L 7 SO 1886/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 303/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1886/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. Mai 2016 insoweit aufgehoben, als dem Antragsteller auferlegt worden ist, dem Gericht Missbrauchskosten in Höhe von 400 EUR zu erstatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtschutzverfahrens sind die Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "dem Antragsteller die gewünschten Auskünfte gemäß § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) u. a. zu ersteilen" und den Antragsgegner zu verpflichten, umgehend den Antrag vom 19. Dezember 2015 auf Überprüfung des Bescheides vom 31. März 2015 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch rechtsmittelfähigen Bescheid zu bescheiden.

Mit Bescheid vom 30. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab, weil Bedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben (S 9 SO 1842/15), die das SG mit Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2016 abgewiesen hat. Die dagegen erhobene Berufung ist beim Senat unter dem Az. L 7 SO 1887/16 anhängig.

Den am 9. April 2015 beim SG gestellten Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren, hat das SG mit Beschluss vom 20. Mai 2015 (S 14 SO 1149/15 ER) abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 6. Juli 2015 zurückgewiesen (L 7 SO 2381/15 ER-B).

Der Antragsteller forderte den Antragsgegner sodann mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 (Bl. 129 Verwaltungsakten) auf, ihm nach § 13 SGB I i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG Auskunft darüber zu erteilen, ob dieser bei der Bescheidabfassung am 30. März 2015 auch das "internationale Recht" berücksichtigt und beachtet habe.

Mit Schriftsatz vom 2. November 2015, beim SG am 3. November 2015 eingegangen, hat der Antragsteller sodann beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "dem Antragsteller die gewünschten Auskünfte gemäß § 13 SGB I i.V.m. § 25 Satz 2 VwVfG u.a. zu erteilen."

In der Eingangsverfügung vom 3. November 2015 hat das SG den Antragsteller "auf Missbrauchskosten bei Fortführung in Höhe von mindestens 150 EUR" hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2016, beim SG am 1. Februar 2016 eingegangen, hat der Antragsteller weiter beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, umgehend den Antrag vom 19. Dezember 2015 auf Überprüfung des Bescheides vom 31. März 2015 gem. § 44 SGB X durch rechtsmittelfähigen Bescheid zu bescheiden. Auch dieser Antrag ist beim SG zunächst unter dem Az. S 9 SO 3632/15 ER und sodann unter dem Az. S 9 SO 303/16 geführt worden. Ein erneuter Hinweis auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten ist nicht mehr erfolgt.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2016 hat das SG die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 3. November 2015 und vom 1. Februar 2016 abgelehnt. Hinsichtlich des Antrags vom 3. November 2015 hat das SG ausgeführt, es liege kein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit vor. Darüber hinaus bestehe kein Anordnungsanspruch, da eine Rechtsgrundlage für die begehrte Auskunft nicht bestehe. Der Bescheid vom 30. März 2015 sei mit einer Begründung versehen, in welcher die tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt würden, welche die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen hätten. Darüber hinausgehende Auskunftspflichten bestünden nicht. Der Antrag vom 1. Februar 2016 sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X bei einem noch nicht bestandskräftigen Bescheid nicht benötigt. Das SG hat dem Antragsteller weiter Missbrauchskosten in Höhe von 400 EUR auferlegt.

Gegen den am 11. Mai 2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 23. Mai 2016 Beschwerde eingelegt.

II.

Die nach den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Hauptsache keinen Erfolg.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in dessen Abs. 1, für Vornahmesachen in dessen Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache - im vorliegenden Beschwerdeverfahren der mit der Sache gemäß § 29 Abs. 1 SGG befasste Senat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rdnr. 11) - auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 4 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt - neben der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs - das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrunds voraus (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - L 7 AS 41/16 ER-B - (juris Rdnr. 11) und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - (juris Rdnr. 7)). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), wobei im Fall der Bestandskraft eines Bescheides an den Anordnungsgrund besonders strenge Anforderungen zu stellen sind und dieser nur bei einer massiven Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz vorliegen kann (Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rdnr. 29c). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).

Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind allein die Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die gewünschten Auskünfte gem. § 13 SGB I i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG zu erteilen sowie den Antragsgegner zu verpflichten, über den am 19. Dezember 2015 gestellten Antrag gem. § 44 SGB X durch rechtsmittelfähigen Bescheid zu entscheiden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die vorläufige Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, denn solche hat der Antragsteller im Verfahren vor dem SG nicht geltend gemacht.

Für den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, Auskunft darüber zu erteilen, ob bei Abfassung des Bescheides vom 31. März 2015 das internationale Recht berücksichtigt worden ist, hat das SG zu Recht das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses verneint. Die in § 15 SGB I normierte Verpflichtung der Verwaltung zur Auskunftserteilung ist der Entscheidung über konkrete Ansprüche (hier: Entscheidung über Leistungen nach dem SGB XII) vorgelagert. Ist - wie vorliegend - ein Verwaltungsakt hinsichtlich einer beantragten Leistung ergangen, kann die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts nur noch im Rahmen des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens geltend gemacht werden. In diesem ist zugleich über den Gegenstand des Auskunftsbegehrens als Vorfrage mit zu entscheiden (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 24. Mai 2000, B 1 KR 4/99 BH - juris Rdnr. 4).

Für den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Entscheidung über einen Antrag nach § 44 SGB X liegt jedenfalls kein Anordnungsanspruch vor. Der Antragsgegner hat den Antrag des Antragstellers auf Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII mit Bescheid vom 30. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2015 abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 9 SO 1842/15 geführt worden ist, über die das SG mit Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2016 entschieden hat und die nunmehr Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 SO 1887/16 ist. Sind Bescheide bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens, fehlt für die Durchführung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X ein Rechtsschutzinteresse, da bereits mit der gegen die ursprünglichen Bescheide gerichteten Anfechtungs- und Leistungsklage das Klageziel erreicht werden kann (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R - SozR 4-3520 § 1a Nr. 1 - juris Rdnr. 19; Urteil vom 27. Juli 2004 - B 7 AL 76/03 R - SozR 4-4300 § 330 Nr. 2 - juris Rdnr. 17; Steinwedel in KassKomm, Stand Sept. 2013, SGB XII, § 44 Rdnr. 6; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/15, § 44 Rdnr. 51). Dahingestellt bleiben kann, ob ein Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 44 SGB X bei noch anhängigem Widerspruchsverfahren gegeben sein kann (so Baumeister in Schlegel/Völzke, jurisPK- SGB X, Stand 19. Juni 2015, § 44 Rdnr. 145); jedenfalls nach Klageerhebung gegen den Ausgangsbescheid besteht ein solches nicht mehr.

III.

Die angefochtene Entscheidung war im Kostenpunkt jedoch hinsichtlich der Auferlegung von Verschuldenskosten abzuändern.

Der Senat ist befugt, (allein) die Kostenentscheidung zu ändern. Dem steht weder § 172 Abs. 2 Nr. 3 SGG entgegen, wonach die isolierte Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG ausgeschlossen ist, noch die Regelung in § 144 Abs. 4 SGG. Denn diese Vorschrift erfasst nur Fälle, in denen das Rechtsmittel auf die Kostenentscheidung beschränkt wird. Ein - nicht nur pro forma eingelegtes - Rechtsmittel in der Hauptsache erfasst aber auch die Kostenentscheidung, die in solchen Fällen auch bei Unterliegen in der Hauptsache geändert werden kann (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Februar 2012 - L 18 KN 25/11 - juris Rdnr. 37; Krauß in Roos/Wahrendorf, SGG, § 192 Rdnr. 61; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rdnr. 48a).

Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG, der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend anzuwenden ist (vgl. Krauß a. a. O., § 192 Rdnr. 7), kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht worden sind, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Der Hinweis auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hat dabei in der Weise zu erfolgen, dass dem Beteiligten die Gründe der Aussichtslosigkeit individualisiert und in einer für Laien verständlichen Weise klar zu machen sind (vgl. Krauß a. a. O., § 192 Rdnr. 31).

Dahingestellt bleiben kann, ob der mit der gerichtlichen Verfügung vom 3. November 2015 erteilte Hinweis auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und die Möglichkeit der Kostenauflegung bei Fortführung des Rechtsstreites ausreichend war. Denn jedenfalls ist, nachdem der Antragsteller mit dem am 1. Februar 2016 beim SG eingegangenen Schriftsatz vom 29. Januar 2016 einen weiteren Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gestellt hat, kein weiterer Hinweis des SG auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung auch hinsichtlich dieses Antrags ergangen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil das SG im angefochtenen Beschluss über beide Anträge entschieden hat. Die Auferlegung von Verschuldenskosten kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Fortführung des Rechtsstreits hinsichtlich des gesamten Streitgegenstands missbräuchlich ist und auch insoweit ein entsprechender Hinweis erteilt worden ist. Dies ist vorliegend nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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