L 7 SO 2446/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 2152/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2446/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von monatlich 100,00 EUR und Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII in Höhe von monatlich 100,00 EUR.

Der 1975 geborene Kläger erlernte den Beruf des Energieelektronikers Anlagentechnik und war in diesem Beruf - unterbrochen durch Arbeitslosigkeit und Inhaftierung - tätig. Seit dem 13. September 2011 befindet sich der Kläger in Haft, zunächst in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) F. a. M., ab 28. September 2011 in der JVA S.-S. und sodann in Strafhaft in der JVA U. (rechtskräftiges Urteil des Landgerichts K. - Strafkammer P. - vom 11. Juli 2012 - Ns 84 Js 9180/07: 7 Jahre Freiheitsstrafe). Seit 7. März 2013 befand sich der Kläger zunächst im offenen Vollzug. In diesem Rahmen besuchte er - gefördert nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz - in der Zeit vom 6. Oktober bis zum 24. Oktober 2014 den Fachlehrgang zur Vorbereitung der Teile 1 und 2 der Meisterprüfung im Elektrotechniker-Handwerk, Fachrichtung Systemelektronik, in Vollzeit an der Bildungsakademie der Handwerkskammer U ... Am 24. Oktober 2014 kehrte er von seinem Ausgang zur Bildungsakademie U. nicht in die JVA U. zurück und war unbekannten Aufenthalts flüchtig. Der Kläger wurde am 8. Dezember 2014 in B. wieder aufgegriffen. Er wurde - nach Zurückführung in die JVA U. am 13. Januar 2015 - am 22. Januar 2015 aus dem offenen Vollzug abgelöst und am 26. Januar 2015 in der JVA O. aufgenommen. Über seine Anträge auf vorzeitige Haftentlassung ist bisher noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 10. April 2016 (Eingang am 12. April 2016 bei der Stadt O., bei dem Beklagten Ziff. 1 am 14. April 2016) beantragte der Kläger bei dem Beklagten Ziff. 1 Leistungen nach §§ 67, 68, 73 SGB XII und wies darauf hin, dass er sich derzeit in Strafhaft befinde und entlassen werden könnte, ihm aber Wohnung und Arbeit fehlten.

Mit Schreiben vom 19. April 2016 teilte der Beklagte Ziff. 1 mit, dass das Sozialamt lediglich die Maßnahme als solche in einer Einrichtung nach § 67 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) finanziere. Wohnungs- und Arbeitslosigkeit stellten alleine noch keine besonderen sozialen Schwierigkeiten i.S. des § 67 SGB XII dar. Im Übrigen müsse sich der Kläger an das Sozialamt wenden, in dessen Bereich er vor seiner Inhaftierung seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt/Wohnort gehabt habe. Auch gehöre der Kläger nach seiner Haftentlassung zum leistungsberechtigten Personenkreis des Sozialgesetzbuches (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Abschließend verwies der Beklagte Ziff. 1 den Kläger an den Sozialdienst der JVA.

Am 29. April 2016 (Schreiben vom 25. April 2016) legte der Kläger u.a. "Widerspruch gg. Bescheid der 1. Beklagten vom 19.04.16" beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe ein und begehrte gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung "wegen Leistungen nach §§ 67 ff., 73 SGB XII bzw. SGB III (3. Beklagte)" und erhob Klage (S 12 SO 1417/16 ER). Das SG Karlsruhe erklärte sich mit Beschluss vom 10. Mai 2016 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG Freiburg, wo dieser unter dem Aktenzeichen S 4 SO 1989/16 ER geführt wurde. Das SG Freiburg lehnte die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ab (Beschluss vom 18. Mai 2016), der Senat wies die Beschwerde des Klägers zurück (Beschluss vom 21. Juni 2016 - L 7 SO 2050/16 ER-B -).

Das SG Freiburg entnahm dem klägerischen Schreiben vom 25. April 2016 eine Klage gegen die Beklagten betreffend einen "Bescheid" vom 19. April 2016 und führte ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 4 SO 2057/16. Es wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 7. Juni 2016 als unzulässig ab. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (Senatsurteil vom 4. August 2016 - L 7 SO 2406/16 -).

Der Kläger hat am 24. Mai 2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg u.a. gegen die Beklagten erhoben und monatliche Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b SGB XII und zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII in Höhe von je 100,00 EUR begehrt. Sein Haus- und Eigengeld werde von der Landesoberkasse Baden-Württemberg (LOK) gepfändet. Die JVA O verweigere eine vertretbare Verpflegung, Hygieneartikel und ein angemessenes Taschengeld. Ihm blieben nur ca. 35,00 EUR im Monat. Die Beklagten müssten sein Existenzminimum sicherstellen.

Das SG Freiburg hat mit Beschluss vom 25. Mai 2016 die Klagen des Klägers gegen den Beklagten Ziff. 2 betreffend die Bescheidung eines Antrages im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens sowie gegen die Oberfinanzdirektion K. und das Land B.-W. - G. - abgetrennt und unter gesonderten Aktenzeichen fortgeführt. Die Beschwerde gegen den Trennungsbeschluss hat der Senat mit Beschluss vom 28. Juli 2016 (L 7 SO 2661/16 B) als unzulässig verworfen.

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 8. Juni 2016 (Schreiben vom 4. Juni 2016) hat das SG durch Beschluss vom 20. Juni 2016 zurückgewiesen (S 14 SF 2443/16 AB); der Senat die Beschwerde des Klägers durch Beschluss vom 28. Juli 2016 als unzulässig verworfen (L 7 SF 2452/16 B).

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2016 hat das SG Freiburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Leistungsklage mangels anfechtbarer Verwaltungsentscheidung unzulässig sei.

Gegen den ihm am 24. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Es fehle an einem Tatbestand und einer Begründung sowie an der notwendigen mündlichen Verhandlung. Die Trennung sei unwirksam. Beide Beklagten behaupteten, sie seien nicht zuständig. Niemand müsse sich mit Begehren, die "vorneweg" nicht bearbeitet würden, an Behörden wenden.

Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagten Ziff. 1 und 2 zu verurteilen, an ihn monatlich 100,- EUR gem. § 27b SGB XII sowie monatlich 100,- EUR gem. § 67 SGB XII zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verweisen zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom 28. Juli 2016 abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten Ziff. 1 und 2, die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Akten S 4 SO 1989/16 ER, L 7 SO 2050/16 ER-B, L 7 SO 2661/16 B, L 7 SF 2452/16 B und L 7 SO 2406/16 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung über die Berufung des Klägers. Die Befangenheitsgesuche sind offensichtlich unzulässig. Der Kläger hat insoweit - wie in einer Vielzahl früherer Verfahren - ohne Darlegung objektiver Anknüpfungspunkte die Unparteilichkeit von Personen lediglich pauschal behauptet. Damit konnten die an der Entscheidung beteiligten Richter selbst entscheiden (vgl. dazu nur Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 23. Februar 2016 - B 8 SO 47/15 BH -).

2. Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers im anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da der Kläger in der ihm am 18. Juli 2016 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Der Kläger hat keinen Grund genannt, weshalb ihm eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung unmöglich sein sollte. Vielmehr hat er die ihm angebotene Überstellung in die JVA S.-S. zur Ermöglichung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. August 2016 verweigert, mithin nicht alles Zumutbare getan, um an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - B 7a AL 14/05 B - juris Rdnr. 5).

3. Der Senat ist von der Prozessfähigkeit des Klägers überzeugt und konnte daher in der Sache entscheiden, ohne dass diesem zuvor ein besonderer Vertreter zu bestellen gewesen wäre. Insoweit wird auf die ausführliche Darlegung in der Senatsentscheidung vom 16. Oktober 2014 (L 7 AS 5868/09; vgl. ferner z.B. BSG, Beschluss vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 8/14 B - juris Rdnr. 10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. August 2014 - L 3 AL 527/14 -) Bezug genommen. Unter diesen Umständen hat der Senat in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens davon abgesehen, - entsprechend der Anregung des Klägers - das Verfahren nach § 114 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.

4. Für den Senat bestand keine Verpflichtung, dem Kläger eine Kopie der Verwaltungs- und Gerichtsakten zu fertigen und zu überlassen, da der entsprechende Antrag des Klägers rechtsmissbräuchlich war. Gem. § 120 Abs. 2 Satz 1 SGG besteht für die Beteiligten zwar das Recht, sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen zu lassen. Der Anspruch setzt jedoch voraus, dass die abzulichtenden Aktenteile durch den Verfahrensbeteiligten eindeutig bezeichnet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 30. November 1994 - 11 RAr 89/94 - juris). Diesen Anforderungen genügte der Antrag des Klägers nicht. Denn mit diesem wurde ausdrücklich eine Kopie der gesamten Akte ohne Begrenzung auf konkrete Aktenteile begehrt. Die beanspruchte Anfertigung von Ablichtungen der gesamten Prozess- und Beiakten ohne jede Konkretisierung und ohne vorherige Prüfung auf Relevanz ist rechtsmissbräuchlich (vgl. BSG, a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 235/86 - und Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 25. September 1995 - Bf IV 8/94 - beide juris; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Senatsurteil vom 29. Januar 2015 - L 7 AS 2393/11 -).

5. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da sie nicht der Zulassung bedarf (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG).

6. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet - unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. März 2015 - B 8 SO 5/14 R - juris Rdnr. 10; Urteil vom 10. November 2011 - B 8 SO 12/10 R - juris Rdnr. 11; Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R - juris Rdnr. 22) - das Begehren des Klägers auf Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b SGB XII sowie auf Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII in Höhe von je monatlich 100,00 EUR, das er mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) verfolgt. Hinsichtlich dieses Begehrens fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung, nämlich an einem Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Der Beklagte Ziff. 1 hat über dieses klägerische Begehren bisher sachlich nicht entschieden, sondern mit Schreiben vom 19. April 2016 einen rechtlich unverbindlichen Hinweis erteilt. Dass der Beklagte Ziff. 2 insofern einen Verwaltungsakt erlassen hätte, hat der Kläger selbst nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG, die lediglich auf die Bescheidung eines Antrages und nicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids oder das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs gerichtet ist, hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht erhoben, sondern - ausdrücklich (vgl. Berufungsschreiben) - eine Entscheidung über seine Leistungsanträge aus seinem Schreiben vom 21. Mai 2016 (Eingang bei SG Freiburg am 24. Mai 2016) verlangt.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden dagegen nicht die weiteren, jedoch durch - unanfechtbaren - Beschluss des SG Freiburg vom 25. Mai 2016 abgetrennten Klagen. Im Übrigen hat der Senat die Beschwerde des Klägers gegen den Trennungsbeschluss des SG Freiburg durch Beschluss vom 28. Juli 2016 als unzulässig verworfen (L 7 SO 2661/16 B).

7. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Leistungsklage ist mangels Verwaltungsentscheidung unzulässig. Denn vor Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ist eine Klage mangels gegenwärtiger Beschwer nicht zulässig. Auch tritt eine "Heilung" selbst durch eine spätere Bekanntgabe nicht ein (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2014 - L 7 AS 5359/11 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 15 VG 20/08 - juris Rdnr. 10). Danach würde selbst der Erlass eines Bescheids betreffend das klägerische Leistungsbegehren nichts an der Unzulässigkeit der vom Kläger bereits am 24. Mai 2016 erhobenen Klage ändern.

Die übrigen Ausführungen des Klägers, soweit überhaupt verständlich, entbehren jeglicher rechtlicher Grundlage. Das Ablehnungsgesuch gegen Richter am Sozialgericht Dr. K. hat das SG Freiburg durch unanfechtbaren Beschluss vom 20. Juni 2016 zurückgewiesen (S 14 SF 2443/16 AB; vgl. auch Senatsbeschluss vom 28. Juli 2016 - L 7 SF 2452/16 B -). Das SG Freiburg ist berechtigt gewesen, gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Gerichtsbescheid enthält auch eine (gedrängte) Darstellung des Tatbestandes und die Entscheidungsgründe (§§ 105 Abs. 1 Satz 3, 136 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 SGG).

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

9. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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