Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1119/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3966/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.06.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten präimplantationsdiagnostischer Maßnahmen und der Kryokonservierung von Eizellen i.H.v. 9.292,23 EUR streitig. Die im Jahr 1975 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ihr Ehemann ist privat krankenversichert. Unter dem 30.01.2012 beantragte die Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer Kinderwunschbehandlung. Bei ihr und ihrem Ehemann bestehe seit ca. 3 Jahren ein Kinderwunsch, der sich infolge der bei ihr vorliegenden balancierten Translokation nicht erfüllt habe. Diese genetische Erkrankung reduziere die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft auf natürlichem Wege erheblich. Ferner bestünde ein 50 %-iges Abortrisiko sowie das Risiko der Geburt eines Kindes mit geistiger oder körperlicher Retardierung. Eine Kinderwunschbehandlung mittels künstlicher Befruchtung und Präimplationsdiagnostik (PID) verspreche, hierin seien sich die konsultierten Experten einig, Aussicht auf Erfolg. Die PID sei nach der seit 2011 geltenden Gesetzeslage in Fällen, in denen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende Erkrankung beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt drohe, zulässig und als medizinisch notwendig anerkannt. Sie beantrage deswegen auch die Übernahme der Kosten der PID mit Kryokonservierung. Letztere sei notwendig, um ein Überstimulationssyndrom bzw. eine starke Hormonstimulation zu umgehen. Zudem ermögliche diese, eine Mehrlingsgeburt zu vermeiden. Aufgrund der beschriebenen Risiken sehe sie sich nicht im Stande, das Risiko einer Schwangerschaft ohne Ausschluss einer nicht balancierten Translokation bzw. ohne PID einzugehen.
Mit Bescheid vom 02.02.2012 entschied die Beklagte, die Hälfte der im Behandlungsplan angegebenen Kosten der geplanten intracytoplasmatische Spermieninjektion zu übernehmen. Mit einem weiteren Bescheid vom 02.02.2012 entschied die Beklagte, dass sie sich an den Kosten für die Kryokonservierung von Eizellen bzw. Samenzellen und für die PID nicht beteiligen könne. Die geplanten Maßnahmen seien nach verbindlichen Richtlinien vom vertragsärztlichen Leistungsangebot ausgeschlossen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie vorbrachte, Maßnahmen der PID seien nach der seit dem 07.07.2011 geltenden Gesetzeslage zulässig, sodass die einschlägigen Richtlinien hinfällig seien. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sei gefordert, die Richtlinien gesetzeskonform zu ergänzen. Dass dies unterblieben sei, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Es bestehe vielmehr ein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wenn die Maßnahme, wie bei ihr, nach ärztlicher Feststellung erforderlich sei. Zwischenzeitlich sei der erste Behandlungszyklus (erfolglos) durchgeführt worden. Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin Mehrfertigungen von Rechnungen betreffend die PID des Medizinischen Versorgungszentrums s. vom 14.03.2012 (Rechnungsbetrag 2.000,- EUR), betr. die Vorbereitung und Durchführung der Kryokonservierung der Dres. B., Br., N. vom 05.03.2012 (Rechnungsbetrag: 378,72 EUR) und betr. die Lagerung der Kryo-Eizellen der K. GmbH vom 07.03.2012 (Rechnungsbetrag: 148,75 EUR) vor. Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Dr. H. führte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 12.06.2012 aus, dass am 08.12.2011 zwar das Präimplantationsdiagnostikgesetz in Kraft getreten sei und nach diesem die PID bei Paaren, die die Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit in sich trügen oder Frauen, bei denen eine Fehlgeburt drohe, erlaubt sei, jedoch noch keine gültige Rechtsverordnung erlassen worden sei, weswegen die begehrte Kostenübernahme sozialmedizinisch nicht empfohlen werden könne.
Nachdem die Beklagte die Klägerin von der sozialmedizinischen Einschätzung in Kenntnis gesetzt hatte, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 zurück. Begründend führte sie aus, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung zwar auch Maßnahmen der Herbeiführung einer Schwangerschaft umfasse, die hierzu erlassenen Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung beinhalteten jedoch einen Ausschluss für solche Maßnahmen, die über die künstliche Befruchtung hinausgingen, wie dies bei der Kryokonservierung von imprägnierten Ei- oder Samenzellen der Fall sei (Nr. 4 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung). Der Rahmen der zu übernehmenden Leistungen werde vielmehr im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abschließend beschrieben. Da die PID dort nicht aufgeführt sei, seien die Kosten für präimplantationsdiagnostische Maßnahmen nicht zu übernehmen. Die Kryokonservierung habe der GBA ausdrücklich aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits bestätigt und ferner entschieden, dass die Kryokonservierung und die Lagerung von befruchteten Eizellen nicht als Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft anzusehen seien. Das von der Klägerin angeführte des Urteil des Bundesgerichtshofes vom 06.07.2010 führe zu keiner abweichenden Rechtslage, da dort lediglich entschieden worden sei, dass die Durchführung einer PID für den Arzt nicht strafbar sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16.04.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Sie brachte vor, sie sei in genetischer Hinsicht krank. Es liege eine körperliche Anomalie in Form eines Gendefektes vor. Diese Erkrankung sei behandlungsbedürftig und behandlungsfähig. Die Übernahmefähigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen beurteile sich daher nicht nach § 27a SGB V, sondern nach § 27 SGB V. Die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für Maßnahmen der Krankenbehandlung zu übernehmen, unterliege keiner dahingehenden Begrenzung, dass eine Rechtsverordnung existieren müsse. Im Übrigen sei im derzeitigen Fehlen einer Rechtsverordnung ein Systemversagen zu erblicken. Die Klägerin bezifferte die ihr entstandenen Kosten sodann unter Vorlage weiterer Rechnungen des Medizinischen Versorgungszentrums s. betr. die Identifizierung von humanen Nukleinsäurefragmenten vom 22.11.2012 (Rechnungsbetrag 502,75 EUR) und vom 02.05.2013 (Rechnungsbetrag: 2.537,35 EUR), der Dres. B., Br., N. betr. die Trophektoderm-Biopsie zur Vorbereitung der PID vom 03.12.2012 und vom 11.04.2013 (Rechnungsbetrag jew.: 950,80 EUR) und betr. die Vorbereitung und Durchführung der Kryokonservierung vom 26.11.2012 und vom 11.04.2013 (Rechnungsbetrag jew.: 762,78 EUR) sowie betr. die Lagerung der Kryo-Eizellen der K. GmbH vom 20.11.2012 und vom 10.04.2013 (Rechnungsbetrag jew: 148,75 EUR) auf insg. 9.292,23 EUR. Die private Krankenversicherung ihres Ehegatten habe sich an den Kosten nicht beteiligt. Sie trug schließlich vor, dass sich im 4. Behandlungszyklus, der vorliegend nicht streitgegenständlich sei, ein Erfolg eingestellt habe und sie schwanger geworden sei.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen.
Mit Urteil vom 06.06.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, die Klägerin könne die Erstattung der von ihr verauslagten Kosten der PID und der Kryokonservierung nicht beanspruchen. Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V u.a. nur dann, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die PID und die Kryokonservierung keine Maßnahme der Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V seien. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestünde nur um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die PID bzw. die Kryokonservierung könnten die bei der Klägerin bestehende Translokation jedoch weder heilen, noch eine Verschlimmerung verhüten. Die PID diene vielmehr ausschließlich dazu, lebensfähige, gesunde Zellen aufzufinden und diese der Klägerin im Rahmen der künstlichen Befruchtung einzusetzen, nicht jedoch dazu, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, sodass auch keine Maßnahme der Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit angenommen werden könne. Da bei der Durchführung der PID und der Kryokonservierung auch noch kein Kind gezeugt sei, könne eine Krankenbehandlung an diesem denknotwendigerweise nicht stattfinden. Das Vorbringen der Klägerin, mit Hilfe der PID könne ein erhöhtes Abortrisiko bzw. eine körperliche oder geistige Retardierung des Kindes ausgeschlossen werden, vermöge daher einen auf § 27 SGB V gestützten Anspruch nicht zu tragen. Ein (Sach-)Leistungsanspruch der Klägerin könne auch nicht auf § 27a SGB V gestützt werden, da der Begriff der künstlichen Befruchtung nur Maßnahmen umfasse, die unmittelbar der Befruchtung dienten, worunter weder die PID noch die Kryokonservierung, die im Vorfeld der Befruchtung die Möglichkeit eröffneten, die Chance der Klägerin auf die Geburt eines gesunden Kindes zu erhöhen, rechneten. Schließlich könne auch kein Systemmangel angenommen werden, da die hierzu geltenden Grundsätze voraussetzten, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die (vermeintlich) nicht ordnungsgemäß durch den GBA anerkannt worden sei, auf die Behandlung einer Krankheit ziele, was im Fall der PID und der Kryokonservierung nicht der Fall sei. Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 25.08.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.09.2014 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, sie sei durch den bestehenden Gendefekt, anders als es das SG angenommen habe, gesundheitlich beeinträchtigt. Der Abort sei eine körperliche Beeinträchtigung, die mit risikoerhöhenden Folgen und einer (künftigen) Einschränkung der Fertilität einhergehe. Nach einem Abort sei i.d.R. eine Ausschabung erforderlich, die gleichfalls körperlich beeinträchtige. Im Übrigen gingen hiermit auch psychische Beeinträchtigungen einher. Gleichmaßen sei eine behandlungsbedürftige Krankheit auch aus Sicht des Kindes anzunehmen, da der Gendefekt im Embryonalzustand zu einer Fehlgeburt oder im Falle einer Geburt zu schweren körperlichen und geistigen Behinderungen führen könne. Diese Erkrankungen würden durch die streitgegenständlichen Maßnahmen (kompensatorisch) behoben, jedenfalls aber gelindert. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 10.10.2013 (- 5 C 32.12 -) entschieden, dass die Unfähigkeit, ein Kind zu zeugen, eine Krankheit sei. Dies gelte auch für die Unfähigkeit, ein gesundes Kind zu zeugen. Auch habe es das SG unterlassen, ärztliche Auskünfte einzuholen und den medizinischen Sachverhalt aufzuklären. Dies sei bereits deswegen erforderlich gewesen, als zum 01.02.2014 die Präimplantationsdiagnostikverordnung in Kraft getreten sei und der im MdK-Gutachten maßgeblich für die Leistungsablehnung angeführte Grund der fehlenden Verordnung entfallen sei. Zuletzt hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, in den vom BSG zur vorliegenden Problematik entschiedenen Verfahren habe, anders als in ihrem Verfahren, bei dem zugrundeliegenden Gendefekt für die Frauen jeweils kein Abortrisiko bestanden. Ihr zwischenzeitlich geborener Sohn sei nunmehr zwei Jahre alt, sie selbst sei aktuell abermals schwanger.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.06.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 zu verurteilen, ihr die Kosten für die in den 3 Behandlungszyklen der gewählten künstlichen Befruchtung angefallenen Präimplantationsdiagnostik i.H.v. 6.941,70 EUR und der erfolgten Kryokonservierung i.H.v. 2.350,53 EUR, insgesamt 9.292,23 EUR, nebst gesetzlicher Zinsen hieraus, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2016 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung der Klägerin ist in Ansehung des Beschwerdewertes von 9.292,23 EUR statthaft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die für die Durchführung der PID und der Kryokonservierung (im 1. - 3. Behandlungszyklus) verauslagten Kosten i.H.v. insg. 9.292,23 EUR von der Beklagten zu erstatten sind.
Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch einzig § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringt oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht hierbei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen gewesen wäre oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris).
Da die Klägerin bei der Beklagten vor dem geplanten Behandlungsbeginn, nach den Ausführungen der Klägerin am 15.02.2012, unter dem 30.01.2012 die Kostenübernahme beantragte und hierüber von der Beklagten noch vor dem Behandlungsbeginn mit Bescheid vom 02.02.2012 entschieden wurde, steht dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht bereits entgegen, dass die Behandlung begonnen wurde, ohne dass eine Entscheidung der Krankenkasse abgewartet worden wäre (vgl. hierzu BSG, u.a. Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - und vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R -, jeweils in juris).
Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet vorliegend jedoch deswegen aus, weil die PID und die Kryokonservierung keine Maßnahmen der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V oder der Früherkennung nach §§ 25, 26 SGB V darstellen, nicht unter § 27a SGB V fallen und schließlich auch kein Systemversagen vorliegt.
Die PID und die Kryokonservierung stellen keine Maßnahme der Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V dar. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V ärztliche Behandlung durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Krankheit im Sinne dieser Vorschrift ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - und vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R -, jew. in juris). Eine Krankenbehandlung ist hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben, gebessert oder vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden können (st. Rspr. seit BSG, Urteil vom 28.04.1967 - 3 RK 12/65 -, in juris). Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1998 - B 1 KR 18/96 R -; Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 11/04 R -; Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R -, alle in juris). Ob die bei der Klägerin bestehende balancierte Chromosomentranslokation (zwischen dem langen Arm des Chromosoms 10 und dem kurzen Arm des Chromosoms 18) selbst eine Krankheit in diesem Sinne darstellt, kann der Senat offen lassen, da die PID jedenfalls keine hierauf gerichtete Krankenbehandlung darstellt. Durch die PID soll bei der Klägerin keine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 19/13 R - juris). Die PID ist keine Maßnahme mit Therapiecharakter, sondern eine genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer (vgl. § 2 Nr. 1 der Präimplantationsdiagnostikverordnung vom 21.02.2013 [BGBl. I S. 323]), die sodann im Wege einer Kryokonservierung für spätere Einpflanzungen bei der Klägerin unter Aufrechterhaltung der Vitalität in flüssigem Stickstoff aufbewahrt werden. Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach ein erhöhtes Abortrisiko bestehe und hiernach i.d.R. eine Ausschabung erforderlich sei, die sie körperlich beeinträchtige, vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu bedingen, da das zum Zeitpunkt der PID bloße Risiko einer Erkrankung im Rahmen des § 27 SGB V keine Leistungspflicht der Beklagten begründet. Allein durch das bestehende erhöhte Risiko ein erkranktes Kind zu zeugen, wird die Klägerin nicht in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt.
Die Klägerin leidet schließlich nicht unter einer Zeugungsunfähigkeit, die als beeinträchtigte Körperfunktion gewertet werden kann, und die, wenn sie einer ärztlichen Behandlung zugänglich ist, unter den Krankheitsbegriff fällt. Die eigentliche Körperfunktion der Zeugung ist bei der Klägerin nicht gestört.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf das Kind. Bei Durchführung der PID und der Kryokonservierung ist noch kein Kind gezeugt, weshalb keine Krankenbehandlung an ihm stattfinden kann. Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach mithilfe der PID die Erbkrankheit tragende befruchtete Eizellen vom weiteren Fortpflanzungsvorgang ausgeschlossen werden könnten und damit das erhöhte Risiko, ein erkranktes Kinder zu zeugen, aufgehoben wird, vermag einen auf § 27 SGB V gestützten Anspruch nicht zu rechtfertigen (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2013 - L 4 KR 4624/12 - in juris).
Aus strukturell gleichen Gründen kommt ein Anspruch der Klägerin auf Früherkennungsuntersuchung (§§ 25 und 26 SGB V) nicht in Betracht: die PID soll die Zeugung eines kranken Kindes und damit ggf. eine zum Abbruch führende Schwangerschaft oder eine schwerwiegende Gesundheitsstörung beim Embryo verhindern. Sie findet weder am Körper der Klägerin noch bei einem schon gezeugten Embryo statt, weshalb §§ 25, 26 SGB V schon deshalb, weil die Untersuchung nicht an einem lebenden Körper erfolgt, den Anspruch der Klägerin auf Durchführung einer PID und einer Kryokonservierung nicht stützen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, a.a.O.).
Die Erstattung der Kosten der PID und der Kryokonservierung kann auch nicht auf § 27a SGB V gestützt werden. § 27a SGB V setzt als Grund für einen Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nur die Unfruchtbarkeit des Ehepaares voraus. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung erfolgsversprechend sein. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2001 - B 1 KR 40/00 R - in juris). Da jedoch die bei der Klägerin bestehende balancierte Chromosomentranslokation nicht zu deren Unfruchtbarkeit führt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Ehegatte der Klägerin unfruchtbar ist, scheidet ein Leistungsanspruch nach § 27a SGB V aus.
Ein Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010 B 1 KR 10/09 R -, in juris). Voraussetzung für die Annahme eines Systemmangels ist, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode der Behandlung einer Krankheit dient. Letzteres ist im Zusammenhang mit der PID und der Kryokonservierung indessen nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt stellen die PID und die Kryokonservierung keine Maßnahme der Krankenbehandlung dar und das Risiko erbkranke Kinder zu zeugen, ist keine Krankheit. Ein Systemmangel kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 18.11.2014, a.a.O.).
Schließlich kommt ein Leistungsanspruch auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (- 1 BvR 347/98 -, in juris) anhand einer grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V nicht in Betracht. Der Beschluss des BVerfG wurde mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V gesetzlich niedergelegt. Jedoch sind die dortigen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es besteht zwar eine Erfolgsaussicht, dass mithilfe der PID erbkranke Zellen aussortiert werden und es gibt auch keine andere Behandlungsmöglichkeit, es fehlt aber an einer lebensgefährlichen und regelmäßig zum Tod führenden Erkrankung des - noch nicht gezeugten - Kindes.
Da mithin kein (Sach-)Leistungsanspruch auf Übernahme der Kosten der PID und der Kryokonservierung bestand, kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der von ihr verauslagen Kosten nicht verlangen.
Ermittlungen in medizinischer Hinsicht wurden, anders als es die Klägerin vorbringt, weder vom SG verfahrensfehlerhaft unterlassen, noch sieht sich der Senat gedrängt, selbige durchzuführen. Der dem Verfahren zu Grunde liegende medizinische Hintergrund ist durch die von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen vollständig aufgeklärt und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der Senat hat in diesem Sinne zu Grunde gelegt, dass die Klägerin an einer balancierten Chromosomentranslokation (zwischen dem langen Arm des Chromosoms 10 und dem kurzen Arm des Chromosoms 18) leidet.
Der Bescheid vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und spiegelt wieder, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG aufgeführten Gründe vorliegt. In Ansehung der (eindeutigen) Rspr. des BSG kommt dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der Senat weicht auch nicht von einer Entscheidung der in § 160 SGG aufgeführten Gerichte ab.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten präimplantationsdiagnostischer Maßnahmen und der Kryokonservierung von Eizellen i.H.v. 9.292,23 EUR streitig. Die im Jahr 1975 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ihr Ehemann ist privat krankenversichert. Unter dem 30.01.2012 beantragte die Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer Kinderwunschbehandlung. Bei ihr und ihrem Ehemann bestehe seit ca. 3 Jahren ein Kinderwunsch, der sich infolge der bei ihr vorliegenden balancierten Translokation nicht erfüllt habe. Diese genetische Erkrankung reduziere die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft auf natürlichem Wege erheblich. Ferner bestünde ein 50 %-iges Abortrisiko sowie das Risiko der Geburt eines Kindes mit geistiger oder körperlicher Retardierung. Eine Kinderwunschbehandlung mittels künstlicher Befruchtung und Präimplationsdiagnostik (PID) verspreche, hierin seien sich die konsultierten Experten einig, Aussicht auf Erfolg. Die PID sei nach der seit 2011 geltenden Gesetzeslage in Fällen, in denen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende Erkrankung beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt drohe, zulässig und als medizinisch notwendig anerkannt. Sie beantrage deswegen auch die Übernahme der Kosten der PID mit Kryokonservierung. Letztere sei notwendig, um ein Überstimulationssyndrom bzw. eine starke Hormonstimulation zu umgehen. Zudem ermögliche diese, eine Mehrlingsgeburt zu vermeiden. Aufgrund der beschriebenen Risiken sehe sie sich nicht im Stande, das Risiko einer Schwangerschaft ohne Ausschluss einer nicht balancierten Translokation bzw. ohne PID einzugehen.
Mit Bescheid vom 02.02.2012 entschied die Beklagte, die Hälfte der im Behandlungsplan angegebenen Kosten der geplanten intracytoplasmatische Spermieninjektion zu übernehmen. Mit einem weiteren Bescheid vom 02.02.2012 entschied die Beklagte, dass sie sich an den Kosten für die Kryokonservierung von Eizellen bzw. Samenzellen und für die PID nicht beteiligen könne. Die geplanten Maßnahmen seien nach verbindlichen Richtlinien vom vertragsärztlichen Leistungsangebot ausgeschlossen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie vorbrachte, Maßnahmen der PID seien nach der seit dem 07.07.2011 geltenden Gesetzeslage zulässig, sodass die einschlägigen Richtlinien hinfällig seien. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sei gefordert, die Richtlinien gesetzeskonform zu ergänzen. Dass dies unterblieben sei, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Es bestehe vielmehr ein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wenn die Maßnahme, wie bei ihr, nach ärztlicher Feststellung erforderlich sei. Zwischenzeitlich sei der erste Behandlungszyklus (erfolglos) durchgeführt worden. Mit ihrem Widerspruch legte die Klägerin Mehrfertigungen von Rechnungen betreffend die PID des Medizinischen Versorgungszentrums s. vom 14.03.2012 (Rechnungsbetrag 2.000,- EUR), betr. die Vorbereitung und Durchführung der Kryokonservierung der Dres. B., Br., N. vom 05.03.2012 (Rechnungsbetrag: 378,72 EUR) und betr. die Lagerung der Kryo-Eizellen der K. GmbH vom 07.03.2012 (Rechnungsbetrag: 148,75 EUR) vor. Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Dr. H. führte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 12.06.2012 aus, dass am 08.12.2011 zwar das Präimplantationsdiagnostikgesetz in Kraft getreten sei und nach diesem die PID bei Paaren, die die Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit in sich trügen oder Frauen, bei denen eine Fehlgeburt drohe, erlaubt sei, jedoch noch keine gültige Rechtsverordnung erlassen worden sei, weswegen die begehrte Kostenübernahme sozialmedizinisch nicht empfohlen werden könne.
Nachdem die Beklagte die Klägerin von der sozialmedizinischen Einschätzung in Kenntnis gesetzt hatte, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 zurück. Begründend führte sie aus, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung zwar auch Maßnahmen der Herbeiführung einer Schwangerschaft umfasse, die hierzu erlassenen Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung beinhalteten jedoch einen Ausschluss für solche Maßnahmen, die über die künstliche Befruchtung hinausgingen, wie dies bei der Kryokonservierung von imprägnierten Ei- oder Samenzellen der Fall sei (Nr. 4 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung). Der Rahmen der zu übernehmenden Leistungen werde vielmehr im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abschließend beschrieben. Da die PID dort nicht aufgeführt sei, seien die Kosten für präimplantationsdiagnostische Maßnahmen nicht zu übernehmen. Die Kryokonservierung habe der GBA ausdrücklich aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits bestätigt und ferner entschieden, dass die Kryokonservierung und die Lagerung von befruchteten Eizellen nicht als Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft anzusehen seien. Das von der Klägerin angeführte des Urteil des Bundesgerichtshofes vom 06.07.2010 führe zu keiner abweichenden Rechtslage, da dort lediglich entschieden worden sei, dass die Durchführung einer PID für den Arzt nicht strafbar sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16.04.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Sie brachte vor, sie sei in genetischer Hinsicht krank. Es liege eine körperliche Anomalie in Form eines Gendefektes vor. Diese Erkrankung sei behandlungsbedürftig und behandlungsfähig. Die Übernahmefähigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen beurteile sich daher nicht nach § 27a SGB V, sondern nach § 27 SGB V. Die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für Maßnahmen der Krankenbehandlung zu übernehmen, unterliege keiner dahingehenden Begrenzung, dass eine Rechtsverordnung existieren müsse. Im Übrigen sei im derzeitigen Fehlen einer Rechtsverordnung ein Systemversagen zu erblicken. Die Klägerin bezifferte die ihr entstandenen Kosten sodann unter Vorlage weiterer Rechnungen des Medizinischen Versorgungszentrums s. betr. die Identifizierung von humanen Nukleinsäurefragmenten vom 22.11.2012 (Rechnungsbetrag 502,75 EUR) und vom 02.05.2013 (Rechnungsbetrag: 2.537,35 EUR), der Dres. B., Br., N. betr. die Trophektoderm-Biopsie zur Vorbereitung der PID vom 03.12.2012 und vom 11.04.2013 (Rechnungsbetrag jew.: 950,80 EUR) und betr. die Vorbereitung und Durchführung der Kryokonservierung vom 26.11.2012 und vom 11.04.2013 (Rechnungsbetrag jew.: 762,78 EUR) sowie betr. die Lagerung der Kryo-Eizellen der K. GmbH vom 20.11.2012 und vom 10.04.2013 (Rechnungsbetrag jew: 148,75 EUR) auf insg. 9.292,23 EUR. Die private Krankenversicherung ihres Ehegatten habe sich an den Kosten nicht beteiligt. Sie trug schließlich vor, dass sich im 4. Behandlungszyklus, der vorliegend nicht streitgegenständlich sei, ein Erfolg eingestellt habe und sie schwanger geworden sei.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen.
Mit Urteil vom 06.06.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, die Klägerin könne die Erstattung der von ihr verauslagten Kosten der PID und der Kryokonservierung nicht beanspruchen. Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V u.a. nur dann, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die PID und die Kryokonservierung keine Maßnahme der Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V seien. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestünde nur um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die PID bzw. die Kryokonservierung könnten die bei der Klägerin bestehende Translokation jedoch weder heilen, noch eine Verschlimmerung verhüten. Die PID diene vielmehr ausschließlich dazu, lebensfähige, gesunde Zellen aufzufinden und diese der Klägerin im Rahmen der künstlichen Befruchtung einzusetzen, nicht jedoch dazu, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, sodass auch keine Maßnahme der Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit angenommen werden könne. Da bei der Durchführung der PID und der Kryokonservierung auch noch kein Kind gezeugt sei, könne eine Krankenbehandlung an diesem denknotwendigerweise nicht stattfinden. Das Vorbringen der Klägerin, mit Hilfe der PID könne ein erhöhtes Abortrisiko bzw. eine körperliche oder geistige Retardierung des Kindes ausgeschlossen werden, vermöge daher einen auf § 27 SGB V gestützten Anspruch nicht zu tragen. Ein (Sach-)Leistungsanspruch der Klägerin könne auch nicht auf § 27a SGB V gestützt werden, da der Begriff der künstlichen Befruchtung nur Maßnahmen umfasse, die unmittelbar der Befruchtung dienten, worunter weder die PID noch die Kryokonservierung, die im Vorfeld der Befruchtung die Möglichkeit eröffneten, die Chance der Klägerin auf die Geburt eines gesunden Kindes zu erhöhen, rechneten. Schließlich könne auch kein Systemmangel angenommen werden, da die hierzu geltenden Grundsätze voraussetzten, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die (vermeintlich) nicht ordnungsgemäß durch den GBA anerkannt worden sei, auf die Behandlung einer Krankheit ziele, was im Fall der PID und der Kryokonservierung nicht der Fall sei. Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 25.08.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.09.2014 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, sie sei durch den bestehenden Gendefekt, anders als es das SG angenommen habe, gesundheitlich beeinträchtigt. Der Abort sei eine körperliche Beeinträchtigung, die mit risikoerhöhenden Folgen und einer (künftigen) Einschränkung der Fertilität einhergehe. Nach einem Abort sei i.d.R. eine Ausschabung erforderlich, die gleichfalls körperlich beeinträchtige. Im Übrigen gingen hiermit auch psychische Beeinträchtigungen einher. Gleichmaßen sei eine behandlungsbedürftige Krankheit auch aus Sicht des Kindes anzunehmen, da der Gendefekt im Embryonalzustand zu einer Fehlgeburt oder im Falle einer Geburt zu schweren körperlichen und geistigen Behinderungen führen könne. Diese Erkrankungen würden durch die streitgegenständlichen Maßnahmen (kompensatorisch) behoben, jedenfalls aber gelindert. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 10.10.2013 (- 5 C 32.12 -) entschieden, dass die Unfähigkeit, ein Kind zu zeugen, eine Krankheit sei. Dies gelte auch für die Unfähigkeit, ein gesundes Kind zu zeugen. Auch habe es das SG unterlassen, ärztliche Auskünfte einzuholen und den medizinischen Sachverhalt aufzuklären. Dies sei bereits deswegen erforderlich gewesen, als zum 01.02.2014 die Präimplantationsdiagnostikverordnung in Kraft getreten sei und der im MdK-Gutachten maßgeblich für die Leistungsablehnung angeführte Grund der fehlenden Verordnung entfallen sei. Zuletzt hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, in den vom BSG zur vorliegenden Problematik entschiedenen Verfahren habe, anders als in ihrem Verfahren, bei dem zugrundeliegenden Gendefekt für die Frauen jeweils kein Abortrisiko bestanden. Ihr zwischenzeitlich geborener Sohn sei nunmehr zwei Jahre alt, sie selbst sei aktuell abermals schwanger.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.06.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 zu verurteilen, ihr die Kosten für die in den 3 Behandlungszyklen der gewählten künstlichen Befruchtung angefallenen Präimplantationsdiagnostik i.H.v. 6.941,70 EUR und der erfolgten Kryokonservierung i.H.v. 2.350,53 EUR, insgesamt 9.292,23 EUR, nebst gesetzlicher Zinsen hieraus, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2016 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung der Klägerin ist in Ansehung des Beschwerdewertes von 9.292,23 EUR statthaft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die für die Durchführung der PID und der Kryokonservierung (im 1. - 3. Behandlungszyklus) verauslagten Kosten i.H.v. insg. 9.292,23 EUR von der Beklagten zu erstatten sind.
Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch einzig § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringt oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht hierbei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen gewesen wäre oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris).
Da die Klägerin bei der Beklagten vor dem geplanten Behandlungsbeginn, nach den Ausführungen der Klägerin am 15.02.2012, unter dem 30.01.2012 die Kostenübernahme beantragte und hierüber von der Beklagten noch vor dem Behandlungsbeginn mit Bescheid vom 02.02.2012 entschieden wurde, steht dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht bereits entgegen, dass die Behandlung begonnen wurde, ohne dass eine Entscheidung der Krankenkasse abgewartet worden wäre (vgl. hierzu BSG, u.a. Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - und vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R -, jeweils in juris).
Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet vorliegend jedoch deswegen aus, weil die PID und die Kryokonservierung keine Maßnahmen der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V oder der Früherkennung nach §§ 25, 26 SGB V darstellen, nicht unter § 27a SGB V fallen und schließlich auch kein Systemversagen vorliegt.
Die PID und die Kryokonservierung stellen keine Maßnahme der Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V dar. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V ärztliche Behandlung durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Krankheit im Sinne dieser Vorschrift ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - und vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R -, jew. in juris). Eine Krankenbehandlung ist hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben, gebessert oder vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden können (st. Rspr. seit BSG, Urteil vom 28.04.1967 - 3 RK 12/65 -, in juris). Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1998 - B 1 KR 18/96 R -; Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 11/04 R -; Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R -, alle in juris). Ob die bei der Klägerin bestehende balancierte Chromosomentranslokation (zwischen dem langen Arm des Chromosoms 10 und dem kurzen Arm des Chromosoms 18) selbst eine Krankheit in diesem Sinne darstellt, kann der Senat offen lassen, da die PID jedenfalls keine hierauf gerichtete Krankenbehandlung darstellt. Durch die PID soll bei der Klägerin keine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 19/13 R - juris). Die PID ist keine Maßnahme mit Therapiecharakter, sondern eine genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer (vgl. § 2 Nr. 1 der Präimplantationsdiagnostikverordnung vom 21.02.2013 [BGBl. I S. 323]), die sodann im Wege einer Kryokonservierung für spätere Einpflanzungen bei der Klägerin unter Aufrechterhaltung der Vitalität in flüssigem Stickstoff aufbewahrt werden. Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach ein erhöhtes Abortrisiko bestehe und hiernach i.d.R. eine Ausschabung erforderlich sei, die sie körperlich beeinträchtige, vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu bedingen, da das zum Zeitpunkt der PID bloße Risiko einer Erkrankung im Rahmen des § 27 SGB V keine Leistungspflicht der Beklagten begründet. Allein durch das bestehende erhöhte Risiko ein erkranktes Kind zu zeugen, wird die Klägerin nicht in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt.
Die Klägerin leidet schließlich nicht unter einer Zeugungsunfähigkeit, die als beeinträchtigte Körperfunktion gewertet werden kann, und die, wenn sie einer ärztlichen Behandlung zugänglich ist, unter den Krankheitsbegriff fällt. Die eigentliche Körperfunktion der Zeugung ist bei der Klägerin nicht gestört.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf das Kind. Bei Durchführung der PID und der Kryokonservierung ist noch kein Kind gezeugt, weshalb keine Krankenbehandlung an ihm stattfinden kann. Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach mithilfe der PID die Erbkrankheit tragende befruchtete Eizellen vom weiteren Fortpflanzungsvorgang ausgeschlossen werden könnten und damit das erhöhte Risiko, ein erkranktes Kinder zu zeugen, aufgehoben wird, vermag einen auf § 27 SGB V gestützten Anspruch nicht zu rechtfertigen (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2013 - L 4 KR 4624/12 - in juris).
Aus strukturell gleichen Gründen kommt ein Anspruch der Klägerin auf Früherkennungsuntersuchung (§§ 25 und 26 SGB V) nicht in Betracht: die PID soll die Zeugung eines kranken Kindes und damit ggf. eine zum Abbruch führende Schwangerschaft oder eine schwerwiegende Gesundheitsstörung beim Embryo verhindern. Sie findet weder am Körper der Klägerin noch bei einem schon gezeugten Embryo statt, weshalb §§ 25, 26 SGB V schon deshalb, weil die Untersuchung nicht an einem lebenden Körper erfolgt, den Anspruch der Klägerin auf Durchführung einer PID und einer Kryokonservierung nicht stützen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, a.a.O.).
Die Erstattung der Kosten der PID und der Kryokonservierung kann auch nicht auf § 27a SGB V gestützt werden. § 27a SGB V setzt als Grund für einen Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nur die Unfruchtbarkeit des Ehepaares voraus. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung erfolgsversprechend sein. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2001 - B 1 KR 40/00 R - in juris). Da jedoch die bei der Klägerin bestehende balancierte Chromosomentranslokation nicht zu deren Unfruchtbarkeit führt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Ehegatte der Klägerin unfruchtbar ist, scheidet ein Leistungsanspruch nach § 27a SGB V aus.
Ein Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010 B 1 KR 10/09 R -, in juris). Voraussetzung für die Annahme eines Systemmangels ist, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode der Behandlung einer Krankheit dient. Letzteres ist im Zusammenhang mit der PID und der Kryokonservierung indessen nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt stellen die PID und die Kryokonservierung keine Maßnahme der Krankenbehandlung dar und das Risiko erbkranke Kinder zu zeugen, ist keine Krankheit. Ein Systemmangel kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 18.11.2014, a.a.O.).
Schließlich kommt ein Leistungsanspruch auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (- 1 BvR 347/98 -, in juris) anhand einer grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V nicht in Betracht. Der Beschluss des BVerfG wurde mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V gesetzlich niedergelegt. Jedoch sind die dortigen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es besteht zwar eine Erfolgsaussicht, dass mithilfe der PID erbkranke Zellen aussortiert werden und es gibt auch keine andere Behandlungsmöglichkeit, es fehlt aber an einer lebensgefährlichen und regelmäßig zum Tod führenden Erkrankung des - noch nicht gezeugten - Kindes.
Da mithin kein (Sach-)Leistungsanspruch auf Übernahme der Kosten der PID und der Kryokonservierung bestand, kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der von ihr verauslagen Kosten nicht verlangen.
Ermittlungen in medizinischer Hinsicht wurden, anders als es die Klägerin vorbringt, weder vom SG verfahrensfehlerhaft unterlassen, noch sieht sich der Senat gedrängt, selbige durchzuführen. Der dem Verfahren zu Grunde liegende medizinische Hintergrund ist durch die von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen vollständig aufgeklärt und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der Senat hat in diesem Sinne zu Grunde gelegt, dass die Klägerin an einer balancierten Chromosomentranslokation (zwischen dem langen Arm des Chromosoms 10 und dem kurzen Arm des Chromosoms 18) leidet.
Der Bescheid vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und spiegelt wieder, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG aufgeführten Gründe vorliegt. In Ansehung der (eindeutigen) Rspr. des BSG kommt dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der Senat weicht auch nicht von einer Entscheidung der in § 160 SGG aufgeführten Gerichte ab.
Rechtskraft
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