Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 KR 7164/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3528/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.07.2015 und der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2014 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 13.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2014 aufzuheben und dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 18.11.2013 bis 02.02.2014 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Krankengeld (Krg) über den 17.11.2013 hinaus im Wege des Zugunstenverfahrens.
Der 1968 geborene Kläger war vom 01.05. bis 13.10.2013 als Arbeitnehmer bei der Beklagten krankenversichert. Vom 26. bis 30.08.2013 nahm er an einer stationären Patientenschulung im Universitätsklinikum T. aufgrund eines Diabetes mellitus teil. Am 02.09.2013 stellte Dr. B. in Vertretung Arbeitsunfähigkeit (AU) fest bis 06.09.2013 (Diagnose: R73.9 Hyperglykämie und E10.90 als entgleist bezeichnet Typ 1 Diabetes mellitus ohne Komplikationen). Weitere AU-Bescheinigungen wurden durch die behandelnde Internistin Dr. D. unter dem 11.09. und 02.10.2013 ausgestellt mit der Diagnose E88.9 (Stoffwechselstörung, nicht näher bezeichnet). Dr. D. stellte auch in der Folgezeit Auszahlscheine aus mit der Angabe unter Diagnose "bekannt" wie folgt:
AU festgestellt am mit voraussichtl Ende der AU 09.10.2013 Auszahlschein k.A. 28.10.2013 Auszahlschein k.A. 18.11.2013 Auszahlschein k.A. 27.11.2013 Auszahlschein k.A. 19.12.2013 Auszahlschein k.A. 03.01.2014 Auszahlschein k.A. 16.01.2014 Auszahlschein k.A. 03.02.2014 Auszahlschein letzter Tag der AU 02.02.2014 22.04.2014 Auszahlschein k.A. 13.05.2014 Auszahlschein k.A ...
Vom 10. bis 12.12.2013 nahm der Kläger in T. an einer weiteren stationären Patientenschulung teil.
Nach Ende der Lohnfortzahlung zahlte die Beklagte dem Kläger ab 14.10.2013 Krg iHv 57,15 EUR täglich (Bescheid vom 06.11.2013). Im Rahmen einer Direktberatung am 06.11.2013 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) aus, dass keine Störungen vorlägen, die AU bedingten. Mit Bescheid vom 13.11.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass längstens bis 17.11.2013 AU anerkannt werde.
Auf den Widerspruch des Klägers schaltete die Beklagte erneut den MDK im Rahmen einer Direktberatung am 20.11.2013 ein, der keine neuen Gesichtspunkte sah. Die Beklagte beauftragte ein medizinisches Gutachten beim MDK. Dr. F. führte unter dem 21.01.2014 nach Aktenlage aus, die Diabeteseinstellung gestalte sich sehr schwierig. Zwischen dem 18.11. und 12.12.2013 (stationäre Aufnahme) müsse Arbeitsfähigkeit in Bezug auf die Bürotätigkeit angenommen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Die AU habe am 17.11.2013 geendet, wie die Gutachter beim MDK erklärt hätten. Damit ende auch der Anspruch auf Krg mit Ablauf des 17.11.2013.
Die hiergegen am 30.04.2014 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 23 KR 2602/14) nahm der Kläger nach einem Hinweis der Beklagten auf Verfristung wieder zurück.
Vom 15. bis 20.04.2014 wurde der Kläger erneut stationär in der Universitätsklinik T. behandelt zur weiteren Abklärung des Hyperkortisolismus bei Verdacht auf Morbus Cushing. Im Mai 2014 wurde ein Makroadenom der Hypophyse mit Einbruch in die Keilbeinhöhlen festgestellt. Im August 2014 erfolgte die Resektion des invasiven Hypophysenmakroadenoms.
Unter dem 22.08.2014 beantragte der Kläger anwaltlich vertreten die Überprüfung des Bescheids vom 13.11.2013 im Wege eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2014 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 19.12.2014 Klage zum SG erhoben und Befundberichte der Universitätsklinik T. vom 17.04.2014, 23.04.2014 und 09.05.2014 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 44 SGB X lägen nicht vor. Der Kläger sei am 18.11.2013 in der Lage gewesen, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Weder den vorliegenden medizinischen Unterlagen noch den Gutachten des MDK lasse sich entnehmen, dass durch die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen leichte Bürotätigkeiten nicht mehr leistbar seien. Die AU-Bescheinigungen der behandelnden Ärzte ließen keinen Schluss auf Funktionsbeeinträchtigungen zu. Substantielle Einwendungen hiergegen habe der Kläger nicht vorgebracht. Das Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg habe damit gemäß § 192 SGB V am 17.11.2013 geendet, weshalb auch nachfolgend während der stationären Diabetesschulung kein Krg zu zahlen sei.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 24.07.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.08.2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das SG habe keine Ermittlungen durchgeführt, obwohl die Vernehmung insbesondere von Dr. D. und den Ärzten der Uniklinik T. naheliegend gewesen wäre. Es sei nach Lage der Akten offensichtlich, dass der den Kläger vertretungsweise behandelnde Arzt Dr. B. irrtümlich einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 ohne Komplikationen festgestellt habe. Tatsächlich habe ein völlig entgleister Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulinresistenz und teilweise nicht mehr messbaren Werten vorgelegen. Der HbA1c-Wert habe regelmäßig über 13 gelegen, Zuckerwerte wären – soweit messbar – bis 700 mg/dl gegangen, Nüchternwerte nie unter 300 mg/dl. Teilweise habe der Kläger über 10 Liter Flüssigkeit getrunken, ohne dass sein extremes Durstgefühl nachgelassen habe. Bedingt durch die geschilderten Werte sei es dem Kläger nicht mehr möglich gewesen, sich zu konzentrieren. Es sei dann festgestellt worden, dass der Grund für die Beeinträchtigungen ein Tumor gewesen sei, welcher zu einer erhöhten Produktion von Kortisol geführt habe. Dieser Tumor sei im August 2014 in einer elfstündigen Operation entfernt worden, danach seien die Diabeteswerte nahezu in den Normbereich zurückgegangen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 13.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2014 aufzuheben und ihm Krankengeld über den 17.11.2013 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt dabei, dass AU über den 17.11.2013 hinaus nicht zu begründen sei und verweist hierzu auf ein Gutachten des MDK vom 17.06.2016.
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung von Dr. D. und Prof. Dr. G. als sachverständige Zeugen. Dr. D. hat unter dem 15.03.2016 mitgeteilt, dass der Kläger seit November 2013 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei, stets todmüde, aggressiv mit enormen Blutzuckerschwankungen. Prof. Dr. G. (Universitätsklinik T.) hat unter dem 03.05.2016 ausgeführt, dass der Kläger am 10.12.2013 mit einem massiv entgleisten Typ-2-Diabetes mellitus (HbA1c-Wert 13,1%, Blutzuckerwerte mit Spitzenwerten bis zu 500 mg/dl) und ausgeprägter Insulinresistenz aufgenommen worden sei. Bei der ausgeprägten Stoffwechselentgleisung sei sicher keine Arbeitsfähigkeit gegeben gewesen, da der Kläger bei diesen hohen Blutzuckerwerten vermindertes Konzentrationsvermögen, Abgeschlagenheit, Sehstörungen durch Verschwommensehen, vermehrtes Durstgefühl und vermehrtes Wasserlassen gehabt habe. In der Folge sei der Verdacht des Hyperkortisolismus bestätigt worden und als Ursache hierfür ein Makroadenom der Hypophyse mit ACTH-Produktion gefunden und operiert worden. Auch im Zeitraum 18.11.2013 bis 10.12.2013 habe daher AU bestanden, ebenso zum Zeitpunkt der Entlassung. Die Diskrepanz zwischen der Meldung per Datenträgen an die Krankenkasse als arbeitsfähig und der ausdrücklichen ärztlichen Einschätzung als arbeitsunfähig resultiere aus der in einem Routinevorgang erfolgten Meldung ohne Absprache mit dem ärztlichen Dienst der Station. Ergänzend sind weitere Unterlagen über Behandlungen in der Universitätsklinik T. vom 09.07.2013, 26. bis 30.08.2013, 10. bis 12.12.2013, 15. bis 20.04.2014, 09.05.2014, 02.07.2014, 05. bis 20.08.2014, 31.08. bis 04.09.2014, 15.09.2014, 18.11.2014, 13. bis 16.04.2015 und 31.08. bis 04.09.2015 vorgelegt worden.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 05.04.2016 und einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 17.05.2016, dem der Kläger, nicht aber die Beklagte zugestimmt hat, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat teilweise Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und begründet, soweit die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Gewährung von Krg für den Zeitraum 18.11.2013 bis 02.02.2014 abgelehnt hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg nach dem 02.02.2014.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (vgl etwa Bundessozialgericht (BSG) 04.02.1998, B 9 V 16/96 R, SozR 3-1300 § 44 Nr 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts (BSG 28.01.1981, 9 RV 29/80, BSGE 51, 139 = SozR 3900 § 40 Nr 15).
Vorliegend ist bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 13.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2014 von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger auch über den 17.11.2013 hinaus arbeitsunfähig krank und hatte bis 02.02.2014 Anspruch auf Krg.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff SGB V. Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt (§ 46 Satz 1 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung - § 46 Satz 1 SGB V aF). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7).
Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krankengeld-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Die Versicherungsverhältnisse, die die Gewährung von Krankengeld nicht einschließen, sind in § 44 Abs 2 SGB V aufgeführt. Danach können ua die nach § 10 SGB V Versicherten kein Krg beanspruchen. Der Kläger war bei erstmaligem Entstehen des Krg-Anspruchs als Beschäftigter nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert. Zwar endet nach § 190 Abs 2 SGB V die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt endet. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bleibt diese Mitgliedschaft jedoch auch nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses über den Bezug von bzw Anspruch auf Krg erhalten.
Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der AU in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz inne haben, liegt AU vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber verweisen, die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung gerade die Möglichkeit offengehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Maßgebender Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist daher die Tätigkeit des Klägers als Bürokraft.
Unter Beachtung der dargestellten Grundsätze ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch nach dem 17.11.2013 zunächst bis auf weiteres nicht in der Lage war, auch nur einer leichten Bürotätigkeit nachzugehen und damit AU bestand. Der Senat stützt sich insoweit im Wesentlichen auf die Aussage von Prof. Dr. G. und die Angaben in den Entlassungsberichten der Universitätsklinik T. über die stationären Aufenthalte vom 10. bis 12.12.2013 und 15. bis 20.04.2014. Daraus ist zu entnehmen, dass beim Kläger nicht nur bei Aufnahme in die stationäre Behandlung sondern nach den anamnestischen Angaben über einen längeren Zeitraum ein völlig entgleister Typ-2-Diabetes mellitus vorlag mit so hohen Blutzuckerwerten (bis zu 500 mg/dl) bei hohem Blutdruck, dass es zu vermindertem Konzentrationsvermögen, Abgeschlagenheit, Sehstörungen durch Verschwommensehen, vermehrtem Durstgefühl, vermehrtem Wasserlassen und Schlafstörungen kam. Aufgrund des Hyperkortisolismus mit damals noch unbekannter Ursache bestand eine ausgeprägte Insulinresistenz, was die Blutzuckereinstellung massiv erschwerte. Bestätigt wird dies auch durch die Aussage der behandelnden Ärztin Dr. D ... Es ist für den Senat plausibel und nachvollziehbar, dass die aufgrund des entgleisten Diabetes mellitus bestehenden Einschränkungen mit einer Bürotätigkeit nicht zu vereinbaren sind. Auch zum Zeitpunkt der Entlassung am 12.12.2013 bestand AU, wie Prof. Dr. G. trotz gebesserter Blutzuckereinstellung ausdrücklich bestätigt hat (entgegen der maschinellen Meldung an die Krankenkasse). Die Beschwerden bestanden auch danach fort, wie sich nicht nur der Aussage von Dr. D., sondern auch der Anamnese im Entlassungsbericht über die Behandlung vom 15. bis 20.04.2014 entnehmen lässt.
Den Stellungnahmen und Gutachten des MDK vermag der Senat dagegen nicht zu folgen. Ursprünglich wurde die Annahme von Arbeitsfähigkeit darauf gestützt, dass bei dem Kläger nur ein entgleister, aber komplikationsloser Diabetes mellitus vorliege, wie Dr. B. in Vertretung fehlerhaft angegeben hatte. Auch die von Dr. D. in der AU-Bescheinigung mitgeteilte Diagnose nicht näher bezeichnete Stoffwechselstörung (E88.9) lässt den Schweregrad der Erkrankung nicht erkennen. Dr. Feder ging bei der Direktberatung am 06.11.2013 davon aus, dass der Blutzucker wohl bei 200 ml/dl liege – tatsächlich bewegten sich die Werte nach der Anamnese im Universitätsklinikum T. zwischen 300 und 500 ml/dl, gemessen wurde bei Aufnahme ein Laborwert von 505 ml/dl. Dr. F., der bereits Unterlagen der Universitätsklinik T. vorlagen, gibt in ihrem Gutachten vom 21.01.2014 überhaupt keine Begründung dafür, warum aufgrund des Aufnahmebefundes vom 10.12.2013 von Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden "muss". Die inzwischen vorliegenden medizinischen Unterlagen belegen einen komplizierten Verlauf mit erheblichen funktionellen Einschränkungen, bis schließlich die Ursache der Insulinresistenz geklärt und mit Operation des Hypophysenmakroadenoms beseitigt werden konnte – wobei nach der Operation noch eine Lungenembolie und Hyponatriämie komplizierend hinzutrat. Soweit Dr. F. mit Gutachten vom 17.06.2016 nach wie vor davon ausgeht, eine AU liege nach dem 17.11.2013 nicht vor, ist dies nicht nachvollziehbar. Nach ihren Ausführungen fänden sich nach diesem Zeitpunkt keine Fähigkeitsstörungen bzw Beeinträchtigungen mehr, die der Wiederaufnahme einer Bürotätigkeit entgegen stünden. Die von Prof. Dr. G. genannten Beeinträchtigungen wie Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit und Sehstörungen können nach Auffassung des Senats nicht als allgemeine Ausführungen ohne Bezug zum Kläger abgetan werden. Insbesondere Konzentrationsstörungen und Tagesmüdigkeit werden auch von Dr. D. bestätigt und sind anhand der mitgeteilten sehr hohen Blutzuckerwerte auch ohne weiteres nachvollziehbar. Letztlich kann offenbleiben, ob der Kläger durchgehend arbeitsunfähig war bis zur erneuten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung am 01.03.2015, denn es fehlt für die Zeit nach dem 02.02.2014 an der lückenlosen ärztlichen Feststellung der AU. Bis zum 02.02.2014 hat der Senat insbesondere nach der Aussage von Prof. Dr. G. und der behandelnden Ärztin Dr. D. jedenfalls keinen Zweifel am Vorliegen von AU.
Nur bis einschließlich 02.02.2014 ist die AU lückenlos ärztlich festgestellt mit AU-Bescheinigungen und Auszahlscheinen. Im Auszahlschein vom 03.02.2014 hat Dr. D. dann eindeutig als letzten Tag der AU den Vortag, den 02.02.2014 angegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht über den Anspruch auf Krg der Versicherungsschutz mit Anspruch auf Krg nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fort. Auch wenn Dr. D. nachfolgend wieder AU festgestellt hat (so Auszahlschein vom 22.04.2014 und folgende), war der Kläger ab 03.02.2014 als Empfänger von Grundsicherungsleistungen nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert (§ 5 Abs 2a, § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V), so dass auch bei erneutem Eintritt von AU insbesondere in Zusammenhang mit der Hypophysenoperation kein Krg mehr gewährt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Die Beklagte erstattet 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Krankengeld (Krg) über den 17.11.2013 hinaus im Wege des Zugunstenverfahrens.
Der 1968 geborene Kläger war vom 01.05. bis 13.10.2013 als Arbeitnehmer bei der Beklagten krankenversichert. Vom 26. bis 30.08.2013 nahm er an einer stationären Patientenschulung im Universitätsklinikum T. aufgrund eines Diabetes mellitus teil. Am 02.09.2013 stellte Dr. B. in Vertretung Arbeitsunfähigkeit (AU) fest bis 06.09.2013 (Diagnose: R73.9 Hyperglykämie und E10.90 als entgleist bezeichnet Typ 1 Diabetes mellitus ohne Komplikationen). Weitere AU-Bescheinigungen wurden durch die behandelnde Internistin Dr. D. unter dem 11.09. und 02.10.2013 ausgestellt mit der Diagnose E88.9 (Stoffwechselstörung, nicht näher bezeichnet). Dr. D. stellte auch in der Folgezeit Auszahlscheine aus mit der Angabe unter Diagnose "bekannt" wie folgt:
AU festgestellt am mit voraussichtl Ende der AU 09.10.2013 Auszahlschein k.A. 28.10.2013 Auszahlschein k.A. 18.11.2013 Auszahlschein k.A. 27.11.2013 Auszahlschein k.A. 19.12.2013 Auszahlschein k.A. 03.01.2014 Auszahlschein k.A. 16.01.2014 Auszahlschein k.A. 03.02.2014 Auszahlschein letzter Tag der AU 02.02.2014 22.04.2014 Auszahlschein k.A. 13.05.2014 Auszahlschein k.A ...
Vom 10. bis 12.12.2013 nahm der Kläger in T. an einer weiteren stationären Patientenschulung teil.
Nach Ende der Lohnfortzahlung zahlte die Beklagte dem Kläger ab 14.10.2013 Krg iHv 57,15 EUR täglich (Bescheid vom 06.11.2013). Im Rahmen einer Direktberatung am 06.11.2013 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) aus, dass keine Störungen vorlägen, die AU bedingten. Mit Bescheid vom 13.11.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass längstens bis 17.11.2013 AU anerkannt werde.
Auf den Widerspruch des Klägers schaltete die Beklagte erneut den MDK im Rahmen einer Direktberatung am 20.11.2013 ein, der keine neuen Gesichtspunkte sah. Die Beklagte beauftragte ein medizinisches Gutachten beim MDK. Dr. F. führte unter dem 21.01.2014 nach Aktenlage aus, die Diabeteseinstellung gestalte sich sehr schwierig. Zwischen dem 18.11. und 12.12.2013 (stationäre Aufnahme) müsse Arbeitsfähigkeit in Bezug auf die Bürotätigkeit angenommen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Die AU habe am 17.11.2013 geendet, wie die Gutachter beim MDK erklärt hätten. Damit ende auch der Anspruch auf Krg mit Ablauf des 17.11.2013.
Die hiergegen am 30.04.2014 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 23 KR 2602/14) nahm der Kläger nach einem Hinweis der Beklagten auf Verfristung wieder zurück.
Vom 15. bis 20.04.2014 wurde der Kläger erneut stationär in der Universitätsklinik T. behandelt zur weiteren Abklärung des Hyperkortisolismus bei Verdacht auf Morbus Cushing. Im Mai 2014 wurde ein Makroadenom der Hypophyse mit Einbruch in die Keilbeinhöhlen festgestellt. Im August 2014 erfolgte die Resektion des invasiven Hypophysenmakroadenoms.
Unter dem 22.08.2014 beantragte der Kläger anwaltlich vertreten die Überprüfung des Bescheids vom 13.11.2013 im Wege eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2014 ab.
Hiergegen hat der Kläger am 19.12.2014 Klage zum SG erhoben und Befundberichte der Universitätsklinik T. vom 17.04.2014, 23.04.2014 und 09.05.2014 vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 44 SGB X lägen nicht vor. Der Kläger sei am 18.11.2013 in der Lage gewesen, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Weder den vorliegenden medizinischen Unterlagen noch den Gutachten des MDK lasse sich entnehmen, dass durch die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen leichte Bürotätigkeiten nicht mehr leistbar seien. Die AU-Bescheinigungen der behandelnden Ärzte ließen keinen Schluss auf Funktionsbeeinträchtigungen zu. Substantielle Einwendungen hiergegen habe der Kläger nicht vorgebracht. Das Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg habe damit gemäß § 192 SGB V am 17.11.2013 geendet, weshalb auch nachfolgend während der stationären Diabetesschulung kein Krg zu zahlen sei.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 24.07.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.08.2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das SG habe keine Ermittlungen durchgeführt, obwohl die Vernehmung insbesondere von Dr. D. und den Ärzten der Uniklinik T. naheliegend gewesen wäre. Es sei nach Lage der Akten offensichtlich, dass der den Kläger vertretungsweise behandelnde Arzt Dr. B. irrtümlich einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 ohne Komplikationen festgestellt habe. Tatsächlich habe ein völlig entgleister Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulinresistenz und teilweise nicht mehr messbaren Werten vorgelegen. Der HbA1c-Wert habe regelmäßig über 13 gelegen, Zuckerwerte wären – soweit messbar – bis 700 mg/dl gegangen, Nüchternwerte nie unter 300 mg/dl. Teilweise habe der Kläger über 10 Liter Flüssigkeit getrunken, ohne dass sein extremes Durstgefühl nachgelassen habe. Bedingt durch die geschilderten Werte sei es dem Kläger nicht mehr möglich gewesen, sich zu konzentrieren. Es sei dann festgestellt worden, dass der Grund für die Beeinträchtigungen ein Tumor gewesen sei, welcher zu einer erhöhten Produktion von Kortisol geführt habe. Dieser Tumor sei im August 2014 in einer elfstündigen Operation entfernt worden, danach seien die Diabeteswerte nahezu in den Normbereich zurückgegangen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 13.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2014 aufzuheben und ihm Krankengeld über den 17.11.2013 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt dabei, dass AU über den 17.11.2013 hinaus nicht zu begründen sei und verweist hierzu auf ein Gutachten des MDK vom 17.06.2016.
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung von Dr. D. und Prof. Dr. G. als sachverständige Zeugen. Dr. D. hat unter dem 15.03.2016 mitgeteilt, dass der Kläger seit November 2013 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei, stets todmüde, aggressiv mit enormen Blutzuckerschwankungen. Prof. Dr. G. (Universitätsklinik T.) hat unter dem 03.05.2016 ausgeführt, dass der Kläger am 10.12.2013 mit einem massiv entgleisten Typ-2-Diabetes mellitus (HbA1c-Wert 13,1%, Blutzuckerwerte mit Spitzenwerten bis zu 500 mg/dl) und ausgeprägter Insulinresistenz aufgenommen worden sei. Bei der ausgeprägten Stoffwechselentgleisung sei sicher keine Arbeitsfähigkeit gegeben gewesen, da der Kläger bei diesen hohen Blutzuckerwerten vermindertes Konzentrationsvermögen, Abgeschlagenheit, Sehstörungen durch Verschwommensehen, vermehrtes Durstgefühl und vermehrtes Wasserlassen gehabt habe. In der Folge sei der Verdacht des Hyperkortisolismus bestätigt worden und als Ursache hierfür ein Makroadenom der Hypophyse mit ACTH-Produktion gefunden und operiert worden. Auch im Zeitraum 18.11.2013 bis 10.12.2013 habe daher AU bestanden, ebenso zum Zeitpunkt der Entlassung. Die Diskrepanz zwischen der Meldung per Datenträgen an die Krankenkasse als arbeitsfähig und der ausdrücklichen ärztlichen Einschätzung als arbeitsunfähig resultiere aus der in einem Routinevorgang erfolgten Meldung ohne Absprache mit dem ärztlichen Dienst der Station. Ergänzend sind weitere Unterlagen über Behandlungen in der Universitätsklinik T. vom 09.07.2013, 26. bis 30.08.2013, 10. bis 12.12.2013, 15. bis 20.04.2014, 09.05.2014, 02.07.2014, 05. bis 20.08.2014, 31.08. bis 04.09.2014, 15.09.2014, 18.11.2014, 13. bis 16.04.2015 und 31.08. bis 04.09.2015 vorgelegt worden.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 05.04.2016 und einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 17.05.2016, dem der Kläger, nicht aber die Beklagte zugestimmt hat, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat teilweise Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und begründet, soweit die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Gewährung von Krg für den Zeitraum 18.11.2013 bis 02.02.2014 abgelehnt hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg nach dem 02.02.2014.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (vgl etwa Bundessozialgericht (BSG) 04.02.1998, B 9 V 16/96 R, SozR 3-1300 § 44 Nr 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts (BSG 28.01.1981, 9 RV 29/80, BSGE 51, 139 = SozR 3900 § 40 Nr 15).
Vorliegend ist bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 13.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2014 von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger auch über den 17.11.2013 hinaus arbeitsunfähig krank und hatte bis 02.02.2014 Anspruch auf Krg.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff SGB V. Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt (§ 46 Satz 1 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung - § 46 Satz 1 SGB V aF). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7).
Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krankengeld-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Die Versicherungsverhältnisse, die die Gewährung von Krankengeld nicht einschließen, sind in § 44 Abs 2 SGB V aufgeführt. Danach können ua die nach § 10 SGB V Versicherten kein Krg beanspruchen. Der Kläger war bei erstmaligem Entstehen des Krg-Anspruchs als Beschäftigter nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert. Zwar endet nach § 190 Abs 2 SGB V die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt endet. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bleibt diese Mitgliedschaft jedoch auch nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses über den Bezug von bzw Anspruch auf Krg erhalten.
Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der AU in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz inne haben, liegt AU vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber verweisen, die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung gerade die Möglichkeit offengehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Maßgebender Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist daher die Tätigkeit des Klägers als Bürokraft.
Unter Beachtung der dargestellten Grundsätze ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch nach dem 17.11.2013 zunächst bis auf weiteres nicht in der Lage war, auch nur einer leichten Bürotätigkeit nachzugehen und damit AU bestand. Der Senat stützt sich insoweit im Wesentlichen auf die Aussage von Prof. Dr. G. und die Angaben in den Entlassungsberichten der Universitätsklinik T. über die stationären Aufenthalte vom 10. bis 12.12.2013 und 15. bis 20.04.2014. Daraus ist zu entnehmen, dass beim Kläger nicht nur bei Aufnahme in die stationäre Behandlung sondern nach den anamnestischen Angaben über einen längeren Zeitraum ein völlig entgleister Typ-2-Diabetes mellitus vorlag mit so hohen Blutzuckerwerten (bis zu 500 mg/dl) bei hohem Blutdruck, dass es zu vermindertem Konzentrationsvermögen, Abgeschlagenheit, Sehstörungen durch Verschwommensehen, vermehrtem Durstgefühl, vermehrtem Wasserlassen und Schlafstörungen kam. Aufgrund des Hyperkortisolismus mit damals noch unbekannter Ursache bestand eine ausgeprägte Insulinresistenz, was die Blutzuckereinstellung massiv erschwerte. Bestätigt wird dies auch durch die Aussage der behandelnden Ärztin Dr. D ... Es ist für den Senat plausibel und nachvollziehbar, dass die aufgrund des entgleisten Diabetes mellitus bestehenden Einschränkungen mit einer Bürotätigkeit nicht zu vereinbaren sind. Auch zum Zeitpunkt der Entlassung am 12.12.2013 bestand AU, wie Prof. Dr. G. trotz gebesserter Blutzuckereinstellung ausdrücklich bestätigt hat (entgegen der maschinellen Meldung an die Krankenkasse). Die Beschwerden bestanden auch danach fort, wie sich nicht nur der Aussage von Dr. D., sondern auch der Anamnese im Entlassungsbericht über die Behandlung vom 15. bis 20.04.2014 entnehmen lässt.
Den Stellungnahmen und Gutachten des MDK vermag der Senat dagegen nicht zu folgen. Ursprünglich wurde die Annahme von Arbeitsfähigkeit darauf gestützt, dass bei dem Kläger nur ein entgleister, aber komplikationsloser Diabetes mellitus vorliege, wie Dr. B. in Vertretung fehlerhaft angegeben hatte. Auch die von Dr. D. in der AU-Bescheinigung mitgeteilte Diagnose nicht näher bezeichnete Stoffwechselstörung (E88.9) lässt den Schweregrad der Erkrankung nicht erkennen. Dr. Feder ging bei der Direktberatung am 06.11.2013 davon aus, dass der Blutzucker wohl bei 200 ml/dl liege – tatsächlich bewegten sich die Werte nach der Anamnese im Universitätsklinikum T. zwischen 300 und 500 ml/dl, gemessen wurde bei Aufnahme ein Laborwert von 505 ml/dl. Dr. F., der bereits Unterlagen der Universitätsklinik T. vorlagen, gibt in ihrem Gutachten vom 21.01.2014 überhaupt keine Begründung dafür, warum aufgrund des Aufnahmebefundes vom 10.12.2013 von Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden "muss". Die inzwischen vorliegenden medizinischen Unterlagen belegen einen komplizierten Verlauf mit erheblichen funktionellen Einschränkungen, bis schließlich die Ursache der Insulinresistenz geklärt und mit Operation des Hypophysenmakroadenoms beseitigt werden konnte – wobei nach der Operation noch eine Lungenembolie und Hyponatriämie komplizierend hinzutrat. Soweit Dr. F. mit Gutachten vom 17.06.2016 nach wie vor davon ausgeht, eine AU liege nach dem 17.11.2013 nicht vor, ist dies nicht nachvollziehbar. Nach ihren Ausführungen fänden sich nach diesem Zeitpunkt keine Fähigkeitsstörungen bzw Beeinträchtigungen mehr, die der Wiederaufnahme einer Bürotätigkeit entgegen stünden. Die von Prof. Dr. G. genannten Beeinträchtigungen wie Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit und Sehstörungen können nach Auffassung des Senats nicht als allgemeine Ausführungen ohne Bezug zum Kläger abgetan werden. Insbesondere Konzentrationsstörungen und Tagesmüdigkeit werden auch von Dr. D. bestätigt und sind anhand der mitgeteilten sehr hohen Blutzuckerwerte auch ohne weiteres nachvollziehbar. Letztlich kann offenbleiben, ob der Kläger durchgehend arbeitsunfähig war bis zur erneuten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung am 01.03.2015, denn es fehlt für die Zeit nach dem 02.02.2014 an der lückenlosen ärztlichen Feststellung der AU. Bis zum 02.02.2014 hat der Senat insbesondere nach der Aussage von Prof. Dr. G. und der behandelnden Ärztin Dr. D. jedenfalls keinen Zweifel am Vorliegen von AU.
Nur bis einschließlich 02.02.2014 ist die AU lückenlos ärztlich festgestellt mit AU-Bescheinigungen und Auszahlscheinen. Im Auszahlschein vom 03.02.2014 hat Dr. D. dann eindeutig als letzten Tag der AU den Vortag, den 02.02.2014 angegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht über den Anspruch auf Krg der Versicherungsschutz mit Anspruch auf Krg nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fort. Auch wenn Dr. D. nachfolgend wieder AU festgestellt hat (so Auszahlschein vom 22.04.2014 und folgende), war der Kläger ab 03.02.2014 als Empfänger von Grundsicherungsleistungen nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert (§ 5 Abs 2a, § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V), so dass auch bei erneutem Eintritt von AU insbesondere in Zusammenhang mit der Hypophysenoperation kein Krg mehr gewährt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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