L 6 SB 763/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 3658/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 763/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 und damit der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.

Die Klägerin ist im Mai 1954 geboren. Sie ist italienische Staatsangehörige und dauerhaft im Bundesgebiet ansässig. Sie ist auf Sizilien aufgewachsen und hat dort vier Jahre lang die Schule besucht. Eine Ausbildung hat sie nicht absolviert. Mit 24 Jahren heiratete sie und wanderte mit ihrem Ehemann nach Deutschland ein. Sie war sodann Hausfrau und zeitweise geringfügig als Reinigungskraft beschäftigt. Die Klägerin hat vier nunmehr erwachsene Kinder großgezogen. Ihr Ehemann war berufstätig und wurde etwa 2012 "frühberentet". Nach den Angaben der Klägerin begannen zwei ihrer Schwiegerkinder Mitte der 2000er Jahre ein Verhältnis miteinander, wor-aufhin die Ehen zweier ihrer Kinder zerbrachen und geschieden wurden. Heute führt die Klägerin weiterhin den Haushalt, wobei sie ihr Ehemann und die Kinder unterstützen. Sie liest gerne Zeitungen, führt Physiotherapie durch und fliegt zwei Wochen im Jahr nach Italien in den Urlaub. Zu einer Schwester in Deutschland, den Brüdern auf Sizilien, den Kindern und den Enkelkindern besteht guter Kontakt (Eigenanamnese Gutachten Dr. H. vom 3. März 2014).

Am 31. Januar 2012 beantragte die Klägerin erstmals die Zuerkennung eines GdB. Sie gab an, sie leide an Arthrose in den Kniegelenken, einer Lumbalgie bzw. Lumboischialgie, einem Cervikalsyndrom und an arterieller Hypertonie. Der Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Nach ihrer Auswertung schlug der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten vor, bei der Klägerin eine Funktionsbehinderung und Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB 20), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen und ein Schulter-Arm-Syndrom (20), ein hyperreagibles Bronchialsystem (10) und einen Bluthochdruck (10) zu berücksichtigen und einen Gesamt-GdB von 30 festzustellen. Diesen Vorschlag setzte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2012 um. Den danach erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2012 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 12. November 2012 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Sie hat behauptet, sie leide auch an einer Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis sowie unter erheblichen Schmerzen an der Lenden- und der Halswirbelsäule.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Pneumologin K. hat mitgeteilt, die Klägerin sei bei ihr nur einmal vorstellig gewesen, die dabei durchgeführte Lungenfunktionsprüfung habe – allerdings nach dreiwöchiger inhalativer Therapie – keine relevante obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung gezeigt. Der Provokationstest habe keine bronchiale Hyperreagibilität nachgewiesen. Eine Röntgenaufnahme des Thorax habe keinen Befund gezeigt, vor allem keine Herzinsuffizienzen. Die Sauerstoffsättigung habe bei 97 % gelegen. Eine Diagnose lasse sich nach einmaliger Vorstellung nicht stellen. Die Orthopädin Dr. Sch.-W. hat bekundet, die Klägerin habe sich von 2010 bis 2013 sechsmal vorgestellt, es hätten sich Verspannungen der Lendenwirbelsäule und Klopf- und Reklinationsschmerzen gezeigt. Die Kniegelenke seien mit endgradigem Bewegungs- und Druckschmerz frei beweglich gewesen. Die Klägerin sei mit Krankengymnastik und Diclofenac bei Bedarf behandelt worden. Der von der Klägerin benannte Psychiater und Psychotherapeut Dr. R. hat unter dem 5. Juli 2013 zunächst mitgeteilt, er kenne die Klägerin nicht. Darauf wurde sie unter dem 9. Juli 2013 hingewiesen. Am 11. Juli 2013 hat Dr. R. sodann bekundet, die Klägerin habe sich - unter einem anderen Vornamen - einmalig im Juli 2008 und erneut am 25. April 2012 bei ihm vorgestellt. Nunmehr sei sie auch am 11. Juli 2013 vorstellig geworden. Es beständen eine rezidivierende depressive Episode, zurzeit mittelgradig ausgeprägt, eine Anpassungs- und eine Somatisierungsstörung, ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, ein Schulter-Arm-Syndrom und eine Kniearthrose bds. Auslöser bzw. eine Ursache der psychischen Beschwerden seien die Ehescheidungen ihrer beiden Kinder gewesen, unter denen sie langfristig und erheblich leide. 2012 sei eine Behandlung mit Trimipramin eingeleitet worden. Der GdB auf psychiatrischem Fachgebiet sei auf 60 zu schätzen.

Der Beklagte schlug nach einer versorgungsärztlichen Auswertung der Zeugenaussagen vor, zusätzlich eine Depression mit einem Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen und den Gesamt-GdB auf 40 zu erhöhen. Ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.

Sodann hat das SG von Amts wegen den Facharzt für Neurologie und Psychiater Dr. H. mit einer Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat das Gutachten vom 3. März 2014 vorgelegt, wobei nach seinen Angaben die Anamnese, vorbereitende Untersuchung und der Gutachtens¬entwurf von Dr. M. gefertigt worden seien, jedoch die endgültige Fassung nach Untersuchung der Klägerin durch ihn selbst erstellt worden sei. Der Sachverständige hat mitgeteilt, die seelischen Beeinträchtigungen der Klägerin hätten mit dem Verhältnis der Schwiegerkinder vor etwa neun Jahren begonnen. Sie könne die damaligen Geschehnisse nicht vergessen, immer noch kämen ihr bei diesem Thema Tränen. Drei Jahre später habe die Schmerzerkrankung begonnen. Sie habe dann auch ihre gelegentlichen geringfügigen Tätigkeiten als Reinigungskraft beenden müssen. Den begehrten GdB von 50 strebe sie an, damit ihr eine Haushaltshilfe bezahlt werde. Diagnostisch bestehe eine mittelgradige depressive Episode, die mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Zusätzlich bedingten die Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sowie das Schulter-Arm-Syndrom zwei weitere Teil-GdB-Werte von je 20. Im Übrigen lägen nur geringfügige Funktionseinbußen vor. Der Gesamt-GdB sei daher auf 50 zu schätzen.

Der Beklagte ist diesem Vorschlag entgegengetreten und hat ausgeführt, der Alltag der Klägerin sei strukturiert, ein sozialer Rückzug sei bei fortbestehenden Kontakten und Besuchen bei der Schwester in Deutschland und den Brüdern auf Sizilien nicht erkennbar. Vor allem finde keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung statt.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2015 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, ohne dass Kosten zu erstatten seien. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen und der einzelnen Teil-GdB-Werte ist das SG den Feststellungen und Schlussfolgerungen Dr. H.s gefolgt. Der Gesamt-GdB betrage jedoch nur 40, auch weil die psychische Erkrankung der Klägerin erhebliche Somatisierungstendenzen umfasse, die die orthopädischen Beschwerden überlagerten. Kosten, so das SG abschließend, seien nach dem Veranlasserprinzip nicht zu erstatten, weil die Klägerin den jetzt zugesprochenen GdB von 40 bereits durch eine Annahme des entsprechenden Vergleichsangebots des Beklagte nach Vorlage der Auskunft von Dr. R. habe erreichen können.

Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihrer Prozessbevollmächtigten am 12. Februar 2015 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 2. März 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben, zu deren Begründung sie auf die Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. verweist.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Januar 2015 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 24. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2012 weiter abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab 25. April 2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet, unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G., die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, zumal bei Annahme eines Teil-GdB von 30 für die Psyche bei der Bildung des Gesamt-GdB die erheblichen somatischen Schmerzen, die jeweils 20 für Wirbelsäule und Kniegelenke begründeten, dann wiederum als Überschneidung herausgerechnet werden müssten. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege daher auch in Ermangelung eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms nicht vor.

Der Senat hat Dr. H. um Stellungnahme zu den Einwänden der Klägerin gegen die Ausführungen des SG gebeten. Der Sachverständige hat am 8. Mai 2015 mitgeteilt, es habe durch den Hausarzt eine Behandlung mit einem – niedrig dosierten – Antidepressivum stattgefunden und eine weitere psychiatrische Vorstellung sei geplant gewesen. Es seien durchaus Einschränkungen des Alltagslebens vorhanden. In einer Gesamtschau sei an einem GdB von 50 festzuhalten.

Die Klägerin hat danach behauptet, sie leide nunmehr auch an einer erheblichen Gehbehinderung. Sie hat dazu das Attest von Dr. Sch.-W. vom 20. Juli 2015 vorgelegt, das deutliche Druckschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, eine erhebliche Bewegungseinschränkung dort und ein starkes Hüfthinken links mehr als rechts beschreibt. Ferner hat sie ein Attest von Dr. R. vom 25. Februar 2016 zu den Akten gereicht, wonach die multiplen körperlichen Erkrankungen mit massivem Schmerzsyndrom die Klägerin privat wie beruflich äußerst einschränkten, so dass ein GdB von mindestens 60 ebenso wie eine Erwerbsminderungsrente gerechtfertigt sei.

Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin am 27. April 2016 persönlich angehört. Sie hat dort bzw. später dargelegt, sie wolle mit Hilfe eines GdB von 50 die Voraussetzungen einer privaten Berufsunfähigkeitsrente erreichen. Wegen ihrer Angaben im Übrigen wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung verwiesen. In dem Termin haben sich beide Seiten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung der Klägerin ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft. Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Klägerin keine Geld-, Sach- oder Dienstleistung begehrt, sondern eine behördliche Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie die Klägerin innerhalb der einmonatigen Frist des § 151 Abs. 1 SGG erhoben.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) der Klägerin nur teilweise stattgegeben und den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 40 verurteilt. Soweit das SG die Klage abgewiesen hat, ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig und verletzt nicht Rechte der Klägerin, weil ein Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 nicht besteht.

Die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen einer Leistungsklage, zu der auch die hier erhobene Verpflichtungsklage gehört, richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 1. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34), mangels Durchführung einer solchen, wie vorliegend, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er-Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gem. § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht. Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R -, juris, Rz. 51). Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder es erstinstanzlichen Gerichts Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 SB 4445/14 -, juris, Rz. 30).

Hiernach ist zunächst für das im Vordergrund der Funktionseinschränkungen stehende Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ein GdB von 30 anzusetzen.

Die Klägerin leidet insoweit an einer mittelgradigen depressiven Episode (codiert mit F32.1 nach der ICD-10 GM 2016, der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, hrsg. von der Weltgesundheitsorganisation WHO, Deutscher Fassung, Auflage 2016). Diese Diagnose haben übereinstimmend der behandelnde Psychiater und der Sachverständige Dr. H. gestellt, wobei die Frage offen bleiben kann, ob es sich um eine durchgängige oder eine rezidivierende Störung (F33.1) handelt. Der Senat geht hierbei davon aus, dass das Gutachten tatsächlich von dem beauftragten Sachverständigen Dr. H. und nicht von der Psychiaterin Dr. M. erstattet worden ist, nachdem der Sachverständige unterschriftlich versichert hat, die Klägerin auch selbst untersucht und das Gutachten endgültig gefertigt zu haben. Denn der Sachverständige muss danach die bei psychologischen und psychiatrischen Gutachten unverzichtbare persönliche Begegnung mit dem Probanden und das explorierende Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchgeführt haben (vgl. dazu Urteil des Senats vom 25. August 2016 - L 6 VG 3508/12 -, unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 17. April 2016 - B 9 V 36/12 B -, juris, Rz. 7). Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, so dass der Senat ebenso wie das SG, Letzteres allerdings ohne dies überhaupt zu prüfen, für verwertbar erachtet.

Die hieraus folgenden Funktionseinbußen, die für die Bewertung mit einem GdB maßgeblich sind, erreichen allenfalls das Niveau einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die nach Teil B Nr. 3.7 VG einen GdB von 30 bis 40 bedingt. Dagegen liegen keine bereits mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, wie sie für einen GdB von 50 oder mehr vonnöten wären. Eine solche Ausprägung hat auch der Sachverständige Dr. H. ausgeschlossen. In der genannten Spanne von 30 bis 40 sind die Beeinträchtigungen der Klägerin auf physischer, psychischer und vor allem sozialer Leidensebene (Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) bis aktuell in einem unteren Bereich einzuordnen. Dem Beklagten ist darin beizupflichten, dass die soziale Leidensdimension wenig ausgeprägt ist. Die Klägerin lebt in einer intakten Familie, das Verhältnis zu ihrem Mann bezeichnet sie als sehr gut. Sie verfügt über einen strukturierten Tagesablauf von sechs bis zwanzig Uhr, sie erledigt, wenn auch mit Pausen, vormittags die Arbeiten im Haushalt. Mittags wird Warmes gegessen. Daraus ist zu schließen, dass auch gekocht wird. Eine Tochter und die Enkelkinder kommen häufiger, befreundete Ehepaare regelmäßig zu Besuch. Die Klägerin hat angegeben, zu lesen und fernzusehen. Sie besucht häufiger ihre Schwester in Esslingen und die Brüder auf Sizilien. Hierzu hat sie bei ihrer persönlichen Anhörung am 27. April 2016 angegeben, ihre Familie und sie verbrächten die Jahresurlaube dort, sie flögen dann für zwei Wochen nach Sizilien. Nachdem die Klägerin auch vor Beginn der Krankheit überwiegend im eigenen Haushalt tätig war, also schon vor Beginn der Erkrankung außerhalb ihrer Familie wenig integriert war, zeigen sich in dem jetzigen Bild keine krankheitsbedingten Einbußen. Auf psychischer Ebene finden sich ebenfalls nur geringfügige Einschränkungen. Der psychische Befund, den Dr. H. beschreibt, ist weitgehend unauffällig. So war die Klägerin zur Untersuchung gepflegt gekleidet und pünktlich erschienen, bewusstseinsklar und in allen Dimensionen orientiert. Nur leichte Einschränkungen wurden bei Auffassung und Konzentration bemerkt, hier gab es "Latenzen" bis zur Antwort der Klägerin auf die Fragen des Sachverständigen; allerdings sind hierbei die eingeschränkten deutschen Sprachkenntnisse der Klägerin zu berücksichtigen. Merkfähigkeit und Gedächtnis waren dagegen ebenfalls nicht beeinträchtigt. Trotz einer Einengung der Gedankengänge auf die Schmerzerkrankung war die Klägerin auslenkbar. Ansonsten hat Dr. H. eine leichte Grübelneigung, die aber vorbestanden haben kann, und eine leichte Einschränkung der Stimmungslage beschrieben. In dieses Bild geringfügiger psychischer Einbußen passt es, dass sich die Klägerin aus eigenem Antrieb nur zweimal, im Abstand von vier Jahren (2008 und 2012), bei Dr. R. vorgestellt hat, ansonsten nur - nämlich am 11. Juli 2013 und am 25. Februar 2016 - um eine Zeugenaussage dieses Arztes möglich zu machen bzw. um eine ärztliche Bescheinigung von ihm für das laufende Gerichtsverfahren zu erhalten. Ansonsten findet allenfalls eine oberflächliche Behandlung statt, nämlich bis auf eine geringfügige medikamentöse, nachdem das – vom Hausarzt verordnete – Trimipramin 25 mg sehr niedrig dosiert eingenommen wird (0-0-1-0), keine sonstige Therapie. Nur die physische Leidensebene ist stärker ausgeprägt. Die Schmerzen stehen auch aus eigener Sicht der Klägerin völlig im Vordergrund. Insoweit wurden sogar schon selbstständige somatoforme Schmerzstörungen diagnostiziert. Dass die Klägerin in diesem Bereich erheblicher leidet, zeigt sich auch an der Medikation mit Ibuprofen 600 mg und Diclofenac 75 mg, jeweils dreimal täglich, dies allerdings nur phasenweise für mehrere Tage. In der Zusammenschau kann daher bei der Klägerin – gerade wegen der Schmerzerkrankung – eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit festgestellt werden, die einen GdB von 30 bewirkt. Insofern kann auch die abweichende Einschätzung des Psychiaters Dr. R. vom 25. Februar 2016 nicht überzeugen, denn die ist offensichtlich gefälligkeitshalber erfolgt, beruht nicht auf einer durchgehenden Behandlung und damit einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage; überdies ist sie auch ohne Aktenkenntnis und Auseinandersetzung mit der versorgungsärztlichen Einschätzung erfolgt, so dass sie insgesamt nicht überzeugt.

Die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen an den Kniegelenken mit einem GdB von 20 durch den Beklagten ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Welche Beeinträchtigungen dort vorliegen, entnimmt der Senat der Zeugenaussage der Orthopädin Dr. Sch.-W. und den Arztbriefen dieser Behandlerin vom 24. Januar 2012 und vom - aktuell - 20. Juli 2015. Danach waren beide Kniegelenke "frei beweglich bei ausgeprägtem endgradigem Bewegungsschmerz", ferner bestanden ein "ausgeprägter Druckschmerz am medialen Gelenkspalt, rechts mehr als links, und ein deutliches Reiben und Knacken beim Durchbewegen der Kniegelenke". Die Röntgenaufnahmen ergaben im Wesentlichen eine deutliche Verschmälerung des medialen Gelenkspalts, knöcherne Ausziehungen und eine vermehrte Sklerosierung, vor allem am Tibiaplateau und der Rückfläche der Patella. Als Diagnose hat Dr. Sch.-W. eine fortgeschrittene mediale und retropatellare Gonarthrose beidseits angegeben. Hiernach lagen zwar keine Bewegungseinschränkungen vor, die allein zu einem GdB von 20 führen würden, denn nach Teil B Nr. 18.14 VG wäre für einen GdB von 20 mindestens eine beidseitige Beugehemmung auf 90° oder eine einseitige dieses Ausmaßes mit einem Streckdefizit um mindestens 10° nötig. Zwar begründen auch ausgeprägte Knorpelschäden (z.B. Chondromalacia patellae im Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, aber ohne Bewegungsdefizite, bereits einseitig einen GdB von 10 bis 30. Bei der Klägerin liegen zwar arthrotische Veränderungen an beiden Kniegelenken, unter anderem an den Kniescheiben, vor, Reizerscheinungen wie Ergüsse oder Schwellungen werden aber von Dr. Sch.-W. nicht beschrieben.

Der weitere GdB von 20 für die Wirbelsäule ist zumindest nach dem aktuellen Stand der Beeinträchtigungen der Klägerin gerechtfertigt.

Nach Teil B Nr. 18.9 VG sind für diesen GdB mindestens mittelgradige funktionelle Auswirkungen (Verformungen, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen mittleren Grades oder eine Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende oder über Tage anhaltende Wirbelsäulensyndrome) in mindestens einem der drei bzw. vier Abschnitte der Wirbelsäule vonnöten. Hiervon kann bei der Klägerin nach den Angaben von Dr. Sch.t-W. in dem Arztbrief vom 20. Juli 2015 bei Schmerzzunahme seit 2013 nunmehr ausgegangen werden. Betroffen ist im Wesentlichen die Lendenwirbelsäule, der Befund einer Lumboischalgie bzw. eines Lumbalsyndroms belegt aber noch keine richtungsweisende Erkrankung der Lendenwirbelsäule, zumal die Klägerin Dr. Sch.-W. nur im Zusammenhang mit ihrem Gerichtsverfahren aufsuchte, so im März 2013 nach einjähriger Pause und nach dem Gerichtsschreiben und im Juni 2015, nachdem ihre Prozessbevollmächtigte zuvor die Aussage von Dr. H. wenig ergiebig fand. Das spricht weniger für eine tatsächliche Behandlungsbedürftigkeit und entsprechende Funktionseinschränkungen, sondern vielmehr für zielgerichtetes Prozessieren. Während dort früher allein Muskelverspannungen und Druck- (und Reklinations-)schmerzen festgestellt worden waren, beschreibt Dr. Sch.-W. nunmehr auch eine schmerzhafte "Bewegungseinschränkung in allen Ebenen". Hinzu kommt ein mühsames Gangbild. Diese Symptome entsprechen den bildgebenden Befunden: Bei der Röntgenuntersuchung wurden deutliche degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule festgestellt, vor allem war der Zwischenraum zwischen den Wirbeln L5 und S1 nahezu aufgehoben.

Eine Erhöhung des GdB für die Wirbelsäule auf 30 wegen des Zervikalsyndroms scheidet aus. An der Halswirbelsäule liegen bislang allenfalls geringe, aber noch keine mittelgradigen funktionellen Auswirkungen vor. Hier hat Dr. Sch.-W. weiterhin überwiegend nur druckschmerzhafte Verspannungen und lediglich einen endgradigen Bewegungsschmerz, aber noch keine Beweglichkeitseinschränkungen festgestellt. Auch dies entspricht den Röntgenbildern, die am Wirbelsäulensegment C5/6 lediglich "beginnende" degenerative Veränderungen zeigen.

Der Beklagte hatte in den GdB von 20 für das Funktionssytem "Rumpf" auch die Beeinträchtigungen auf Grund des früher diagnostizierten Schulter-Arm-Syndroms einbezogen. Ob dies bezogen auf die Krankheit zutreffend war, kann dahinstehen, nachdem die Klägerin bei Dr. H. lediglich über Schmerzen im "Schulter- und Nackenbereich" geklagt hatte, aber weder aus dem Gutachten des Sachverständigen noch aus dem Arztbrief von Dr. Sch.-W. vom 20. Juli 2015 Beeinträchtigungen der Schultern im engeren Sinne hervorgehen. Überdies wären solche Funktionsstörungen dem Funktionssystem "Arme" zuzuordnen.

Weitere Behinderungen, die einen GdB von wenigstens 20 bedingen würden, liegen nicht vor. Es besteht zwar eine Erkrankung des Atemsystems; die Pneumologin K. hat in ihrer Zeugenaussage vom 25. März 2013 hierzu verschiedene Diagnosen erwogen. Funktionsbeeinträchtigungen folgen daraus aber nicht. Die Zeugin hat auf die Lungenfunktionsprüfung vom 26. September 2012 verwiesen, die keine Anhaltspunkte für eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung ergeben hatte. Vielmehr waren sowohl die statischen (Vitalkapazität, VC) als auch die dynamischen Messwerte (Einsekundenkapazität, FEV1) im Normbereich von 89 % bzw. 100 %, der Tiffeneau-Index betrug sogar 118,1 % des Solls (zu den Kriterien für die Bewertung einer Lungenerkrankung vgl. Teil B Nrn. 8.2, 8.3, 8.5 VG). Der Bluthochdruck der Klägerin ist eingestellt, die Hausärztin Dr. Oualitsen hatte in ihrem Befundbericht an den Beklagten vom 15. Mai 2012 angegeben, er liege zwischen 135/70 und 150/100 mmHg (vgl. Teil B Nr. 9.3 VG).

Auf dieser Basis hat das SG zutreffend eine Gesamt-GdB von 40 gebildet.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist es nicht zu beanstanden, dass das SG aus den - nach Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG allein relevanten - GdB-Werten von 30 für die Psyche und je 20 für die Wirbelsäule und die Knie einen Gesamt-GdB von 40 gebildet hat. Die Funktionsbehinderungen sowohl an der Lendenwirbelsäule als auch an den Kniegelenken bestehen jeweils überwiegend in der Schmerzentwicklung, weniger in Beweglichkeitseinschränkungen oder motorischen Ausfällen. Sie überlappen sich daher stark im Sinne von Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe cc VG mit den psychisch bedingten Einbußen, denn auch diese betreffen im Wesentlichen die Schmerzerkrankung und weniger die psychische oder soziale Leidensebene. Dies rechtfertigt es, zumindest einen der beiden 20-er Grade bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen (vgl. auch Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG).

Auch die Kostenentscheidung des SG ist nicht zu beanstanden. In der Tat wäre es vertretbar gewesen, der Klägerin nach dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) keine Kostenerstattung zu gewähren, wenn sie schon das Vergleichsangebot des Beklagten vom 22. Oktober 2013 angenommen hätte. Denn dieses beruhte auf neuen Erkenntnissen über die psychische Erkrankung, auf die der Beklagte sofort reagiert hatte. Dann aber war es auch vertretbar, in der Endentscheidung erster Instanz keine Kostenquote zuzusprechen, weil die Klägerin nicht mehr erreicht hat als sie durch das angenommene Vergleichsangebot erreicht hätte.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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