Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 712/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4784/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung).
Bei dem 1943 geborenen Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 seit 18.09.2006 [Bescheid vom 09.11.2006, Bl. 79/81 der Verwaltungsakten (VA)] festgestellt, wobei die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde. Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: - Schlaganfallfolgen, Hemianopsie, Augenmuskellähmung (Teil-GdB 50), - degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Gebrauchseinschränkung beider Hände, nach Bandscheibenoperationen (Teil-GdB 40), - Hüftgelenksendoprothese rechts (Teil-GdB 20), - Lungenembolie nach Beinvenenthrombose, Herzfehler (Teil-GdB 20), - Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 10).
Den Antrag des Klägers vom 24.09.2007 auf Erhöhung des GdB und Feststellung der Merkzeichen "G" und "B" lehnte das Landratsamt S.-B.-K. – Versorgungsamt – (LRA) mit Bescheid vom 10.01.2008 (Bl. 120/122) ab.
Am 24.02.2011 beantragte der Kläger erneut die Feststellung der Merkzeichen "G" und "B". Zur Begründung berief er sich auf eine Gesichtsfeldstörung. Der Kläger legte Perimetriebefunde vom 27.10.2010 (Bl. 150/152 VA) vor.
Das LRA zog zusätzlich den Befundbericht des Augenarztes Rettenmaier vom 14.03.2011 (Bl. 155 VA) bei.
Der Beklagte holte die Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K. vom 27.06.2011 (Bl. 156/157 VA) ein, der die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertete: - Hemianopsie, Lähmung des 3. Hirnnerven rechts, Doppelbilder nach Schädelhirntrauma (Teil-GdB 40), - degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Gebrauchseinschränkung beider Hände (Teil-GdB 40), - Hüftgelenksendoprothese rechts, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 30), - Lungenembolie nach Beinvenenthrombose, Herzfehler (Teil-GdB 20). Den Gesamt-GdB bewertete er mit 80. Aus dem augenärztlichen Befund vom 14.03.2011 ergäben sich keine neuen Aspekte, die die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" begründen könnten.
Mit Bescheid vom 04.07.2011 (Bl. 158/160 VA) lehnte das LRA die Neufeststellung des GdB und die Feststellung der Merkzeichen "G" und "B" ab.
Am 27.07.2011 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Er sei der Auffassung, dass nicht sämtliche Gesundheitsstörungen in vollem Umfang berücksichtigt seien. Bei ihm liege eine schwere Gesichtsfeldeinschränkung vor, die sich weiter verschlechtert habe.
Das LRA zog den Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 29.09.2011 (Bl. 170 VA) sowie einen weiteren Befundbericht des Dr. R. vom 28.11.2011 (Bl. 173/174 VA) bei.
Die Versorgungsärztin K. hielt in der Stellungnahme vom 03.02.2012 (Bl. 178 VA) daran fest, dass die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen nicht vorlägen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 (Bl. 180/182 VA) wies das Regierungspräsidium S.– Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück.
Am 09.03.2012 erhob der Kläger gegen die Ablehnung der Merkzeichen "G" und "B" Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Der Beklagte habe nicht sämtliche Erkrankungen des Klägers umfassend berücksichtigt. Beim Kläger liege eine schwere Gesichtsfeldeinschränkung vor. Beide Augen seien auf der rechten Seite blind. Der Kläger sehe also nach rechts nichts, was zur Folge habe, dass er sich in fremder Umgebung alleine nicht bewegen könne. Beim Kläger liege auch eine Orbitafraktur vor, außerdem sei der Tränenkanal verletzt worden. Hierdurch komme es noch zu einer erheblichen Doppelsichtigkeit unter einem Schleier auf dem Auge. Ihm sei es also nicht möglich, sich in einer fremden Gegend alleine zurechtzufinden, er sei auf eine Begleitperson angewiesen. Der Kläger erkenne Gefahren nicht mehr, die von der rechten Seite auf ihn zukämen. Es liege somit eine Störung der Orientierungsfähigkeit vor, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führe. Es liege eine Sehbehinderung mit einem GdB von mindestens 70 vor. Doch selbst, wenn eine Sehbehinderung lediglich mit einem GdB von 50 oder 60 vorliegen sollte, wäre die Voraussetzung für das Merkzeichen "G" gegeben, da gleichzeitig eine erhebliche Störung der Ausgleichsfunktion vorliegt.
Das SG holte das augenfachärztliche Gutachten von Prof. Dr. B.-S. vom 29.04.2015 (Bl. 28/39 der SG-Akte) ein, der den Kläger am 28.04.2015 untersucht hat. Der Gutachter führte aus, der Gesichtsfelddefekt führe zu einer erschwerten räumlichen Orientierung, insbesondere in fremder Umgebung. Es sei möglich, dass Objekte, die sich in der rechten Gesichtshälfte befänden, übersehen würden. Erschwerend könne sich die Tränenfilminsuffizienz durch vorübergehendes Verschwommensehen auswirken. Bei Dunkelheit wirkten sich zusätzlich die erhöhte Blendempfindlichkeit und reduziertes Dämmerungssehen negativ aus. Das Zurücklegen von ortsüblichen Wegstrecken sei zumutbar. Die aus ophthalmologischer Sicht wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche und sichere Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln seien eine ausreichende Sehschärfe und Gesichtsfeld. Die Sehschärfe sei nur am rechten Auge geringgradig reduziert und stelle dabei kein Problem dar. Der rechtsseitige Gesichtsfelddefekt, der ja beide Augen betreffe, führe zu den genannten Problemen. Wie die Erfahrung zeige, lernten aber auch Patienten, die unter einem vollständigen Halbseiten-Gesichtsfelddefekt litten, diesen weitgehend zu kompensieren, so dass die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auch ohne fremde Hilfe möglich sei. Dies gelte auch für den Kläger.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. B.-S. Gutachten sei davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage sei, den Gesichtsfelddefekt weitgehend zu kompensieren. Eine dauerhafte Beeinträchtigung der Orientierungsfähigkeit, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen würde, sei nicht nachgewiesen. Aus diesem Grund lägen auch die Voraussetzungen des Merkzeichens "B" nicht vor.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 06.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 17.11.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein. Die vom Gutachter festgestellten Erkrankungen des rechten Auges bzw. der beiden Augen hätten eine erschwerte räumliche Orientierung beim Kläger zur Folge. So sei es möglich, dass Objekte, die sich in der rechten Gesichtshälfte befänden, übersehen würden. Erschwerend könne sich die Tränenfilminsuffizienz durch vorübergehendes Verschwommensehen auswirken. Bei Dunkelheit werde der Kläger zusätzlich durch erhöhte Blendempfindlichkeit und das reduzierte Dämmerungssehen beeinträchtigt. Auch die Doppelbildwahrnehmung wirke sich negativ auf das Orientierungsvermögen aus. Schon diese Erkrankungen und Einschränkungen seien für eine Zuerkennung des Merkzeichens "G" ausreichend. Bislang sei es dem Kläger nicht gelungen, den Gesichtsfelddefekt zu kompensieren. Weder der Gutachter noch das erstinstanzliche Gericht setzten sich demnach damit auseinander, ob der Kläger tatsächlich zu einer Kompensation in der Lage sei. Zudem gehe das Gutachten auch nicht auf die zusätzlichen Beeinträchtigungen des Gehvermögens, welche nicht aus augenärztlicher Sicht erfolgten, ein. Auch das SG treffe hierzu keine eigenen Feststellungen, obwohl sich die Vorerkrankungen des Klägers auf nicht augenärztlichem Gebiet evident auf das Gehvermögen auswirkten. Der Kläger leide zudem inzwischen unter erheblichen Gleichgewichtsstörungen, welche sein Orientierungsvermögen bzw. sein Bewegungsvermögen im Straßenverkehr zusätzlich stark herabgesetzten.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2015 und den Bescheid des Landratsamtes S.-B.-K. vom 04.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 08.02.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "B" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Einwände des Klägers hinsichtlich der Unmöglichkeit einer Kompensation der vorliegenden Gesichtsfeldausfälle (durch beispielsweise Kopf- bzw. Körperdrehung) seien nicht nachvollziehbar, da auch Personen mit einem vollständigen Halbseiten-Gesichtsfelddefekt diesen nach der Erfahrung des Gutachters Prof. Dr. B.-S.weitgehend kompensieren könnten.
Der Rechtsstreit ist mit dem Beteiligten in der nicht-öffentlichen Sitzung am 29.04.2016 durch die Berichterstatterin erörtert worden. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 30.10.2015 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 04.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B".
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten.
Bislang konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichen "G" nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die VG (Teil D Ziff. 3) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten nach Auffassung des Senats weder § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis 30.06.2011 bzw. § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 gültigen Fassung, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war bislang auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "G" waren damit nach ständiger Rechtsprechung des Senats mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 – L 8 SB 3119/08 und vom 14.08.2009 – L 8 SB 1691/08, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; so auch der ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständige 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 – L 6 SB 2556/09, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 – L 3 SB 523/12 unveröffentlicht). Rechtsgrundlage waren daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG, Urteil vom 10.12.1987 – 9a RVs 11/87 , SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG, Urteil vom 13.08.1997 – 9 RVS 1/96 , SozR 3 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei Kilometern in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f.) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei Kilometern zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG, Urteil vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs Kilometern pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats vom 02.10.2012 – L 8 SB 1914/10, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" wie oben ausgeführt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats unwirksam waren (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
Zwischenzeitlich hat jedoch der Gesetzgeber mit Wirkung zum 15.01.2015 in § 70 Abs. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung eingeführt und in § 159 Abs. 7 SGB IX eine Übergangsregelung getroffen (eingefügt durch Art. 1a des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015; BGBl. II S. 15).
§ 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 lautet nunmehr: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Von der Verordnungsermächtigung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden.
Nach der ebenfalls am 15.01.2015 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.
Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen (insoweit offen lassend der 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 13.05.2015 – L 3 SB 1100/14). Soweit eine entsprechende Anwendung der Maßstäbe der VersMV durch das Gesetz angeordnet ist, lässt sich dem Wortlaut hinreichend deutlich die Regelung für Merkzeichen entnehmen, dass die Bewertungsmaßstäbe der VG Teil D unmittelbar anzuwenden sind. Der Regelung der mit Wirkung zum 01.01.2009 erlassenen VersMV ist bis zum Erlass einer neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX damit praktisch Gesetzescharakter verliehen worden (so auch der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2015 – L 6 SB 3121/14 unter Verweis auf BT-Drs. 18/3190, S. 5, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" entfaltet nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 – L 8 SB 70/13, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam. Eine Rückwirkung ist in der Übergangsbestimmung gesetzlich nicht geregelt worden, weshalb die gesetzliche Neuregelung erst am Tag des Inkrafttretens Gültigkeit erlangt. Dies ergibt sich auch aus der Begründung zu der Neufassung von § 70 Abs. 2 und § 159 Abs. 7 SGB IX, mit der der Gesetzgeber die Zweifel, ob § 30 Abs. 16 BVG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung (zusätzlich gemeint wohl: für die Feststellung von Merkzeichen) darstellt, ausräumen will, so dass die Versorgungsmedizinverordnung "künftig auf beide Ermächtigungsnormen" gestützt werden kann (BT-Drs. 18/3190, S. 5 zu Nummer 2), also eine Regelung für die Zukunft beabsichtigt. Zudem geht der Gesetzgeber mit der Schaffung der Übergangsregelung davon aus, dass "in der Übergangszeit das derzeitige Recht weiter Anwendung findet" (BT-Drs. 18/3190, S. 5 zu Nummer 3).
Folglich stellt der Senat für die Zeit bis zum 14.01.2015 auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens "G" entwickelten Kriterien und für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab. Vorliegend führt ein Abstellen auf die VG indes zu keinem anderen Ergebnis für den Kläger. So heißt es in Teil D Nr. 1 lit. b) VG: In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunden zurückgelegt wird. Unter Teil D Nr. 1 lit. d) bis f) VG heißt es weiter: Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.
Der Senat konnte aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht feststellen, dass bei dem Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vorliegt.
Die beim Kläger vorliegende Sehbehinderung bedingt keine so schwerwiegende Orientierungsstörung, dass der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wäre. Beim Kläger liegt keine Sehbehinderung vor, die einen GdB von 70 rechtfertigt. Vielmehr bedingt die bei ihm bestehende Sehbehinderung lediglich einen GdB von 40.
Beim Kläger besteht neben einem inkompletten halbseitigen Gesichtsfeldausfall nach rechts eine partielle Lähmung des Nervus oculomotorius, eine reduzierte Sehschärfe des rechten Auges auf 0,63, eine Tränenfilminsuffizienz, eine erhöhte Blendempfindlichkeit und ein reduziertes Dämmerungssehen. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten des Prof. Dr. B.-S ...
Die GdB-Bewertung von Gesichtsfeldsausfällen ist in Teil B Nr. 4.5 VG geregelt. Danach rechtfertigt eine vollständige homonyme Hemianopsie einen GdB von 40. Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen ist der GdB entsprechend niedriger anzusetzen. Beim Kläger besteht ein inkompletter Halbseitenausfall, wobei der rechte obere Quadrant vollständig und vom rechten unteren Quadranten die oberen 25° fehlen. Demnach ist beim Kläger das Gesichtsfeld im unteren Bereich noch mehr als zur Hälfte erhalten, so dass das Gehvermögen dadurch weniger beeinträchtigt ist als bei einem vollständigen Halbseitenausfall, da gerade Hindernisse am Boden noch umfassender wahrgenommen werden können. Augenmuskellähmungen mit Doppelbildern sind nach Teil B Nr. 4.4 VG zu bewerten. Nach dem dort dargestellten Schema von Haase und Steinhorst für die GdB-Bewertung bei Doppelbildern nur in einigen Blickfeldbereichen bei sonst normalem Binokularsehen rechtfertigt die beim Kläger vorliegende Aufblickstörung des rechten Auges, welche nach dem Gutachten des Prof. Dr. Bartz-Schmidt zu einer Doppelbildwahrnehmung im Aufblick ab ca. 15° führt, für sich allein einen GdB von 5 bis 10. Die auf dem rechten Auge auf 0,63 reduzierte Sehschärfe bedingt isoliert betrachtet nach der Tabelle gemäß Teil B Nr. 4.3 VG bei einer Sehschärfe von 1,0 auf dem linken Auge keinen GdB. Eine Einschränkung des Dämmerungssehens, welches beim Kläger nach den Feststellungen des Prof. Dr. B.-S. ebenfalls herabgesetzt ist, führt nach Teil B Nr. 4.6 VG zu einem GdB von 0 bis 10. Die erhöhte Blendempfindlichkeit rechtfertigt nach den VG keinen eigenständigen Teil-GdB. Insgesamt rechtfertigt die beim Kläger vorliegende Sehbehinderung unter Berücksichtigung der nur geringfügige Behinderungen darstellenden Aufblickstörung und Einschränkung des Dämmerungssehens zusätzlich zu dem inkompletten Halbseitenausfall, der allein noch keinen Teil-GdB von 40 bedingt, keinen höheren Einzel-GdB als 40.
Beim Kläger liegt damit keine schwere Sehbehinderung mit einem GdB von 50-60 vor, die die Annahme einer zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führenden Orientierungsstörung rechtfertigen würde. Dass der Gesichtsfelddefekt nicht wenigstens insoweit zu kompensieren ist, dass dem Kläger eine Orientierung im Straßenverkehr weitgehend möglich ist, ist für den Senat nicht erkennbar. Beim Kläger ist gerade der untere Bereich des rechten unteren Quadranten des Gesichtsfeldes vom Gesichtsfeldausfall nicht betroffen, so dass der Kläger Gegenstände am Boden noch ohne Weiteres wahrnehmen kann. Darüber hinaus ist die Verschaffung einer örtlichen Orientierung durch Kopf- oder Körperdrehungen möglich, wodurch auch etwaige Gefahren, z.B. beim Überqueren der Straße durch herannahende Fahrzeuge, erkannt werden können. Das Zurücklegen von gewöhnlichen und eingeübten Wege, welche nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Mehrzahl der zurückzulegenden Wegstrecken ausmachen (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1996 – 9 RVs 5/95, SozR 3-1300 § 48 Nr. 57, BSGE 79, 223-231, SozR 3-1300 § 45 Nr. 31, SozR 3-3870 § 4 Nr. 14, SozR 3-3870 § 60 Nr. 1, Rn. 24), ist damit ohne erhebliche Beeinträchtigungen möglich. Aber auch für die Fälle, in denen der Kläger unbekannte Wege erstmalig zurückzulegen hat, ist nicht davon auszugehen, dass er sich nicht auch durch Hinzuziehung von Stadtplänen und schriftlichen Wegbeschreibungen orientieren kann. Wo sich dies als nicht ausreichend erweisen sollte, können Passanten um Auskunft gebeten werden, was auch von nicht behinderten Menschen, die ortsunkundig sind, praktiziert wird (vgl. zur Zumutbarkeit für einen vor Spracherwerb Ertaubten: BSG, Urteil vom 12.11.1996 a.a.O.). Sollte der Kläger trotz all dieser möglichen Hilfen sein Wegeziel gelegentlich verfehlen, kann gleichwohl noch nicht von einer "Störung der Orientierungsfähigkeit" gesprochen werden (vgl. BSG a.a.O.).
Ohne dass es noch darauf ankommt, da bei dem Kläger eine Sehbehinderung mit einem GdB von 50 oder 60 nicht vorliegt, ist bei ihm auch keine erhebliche Störung der Ausgleichsfunktion festzustellen. Welche Ausgleichsfunktion beim Kläger gestört sein soll, wurde nicht vorgetragen. Der Senat kann derartige Störungen auch nicht erkennen. Insbesondere besteht beim Kläger kein Hinweis auf das Bestehen einer erheblichen Beeinträchtigung des Hör- oder Sprechvermögens.
Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens durch orthopädische oder internistische Erkrankungen wurde erstmals im Berufungsverfahren behauptet. Inwieweit sich die im Rahmen des zuerkannten GdB berücksichtigten Gesundheitsschäden konkret auf das Gehvermögen des Klägers beeinträchtigend auswirken, wurde nicht ausgeführt. Nach den zu den Akten gelangten ärztlichen Befunden ist eine mit einem GdB 50 zu bewertende Einschränkung der LWS und der unteren Gliedmaßen nicht ersichtlich. Die mit einem Einzel-GdB von 40 bemessene Beeinträchtigung der Wirbelsäule beruht auf den Beeinträchtigungen der Bandscheibenoperationen an der Halswirbelsäule, betreffend das Wirbelkörpersegment C 6/7, und der Lendenwirbelsäule, betreffend das Wirbelkörpersegment L 4/5, am 09.06.1997 (vgl. Berichte der Oberschwabenklinik R. vom 19.06.1997, der Vitalklinik, Bad D.vom 07.08.2006 und von Dr. G. vom 01.10.2007 - Bl. 37ff, 72ff und 118f der Verwaltungsakte). Dass der Gesundheitszustand hinsichtlich der Wirbelsäule sich seither geändert hat, ist nicht aktenkundig geworden. Damit beträgt der die Lendenwirbelsäule betreffende Teil-GdB im günstigsten Fall für den Kläger allenfalls 30 (vgl. Teil B Nr. 18.9 VG ; mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitte). Hinsichtlich der beidseitigen Hüftgelenksbeeinträchtigung und der Beeinträchtigung am rechten Knie mit einem Einzel-GdB von 30 ist letztlich nur ein Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Nach den zuletzt mitgeteilten Bewegungsmaßen für beide Hüftgelenke (Bericht der Vitalklinik Bad D. vom 07.08.2006: 0/0/90 rechts, 0/0/95 links) war eine Hüftbeweglichkeit beidseits gegeben, die nach Teil B Nr. 18.14 VG keine GdB-relevante Beweglichkeitseinschränkung darstellt. Deshalb kann nur der Mindest-GdB von 20 für die ohne Folgesymptomatik erfolgte Implantation der Hüftendoprothese rechts angenommen werden (Teil B Nr. 18.12 VG). Der Kläger war nach dem Bericht der Vitalklinik mit beiden Beinen wieder voll belastbar, insbesondere wird ein Kniegelenksbefund rechts im Entlassungsbericht der Klinik nicht mehr angegeben. Die Berücksichtigung der GdB-Werte für die Lendenwirbelsäule von 30 und die unteren Extremitäten von 20 ergibt allenfalls einen GdB-Wert von 40, womit die Voraussetzungen für das Merkzeichen G auch für diesen geprüften Anwendungsfall nicht vorliegen. Weder in den nach der letzten maßgeblichen GdB-Feststellung betriebenen Verwaltungsverfahren noch im vorliegenden erstinstanzlichen Klageverfahren wurden Änderungen im orthopädisch zu beurteilenden Behinderungszustand geltend gemacht. Auch im Berufungsverfahren wurde insoweit nicht substantiell vorgetragen. Insoweit sieht sich der Senat zu weiteren Ermittlungen nicht veranlasst. Nachforschungen "ins Blaue hinein" sind durch die Amtsermittlungspflicht nicht geboten (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2003 – B 13 RJ 39/02 R, SozR 4-1300 § 31 Nr. 1; BSG Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 23/00 R, SozR 3-2600 § 43 Nr. 25; BSG, Urteil vom 07.05.1998 – B 11 AL 81/97 R, juris). Im Übrigen ist aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich, dass die im Bereich der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule bestehenden Gesundheitsstörungen trotz der Bewertung mit einem GdB unter 50 gleichwohl so schwerwiegend sind, dass das Gehvermögen des Klägers erheblich beeinträchtigt wäre. Dies ist aus den dargelegten Befunden nicht ableitbar. Auch nicht durch Zusammenwirkung anderer Befunde. Eine erhebliche Gehbeeinträchtigung ist aufgrund einer 2-maligen Beinvenenthrombose oder eines Herzfehlers nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger zur Berufungsbegründung pauschal das Auftreten von Gleichgewichtsstörungen behauptet hat, sah sich der Senat ohne Ausführungen zu den konkret bestehenden Beeinträchtigungen, Vorlage von ärztlichen Befunden oder Angabe ärztlicher Behandlungen ebenfalls nicht veranlasst, diesbezüglich "ins Blaue hinein" weitere Ermittlungen in die Wege zu leiten.
Der Senat konnte sich danach nicht davon überzeugen, dass die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen sein Gehvermögen erheblich beeinträchtigen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" sind somit zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" liegen beim Kläger ebenfalls nicht vor.
Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind, § 146 Abs. 2 SGB IX. Nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Mensch im Sinne des Absatzes 1 unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist und dies im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1 SGB IX sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, hilflos oder gehörlos sind, denen also das Merkzeichen "G", "H" oder "Gl" zuerkannt ist. Das bedeutet, dass die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nur erfolgt, wenn "G", "H" oder "Gl" zuerkannt ist (BSG, Urteil vom 11.11.1987 – 9a RVs 6/86, SozR 3870 § 38 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) konnte der Senat nicht feststellen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) oder "Gl" (gehörlos) liegen nicht vor. Hilflosigkeit oder Gehörlosigkeit wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Damit kann dem Kläger das Merkzeichen "B" bereits aus diesem Grunde nicht zugesprochen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung).
Bei dem 1943 geborenen Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 seit 18.09.2006 [Bescheid vom 09.11.2006, Bl. 79/81 der Verwaltungsakten (VA)] festgestellt, wobei die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde. Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: - Schlaganfallfolgen, Hemianopsie, Augenmuskellähmung (Teil-GdB 50), - degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Gebrauchseinschränkung beider Hände, nach Bandscheibenoperationen (Teil-GdB 40), - Hüftgelenksendoprothese rechts (Teil-GdB 20), - Lungenembolie nach Beinvenenthrombose, Herzfehler (Teil-GdB 20), - Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 10).
Den Antrag des Klägers vom 24.09.2007 auf Erhöhung des GdB und Feststellung der Merkzeichen "G" und "B" lehnte das Landratsamt S.-B.-K. – Versorgungsamt – (LRA) mit Bescheid vom 10.01.2008 (Bl. 120/122) ab.
Am 24.02.2011 beantragte der Kläger erneut die Feststellung der Merkzeichen "G" und "B". Zur Begründung berief er sich auf eine Gesichtsfeldstörung. Der Kläger legte Perimetriebefunde vom 27.10.2010 (Bl. 150/152 VA) vor.
Das LRA zog zusätzlich den Befundbericht des Augenarztes Rettenmaier vom 14.03.2011 (Bl. 155 VA) bei.
Der Beklagte holte die Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K. vom 27.06.2011 (Bl. 156/157 VA) ein, der die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertete: - Hemianopsie, Lähmung des 3. Hirnnerven rechts, Doppelbilder nach Schädelhirntrauma (Teil-GdB 40), - degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, Gebrauchseinschränkung beider Hände (Teil-GdB 40), - Hüftgelenksendoprothese rechts, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 30), - Lungenembolie nach Beinvenenthrombose, Herzfehler (Teil-GdB 20). Den Gesamt-GdB bewertete er mit 80. Aus dem augenärztlichen Befund vom 14.03.2011 ergäben sich keine neuen Aspekte, die die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" begründen könnten.
Mit Bescheid vom 04.07.2011 (Bl. 158/160 VA) lehnte das LRA die Neufeststellung des GdB und die Feststellung der Merkzeichen "G" und "B" ab.
Am 27.07.2011 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Er sei der Auffassung, dass nicht sämtliche Gesundheitsstörungen in vollem Umfang berücksichtigt seien. Bei ihm liege eine schwere Gesichtsfeldeinschränkung vor, die sich weiter verschlechtert habe.
Das LRA zog den Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 29.09.2011 (Bl. 170 VA) sowie einen weiteren Befundbericht des Dr. R. vom 28.11.2011 (Bl. 173/174 VA) bei.
Die Versorgungsärztin K. hielt in der Stellungnahme vom 03.02.2012 (Bl. 178 VA) daran fest, dass die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen nicht vorlägen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 (Bl. 180/182 VA) wies das Regierungspräsidium S.– Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück.
Am 09.03.2012 erhob der Kläger gegen die Ablehnung der Merkzeichen "G" und "B" Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Der Beklagte habe nicht sämtliche Erkrankungen des Klägers umfassend berücksichtigt. Beim Kläger liege eine schwere Gesichtsfeldeinschränkung vor. Beide Augen seien auf der rechten Seite blind. Der Kläger sehe also nach rechts nichts, was zur Folge habe, dass er sich in fremder Umgebung alleine nicht bewegen könne. Beim Kläger liege auch eine Orbitafraktur vor, außerdem sei der Tränenkanal verletzt worden. Hierdurch komme es noch zu einer erheblichen Doppelsichtigkeit unter einem Schleier auf dem Auge. Ihm sei es also nicht möglich, sich in einer fremden Gegend alleine zurechtzufinden, er sei auf eine Begleitperson angewiesen. Der Kläger erkenne Gefahren nicht mehr, die von der rechten Seite auf ihn zukämen. Es liege somit eine Störung der Orientierungsfähigkeit vor, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führe. Es liege eine Sehbehinderung mit einem GdB von mindestens 70 vor. Doch selbst, wenn eine Sehbehinderung lediglich mit einem GdB von 50 oder 60 vorliegen sollte, wäre die Voraussetzung für das Merkzeichen "G" gegeben, da gleichzeitig eine erhebliche Störung der Ausgleichsfunktion vorliegt.
Das SG holte das augenfachärztliche Gutachten von Prof. Dr. B.-S. vom 29.04.2015 (Bl. 28/39 der SG-Akte) ein, der den Kläger am 28.04.2015 untersucht hat. Der Gutachter führte aus, der Gesichtsfelddefekt führe zu einer erschwerten räumlichen Orientierung, insbesondere in fremder Umgebung. Es sei möglich, dass Objekte, die sich in der rechten Gesichtshälfte befänden, übersehen würden. Erschwerend könne sich die Tränenfilminsuffizienz durch vorübergehendes Verschwommensehen auswirken. Bei Dunkelheit wirkten sich zusätzlich die erhöhte Blendempfindlichkeit und reduziertes Dämmerungssehen negativ aus. Das Zurücklegen von ortsüblichen Wegstrecken sei zumutbar. Die aus ophthalmologischer Sicht wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche und sichere Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln seien eine ausreichende Sehschärfe und Gesichtsfeld. Die Sehschärfe sei nur am rechten Auge geringgradig reduziert und stelle dabei kein Problem dar. Der rechtsseitige Gesichtsfelddefekt, der ja beide Augen betreffe, führe zu den genannten Problemen. Wie die Erfahrung zeige, lernten aber auch Patienten, die unter einem vollständigen Halbseiten-Gesichtsfelddefekt litten, diesen weitgehend zu kompensieren, so dass die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auch ohne fremde Hilfe möglich sei. Dies gelte auch für den Kläger.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. B.-S. Gutachten sei davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage sei, den Gesichtsfelddefekt weitgehend zu kompensieren. Eine dauerhafte Beeinträchtigung der Orientierungsfähigkeit, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen würde, sei nicht nachgewiesen. Aus diesem Grund lägen auch die Voraussetzungen des Merkzeichens "B" nicht vor.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 06.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 17.11.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein. Die vom Gutachter festgestellten Erkrankungen des rechten Auges bzw. der beiden Augen hätten eine erschwerte räumliche Orientierung beim Kläger zur Folge. So sei es möglich, dass Objekte, die sich in der rechten Gesichtshälfte befänden, übersehen würden. Erschwerend könne sich die Tränenfilminsuffizienz durch vorübergehendes Verschwommensehen auswirken. Bei Dunkelheit werde der Kläger zusätzlich durch erhöhte Blendempfindlichkeit und das reduzierte Dämmerungssehen beeinträchtigt. Auch die Doppelbildwahrnehmung wirke sich negativ auf das Orientierungsvermögen aus. Schon diese Erkrankungen und Einschränkungen seien für eine Zuerkennung des Merkzeichens "G" ausreichend. Bislang sei es dem Kläger nicht gelungen, den Gesichtsfelddefekt zu kompensieren. Weder der Gutachter noch das erstinstanzliche Gericht setzten sich demnach damit auseinander, ob der Kläger tatsächlich zu einer Kompensation in der Lage sei. Zudem gehe das Gutachten auch nicht auf die zusätzlichen Beeinträchtigungen des Gehvermögens, welche nicht aus augenärztlicher Sicht erfolgten, ein. Auch das SG treffe hierzu keine eigenen Feststellungen, obwohl sich die Vorerkrankungen des Klägers auf nicht augenärztlichem Gebiet evident auf das Gehvermögen auswirkten. Der Kläger leide zudem inzwischen unter erheblichen Gleichgewichtsstörungen, welche sein Orientierungsvermögen bzw. sein Bewegungsvermögen im Straßenverkehr zusätzlich stark herabgesetzten.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2015 und den Bescheid des Landratsamtes S.-B.-K. vom 04.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 08.02.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "B" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Einwände des Klägers hinsichtlich der Unmöglichkeit einer Kompensation der vorliegenden Gesichtsfeldausfälle (durch beispielsweise Kopf- bzw. Körperdrehung) seien nicht nachvollziehbar, da auch Personen mit einem vollständigen Halbseiten-Gesichtsfelddefekt diesen nach der Erfahrung des Gutachters Prof. Dr. B.-S.weitgehend kompensieren könnten.
Der Rechtsstreit ist mit dem Beteiligten in der nicht-öffentlichen Sitzung am 29.04.2016 durch die Berichterstatterin erörtert worden. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 30.10.2015 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 04.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B".
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten.
Bislang konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichen "G" nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die VG (Teil D Ziff. 3) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten nach Auffassung des Senats weder § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis 30.06.2011 bzw. § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 gültigen Fassung, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war bislang auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "G" waren damit nach ständiger Rechtsprechung des Senats mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 – L 8 SB 3119/08 und vom 14.08.2009 – L 8 SB 1691/08, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; so auch der ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständige 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 – L 6 SB 2556/09, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 – L 3 SB 523/12 unveröffentlicht). Rechtsgrundlage waren daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG, Urteil vom 10.12.1987 – 9a RVs 11/87 , SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG, Urteil vom 13.08.1997 – 9 RVS 1/96 , SozR 3 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei Kilometern in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f.) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei Kilometern zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG, Urteil vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs Kilometern pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats vom 02.10.2012 – L 8 SB 1914/10, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken im Sinne von § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" wie oben ausgeführt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats unwirksam waren (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
Zwischenzeitlich hat jedoch der Gesetzgeber mit Wirkung zum 15.01.2015 in § 70 Abs. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung eingeführt und in § 159 Abs. 7 SGB IX eine Übergangsregelung getroffen (eingefügt durch Art. 1a des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015; BGBl. II S. 15).
§ 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 lautet nunmehr: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Von der Verordnungsermächtigung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden.
Nach der ebenfalls am 15.01.2015 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.
Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen (insoweit offen lassend der 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 13.05.2015 – L 3 SB 1100/14). Soweit eine entsprechende Anwendung der Maßstäbe der VersMV durch das Gesetz angeordnet ist, lässt sich dem Wortlaut hinreichend deutlich die Regelung für Merkzeichen entnehmen, dass die Bewertungsmaßstäbe der VG Teil D unmittelbar anzuwenden sind. Der Regelung der mit Wirkung zum 01.01.2009 erlassenen VersMV ist bis zum Erlass einer neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX damit praktisch Gesetzescharakter verliehen worden (so auch der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2015 – L 6 SB 3121/14 unter Verweis auf BT-Drs. 18/3190, S. 5, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" entfaltet nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 – L 8 SB 70/13, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam. Eine Rückwirkung ist in der Übergangsbestimmung gesetzlich nicht geregelt worden, weshalb die gesetzliche Neuregelung erst am Tag des Inkrafttretens Gültigkeit erlangt. Dies ergibt sich auch aus der Begründung zu der Neufassung von § 70 Abs. 2 und § 159 Abs. 7 SGB IX, mit der der Gesetzgeber die Zweifel, ob § 30 Abs. 16 BVG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung (zusätzlich gemeint wohl: für die Feststellung von Merkzeichen) darstellt, ausräumen will, so dass die Versorgungsmedizinverordnung "künftig auf beide Ermächtigungsnormen" gestützt werden kann (BT-Drs. 18/3190, S. 5 zu Nummer 2), also eine Regelung für die Zukunft beabsichtigt. Zudem geht der Gesetzgeber mit der Schaffung der Übergangsregelung davon aus, dass "in der Übergangszeit das derzeitige Recht weiter Anwendung findet" (BT-Drs. 18/3190, S. 5 zu Nummer 3).
Folglich stellt der Senat für die Zeit bis zum 14.01.2015 auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens "G" entwickelten Kriterien und für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab. Vorliegend führt ein Abstellen auf die VG indes zu keinem anderen Ergebnis für den Kläger. So heißt es in Teil D Nr. 1 lit. b) VG: In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunden zurückgelegt wird. Unter Teil D Nr. 1 lit. d) bis f) VG heißt es weiter: Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.
Der Senat konnte aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht feststellen, dass bei dem Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vorliegt.
Die beim Kläger vorliegende Sehbehinderung bedingt keine so schwerwiegende Orientierungsstörung, dass der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wäre. Beim Kläger liegt keine Sehbehinderung vor, die einen GdB von 70 rechtfertigt. Vielmehr bedingt die bei ihm bestehende Sehbehinderung lediglich einen GdB von 40.
Beim Kläger besteht neben einem inkompletten halbseitigen Gesichtsfeldausfall nach rechts eine partielle Lähmung des Nervus oculomotorius, eine reduzierte Sehschärfe des rechten Auges auf 0,63, eine Tränenfilminsuffizienz, eine erhöhte Blendempfindlichkeit und ein reduziertes Dämmerungssehen. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten des Prof. Dr. B.-S ...
Die GdB-Bewertung von Gesichtsfeldsausfällen ist in Teil B Nr. 4.5 VG geregelt. Danach rechtfertigt eine vollständige homonyme Hemianopsie einen GdB von 40. Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen ist der GdB entsprechend niedriger anzusetzen. Beim Kläger besteht ein inkompletter Halbseitenausfall, wobei der rechte obere Quadrant vollständig und vom rechten unteren Quadranten die oberen 25° fehlen. Demnach ist beim Kläger das Gesichtsfeld im unteren Bereich noch mehr als zur Hälfte erhalten, so dass das Gehvermögen dadurch weniger beeinträchtigt ist als bei einem vollständigen Halbseitenausfall, da gerade Hindernisse am Boden noch umfassender wahrgenommen werden können. Augenmuskellähmungen mit Doppelbildern sind nach Teil B Nr. 4.4 VG zu bewerten. Nach dem dort dargestellten Schema von Haase und Steinhorst für die GdB-Bewertung bei Doppelbildern nur in einigen Blickfeldbereichen bei sonst normalem Binokularsehen rechtfertigt die beim Kläger vorliegende Aufblickstörung des rechten Auges, welche nach dem Gutachten des Prof. Dr. Bartz-Schmidt zu einer Doppelbildwahrnehmung im Aufblick ab ca. 15° führt, für sich allein einen GdB von 5 bis 10. Die auf dem rechten Auge auf 0,63 reduzierte Sehschärfe bedingt isoliert betrachtet nach der Tabelle gemäß Teil B Nr. 4.3 VG bei einer Sehschärfe von 1,0 auf dem linken Auge keinen GdB. Eine Einschränkung des Dämmerungssehens, welches beim Kläger nach den Feststellungen des Prof. Dr. B.-S. ebenfalls herabgesetzt ist, führt nach Teil B Nr. 4.6 VG zu einem GdB von 0 bis 10. Die erhöhte Blendempfindlichkeit rechtfertigt nach den VG keinen eigenständigen Teil-GdB. Insgesamt rechtfertigt die beim Kläger vorliegende Sehbehinderung unter Berücksichtigung der nur geringfügige Behinderungen darstellenden Aufblickstörung und Einschränkung des Dämmerungssehens zusätzlich zu dem inkompletten Halbseitenausfall, der allein noch keinen Teil-GdB von 40 bedingt, keinen höheren Einzel-GdB als 40.
Beim Kläger liegt damit keine schwere Sehbehinderung mit einem GdB von 50-60 vor, die die Annahme einer zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führenden Orientierungsstörung rechtfertigen würde. Dass der Gesichtsfelddefekt nicht wenigstens insoweit zu kompensieren ist, dass dem Kläger eine Orientierung im Straßenverkehr weitgehend möglich ist, ist für den Senat nicht erkennbar. Beim Kläger ist gerade der untere Bereich des rechten unteren Quadranten des Gesichtsfeldes vom Gesichtsfeldausfall nicht betroffen, so dass der Kläger Gegenstände am Boden noch ohne Weiteres wahrnehmen kann. Darüber hinaus ist die Verschaffung einer örtlichen Orientierung durch Kopf- oder Körperdrehungen möglich, wodurch auch etwaige Gefahren, z.B. beim Überqueren der Straße durch herannahende Fahrzeuge, erkannt werden können. Das Zurücklegen von gewöhnlichen und eingeübten Wege, welche nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Mehrzahl der zurückzulegenden Wegstrecken ausmachen (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1996 – 9 RVs 5/95, SozR 3-1300 § 48 Nr. 57, BSGE 79, 223-231, SozR 3-1300 § 45 Nr. 31, SozR 3-3870 § 4 Nr. 14, SozR 3-3870 § 60 Nr. 1, Rn. 24), ist damit ohne erhebliche Beeinträchtigungen möglich. Aber auch für die Fälle, in denen der Kläger unbekannte Wege erstmalig zurückzulegen hat, ist nicht davon auszugehen, dass er sich nicht auch durch Hinzuziehung von Stadtplänen und schriftlichen Wegbeschreibungen orientieren kann. Wo sich dies als nicht ausreichend erweisen sollte, können Passanten um Auskunft gebeten werden, was auch von nicht behinderten Menschen, die ortsunkundig sind, praktiziert wird (vgl. zur Zumutbarkeit für einen vor Spracherwerb Ertaubten: BSG, Urteil vom 12.11.1996 a.a.O.). Sollte der Kläger trotz all dieser möglichen Hilfen sein Wegeziel gelegentlich verfehlen, kann gleichwohl noch nicht von einer "Störung der Orientierungsfähigkeit" gesprochen werden (vgl. BSG a.a.O.).
Ohne dass es noch darauf ankommt, da bei dem Kläger eine Sehbehinderung mit einem GdB von 50 oder 60 nicht vorliegt, ist bei ihm auch keine erhebliche Störung der Ausgleichsfunktion festzustellen. Welche Ausgleichsfunktion beim Kläger gestört sein soll, wurde nicht vorgetragen. Der Senat kann derartige Störungen auch nicht erkennen. Insbesondere besteht beim Kläger kein Hinweis auf das Bestehen einer erheblichen Beeinträchtigung des Hör- oder Sprechvermögens.
Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens durch orthopädische oder internistische Erkrankungen wurde erstmals im Berufungsverfahren behauptet. Inwieweit sich die im Rahmen des zuerkannten GdB berücksichtigten Gesundheitsschäden konkret auf das Gehvermögen des Klägers beeinträchtigend auswirken, wurde nicht ausgeführt. Nach den zu den Akten gelangten ärztlichen Befunden ist eine mit einem GdB 50 zu bewertende Einschränkung der LWS und der unteren Gliedmaßen nicht ersichtlich. Die mit einem Einzel-GdB von 40 bemessene Beeinträchtigung der Wirbelsäule beruht auf den Beeinträchtigungen der Bandscheibenoperationen an der Halswirbelsäule, betreffend das Wirbelkörpersegment C 6/7, und der Lendenwirbelsäule, betreffend das Wirbelkörpersegment L 4/5, am 09.06.1997 (vgl. Berichte der Oberschwabenklinik R. vom 19.06.1997, der Vitalklinik, Bad D.vom 07.08.2006 und von Dr. G. vom 01.10.2007 - Bl. 37ff, 72ff und 118f der Verwaltungsakte). Dass der Gesundheitszustand hinsichtlich der Wirbelsäule sich seither geändert hat, ist nicht aktenkundig geworden. Damit beträgt der die Lendenwirbelsäule betreffende Teil-GdB im günstigsten Fall für den Kläger allenfalls 30 (vgl. Teil B Nr. 18.9 VG ; mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitte). Hinsichtlich der beidseitigen Hüftgelenksbeeinträchtigung und der Beeinträchtigung am rechten Knie mit einem Einzel-GdB von 30 ist letztlich nur ein Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Nach den zuletzt mitgeteilten Bewegungsmaßen für beide Hüftgelenke (Bericht der Vitalklinik Bad D. vom 07.08.2006: 0/0/90 rechts, 0/0/95 links) war eine Hüftbeweglichkeit beidseits gegeben, die nach Teil B Nr. 18.14 VG keine GdB-relevante Beweglichkeitseinschränkung darstellt. Deshalb kann nur der Mindest-GdB von 20 für die ohne Folgesymptomatik erfolgte Implantation der Hüftendoprothese rechts angenommen werden (Teil B Nr. 18.12 VG). Der Kläger war nach dem Bericht der Vitalklinik mit beiden Beinen wieder voll belastbar, insbesondere wird ein Kniegelenksbefund rechts im Entlassungsbericht der Klinik nicht mehr angegeben. Die Berücksichtigung der GdB-Werte für die Lendenwirbelsäule von 30 und die unteren Extremitäten von 20 ergibt allenfalls einen GdB-Wert von 40, womit die Voraussetzungen für das Merkzeichen G auch für diesen geprüften Anwendungsfall nicht vorliegen. Weder in den nach der letzten maßgeblichen GdB-Feststellung betriebenen Verwaltungsverfahren noch im vorliegenden erstinstanzlichen Klageverfahren wurden Änderungen im orthopädisch zu beurteilenden Behinderungszustand geltend gemacht. Auch im Berufungsverfahren wurde insoweit nicht substantiell vorgetragen. Insoweit sieht sich der Senat zu weiteren Ermittlungen nicht veranlasst. Nachforschungen "ins Blaue hinein" sind durch die Amtsermittlungspflicht nicht geboten (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2003 – B 13 RJ 39/02 R, SozR 4-1300 § 31 Nr. 1; BSG Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 23/00 R, SozR 3-2600 § 43 Nr. 25; BSG, Urteil vom 07.05.1998 – B 11 AL 81/97 R, juris). Im Übrigen ist aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich, dass die im Bereich der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule bestehenden Gesundheitsstörungen trotz der Bewertung mit einem GdB unter 50 gleichwohl so schwerwiegend sind, dass das Gehvermögen des Klägers erheblich beeinträchtigt wäre. Dies ist aus den dargelegten Befunden nicht ableitbar. Auch nicht durch Zusammenwirkung anderer Befunde. Eine erhebliche Gehbeeinträchtigung ist aufgrund einer 2-maligen Beinvenenthrombose oder eines Herzfehlers nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger zur Berufungsbegründung pauschal das Auftreten von Gleichgewichtsstörungen behauptet hat, sah sich der Senat ohne Ausführungen zu den konkret bestehenden Beeinträchtigungen, Vorlage von ärztlichen Befunden oder Angabe ärztlicher Behandlungen ebenfalls nicht veranlasst, diesbezüglich "ins Blaue hinein" weitere Ermittlungen in die Wege zu leiten.
Der Senat konnte sich danach nicht davon überzeugen, dass die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen sein Gehvermögen erheblich beeinträchtigen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" sind somit zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" liegen beim Kläger ebenfalls nicht vor.
Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind, § 146 Abs. 2 SGB IX. Nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Mensch im Sinne des Absatzes 1 unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist und dies im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1 SGB IX sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, hilflos oder gehörlos sind, denen also das Merkzeichen "G", "H" oder "Gl" zuerkannt ist. Das bedeutet, dass die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nur erfolgt, wenn "G", "H" oder "Gl" zuerkannt ist (BSG, Urteil vom 11.11.1987 – 9a RVs 6/86, SozR 3870 § 38 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) konnte der Senat nicht feststellen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) oder "Gl" (gehörlos) liegen nicht vor. Hilflosigkeit oder Gehörlosigkeit wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Damit kann dem Kläger das Merkzeichen "B" bereits aus diesem Grunde nicht zugesprochen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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