L 13 R 4248/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2658/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4248/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. September 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1957 geborene Klägerin absolvierte nach der Hauptschule eine zweijährige Ausbildung zur Verkäuferin und war mit zeitweisen Unterbrechungen in diesem Beruf tätig. Zuletzt arbeitete sie 20 Stunden in der Woche in einem Markt im Dreischichtbetrieb. Ab 12. Juli 2011 war die Klägerin arbeitsunfähig. Vom 20. Juli 2011 bis 17. August 2011 nahm die Klägerin an einem stationären Heilverfahren in den J.-Bad Reha-Kliniken B. F. teil. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 17. August 2011 gelangten die behandelnden Ärzte zu der Auffassung, dass die Klägerin mittelschwere Tätigkeiten unter Vermeidung von häufigem Bücken, gebückten Zwangshaltungen, Stoß- und Stauchbelastungen, häufigem Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, Kälte, Nässe und Zugluft vollschichtig verrichten könne. Dies treffe auch auf die letzte berufliche Tätigkeit als Verkäuferin zu. Bei bestehender psychischer Überlagerung bzw. Mobbing am Arbeitsplatz werde die Patientin aber als arbeitsunfähig entlassen. Ab 24. November 2012 meldete sich die Klägerin arbeitslos und erhielt bis Februar 2014 Arbeitslosengeld.

Am 6. November 2013 ging der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten ein. Sie leide an Schmerzen, Depressionen, Panikattacken und Erschöpfung. Nachdem die am 19. Dezember 2013 begonnene nervenärztliche Begutachtung im SMD K. durch die Versicherte abgebrochen wurde, erfolgte die Fremdvergabe des Gutachtensauftrages an Dr. B ... In seinem Gutachten vom 22. Januar 2014 diagnostizierte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie eine somatoforme Schmerzstörung mit deutlicher konversionsneurotischer Färbung, eine Panikstörung und Persönlichkeitsakzentuierungen. Bis mittelschwere Tätigkeiten könne die Versicherte aus neurologisch-psychiatrischer Sicht auch weiterhin vollschichtig verrichten. Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie an unmittelbar gefährdenden Maschinen sollten ausgeschlossen bleiben, wie auch Tätigkeiten mit ständigem Zeitdruck sowie mit weit überdurchschnittlich fordernden, sozialen Interaktionen. Eine Tätigkeit in dem erlernten Beruf sei nicht ausgeschlossen. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Sch. schloss sich in ihrem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 28. Januar 2014 auf nervenärztlichem Gebiet dem Gutachten des Dr. B. an, da es sehr ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar sei. Die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen erforderten lediglich qualitative Einschränkungen. Hiernach könne die Versicherte leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung bis zu überwiegend stehend, gehend und sitzend in der Tages- oder Früh-/Spätschicht ohne Nachtschicht, ohne ständigen Zeitdruck, ohne weit überdurchschnittlich fordernde, soziale Interaktionen, ohne hohe Anforderungen an das Anpassungsvermögen, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 15 kg, ohne andauernde Zwangshaltungen, ohne überdurchschnittlich häufiges Bücken und überdurchschnittlich häufige Überkopfarbeiten und ohne häufige Stoß- und Stauchbelastung in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin könne unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen weiterhin vollschichtig ausgeübt werden.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin könne sowohl Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin vollschichtig verrichten. Am 20. Februar 2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch. Dem Gutachten könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin legte eine eigene Stellungnahme zum Gutachten des Dr. B. vor. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Dr. Sch. vom 30. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2014 mit gleichbleibender Begründung zurück.

Am 2. September 2014 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und vorgetragen, dass von ihr sowohl die zuletzt verrichtete Tätigkeit als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr vollschichtig verrichtet werden könnten.

Das SG hat schriftlich behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. R. (Fachärztin für Allgemeinmedizin) hat mitgeteilt, die Klägerin sei nur sporadisch in ihrer Sprechstunde gewesen, weshalb sie keine Beurteilung abgeben könne. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie G. hat ausgeführt, die Klägerin könne sowohl Tätigkeiten als Verkäuferin als auch leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Internist-Rheumatologe Dr. M. hat ausgeführt, dass die Klägerin nur einmal bei ihm gewesen sei. Die Einschätzung des Leistungsvermögens sollte durch einen neurologisch-psychiatrischen Gutachter erfolgen. Die ärztliche Leiterin des Zentrums für Psychische Gesundheit Sch. hat über die seit dem 3. September 2013 stattfindende ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung berichtet. Als Diagnosen hat sie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Panikstörung mitgeteilt. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. hat ausgeführt, dass die Klägerin letztmalig im Juni 2013 vorstellig gewesen sei. Bis dahin habe die Klägerin sowohl Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts als auch eine Tätigkeit als Verkäuferin vollschichtig verrichten können.

Das SG hat daraufhin vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie M. das Gutachten vom 25. Februar 2015 eingeholt. Der Gutachter hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit Tendenz der Chronifizierung, eine Dysthymia, eine somatoforme Schmerzstörung sowie Panikattacken diagnostiziert. Die Klägerin sei derzeit nicht einmal in der Lage, eine Tätigkeit von drei Stunden täglich zu verrichten.

Die Beklagte hat sozialmedizinische Stellungnahmen der Dr. Sch. vom 26. März 2015 sowie der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 15. April 2015 vorgelegt. Hierauf hat das SG eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Facharztes M. vom 8. Mai 2015 eingeholt. Er ist bei seiner Einschätzung verblieben und hat bekräftigt, dass nach einem Ablauf einer Behandlungszeit von drei bis vier Monaten wieder ein vollschichtiges Leistungsbild zu erwarten sei.

Hierauf hat das SG ein weiteres psychiatrisches Gutachten eingeholt. Die Gutachterin Dr. Sch. hat unter dem 4. August 2015 eine Dysthymie sowie eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Aufgrund der Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet seien keine Tätigkeiten möglich, die unter Zeit- und Leistungsdruck erfolgten, wie Akkord- und Fließbandarbeit. Nicht möglich seien auch Tätigkeiten, die zu einer ständigen Änderung des Tag-/Nachtrhythmusses führten, oder Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung im Bereich der erlernten Tätigkeit, wie Tätigkeiten, die in leitender und koordinierender Funktion ausgeübt werden oder die eine andauernd hohe Aufmerksamkeitsleistung oder ein besonderes emotionales Einfühlungsvermögen erfordern. Möglich seien Tätigkeiten im durchschnittlichen Anforderungsbereich in Service und Produktion. Die genannten Tätigkeiten könnten vollschichtig verrichtet werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne vollschichtig Verkaufstätigkeiten im Wechsel zwischen sitzend an der Kasse und stehend bzw. gehend beim Einräumen von Regalen verrichten. Das SG hat sich hierbei auf die Beurteilung der Dres. K. und G. und auf das Gutachten der Dr. Sch. gestützt.

Gegen die der Klägerin am 28. September 2015 zugestellte Entscheidung hat sie am 8. Oktober 2015 Berufung eingelegt und sich auf die Begutachtung durch den Arzt M. gestützt. Des Weiteren wurde die Befragung behandelnder Ärzte angeregt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung - auch bei Berufsunfähigkeit - ab 1. November 2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Gutachten des Arztes M. sei nicht zu folgen, was Dr. Sch., Dr. B. und Dr. H. dargelegt hätten.

Der Senat hat vom Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde H.-P. eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage eingeholt. Hiernach sei die seit 1998 bekannte Raumforderung der Lunge unverändert geblieben. Die Lungenfunktionswerte seien im Normbereich gelegen, sodass keine Störung des beruflichen Leistungsvermögens vorläge. Des Weiteren hat Dr. B.-M. eine Aussage abgegeben, wonach von einer vollschichtigen Leistungsunfähigkeit von ca. November 2013 bis etwa März 2015 auszugehen sei, als psychosoziale Belastungsfaktoren (Erkrankung des Sohnes, Tod der Mutter, Situation des Vaters) zugenommen hätten.

Der Senat hat hierauf von Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse M. das nervenärztliche Gutachten vom 7. Mai 2016 eingeholt. Hiernach leidet die Klägerin unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, unter einer Panikstörung ohne wesentlich einschränkendes phobisches Vermeidungsverhalten sowie unter einer Dysthymia. Unter Einbeziehung der orthopädischen Einschränkungen könnten der Klägerin nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zugemutet werden. Durchgängig mittelschwere Tätigkeiten, Schichtarbeit, Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, Tätigkeiten unter sehr hohem Zeitdruck, wie beispielsweise Akkord- und Fließbandarbeit, Tätigkeiten mit sehr hoher Verantwortung, beispielsweise als Vorgesetzte für mehr als zehn Mitarbeiter und auch Tätigkeiten mit sehr hohen emotionalen Belastungen, wie beispielsweise in der Pflege von Schwerkranken und auch Tätigkeiten an einem Arbeitsplatz mit sehr hohem Konfliktpotential, wie beispielsweise im Gemeindevollzugsdienst oder einer Beschwerdeannahmestelle, seien zu vermeiden. Möglich seien weiterhin körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, beispielsweise in der Verpackung oder Qualitätskontrolle, in der Produktion, auskunftsgebend, aber auch im Verkauf. Eine Tätigkeit mit Publikumsverkehr sei weiterhin uneingeschränkt möglich. Die möglichen Tätigkeiten seien auch vollschichtig zu verrichten. Es sei auch nicht erkennbar, warum die Klägerin an einem anderen Arbeitsplatz nicht hätte eine ähnlich geartete Tätigkeit als Verkäuferin in einem Supermarkt ohne Schichtdienst sechs Stunden täglich hätte verrichten können.

Den Befangenheitsantrag der Klägerin vom 10. Mai 2016 gegen den Sachverständigen M. hat der Senat mit Beschluss vom 8. Juni 2016 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Klägerin beanspruchten Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung - § 43, § 240 SGB VI - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder auch teilweiser Erwerbsminderung hat, weil sie in der Lage ist, in ihrem erlernten Beruf vollschichtig tätig zu sein. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin auch im Berufungsverfahren an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass es sich bei dem erlernten Beruf im Gegensatz zum Ausbildungsberuf Kauffrau im Einzelhandel nicht um einen dreijährigen Ausbildungsberuf handelt, sondern um einen zweijährigen Ausbildungsberuf. Nach der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Beschreibung des Berufes unter berufenet.arbeitsagentur.de veräußern Verkäufer Waren und Dienstleistungen. Dazu informieren und beraten sie Kunden und bieten Serviceleistungen an. Sie nehmen Ware an, zeichnen sie aus und präsentieren sie ansprechend. Zudem prüfen sie den Bestand, führen Qualitätskontrollen durch, bestellen Ware nach und nehmen Reklamationen entgegen. Die Verkäufer finden Beschäftigungen in erster Linie in Einzelhandelsunternehmen, z.B. in Modehäusern, Baumärkten, Supermärkten, Kaufhäusern, Lebensmittelfachgeschäften, Tankstellen oder im Versandhandel; darüber hinaus finden sie auch Beschäftigungen im Vermietungs- und Verleihgewerbe. Beim Kassieren prüfen Verkäufer die Echtheit der Geldscheine, achten auf die richtige Ausgabe des Wechselgeldes oder wickeln Zahlungen bargeldlos ab. Darüber hinaus wirken sie bei der Planung und Umsetzung von werbe- und verkaufsfördernden Maßnahmen mit. Die Verkäufer arbeiten in erster Linie in Verkaufsräumen, Lager- und Kühlräumen, aber auch im Freien und in Büroräumen. Häufig arbeiten sie mit künstlicher Dauerbeleuchtung. Sie sind viel auf den Beinen, an der Kasse arbeiten sie im Sitzen. Gegebenenfalls sind schwere Waren zu heben oder zu transportieren. Arbeiten an Samstagen ist üblich. Die Beratung erfordert Kontaktbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit. Verkäufer denken kaufmännisch und kennen die Wünsche ihrer Kunden. Die Arbeit findet in Handarbeit statt (z.B. Waren verteilen bzw. Einräumen), unter den Augen von Kunden und Gästen und mit häufig wechselnden Aufgaben und Arbeitssituationen (z.B. zwischen Kundenberatung und an der Kasse wechselnd). Die Klägerin kann zwar ihren erlernten Beruf nicht mehr unter den Bedingungen verrichten, die ihr letzter Arbeitgeber geboten hat. Denn im -Markt waren zum Teil schwere Gegenstände mit über 20 kg (siehe Entlassungsbericht der J.B. Reha-Kliniken vom 17. August 2011) zu heben und tragen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin nicht den Anforderungen ihres erlernten Berufes z.B. in Modehäusern entsprechen kann. Die Zahl der in Betracht kommenden Stellen ist dadurch nicht erheblich reduziert, da es bundesweit eine große Zahl von Modehäusern gibt.

Auch aus der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergibt sich, dass die Klägerin eine solche leichte Tätigkeit vollschichtig verrichten kann. Der befragte Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde H.-P. hat unter dem 15. März 2015 keine wesentliche Gesundheitsstörung bei der Klägerin berichtet und mitgeteilt, dass aus seiner Sicht keine Störungen des beruflichen Leistungsvermögens vorliegen. Die psychotherapeutische Stellungnahme der Dr. B.-M. ist zwar wegen zunehmenden psychosozialen Belastungsfaktoren "eher" von einer Leistungsunfähigkeit ausgegangen. Der gerichtliche Sachverständige M. hat für den Senat aber schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin vollschichtig leistungsfähig ist. Die Angststörung ist hiernach leicht ausgeprägt mit nach Angaben einmal im Monat auftretenden Symptomen, weshalb ein wesentlich einschränkendes bzw. leistungsminderndes phobisches Vermeidungsverhalten in diesem Zusammenhang nicht besteht. Darüber hinaus hat der gerichtliche Sachverständige M. auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Klägerin eine generalisierte Schmerzsymptomatik vorliegt, die allein durch die orthopädischen Veränderungen nicht erklärt ist. In Übereinstimmung mit Dr. B. und Dr. Sch. hat der gerichtliche Sachverständige M. auch eine Dysthymia diagnostiziert. Ein Hinweis auf eine rezidivierende depressive Störung, eine endogene Depression ergibt sich allerdings weder aus der Aktenlage noch aus der von der Klägerin selbst erhebbaren Anamnese. Nachvollziehbar ist hiernach, dass bei Belastung eine Reaktion erfolge. Der gerichtliche Sachverständige M. hat aber überzeugend dargelegt, dass sich aus der Aktenlage insgesamt keine mittelgradige depressive Symptomatik ableiten lässt, auch nicht aus den Befunden, die Dr. B.-M. geschildert hat. Die von Dr. M. angenommenen kognitiven Defizite konnte der gerichtliche Sachverständige M. nicht bestätigen. Konzentrationsstörungen und Merkfähigkeitsstörungen sind zwar angegeben, in der Untersuchungssituation allerdings nicht bestätigt worden. Testpsychologisch hat der Gutachter M. eine eindeutig aggravierende Darstellung solcher Defizite feststellen können. Im TOMM hat die Klägerin im ersten Durchgang 21 Punkte, im zweiten Durchgang 20 Punkte erreicht, damit jeweils unter 50%. Bei weniger als 25 Punkten im zweiten Durchgang ist von einer gesicherten Simulation kognitiver Defizite auszugehen. Auch im modifizierten Rey-15-Item-Test hat die Klägerin nur fünf von 15 Punkten erreicht, wobei bei neun oder weniger Punkten von einer gesicherten Simulation kognitiver Defizite ausgegangen wird. In der Selbstbeurteilungsskala zur Diagnose der Depression nach W.W.K. Zung hat die Klägerin 70 von 80 maximalen Punkten erreicht, was in der Selbstbeurteilung einer schweren bis sehr schweren Depression entspricht. Eine durchgängige Depressivität wurde aber in der Untersuchungssituation nicht vorgefunden. Das affektive Schwingungsvermögen war nur leicht vermindert, aber erhalten, das Antriebsverhalten in der Untersuchungssituation regelrecht. Im Verlauf des fast dreistündigen Untersuchungsgesprächs ist kein Nachlassen von Konzentration oder Aufmerksamkeit feststellbar gewesen, es haben sich keine Gedächtnis- oder Merkfähigkeitsstörungen gezeigt, die Klägerin hat auf zurückliegende Details des Untersuchungsgesprächs zurückgreifen können. Die Klägerin hat nur themenbezogen bedrückt gewirkt, vor allem beim Bericht über die MS-Erkrankung des Sohnes und frühere Eheprobleme. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bericht des Neurologen Dr. H. vom 16. September 2016 ergibt sich nichts dem Entgegenstehendes. Es wird als Diagnose eine mittelgradige depressive Episode und eine Fibromyalgie mitgeteilt, ohne die dafür maßgeblichen, erhobenen Befunde schlüssig und nachvollziehbar darzulegen. Schließlich lässt sich dem Bericht weder eine Leistungsbeurteilung noch eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes entnehmen.

Der Senat gelangt in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen M. zu der Überzeugung, dass der Klägerin unter Einbeziehung der orthopädischen Gesundheitsstörungen nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zugemutet werden können. Der Klägerin können weder Schichtarbeit, noch Heben und Tragen von Lasten über zehn kg oder Tätigkeiten unter sehr hohem Zeitdruck oder Tätigkeiten mit sehr hoher Verantwortung oder Tätigkeiten mit sehr hohen emotionalen Belastungen bzw. mit sehr hohem Konfliktpotential zugemutet werden können. Möglich sind ihr weiterhin körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auch mit Publikumsverkehr, und zwar vollschichtig. Damit ist es der Klägerin möglich, z.B. eine Tätigkeit als Verkäuferin in Modehäusern zu verrichten.

Selbst wenn die Klägerin den erlernten Beruf nicht mehr ausüben könnte, so wäre sie nicht berufsunfähig. Als Versicherte mit einer vorgeschriebenen zweijährigen Ausbildung ist sie der oberen Gruppe der Angelernten zuzuordnen. Bei diesen müssen sich zumutbare Verweisungstätigkeiten durch Qualitätsmerkmale, etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (vgl. Kasseler Kommentar § 240 SGB VI Rdnr. 35 f., 101 m. w. N.). Eine solche sozial zumutbare Tätigkeit ist die Tätigkeit einer Poststellenmitarbeiterin nach Entgeltgruppe 3 des Teils I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" der Entgeltordnung zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), eingeführt mit Änderungstarifvertrag Nr. 4 vom 2. Januar 2012 zum TV-L, was qualitativ einer Anlerntätigkeit entspricht (Urteil des erkennenden Senates vom 25. September 2012, L 13 R 4924/09). Entsprechende Tätigkeiten existieren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichendem Umfang, was sich aus der Beweisaufnahme im Verfahren L 13 R 4924/09 ergibt. Die Klägerin kann die für die Ausübung der genannten Veräußerungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten auch innerhalb von drei Monaten erwerben. Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen u.Ä.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhalts von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher (vgl. Hessisches LSG vom 15. April 2011, L 5 R 331/09, Juris Rdnr. 38; LSG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 18. Juli 2006, L 10 R 953/05, www. sozialgerichtsbarkeit.de). Hierbei handelt es sich regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.B. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattung möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände; ausreichend sind durchschnittliche Lese- und Schreibkenntnisse (Hessisches LSG a.a.O.). Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über zehn kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Solche Transporttätigkeiten sind jedoch zumindest in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeiten in einer Poststelle, denn der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle wird dort regelmäßig von wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen (LSG Baden-Württemberg, 18. Juli 2006, a.a.O.).

Die Klägerin wird danach mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen dem gesundheitlichen Belastungsprofil der in Rede stehenden Verweisungstätigkeit gerecht. Der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige M. das Heben und Tragen von Lasten über zehn kg nicht mehr zumuten wollte, steht dabei einer Verweisung nicht im Wege. Zwar kommt damit für die Klägerin nicht mehr jeder Arbeitsplatz in einer Poststelle in Betracht. Für die Benennung einer Verweisungstätigkeit ist indes nicht erforderlich, dass der leistungsgeminderte Versicherte auf allen in Betracht kommenden Arbeitsplätzen einsetzbar wäre. Vielmehr genügt die grundsätzliche Eignung für eine solche Tätigkeit und die Gewissheit, dass geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (LSG Baden-Württemberg, 18. Juli 2006, a.a.O.). Dies ist zur Überzeugung des Senats aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Ermittlungen der Fall. Es bestehen auch keine Bedenken bezüglich einer objektiven Zumutbarkeit der genannten Verweisungstätigkeit. Die hierzu erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse kann die Klägerin jedenfalls innerhalb von drei Monaten erwerben, zumal zu berücksichtigen ist, dass eine verwaltungsnahe Ausbildung zurückgelegt worden ist und Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind. Hiernach ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin imstande ist, die Anforderungen an die Verweisungstätigkeit zu erfüllen.

Aus den oben festgestellten qualitativen Einschränkungen ergibt sich auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Mit den festgestellten nur geringen qualitativen Einschränkungen kann die Klägerin beispielsweise leichte Industrie- und Handelsprodukte zureichen, abnehmen, reinigen, verpacken und sortieren (vgl. BSG SozR-2600 § 32 Nr. 18), sodass es genügend Arbeitsfelder gibt, die für die Klägerin in Betracht kommen; darüber hinaus kann die Klägerin auch - wie bereits ausgeführt - in ihrem erlernten Beruf in bestimmten Bereichen sowie als Poststellenmitarbeiterin arbeiten, weshalb selbst eine unterstellte Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht zum Rentenanspruch führte.

Damit fehlt es am Nachweis einer rentenberechtigenden Leistungsminderung, weswegen ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8 erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved