Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 903/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2417/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Juni 2016 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 8 SO 903/16 rückwirkend ab 30. März 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwältin H., E.-P., beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil die Beschwerdeausschlussgründe des § 172 Abs. 3 SGG, insbesondere Nr. 2 a.a.O., nicht eingreifen; das Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) im angefochtenen Beschluss nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, sondern auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von PKH für das vor dem SG anhängige Klageverfahren S 8 SO 903/16 unter Beiordnung der von ihr benannten Rechtsanwältin.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Verfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102; NJW 2004, 1789; NVwZ 2006, 1156; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NZS 2002, 420; info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu führen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung der Klägerin hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im zugrunde liegenden Klageverfahren ist streitig, ob einem Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Bedürftigkeit durch die Klägerin (§ 41 Abs. 4 SGB XII) entgegensteht. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.500,00 EUR an ihren Sohn unmittelbar vor Antragstellung im April 2015 als vorsätzliche oder grob fahrlässig Herbeiführung der Bedürftigkeit im Sinne von § 41 Abs. 4 SGB XII zu werten ist.
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zwar zutreffend dargelegt, dass es sich bei der Regelung in § 41 Abs. 4 SGB XII um eine negative Tatbestandsvoraussetzung handelt und deshalb die materielle Darlegungs- und Beweislast beim Antragsteller liegt. Der Tatbestand des § 41 Abs. 4 SGB XII setzt voraus, dass der Verbrauch des Vermögens vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Hilfebedürftige in eklatanter Weise gegen seine Obliegenheit verstoßen hat, mit seinem Einkommen oder Vermögen sorgsam und verantwortungsvoll umzugehen. Dies ist dann der Fall, wenn er sich wirtschaftlich grob unvernünftig verhält, er also mit seinem Einkommen oder Vermögen so umgeht, wie dies ein umsichtig Handelnder in der Person des Hilfebedürftigen keinesfalls tun würde bzw. getan hätte (Blüggel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, Stand 28.07.2016, § 41 Rdnr. 152). Der Leistungsausschluss setzt voraus, dass das Verhalten sozialwidrig, also aus Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014 - L 2 SO 1027/14 - juris Rdnr. 44: Voraussetzung für einen Leistungsausschluss ist in jedem Fall ein sozialwidriges Verhalten, das aus der Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen ist; Kirchhoff in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 06/16, § 41 Rdnr. 84 m. w. N.). § 41 Abs. 4 SGB XII setzt damit voraus, dass die Hilfebedürftigkeit insgesamt vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist und ist folglich anders als die vergleichbare Regelung des § 103 SGB XII auszulegen, zumal die ratio legis des § 103 SGB XII eine andere ist (Blüggel, a.a.O., Rdnr. 152.3; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014 Rdnr. 45). Als nicht sozialwidrig wird z.B. angesehen, wenn mit einem noch vorhandenen Vermögen vor der Antragstellung Schulden getilgt werden (Kirchhoff, a.a.O., Rdnr. 88; Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 41 Rdnr. 30.3).
Streitentscheidend dürfte sein, ob - wie die Klägerin vorträgt - im Zeitpunkt der Zahlung an ihren Sohn eine fällige Forderung in entsprechender Höhe bestanden hat. Die Beklagte hat zwar in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, weshalb Bedenken dagegen bestehen könnten, dass die Zahlung der Klägerin an ihren Sohn als Rückführung eines Darlehens zu werten sei und nicht vielmehr eine Schenkung darstelle. Insoweit dürften weitere Ermittlungen zum Rechtsgrund der Zahlung und zur Fälligkeit der Forderung erforderlich sein, so dass die Erfolgs- aussichten nicht zu verneinen sind.
Darüber hinaus kann die Erfolgsaussicht der Klage jedoch nicht darauf gestützt werden, die Klägerin habe beabsichtigt, das den Freibetrag übersteigende Vermögen in eine Sterbegeldversicherung einzuzahlen, die vom Vermögenseinsatz ausgenommen ist. Denn tatsächlich ist eine solche Sterbegeldversicherung nicht abgeschlossen, das Vermögen von der Klägerin vielmehr für andere Zwecke verwendet worden.
Die nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung der Klägerin im Verfahren S 8 SO 903/16 ist somit zu bejahen.
Darüber hinaus ist die Bedürftigkeit der Klägerin gegeben (§ 115 ZPO). Auch ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Grund der Schwierigkeit der Sache erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). PKH war deshalb ab dem Tag der Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen zu bewilligen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 8 SO 903/16 rückwirkend ab 30. März 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwältin H., E.-P., beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil die Beschwerdeausschlussgründe des § 172 Abs. 3 SGG, insbesondere Nr. 2 a.a.O., nicht eingreifen; das Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) im angefochtenen Beschluss nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, sondern auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von PKH für das vor dem SG anhängige Klageverfahren S 8 SO 903/16 unter Beiordnung der von ihr benannten Rechtsanwältin.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Verfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102; NJW 2004, 1789; NVwZ 2006, 1156; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NZS 2002, 420; info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu führen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung der Klägerin hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im zugrunde liegenden Klageverfahren ist streitig, ob einem Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Bedürftigkeit durch die Klägerin (§ 41 Abs. 4 SGB XII) entgegensteht. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.500,00 EUR an ihren Sohn unmittelbar vor Antragstellung im April 2015 als vorsätzliche oder grob fahrlässig Herbeiführung der Bedürftigkeit im Sinne von § 41 Abs. 4 SGB XII zu werten ist.
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zwar zutreffend dargelegt, dass es sich bei der Regelung in § 41 Abs. 4 SGB XII um eine negative Tatbestandsvoraussetzung handelt und deshalb die materielle Darlegungs- und Beweislast beim Antragsteller liegt. Der Tatbestand des § 41 Abs. 4 SGB XII setzt voraus, dass der Verbrauch des Vermögens vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Hilfebedürftige in eklatanter Weise gegen seine Obliegenheit verstoßen hat, mit seinem Einkommen oder Vermögen sorgsam und verantwortungsvoll umzugehen. Dies ist dann der Fall, wenn er sich wirtschaftlich grob unvernünftig verhält, er also mit seinem Einkommen oder Vermögen so umgeht, wie dies ein umsichtig Handelnder in der Person des Hilfebedürftigen keinesfalls tun würde bzw. getan hätte (Blüggel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, Stand 28.07.2016, § 41 Rdnr. 152). Der Leistungsausschluss setzt voraus, dass das Verhalten sozialwidrig, also aus Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014 - L 2 SO 1027/14 - juris Rdnr. 44: Voraussetzung für einen Leistungsausschluss ist in jedem Fall ein sozialwidriges Verhalten, das aus der Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen ist; Kirchhoff in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 06/16, § 41 Rdnr. 84 m. w. N.). § 41 Abs. 4 SGB XII setzt damit voraus, dass die Hilfebedürftigkeit insgesamt vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist und ist folglich anders als die vergleichbare Regelung des § 103 SGB XII auszulegen, zumal die ratio legis des § 103 SGB XII eine andere ist (Blüggel, a.a.O., Rdnr. 152.3; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014 Rdnr. 45). Als nicht sozialwidrig wird z.B. angesehen, wenn mit einem noch vorhandenen Vermögen vor der Antragstellung Schulden getilgt werden (Kirchhoff, a.a.O., Rdnr. 88; Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 41 Rdnr. 30.3).
Streitentscheidend dürfte sein, ob - wie die Klägerin vorträgt - im Zeitpunkt der Zahlung an ihren Sohn eine fällige Forderung in entsprechender Höhe bestanden hat. Die Beklagte hat zwar in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, weshalb Bedenken dagegen bestehen könnten, dass die Zahlung der Klägerin an ihren Sohn als Rückführung eines Darlehens zu werten sei und nicht vielmehr eine Schenkung darstelle. Insoweit dürften weitere Ermittlungen zum Rechtsgrund der Zahlung und zur Fälligkeit der Forderung erforderlich sein, so dass die Erfolgs- aussichten nicht zu verneinen sind.
Darüber hinaus kann die Erfolgsaussicht der Klage jedoch nicht darauf gestützt werden, die Klägerin habe beabsichtigt, das den Freibetrag übersteigende Vermögen in eine Sterbegeldversicherung einzuzahlen, die vom Vermögenseinsatz ausgenommen ist. Denn tatsächlich ist eine solche Sterbegeldversicherung nicht abgeschlossen, das Vermögen von der Klägerin vielmehr für andere Zwecke verwendet worden.
Die nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung der Klägerin im Verfahren S 8 SO 903/16 ist somit zu bejahen.
Darüber hinaus ist die Bedürftigkeit der Klägerin gegeben (§ 115 ZPO). Auch ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Grund der Schwierigkeit der Sache erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). PKH war deshalb ab dem Tag der Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen zu bewilligen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved