L 11 KR 3356/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1064/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3356/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 07.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für eine stationäre regionale Chemotherapie in einer Privatklinik iHv 27.648,85 EUR.

Der am 01.01.1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihm wurde im September 2014 zunächst der Verdacht auf ein peripheres Bronchialkarzinom und dann im Oktober 2014 ein nichtkleinzelliges Lungenkarzinom diagnostiziert.

Am 20.10.2014 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte und erkundigte sich bezüglich der Kostenübernahme für eine regionale Chemotherapie in Form einer isolierten Thoraxperfusion mit Chemofiltration (RCT) im m. Klinikum B ... Bei diesem Klinikum handelt es sich um eine Privatkrankenanstalt, die keinen Versorgungsvertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen hat. Die Beklagte teilte dem Kläger am 21.10.2014 telefonisch mit, dass eine Übernahme der Kosten nicht möglich sei.

Am 23.10.2014 übersandte der Kläger einen Kostenvoranschlag des m. Klinikum, wonach sich die Behandlungskosten pro Zyklus auf ca 10.000 EUR bis 11.000 EUR inklusive privatärztlicher Leistungen und allgemeinen Krankenhauskosten belaufen würden. Geplant seien zunächst zwei Zyklen regionale Chemotherapie in dreiwöchigen Abständen. Mit Schreiben vom 03.11.2014 beantragte der Klägerbevollmächtigte erneut die Übernahme der Kosten für die Behandlung in der Privatklinik. Er übersandte zudem ärztliche Befunde des Universitätsklinikums U., wo das Lungenkarzinom diagnostiziert wurde und der Kläger sich in Behandlung befand. Hiernach empfahl am 09.10.2014 das Tumor-Board eine kurative Radiochemo, was dem Kläger mit Schreiben vom 26.10.2014 mit der Bitte um Vorstellung zur simultanen Radiochemotherapie mitgeteilt worden war. Zuvor wurde er am 10.10.2014 im Universitätsklinikum U. untersucht.

Vom 02.11. bis 10.11.2014, 01.12. bis 07.12.2014 und 11.01. bis 15.01.2015 fanden die stationären Behandlungen des Klägers im m. Klinikum statt.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Dr. B. vom MDK führte im Gutachten vom 09.12.2014 aus, dass es sich bei der beantragten Methode um eine Form der regionalen Chemotherapie handle, in Form der isolierten Thoraxperfusion mit anschließender Chemofiltration zur Verminderung bzw Vermeidung stärkerer Nebenwirkungen. Es handle sich um eine im lokalen Thoraxbereich 8-10fach erhöhte Zytostatikakonzentration mit moderaten, systemischen Wirkspiegeln, welche durch die nachfolgende Chemofiltration weitgehend eliminiert würden. Die beantragte Leistung sei eine neue therapeutische Behandlungsmethode, die nach gutachterlichem Kenntnisstand in der Bundesrepublik nur im m. Klinikum angeboten werde. Das diagnostizierte nicht-kleinzellige Lungenkarzinom stelle unbehandelt eine lebensbedrohliche Erkrankung dar. Im vorliegenden Fall liege allerdings keine akut lebensbedrohliche Situation vor, die Erkrankung sei in einem kurativen Stadium. Im beim Kläger bestehenden Stadium IIIB stelle die kombinierte Strahlen-Chemotherapie die leitliniengerechte Therapieoption dar. Da im Tumor-Board-Protokoll vermerkt sei, dass es sich um eine kurative Erkrankungssituation handle, könne auf vertragliche Therapiemaßnahmen verwiesen werden. Es gebe eine Studie aus dem Jahr 2002 betreffend die beantragte Leistung, die einerseits ein sehr kleines Kollektiv ohne Kontrollgruppe und ohne Publikation aller für die Qualität der Studie zur Beurteilung notwendigen Daten umfasse. Deshalb könne eine Wirksamkeit der hier eingesetzten Behandlungsmethode nicht bestätigt werden. Die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen seien deshalb nicht erfüllt.

Mit Bescheid vom 17.12.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger Rechnungen betreffend die stationäre Behandlung und verwies auf Aussagen der Ärzte des Universitätsklinikums U., wonach aufgrund der dort zur Verfügung stehenden Maßnahmen eine Heilungschance von unter 50 % vorgelegen hätte. Der betreuende Arzt in B. habe eine Heilungschance von mindestens 80 % genannt. Der Kläger übersandte zudem den am 02.11.2014 unterzeichneten Behandlungsvertrag sowie einen Behandlungsbericht des m. Klinikum. Hiernach habe nach drei Zyklen regionale Chemotherapie in Form einer isolierten Thoraxperfusion beim Kläger infolge "down-sizing" des Tumors durch die regionale Chemotherapie eine Tumorresektion erfolgreich durchgeführt werden können. Durch die Hochdosis-regionale Chemotherapie hätten Tumor und Lymphknotenmetastasen deutlich an Größe verkleinert werden können, so dass die nachfolgende operative Sanierung möglich gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13.04.2015 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und auf die deutlich bessere Heilungsprognose der durchgeführten Leistung verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter führe als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Ein solcher bestehe hier nicht, da Leistungen, die in einem nicht zugelassenen Krankenhaus bzw von einem Nichtvertragsarzt in einer Klinik ohne Versorgungsvertrag erbracht werden, nicht zu den Leistungen zählten, die die gesetzlichen Krankenkassen zu gewähren hätten. Eine Notfallbehandlung liege nicht vor. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, dass zwischen der gesicherten Diagnose und dem Beginn der Behandlung ein nicht geringer Zeitraum verstrichen sei. Bei der durchgeführten regionalen Chemotherapie handle es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, welche vom Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht zugelassen sei. Ein Systemversagen könne im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Auch liege kein Seltenheitsfall vor. Der Anspruch könne auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bzw § 2 Abs 1a SGB V gestützt werden. Eine lebensbedrohliche Erkrankung sei zwar zu bejahen. Jedoch habe eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie als Therapieoption zur Verfügung gestanden. Die Situation sei vom Universitätsklinikum U. als kurativ beurteilt und eine Radiochemotherapie empfohlen worden. Im Übrigen fehle es an der notwendigen Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung der Leistung, da der Kläger bereits den Kostenvoranschlag der m. Klinik vorgelegt habe und damit von vornherein auf eine bestimmte Leistung festgelegt gewesen sei. Darauf, ob hinreichende Besserungsaussichten bestünden, komme es nicht an.

Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 13.07.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 07.08.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt, den Erstattungsanspruch auf 27.648,85 EUR beziffert und Rechnungen vorgelegt.

Der Kläger trägt vor, dass nach Aussage der behandelnden Ärzte in der Universitätsklinik U. die dortige Behandlung kaum eine Erfolgschance aufgewiesen hätte, nach Aussage des m. Klinikums dagegen eine hinreichende Aussicht auf eine Heilungschance bestanden habe. Er habe sich deshalb für die Behandlung in der Privatklinik entschieden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 07.07.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die regionale Chemotherapie im m. Klinikum B. iHv 27.648,85 EUR zzgl Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch die stationären Behandlungen vom 02. bis 10.11.2014, 01.12. bis 07.12.2014 und 11.01.bis 15.01.2015 im m. Klinikum B. entstandenen Kosten iHv insgesamt 27.648,85 EUR.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V kommt vorliegend schon von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger nicht das Kostenerstattungsverfahren gewählt hatte. Auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Fall 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (Fall 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl Bundessozialgericht (BSG) 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).

Der Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V ist zudem nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN). Der Versicherte darf sich insbesondere nicht – unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt – von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben (BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, juris). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- oder Operationstermins oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (Brandts in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V RdNr 89 ff mwN).

Der Senat kann offenlassen, ob im vorliegenden Fall der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung gegeben ist. Es spricht einiges dafür, dass der Kläger sich bereits vor der telefonischen Ablehnung seines Leistungsantrags durch die Beklagte auf die Behandlung im m. Klinikum festgelegt hat. Das ergibt sich nicht zuletzt aus dem dargestellten Ablauf in der Berufungsbegründung.

Jedenfalls aber war der Kläger vorliegend nicht berechtigt, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus in Anspruch zu nehmen.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) durch zugelassene Krankenhäuser (§§ 39 Abs 1 Satz 2, 108 SGB V). Die Regelung des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. Die Regelung in § 13 Abs 3 SGB V ersetzt den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse (BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137).

Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten für die Selbstbeschaffung aufgesuchte Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat. Nur wenn die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten erzwingt, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (zum Ganzen BSG 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23) ; der Leistungserbringer muss jedoch die entsprechende Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzen (BSG 20.02.2004, B 1 KR 10/03 B, juris).

So liegt der Fall hier indes nicht. Die Weigerung der Beklagten, die beantragte regionale Chemotherapie im m. Klinikum B. zu bewilligen, war nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Beim Kläger wurde im Oktober 2014 ein nichtkleinzelliges Lungenkarzinom diagnostiziert. Er befand sich zu dieser Zeit im Universitätsklinikum U. in Behandlung. Das Tumor-Board empfahl am 09.10.2014 eine kurative Radiochemo, was dem Kläger mit Schreiben vom 26.10.2014 – und damit noch vor der Behandlung in B. – mit der Bitte um Vorstellung zur simultanen Radiochemotherapie mitgeteilt worden war. Zuvor wurde er am 10.10.2014 im Universitätsklinikum U. untersucht. Dem Kläger stand deshalb zur Überzeugung des Senats eine kurative, allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende stationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus zur Verfügung. Diese Leistung hätte der Kläger als Sachleistung erhalten können. Diese wollte er jedoch wegen der vermeintlich besseren Heilungschance im m. Klinikum durch die regionale Chemotherapie nicht in Anspruch nehmen. Auf eine vermeintlich bessere Heilungschance kommt es hier jedoch nicht an.

Auch aus den Grundrechten ergibt sich regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art 2 Abs 2 Satz 1 GG zu stellen. Entsprechende Leistungspflichten werden aber nur in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung angenommen, sofern eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12). Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V Rechnung getragen. Eine Leistungsanspruch besteht danach auch für Leistungen, welche vom allgemeinen Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichen, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor; 2. bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Bei der im m. Klinikum B. angebotenen regionalen Chemotherapie handelt es sich um eine neue Untersuchung- und Behandlungsmethode. Für den Senat steht fest, dass der Kläger unstreitig an einem lebensbedrohlichen Lungenkarzinom mit Metastasen erkrankt war. Dies ergibt sich aus sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und insbesondere dem Gutachten des MDK. Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, darf nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur Klärung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (BVerfG vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, juris).

Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stehen nicht zur Verfügung, wenn solche, bezogen auf das jeweilige konkrete Behandlungsziel iSv § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V, im medizinischen Leistungsspektrum (allgemein) nicht vorhanden sind oder diese für den konkreten Behandlungsfall wegen erheblicher gesundheitlicher Risiken, vor allem scherwiegender Nebenwirkungen, nicht nutzbar sind; relevant für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Behandlung (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 11/15, § 2 SGB V, Rn 76f mwN).

Im vorliegenden Fall bestand zur Überzeugung des Senats eine kurative Situation. Dies ergibt sich aus den Stellungnahmen der Ärzte des Universitätsklinikums U. wie auch der Ärzte des m. Klinikum B ... Bezüglich der Erkrankung des Klägers stand auch eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung. Möglich war eine simultane Radiochemotherapie. Dies entnimmt der Senat den Unterlagen des Universitätsklinikums U. sowie dem Gutachten des MDK. Letztlich wird dies vom Kläger auch nicht bestritten. Er ging nur von einer höheren Heilungswahrscheinlichkeit bei der Behandlung im Mediaklinikum aus. Eine solche ist jedoch weder objektiv belegt, noch im Rahmen des Anspruchs gemäß Art 2 Abs 1a SGB V bei Vorliegen einer alternativen schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeit relevant.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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