten Prostata-Center, O., erfolgreich durchgeführt worden sei. Komplikationen seien nicht aufgetreten und er sei schmerzfrei. Bei ihm liege mit dem High-Risk-Prostatakarzinom eine lebensbedrohliche Erkrankung vor; es genüge, wenn sich die tödliche Gefahr möglicherweise erst in einigen Jahren realisiere. Die IRE-Behandlung könne die erheblichen Nebenwirkungen der schulmedizinischen Behandlung vermeiden. Sie müsse deshalb in erweiternder Auslegung des Leistungskatalogs der Krankenkassen gewährt werden.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.
Das SG befragte behandelnde Ärzte:
Prof. Dr. St. führte im Bericht vom 27.05.2015 (unter Vorlage u.a. des von ihm verwendeten Patientenaufklärungsformulars) aus, das Prostatakarzinom sei komplex, weise unterschiedliche Gentypen auf, entwickle sich über Jahrzehnte und verlaufe nur in einem geringen Teil der Fälle, was im Einzelfall aber schwer zu prognostizieren sei, überhaupt tödlich. Er habe den Kläger (u.a.) am 21.08.2014 behandelt; an diesem Tag sei die gesamte Prostatakapsel mittels IRE behandelt worden. Danach seien Kontrolluntersuchungen durchgeführt worden. Nach den S3-Leitlinien "Prostatakarzinom" der Deutschen Gesellschaft für Urologie wäre beim Kläger eine radikale Prostatektomie, als zweite Option die Strahlentherapie, anzuwenden gewesen. Der Kläger habe sich nach Aufklärung gegen diese Behandlungsmethoden entschieden, da sie nur einen geringen Überlebensvorteil (Verbesserung in der Gesamtsterblichkeit um 2,6%) brächten und die erhebliche Operation mit monatelanger Rekonvaleszenzzeit und hohem Nebenwirkungsrisiko (beim Kläger Impotenz zu 100%, Inkontinenz zwischen 10% bis 50%;) verbunden sei. Wegen des unbefriedigenden Verhältnisses von Nutzen und Schaden der schulmedizinischen Behandlung würden mehrere Alternativverfahren mit deutlich weniger Nebenwirkungen erprobt. Langzeitergebnisse gebe es zu keinem dieser Verfahren, was u.a. an der kurzen "Halbwertszeit" medizinischen Wissens von ca. 3 Jahren und am langsamen Fortschreiten des Prostatakarzinoms liege. Die IRE-Behandlung sei experimentell, Zahlen gebe es hierzu nicht. Der Überlebensvorteil lasse sich erst in Jahrzehnten quantifizieren. Die IRE-Behandlung zähle aus seiner Sicht zu den in der medizinischen Wissenschaft in Betracht zu ziehenden Verfahren. Das komme schon dadurch zum Ausdruck, dass sie neben der CE-Zulassung auch durch das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) einen OPS-Code (5.601.8) erhalten habe. Die Liste einschlägiger Publikationen umfasse bereits etwa 25.000 Titel; weltweit seien IRE-Behandlungen bei etwa 10.000 bis 20.000 Patienten durchgeführt worden. Er habe in über 4 Jahren über 250 Patienten behandelt und sei dadurch im Bereich der IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms derzeit weltweit führend.
Im Patientenaufklärungsformular des Prof. Dr. St. ist u.a. ausgeführt, die radikale Prostatektomie führe häufig zu vorübergehendem geringgradigem ungewolltem Harnverlust, der jedoch selten auf Dauer unkontrollierbar bleibe. Impotenz trete in einer Häufigkeit von ca. 70% ein, wenn kein nervenerhaltendes Verfahren gewählt werde, was dann jedoch auch mit einem höheren Risiko einer nicht kompletten Tumorbehandlung verbunden sei.
Dr. Pf. führte im Bericht vom 29.05.2015 aus, man habe dem Kläger bei Vorliegen eines High-Risk-Prostatakarzinoms die radikale Prostatektomie oder die Bestrahlung der Prostata empfohlen, basierend auf der einschlägigen S3-Leitlinie. In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Urologie werde die IRE (neben anderen Verfahren) erwähnt, die allgemeine Empfehlung sei, dass die fokale Therapie Patienten mit einem Low- oder Intermediat-Risk-Prostatakarzinom vorbehalten sein solle. Außerdem werde in den Empfehlungen ausgeführt, dass fokale Therapieverfahren "noch in den Kinderschuhen" steckten und nicht als therapeutische Alternativen außerhalb klinischer Studien empfohlen werden könnten.
Der Urologe Dr. M. gab im Bericht vom 12.06.2015 Behandlungstage an und führte aus, der Kläger habe sich zu einer IRE-Behandlung entschlossen, die am 21.08.2014 durchgeführt worden sei. Im weiteren Verlauf sei eine einmalige antihormonelle Therapie erfolgt. Der erstmalig kontrollierte PSA-Wert am 13.01.2015 habe im therapeutisch unauffälligen Bereich gelegen. Beim Kläger wäre als Standardverfahren - für eine kurative Behandlung, die die Krebserkrankung hätte heilen können - die radikale Prostatektomie, alternativ die Strahlenbehandlung durchzuführen gewesen. Bei der radikalen Prostatektomie wäre zumindest vorübergehend mit einer gewissen Harninkontinenz zu rechnen gewesen, die sich jedoch in der Regel binnen 2 bis 3 Monaten verliere. Bezüglich der Bestrahlung wäre mit einer Harninkontinenz in der Regel nicht zu rechnen gewesen, allerdings mit einer Reizung der Blase, welche sich jedoch ebenfalls nach einigen Monaten wieder einstelle. Bezüglich Nachhaltigkeit und Wirksamkeit würden beide Verfahren als kurative Verfahren gesehen. Zu der IRE-Behandlung gebe es in den wissenschaftlichen Literaturdatenbanken lediglich 18 Publikationen. Diese beschrieben technische Grundlagen der Methode oder die Protokolle neuer Studien, die sich noch in Planung befänden. Lediglich 2 Arbeitsgruppen beschrieben kurzfristige Behandlungsergebnisse, aber auch nur bezüglich der Häufigkeit kurzfristiger Behandlungsnebenwirkungen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie warne hier vor falschen Hoffnungen und meine, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand eine Aussage dazu machen könne, ob die IRE-Behandlung überhaupt in der Lage sei, einen Prostatakrebs therapeutisch zu beeinflussen, noch viel weniger, ob sie anderen Behandlungsmethoden überlegen sei.
Zum Erkrankungsverlauf des Klägers wurden (u.a.) die an den Kläger gerichteten Arztbriefe des Prof. Dr. St. vom 09.02.2015 und vom 20.08.2015 vorgelegt. Danach hätten sich in der Verlaufskontrolle nach IRE-Behandlung PSA-Werte von 0,01 bzw. 0,07 ng/ml ergeben. Ein Tumorrezidiv sei nicht nachweisebar; der Kläger gebe subjektiv Beschwerdefreiheit an.
Mit Urteil vom 11.12.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte müsse die Aufwendungen für die (alternative) Krebsbehandlung des Versicherten gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V) nicht erstatten; sie habe die Gewährung der streitgegenständlichen Behandlung (IRE-Behandlung) als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms stelle eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V dar, die von den Krankenkassen nur zu gewähren sei, wenn der GBA eine positive Empfehlung zu ihrem therapeutischen Nutzen abgegeben habe; das sei nicht der Fall. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch könne auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützt werden. Es sei schon zweifelhaft, ob es sich bei der Krebserkrankung des Klägers um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung bzw. damit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung handele, da Prof. Dr. St. darauf hingewiesen habe, dass das Prostatakarzinom nur in einem geringen Teil der Fälle einen tödlichen Verlauf habe, was im Einzelfall schwer vorherzusagen sei. Jedenfalls stünden mit der operativen Entfernung der Prostata und der Strahlentherapie allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung; das gehe aus den Berichten der Dres. Pf. und M. hervor, die hierfür auf die Leitlinie "Prostatakarzinom" der Deutschen Gesellschaft für Urologie hingewiesen hätten. Diese Behandlungsmethoden seien nicht wegen etwaiger Nebenwirkungen auszuschließen. Zwar könnten Harninkontinenz oder Blasenreizungen auftreten; beides verschwinde aber in der Regel innerhalb weniger Monate; das habe Dr. M. dargelegt. Auch Prof. Dr. St. gehe in seinem Patientenaufklärungsformular davon aus, dass das Inkontinenzrisiko nach einer Operation 25% betrage, diese Nebenwirkung aber auf Dauer selten unkontrollierbar bleibe. Demgegenüber sei die IRE-Behandlung noch experimentell und nicht Teil des medizinisch anerkannten Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Gegen das am 28.12.2015 abgesandte Urteil (Zugang bei der Beklagten am 07.01.2016) hat der Kläger am 02.02.2016 Berufung eingelegt. Er wiederholt und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Eine lebensbedrohliche Krankheit liege im Hinblick auf die Malignität des Befunds (eines High-Risk-Prostatakarzinoms) vor. Die schulmedizinische Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, die das SG verharmlosend dargestellt habe. Zum Risiko der Inkontinenz und Impotenz komme bei der Operation die Gefahr der Verletzung von Nachbarorganen hinzu. Aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit folge ein Anspruch auf Gewährung einer Behandlung mit den geringstmöglichen Eingriffsfolgen. Auf Operationen, die nachweislich zu erheblichen und regelmäßig dauerhaften Einschränkungen der körperlichen Unversehrtheit führen könnten, dürfe man ihn in Kenntnis der Existenz schonender Behandlungsverfahren nicht verweisen. Dass der Stellenwert der IRE-Behandlung nach der aktuellen medizinischen Literatur noch nicht hinreichend erforscht sei, ändere daran nichts. Dieses Behandlungsverfahren werde in mehreren Universitätskliniken (etwa der Ch., B.) angewendet. Man müsse auch berücksichtigen, dass die Evaluierung neuer Verfahren in der Medizin der Entwicklung deutlich hinterherhinke, wobei auch materielle Interessen und Konkurrenzdenken eine wichtige Rolle spielten, was nicht zu Lasten der Versicherten gehen dürfe. Die Kosten für die IRE-Behandlung seien auch nicht höher als die Kosten einer operativen Behandlung, zumal Kosten für die Anschlussheilbehandlung wegfielen. Sicher und durch Studien nachgewiesen sei, dass die IRE-Behandlung wesentlich schonender als alle anderen Behandlungsverfahren sei, dass nach der Operation die festgestellten Tumoren entfernt worden seien, dass über die derzeit mögliche Beobachtungsphase nur sehr wenige Rezidive aufgetreten seien und dass die Behandlung im Rezidivfall wiederholt werden könne. Die schulmedizinischen Behandlungsverfahren schützten nicht vor Rezidiven. Es sei unbillig, dass er alle Kosten der IRE-Behandlung allein tragen solle und man ihm nicht wenigstens die (hypothetischen) Kosten einer schulmedizinischen Behandlung erstatte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.12.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2015 zu verurteilen, ihm die Kosten für die ambulante privatärztliche IRE-Behandlung seiner Prostatakrebserkrankung sowie für die Durchführung einer multiparametrischen MRT und einer 3-D-Biopsie der Prostata durch Prof. Dr. St. i.H.v. 19.043,29 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Kläger für die privatärztlich ambulant erbrachte Behandlung seiner Prostatakrebserkrankung durch IRE sowie eine multiparametrische MRT und eine 3-D-Biopsie der Prostata entstanden sind. Die Kosten hierfür betragen nach den - von der Beklagte nicht bestrittenen - Angaben des Klägers insgesamt 19.043,29 EUR. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist damit unzweifelhaft überschritten. Die Berufung ist form- und auch fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig; ein Zustellungsnachweis über die Zustellung des Urteils des SG an den Kläger liegt zwar nicht vor, das Urteil ist vom SG aber am 28.12.2015 abgesandt worden und dem Kläger ersichtlich nicht vor Beginn des Jahres 2016 zugegangen (Zugang bei der Beklagten am 07.01.2016), so dass die einmonatige Berufungsfrist mit der am 02.02.2016 erhobenen Berufung gewahrt ist.
II. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die (ambulante) IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms ist vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst. Die Krankenkassen müssen ihren Mitgliedern die für die Beschaffung dieser Behandlung als privatärztliche Leistung entstehenden Kosten daher nicht erstatten.
1.) Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Alt. 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).
Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen "Formalismus" in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur "formal" abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.
Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).
2.) Davon ausgehend kann der Kläger die Erstattung der für die ambulante Behandlung seiner Prostatakrebserkrankung durch Prof. Dr. St. entstandenen Aufwendungen nicht beanspruchen. Unaufschiebbare Leistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V stehen unstreitig nicht in Rede, so dass nur ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V in Betracht kommt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Gewährung der Prostatakrebsbehandlung durch IRE nicht zu Unrecht abgelehnt. Entsprechendes gilt für die Durchführung einer multiparametrischen MRT und einer 3-D-Biopsie der Prostata. Diese Untersuchungen haben der (Erfolgs-)Kontrolle der IRE-Behandlung gedient und sind in rechtlicher Hinsicht nicht anders zu beurteilen als die IRE-Behandlung selbst.
Der Leistungsanspruch des Klägers auf ärztliche Behandlung aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V hat die streitgegenständlichen Behandlungsleistungen nicht umfasst. Sie können von der Krankenkasse nicht als (Sach-)Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Für die Kosten ihrer Beschaffung als privatärztliche Behandlungsleistung kann (und darf) die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten daher nicht aufkommen. Mangels rechtswidriger Leistungsablehnung kommt es auf Fragen des Beschaffungswegs oder der Ursächlichkeit der Leistungsablehnung für die Selbstbeschaffung nicht mehr an.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, dass es sich bei der IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms und ebenso bei den zur Erfolgskontrolle durchgeführten Untersuchungen mittels multiparametrischer MRT und 3-D-Biopsie der Prostata um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden i.S.d. § 135 SGB V handelt, die in der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht und von diesen daher auch nur gewährt werden dürfen, wenn der GBA eine positive Empfehlung nach näherer Maßgabe des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V abgegeben hat, und dass eine solche Empfehlung des GBA nicht vorliegt. Auch ein Fall des so genannten "Systemversagens" (dazu etwa BSG, Urteil vom 07.05.2013, - B 1 KR 44/12 R -, in juris) liegt nicht vor. Über all das streiten die Beteiligten nicht. Der Kläger stützt den geltend gemachten Leistungs- bzw. Erstattungsanspruch demzufolge auch allein auf die Regelung in § 2 Abs. 1a SGB V. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob dem Kläger durch die Selbstbeschaffung der streitgegenständlichen Leistungen eine (zivil-)rechtlich wirksame Kostenlast entstanden ist. Die Beteiligten streiten hierüber (ebenfalls) nicht. Prof. Dr. St. hat dem Kläger die IRE-Behandlung und die in Rede stehenden Untersuchungen ersichtlich als privatärztliche Leistungen in Rechnung gestellt und der Kläger hat den mit Klage und Berufung geltend gemachten Erstattungsbetrag i.H.v. 19.043,29 EUR (der dem Betrag des im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschlags entspricht) ersichtlich auch gezahlt.
Gemäß § 2 Abs. 1a SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht; § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V sieht vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben.
In § 2 Abs. 1a SGB V hat der Gesetzgeber die vom BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung kodifiziert; die Vorschrift ist daher nach den Maßgaben der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG auszulegen. In seinem grundlegenden Beschluss vom 06.12.2005 (- B 1 BvR 347/98 -, in juris) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die zu einem solchen Ergebnis führende Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts sei in der extremen Situation krankheitsbedingter Lebensgefahr (im vom BVerfG entschiedenen Fall durch die Duchenne`sche Muskeldystrophie) verfassungswidrig. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt und näher konkretisiert. Danach - so etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R -, beide in juris - verstößt die Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil der zuständige GBA diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt habe, gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit (BSG, Urteil vom 16.12.2008, - B 1 KN 3/07 KR R -; Übersicht etwa bei BSG, Urteil vom 5.5.2009, - B 1 KR 15/08 R -, alle in juris) vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Beim Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 - und vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415713 -, beide in juris), wobei das BVerfG es in einer speziellen Situation (Apharesebehandlung in einem besonderen Fall) hat ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 -; zu alledem auch Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 -, in juris).
Einem auf die Vorschrift in § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Klägers steht hier nicht schon entgegen, dass der GBA die Krebsbehandlung durch IRE - anders etwa als die Krebsbehandlung durch Hyperthermie - durch Richtlinienentscheidung ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen hat; dann wäre nach der Rechtsprechung des BSG für eine Anspruchsbegründung aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach § 2 Abs. 1a SGB V von vornherein kein Raum mehr (BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 -R -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.10.2015, - B 1 KR 69/15 B -; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2012, - L 4 KR 5054/10 -; für vorläufige Rechtsschutzverfahren anders etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007, - L 5 B 8/07 KR ER - oder LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2011, - 5 KR 99/11 B ER -; diese Frage offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2014, - L 11 KR 3597/13 -; alle in juris; zur Krebsbehandlung durch Hyperthermie auch Senatsurteil vom gleichen Tag im Verfahren L 5 KR 4217/14, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
Der Senat kann offen lassen, ob dem auf § 2 Abs. 1a SGB V gestützten Leistungsanspruch des Klägers, dessen Prostatakrebserkrankung als High-Risk-Prostatakarzinom eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne der genannten Vorschrift darstellt, entgegen gehalten werden könnte, dass der Kläger sich bei Durchführung der IRE-Behandlung nicht in einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten - notstandsähnlichen - individuellen Notlage befunden hätte. Es kommt entscheidungserheblich hierauf ebenso wenig an wie auf die Bewertung der im Fall des Klägers in Betracht kommenden schulmedizinischen Behandlungsmethoden (radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie) und der mit ihnen möglicherweise verbundenen Nebenwirkungen. Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs aus § 2 Abs. 1a SGB V sind nämlich deswegen nicht erfüllt, weil eine auf Indizien gestützte nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung der IRE-Behandlung auf den Krankheitsverlauf der Prostatakrebserkrankung des Klägers nicht festgestellt werden kann (dazu näher, insbesondere zur abstrakten und konkret- individuellen Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlungsmethode, BSG, Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, in juris Rdnr. 16). Dieses Erfordernis darf einerseits zwar nicht überspannt werden, etwa durch die Forderung eines Wirksamkeits- und Nutzennachweises durch evidenzbasierte Studien (vgl. etwa Senatsurteil vom 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - (Krebsbehandlung durch dendritische Zellen), nicht veröffentlicht). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (dazu BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, a.a.O.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Steht in den Fallgestaltungen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung) eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode generell nicht zur Verfügung oder scheidet sie im konkreten Einzelfall (nachgewiesenermaßen) aus, sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften "Hinweise" (so BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -, in juris Rdnr. 66) auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg. Andererseits darf die in Rede stehende und im Einzelfall vielfach maßgebliche Voraussetzung für die grundrechtsorientierte (erweiternde) Auslegung des Leistungskatalogs auch nicht (gänzlich) aufgelöst werden. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.).
Wie Dr. U. im MDK-Gutachten vom 30.09.2014 schlüssig dargelegt hat, handelt es sich bei der IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms um ein sehr junges Verfahren, dessen Wirksamkeit nicht anhand einer für die ausreichend sichere Beurteilung notwendigen Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken oder Studien beurteilt werden kann. Auch Prof. Dr. St., der in der Anwendung des in Rede stehenden Behandlungsverfahrens offenbar führend ist, hat im Bericht vom 27.05.2015 eingeräumt, dass es sich bei der IRE-Behandlung (derzeit) um ein experimentelles Verfahren (insoweit - zum Beihilferecht - auch etwa Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, Urteil vom 26.11.2015, - 1 K 926/15 -, in juris) handelt, dessen (Überlebens-)Vorteil für die Patienten sich erst in Jahrzehnten quantifizieren lassen wird. Die Gründe, aus denen die aktuelle Erkenntnislage der medizinischen Wissenschaft die ausreichende Wirksamkeitsbeurteilung einer Behandlungsmethode, hier der IRE-Behandlung, (ggf. noch) nicht zulässt, sind rechtlich nicht von Belang. Dr. Pf. hat, die Einstufung der IRE-Behandlung durch Dr. U. und Prof. Dr. St. als experimentelles Verfahren bestätigend, im Bericht vom 29.05.2015 ausgeführt, dass die IRE-Behandlung des Prostatakarzinoms in der Leitlinie der zuständigen europäischen Fachgesellschaft, der Europäischen Gesellschaft für Urologie, zwar erwähnt, aber als "noch in den Kinderschuhen steckendes" (fokales) Verfahren angesehen wird. Die Europäische Gesellschaft für Urologie hat die IRE-Behandlung als therapeutische Alternative außerhalb von klinischen Studien daher nicht empfehlen können. Dr. M. hat diese Einschätzung im Bericht vom 12.06.2015 (ebenfalls) bestätigt und dargelegt, dass in den wissenschaftlichen Literaturdatenbanken zur IRE-Behandlung nur 18 Veröffentlichungen vermerkt sind, die im Wesentlichen auch nur die technischen Grundlagen der Behandlungsmethode beschreiben; kurzfristige Behandlungsergebnisse würden nur von 2 Arbeitsgruppen beschrieben und dies auch nur bezüglich der Häufigkeit kurzfristiger Nebenwirkungen der Behandlung. Dr. M. hat ergänzend auf die Beurteilung der zuständigen deutschen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Urologie, verwiesen, die (insoweit im Kern nicht anders als die Europäische Gesellschaft für Urologie) vor falschen Hoffnungen warnt und nach deren Auffassung derzeit niemand eine Aussage dazu machen kann, ob die IRE-Behandlung überhaupt in der Lage ist, einen Prostatakrebs therapeutisch zu beeinflussen, und noch viel weniger, ob sie anderen Behandlungsmethoden überlegen ist. Dass die IRE-Behandlung als experimentelles Verfahren (auch etwa im Rahmen klinischer Studien) in universitären Zentren angewendet wird und das DIMDI hierfür einen OPS-Code festgelegt hat, kann die Rechtsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V ebenso wenig ausfüllen wie die (ersichtlich) positive Erfahrung, die der Kläger in seinem Einzelfall oder die Prof. Dr. St. in seiner Behandlungspraxis mit der IRE-Behandlung gemacht hat. Nach Maßgabe der eingangs dargestellten rechtlichen Anforderungen an die Auslegung des § 2 Abs. 1a SGB V ist damit das Erfordernis nicht ganz entfernt liegender Aussichten auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht zu begründen.
Bei diesem - für die Senatsentscheidung maßgeblichen - Stand der medizinischen Erkenntnis kann ein (letztendlich verfassungsunmittelbar fundierter) Leistungsanspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1a SGB V auf Gewährung der IRE-Behandlung nebst der zur Kontrolle des Behandlungserfolgs durchgeführten Untersuchungen (multiparametrisches MRT und 3-D-Biopsie der Prostata) nicht festgestellt werden, weshalb auch ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Aufwendungen für diese als privatärztliche Behandlung beschafften Leistungen nicht besteht. Auf einen Kostenvergleich - Kosten der IRE-Behandlung einerseits und Kosten einer (hypothetischen) schulmedizinischen Behandlung andererseits - kommt es nicht an (dazu nur etwa BSG, Beschluss vom 26.07.2004, - B 1 KR 30/04 B -, in juris).
Angesichts des vorliegenden MDK-Gutachtens des Dr. U. und der Arztberichte des Prof. Dr. St. sowie der Dres. Pf. und M. drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht auf; entsprechende Beweisanträge sind auch nicht gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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