L 11 R 4552/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 5503/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4552/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.09.2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens die Feststellung, dass ihr Gesellschafter-Geschäftsführer R., der Beigeladene zu 1), seine Tätigkeit seit dem 01.10.2012 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübt.

Die am 05.09.2012 gegründete Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand Tätigkeiten in Montageleistungen und Installationen sind.

Von den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern, dem Beigeladenen zu 1) und Herrn P. G. hat der der Beigeladene zu 1) 49 % des Stammkapitals in die Gesellschaft eingebracht und Herr G. 51 %. § 7 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags (Bl 20 Verwaltungsakte) sieht für Gesellschafterbeschlüsse eine einfache Stimmenmehrheit vor, wobei sich die Stimmenzahl gemäß § 7 Abs 2 nach dem Anteil am Stammkapital richtet. § 10 Abs 6 des Geschäftsführervertrags vom 01.10.2012 (Bl 7 Verwaltungsakte) und § 4 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags sehen vor, dass der Beigeladene zu 1) jederzeit als Geschäftsführer abberufen werden kann, wobei gemäß § 4 Abs 2 des Gesellschaftsvertrags ein wichtiger Grund vorliegen muss, über dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen die Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 51 % der abgegebenen Stimmen ohne Beteiligung des betroffenen Geschäftsführers entscheidet. § 4 Abs 4 Buchst a) bis n) des Gesellschaftsvertrags und § 3 des Geschäftsführervertrags regeln, dass die Geschäftsführer für zahlR. Vorgänge vorab die Einwilligung der Gesellschafterversammlung einholen müssen. § 1 des Geschäftsführervertrags ermächtigt den Beigeladenen zu 1), die Klägerin allein zu vertreten und befreit ihn vom Selbstkontrahierungsverbot. § 6 des Geschäftsführervertrags sieht ein Festgehalt von monatlich 2.570,16 EUR nebst einer Gewinnbeteiligung in Höhe von 20 % des Jahresüberschusses vor. § 7 Abs 4 sieht eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von 6 Monaten und § 9 Abs 1 einen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen jährlich vor.

Am 07.02.2013 beantragte die Klägerin eine Statusklärung der Tätigkeit ihrer beiden Geschäfts-führer.

Die Beklagte stellte einerseits mit bestandskräftigem Bescheid vom 06.03.2013 fest, dass Herr G. für diese Tätigkeit ab 05.09.2012 keiner Sozialversicherungspflicht unterliegt, weil seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird.

Mit Anhörungsschreiben vom 28.03.2013 teilte die Beklagte andererseits der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) mit, dass beabsichtigt sei, in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Der Beigeladene zu 1) erhalte ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt und könne kraft seines Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben.

Die Klägerin nahm hierzu Stellung und führte aus, dass der Unterschied von lediglich 2 % an den Anteilen der Gesellschaft lediglich der besseren Steuerbarkeit der Gesellschaft geschuldet sei. Der Beigeladene zu 1) habe weder Vorgaben für die Arbeitszeit, noch den Arbeitsort noch seiner Urlaubsregelung sowie der Auftragsaquisition. Er habe in das Unternehmen seine ureigenen Bereiche. aus seiner vorherigen Tätigkeit als selbständiger Handwerker eingebracht, die er weiterhin verantwortlich leite, insbesondere den Trennwand- und Fensterbau.

Mit Bescheiden vom 20.06.2013 (Bl 92/96 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen zu 1) und gegenüber der Klägerin fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer der Klägerin ab dem 01.10.2012 als abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliege. Zur Begründung führte sie aus, dass die im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Gründe bei der Entscheidung berücksichtigt worden seien. Sie führten jedoch nicht zu einer Beurteilung der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit, weil die Rechtsmacht bei einer Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit immer beim Mehrheitsgesellschafter G. liege. Mit seinem Gesellschaftsanteil von 49 % habe der Beigeladene zu 1) daher keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft.

Mit dem am 16.07.2013 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Beigeladene zu 1) unternehmerisch tätig sei. Er habe ausweislich der Regelungen des Gesellschaftsvertrags maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft. Die beiden Unternehmer hätten sich zum Betrieb eines gemeinsamen Unternehmens zusammengeschlossen. Die Anteilsverteilung von 51 % zu 49 % solle lediglich Pattsituationen vermeiden, um Entscheidungen nicht in existenzgefährdender Weise hinauszuzögern, sondern im Zweifel eine Entscheidung zu ermöglichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass jedenfalls dann, wenn Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gemäß § 47 Abs 1 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) gefasst würden und wenn sich das Stimmrecht des einzelnen Gesellschafters gemäß § 47 Abs 2 GmbHG nach der Höhe seiner Geschäftsanteile richte, nur derjenige Gesellschafter einen maßgebenden Einfluss habe, der mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile der GmbH besitze. Die objektive Rechtsmacht eines Gesellschaftergeschäftsführers sei für die Beurteilung seiner Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder als selbstständig von ganz zentraler Bedeutung, wie zuletzt das Bundessozialgericht (BSG) in seinen Urteilen vom 29.08.2012 (B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R) ausdrücklich betont habe. Zwar würden eine Alleinvertretungsbefugnis und eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot indiziell gegen ein abhängiges Beschäftigungs-verhältnis sprechen; dies habe aber entsprechend dem Urteil des BSG vom 06.03.2003 (B 11 AL 25/02 R) nicht zwingend eine selbstständige Tätigkeit zur Folge. Das für eine abhängige Beschäftigung erforderliche Maß an Weisungsgebundenheit verfeinere sich bei Diensten höherer Art, auch als Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess der GmbH, ohne dass im laufenden Geschäftsbetrieb Weisungen zur Art und Weise der Arbeit erteilt werden müssten. Die fachliche Kenntnis des Beigeladenen zu 1) in der Branche spreche nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Er trage auch kein nennenswertes wirtschaftliches Risiko, da er ein Festgehalt von monatlich 2.570 EUR ohne Verlustrisiko selbst bei schlechter Geschäftslage beziehe. Eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände führe daher zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.12.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Die beiden Gesellschafter hätten bis 30.09.2012 zwei selbständige Unternehmen geführt, die sie dann "zusammengeführt" hätten und nunmehr gemeinsam als GmbH betreiben würden. Beide Geschäftsführer seien absolut gleichberechtigt und allein verantwortlich für die Geschäftsleitung. Die Beklagte habe zu Unrecht eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) allein mit der möglichen Stimmenmehrheit des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers, Herrn G., begründet. Dieses Instrument sei nur deshalb für wichtige Entscheidungen im organisatorischen Geschäftsbereich der Klägerin gewählt worden, um im Fall der Nichteinigkeit zwischen den Geschäftsführern den Geschäftsbetrieb nicht zu lähmen. Es dürfe jedoch nicht vorrangig auf die Befugnisse der Gesellschafter abgestellt werden. Es sei darauf abzustellen, wie unabhängig der Beigeladene zu 1) arbeiten könne. Der Beigeladene zu 1) trage ein unternehmerisches Risiko in gleicher Weise wie der andere Gesellschafter-Geschäftsführer. Hierauf habe das Stimmrecht keinerlei Einfluss.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 11.03.2014 hat das SG den Beigeladenen zu 1) sowie die IKK classic nebst Pflegekasse und die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.

Das SG hat am 29.09.2015 ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden, obwohl ein schriftliches Einverständnis des Beigeladenen zu 1) zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht vorgelegen hat. Das SG hat die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Das SG hat gem § 136 Abs 3 SGG auf den Widerspruchsbescheid vom 13.11.2013 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass die vom Beigeladenen zu 1) eingenommene Rechtsposition als Minderheitsgesellschafter mit keiner ausreichenden Rechtsmacht, insbesondere keiner Sperrminorität, ausgestattet sei, die es ihm erlauben würde, die Geschicke des Unternehmens in wesentlicher Hinsicht, auch gegen Widerstände seines Mitgesellschafters, zu lenken.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02.10.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 30.10.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen erneut vertieft und auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12.11.2014 (L 4 R 556/13) Bezug genommen. Auch bei einem Gesellschaftsanteil von weniger als 50 % sei eine selbständige Beschäftigung möglich, wenn der Geschäftsführer Gesellschafter nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH bzw der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei sei. Diese Voraussetzungen würden vorliegen. Jeder Gesellschafter-Geschäftsführer bestimme die Arbeitsorganisation für seinen Bereich selbst. Der Beigeladene zu 1) leite den Geschäftsbereich des Trennwandbaus vollkommen eigenverantwortlich, der andere Geschäftsführer den elektronischen Bereich. Indem der Beigeladene zu 1) in seinem Geschäftsbereich, dem entscheidenden operativen Geschäft der GmbH, die Geschicke der Klägerin wesentlich bestimme, habe er einen erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft. Durch sein eingebrachtes Eigenkapital in beträchtlicher Höhe trage er ein relevantes Unternehmerrisiko. Neben dem festen Jahresgehalt sei auch die Zahlung einer Tantieme vereinbart. Die Sachverhalte in den neueren BSG-Entscheidungen seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Bei einem Haftungsanteil von 49 % könne man nicht von einer "Schönwetter-Selbständigkeit" ausgehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.09.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin nicht im Rahmen einer abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt wird.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründung des Widerspruchsbescheids und ihr bisheriges Vorbringen Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig, aber in der Sache unbegründet.

Das Urteil des SG leidet allerdings an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das SG hat die Streitsache am 29.09.2015 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG entschieden, ohne dass hierfür die Voraussetzungen gegeben waren, denn der Beigeladene zu 1) hatte hierfür seine Einwilligung nicht erteilt.

Gemäß § 124 Abs 2 SGG darf ein Urteil ohne mündliche Verhandlung nur dann ergehen, wenn die Beteiligten ausdrücklich zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Sinne des § 124 Abs 2 SGG vom Gericht angehört wurden und hierzu von ihnen auch ausdrücklich ein Einverständnis mit dieser Entscheidung erklärt wurde (vgl BSG 22.09.1977, 10 RV 79/76, BSGE 44, 292, SozR 1500 § 124 Nr 2). Alle Beteiligten (§ 69 SGG) müssen zustimmen, auch ein Beigeladener (BSG 27.06.1978, 4 RJ 87/77, SozR 1500 § 62 Nr 6). Das Einverständnis muss sich unmissverständlich auf eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG erstrecken. Ein stillschweigendes Einvernehmen gibt es nicht. Auch eine nachträgliche Genehmigung des ohne mündliche Verhandlung erlassenen Urteils durch die Prozessbeteiligten ist nicht zulässig (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 124 Rn 3c mwN).

Von einer Zurückverweisung an das SG hat der Senat im Rahmen des ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessens abgesehen, da keine weiteren Sachverhaltsermittlungen erforderlich gewesen sind. Ergeht ein Urteil ohne mündliche Verhandlung ohne das Vorliegen des notwendigen schriftlichen Einverständnisses der Beteiligten, liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler in Form der Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor, der unter den Voraussetzungen des § 159 SGG zur Aufhebung der Entscheidung und zu einer Zurückverweisung an das erlassende Gericht führt, ua dann, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 159 Abs 1 Nr 2 SGG). Letzteres ist nicht der Fall, weshalb der Senat von einer Zurückverweisung an das SG abgesehen hat.

In der Sache zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab dem 01.10.2012 und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.

Formell ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Er ist nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; BSG 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.

Auch materiell-rechtlich ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig, da der Beigeladene zu 1) nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls bei der Klägerin abhängig beschäftigt ist, mit der Folge, dass Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, S 6).

Ein entsprechender Antrag auf Statusfeststellung ist seitens der Klägerin am 07.02.2013 bei der Beklagten eingegangen. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.

Nach den angeführten Grundsätzen der BSG-Rechtsprechung ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, mwN). Eine derartige Rechtsmacht hat ein GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn er aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer und Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, juris). Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSG 20.03.1984, 7 RAr 70/82, juris), und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG 18.04.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5).

Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).

In seiner neueren Rechtsprechung hat das BSG, dem der Senat folgt, die Bedeutung der Rechtsmacht im Unternehmen für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung hervorgehoben (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R, jeweils juris); es spreche einiges dafür, der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse maßgebende Bedeutung beizumessen, da entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer abhängigen Beschäftigung die Möglichkeit sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (BSG, aaO). Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis Gebrauch gemacht werden kann (vgl Senatsurteil vom 17.04.2007, L 11 R 5748/06). Eine (bloße) "Schönwetter-Selbstständigkeit" (so BSG, aaO) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 01.10.2012 bei der Klägerin abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung vorliegt.

Ausgangspunkt ist der Geschäftsführervertrag vom 01.10.2012, der zwar den Beigeladenen zu 1) ermächtigt, die Klägerin allein zu vertreten und ihn vom Selbstkontrahierungsverbot befreit, zugleich aber auch regelt, dass Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen sind. Der Vertrag enthält sodann eine Reihe von Regelungen, wie sie für abhängige Beschäftigungsverhältnisse typisch sind: das monatliche Festgehalt in Höhe von 2.570,16 EUR; die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den einen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen jährlich.

Der Beigeladene zu 1) verfügt überdies nur über eine Beteiligung an der Klägerin von 49%. Über eine Sperrminorität verfügt er nicht. Eine Abweichung zu § 47 Abs 1 und 2 GmbHG, wonach durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen entschieden wird und jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt, liegt nicht vor. Es war nach dem Vortrag der Klägerin eine bewusste Entscheidung, die GmbH mit einer Anteilsverteilung von 51/49 zu führen, um gerade in Krisen oder schwierigen Situationen die Entscheidungsfähigkeit zu gewährleisten und Pattsituationen zu vermeiden. Dies bedeutet aber, dass der Beigeladene zu 1) gerade in solchen Situationen vom anderen Geschäftsführer überstimmt werden und ihm nicht genehme Weisungen und Entscheidungen nicht vermeiden kann. Die Bindung an das willensbildende Organ, Gesellschafterversammlung und die dortigen Mehrheitsverhältnisse stehen also in der Krise gegen ihn, was nach Auffassung des Senats ein maßgeblicher Gesichtspunkt ist (ebenso LSG Baden-Württemberg 07.05.2014, L 4 KR 1024/13; Sächsisches LSG 04.03.2014, L 1 KR 9/11).

Zutreffend hat das SG herausgearbeitet, dass damit die vom Beigeladenen zu 1) eingenommene Rechtsposition als Minderheitsgesellschafter mit keiner ausreichenden Rechtsmacht ausgestattet ist, die es ihm erlauben würde, die Geschicke des Unternehmens in wesentlicher Hinsicht – auch gegen Widerstände des Mehrheitsgesellschafters – zu lenken. Darauf kommt es für eine selbstständige Tätigkeit in Abgrenzung zu einer abhängigen Beschäftigung eines Gesellschafters jedoch an. Gleiches gilt für die Bestellung des Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer, dessen Handlungsfreiheit durch die in § 3 des Geschäftsführervertrages und § 4 Abs 4 des Gesellschaftsvertrages geregelte Vielzahl von Geschäftsvorgängen eingeschränkt ist, die der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen, in der Beigeladene zu 1) keine Mehrheit und keine Sperrminorität hat.

Insgesamt überwiegen damit diejenigen Umstände, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen deutlich gegenüber denjenigen, die auf eine selbständige Tätigkeit schließen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da Klägerin nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, finden nach Maßgabe des § 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. In Bezug auf die Beigeladenen, die keine Anträge gestellt haben, sind außergerichtliche Kosten nach § 197a SGG iVm § 162 Abs 3 VwGO nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt. Nachdem vorliegend keine konkrete Summe im Streit steht und sich eine solche auch nicht ermitteln lässt, bestimmt sich die endgültige Festsetzung des Streitwerts nach dem Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 EUR (st Rspr des Senats; vgl Urteil vom 19.04.2016, L 11 R 2428/15 mwN).
Rechtskraft
Aus
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