Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 R 1180/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4919/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Neuberechnung der Witwenrente der Klägerin auf Grund der Erhöhung ihrer Altersrente.
Die 1941 geborene Klägerin ist die Witwe des am 2013 verstorbenen Versicherten A ... Sie waren seit 1963 verheiratet. Beide waren 1994 als Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Der Versicherte bezog von der Beklagten bis zu seinem Tod Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige, die Klägerin bezieht von ihr eine Altersrente, bis Juni 2013 in Höhe von brutto 850,46 EUR. In beiden Renten sind die in der Sowjetunion zurückgelegten Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) mit dem Faktor 0,6 berücksichtigt. Auf ihren Antrag vom 23.9.2013 hin gewährte ihr die Beklagte ab 1.10.2013 große Witwenrente (Bescheid vom 2.10.2013, Bl. 40 LSG-Akte), ab 1.1.2014 in Höhe von 411,64 EUR, ohne dass sich ihr Einkommen auf die Rentenhöhe auswirkte.
Mit Bescheid vom 5.9.2014 berechnete die Beklagte die große Witwenrente ab 1.7.2014 neu. Grund hierfür war die aufgrund der sogenannten Mütterrente höhere eigene Altersrente der Klägerin, die teilweise auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen sei. Aus der monatlichen Rente der Klägerin i.H.v. nun 921,89 EUR brutto errechne sich ein anzurechnendes Einkommen i.H.v. 18,70 EUR ab 1.7.2014 (Anlage 8). Die Rente werde ab 1.10.2014 in Höhe von monatlich 351,39 EUR und für die Zeit ab 1.11.2014 laufend monatlich i.H.v. 401,73 EUR gezahlt. Die für die Zeit vom 1.7. bis 30.9.2014 sich ergebende Überzahlung i.H.v. 50,34 EUR werde einmalig von der Zahlung für den Monat Oktober 2014 einbehalten. Der Bescheid über die Rentenanpassung 2014 werde hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 SGB X aufgehoben.
Dagegen ließ die Klägerin mit der Begründung Widerspruch einlegen, nur ein Teil ihrer Rente beruhe auf Entgeltpunkten nach dem SGB VI und könne miteinander verrechnet werden. Die jedoch nach dem FRG unter Kürzung um den Faktor 0,6 erbrachten Leistungen seien besondere soziale Leistungen für Spätaussiedler, die nicht verrechenbar seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.2.2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Darlegung der sich nach §§ 97, 18d SGB VI ergebenden Rechtslage hinsichtlich der Einkommensanrechnung zurück.
Dagegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 12.3.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und das Begehren mit gleicher Begründung wie im Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Ergänzend hat er die Auffassung vertreten, dass eine Verrechnung nach § 97 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI (gemeint § 97 Abs. 1 S. 1 SGB VI) nur auf Rentenleistungen Anwendung finde, die als solche aufgrund von rentenbegründenden Beitragszeiten, nicht aber aufgrund von FRG-Zeiten erworben wurden. Andernfalls sei eine Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 unzulässig.
Die Beklagte ist der Auffassung entgegengetreten. Das FRG regele in erster Linie, welche fremden Zeiten in der deutschen Rentenversicherung gleichgestellt und wie diese zu bewerten seien. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten seien den Beitragszeiten nach Bundesrecht im Sinne des § 55 SGB VI gleichgestellt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6.10.2015 abgewiesen. Die Klägerin erhalte seit dem 1.10.2013 eine große Witwenrente. Nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werde Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Renten der Rentenversicherung wegen Alters seien als Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen (§ 18a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB IV). Da die Klägerin eine Altersrente erhalte, sei diese anzurechnen. Der klägerischen Auffassung, dass es sich bei den Renten, bei denen Zeiten nach dem FRG berücksichtigt werden, nicht um Renten, sondern um besondere Leistungen für Spätaussiedler handele, die nicht der Anrechnungspflicht unterfielen, könne nicht gefolgt werden. Die unter Zugrundelegung dieser Beitragszeiten tatsächlich gewährte Rente sei eine Altersrente bzw. Witwenrente nach dem SGB VI. Die Kürzung der Entgeltpunkte für diese Rente nach § 22 Abs. 4 FRG sei verfassungsgemäß (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL5/01, 1 BvL 10/04). Anhaltspunkte für eine Falschberechnung der anzurechnenden Rente seien nicht ersichtlich.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 21.10.2015 zugestellte Urteil hat er am 19.11.2015 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Ergänzend hat er vorgetragen, aus dem Witwenrentenbescheid ergebe sich, dass die Witwenrente nicht aufgrund der Entgeltpunkte berechnet worden sei, die der Rente des Verstorbenen zugrunde lagen, sondern neu als Leistung für Spätaussiedler unter Kürzung um den Faktor 0,6. Diese Leistung könne aber, da es sich nicht um eine Rente handele, nicht angerechnet werden. Entgegen der Auffassung des Gerichts unterlägen die Rentenanwartschaften, soweit nach dem FRG solche noch begründet worden sind, dem Schutz des Grundgesetzes, wenn diese bestandskräftig festgestellt worden seien. Dieses sei im Falle der Rente des Verstorbenen der Fall gewesen. Dennoch sei die Beklagte dazu übergegangen, die Rente ausschließlich nach neuen gesetzlichen Bestimmungen zu berechnen, weshalb auch nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass hier eine Rente im Sinne des SGB VI ausgezahlt werden sollte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Oktober 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 14.12.2015 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss hingewiesen worden, sofern der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren ergeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.2.2015, mit dem die Beklagte die der Klägerin gewährte große Witwenrente unter Anrechnung von 18,70 EUR ihrer seit 1.7.2014 erhöhten eigenen Altersrente neu berechnet hat. Dagegen geht die Klägerin zulässig mit der Anfechtungsklage vor, da durch die Beseitigung des angefochtenen Bescheids die ursprünglich gewährte große Witwenrente in Höhe von 411,64 EUR ohne Kürzung durch die Anrechnung eigenen Renteneinkommens wieder aufleben würde. Einer Leistungsklage bedarf es hierzu nicht.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Das SG hat die Klage unter Benennung der einschlägigen Normen und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Recht abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte die Altersrente der Klägerin zutreffend als Erwerbsersatzeinkommen bei der Berechnung der Witwenrente berücksichtigt hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Klägervertreter irrig davon ausgeht, dass die u.a. als Grundlage für die Witwenrente dienenden Zeiten in der ehemaligen Sowjetunion im Versicherungsverlauf des verstorbenen Versicherten erstmalig bei der Berechnung der Witwenrente nur zu 60 Prozent berücksichtigt worden seien. Die Berechnung mit dem Faktor 0,6 findet sich bereits im Altersrentenbescheid des verstorbenen Versicherten vom 20.5.1998.
Auch findet die vom Klägervertreter vertretene Auffassung, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass Rentenanteile, die auf dem FRG beruhen, nicht als Erwerbsersatzeinkommen gem. § 18a SGB IV nach § 97 SGB VI anrechenbar seien, im Gesetz keine Stütze.
Die im Falle der durch das FRG begründeten Renten beruhen anders als sonst nicht auf einer an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung, die vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen ihren Ausdruck findet (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 –, BVerfGE 116, 96-135, Rn. 79 f.). Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung des Gesetzgebers mit der der Staat seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Soweit die nach dem FRG Berechtigten Beiträge zur Rentenversicherung in den Herkunftsländern gezahlt haben, sind diese Beiträge nicht den Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland zugeflossen, deren gesetzliche Aufgabe es ist, die Rentenleistungen an die nicht mehr erwerbstätige Generation zu finanzieren. Soweit die nach dem FRG berücksichtigten Zeiten auf der in den Herkunftsländern persönlich geleisteten Arbeit beruhen, ist die Arbeitsleistung in einem anderen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem als dem der Bundesrepublik Deutschland erbracht worden. Sie ist Wertschöpfung, die nicht innerhalb der zur Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgt und ihr auch nicht zugute gekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 –, BVerfGE 116, 96-135, Rn. 81).
Wenn der Gesetzgeber sich entschließt, die in den Herkunftsländern zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten dennoch wie Zeiten zu behandeln, die die Berechtigten im System der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben, so ist dies zwar ein Akt besonderer staatlicher Fürsorge. Der Gesetzgeber verfolgt damit das legitime Ziel, insbesondere Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler, die in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln, soweit als möglich mit Hilfe auch der Sozialversicherung zu integrieren, ohne zu dieser Lösung durch Art. 116 GG und das Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich verpflichtet zu sein (BVerfGE 43, 213; (226); BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 –, BVerfGE 116, 96-135, Rn. 81).
Nachdem bereits die Rentengewährung auf Grund von FRG-Zeiten nur auf einem Akt besonderer staatlicher Fürsorge beruht und der Integrierung in die Sozialversicherung dienen soll, ist kein Grund ersichtlich, diese Renten noch weiter - etwa bei der Gewährung von Witwenrente - zu privilegieren und darauf beruhende, allein aus Fürsorge gewährte Leistungen, von einer Anrechnung auf die Witwenrente herauszunehmen. In diesem Falle würde dann die Klägerin sogar besser gestellt, als ein Rentenempfänger, dessen Leistungen auf ins Deutsche Rentensystem eingezahlten Beiträgen beruhen, was keine Rechtfertigung findet. Deshalb weist die Beklagte zu Recht auf die Gleichstellung der FRG-Zeiten mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten hin (§ 15 Abs. 1 S. 1 FRG, § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Neuberechnung der Witwenrente der Klägerin auf Grund der Erhöhung ihrer Altersrente.
Die 1941 geborene Klägerin ist die Witwe des am 2013 verstorbenen Versicherten A ... Sie waren seit 1963 verheiratet. Beide waren 1994 als Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Der Versicherte bezog von der Beklagten bis zu seinem Tod Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige, die Klägerin bezieht von ihr eine Altersrente, bis Juni 2013 in Höhe von brutto 850,46 EUR. In beiden Renten sind die in der Sowjetunion zurückgelegten Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) mit dem Faktor 0,6 berücksichtigt. Auf ihren Antrag vom 23.9.2013 hin gewährte ihr die Beklagte ab 1.10.2013 große Witwenrente (Bescheid vom 2.10.2013, Bl. 40 LSG-Akte), ab 1.1.2014 in Höhe von 411,64 EUR, ohne dass sich ihr Einkommen auf die Rentenhöhe auswirkte.
Mit Bescheid vom 5.9.2014 berechnete die Beklagte die große Witwenrente ab 1.7.2014 neu. Grund hierfür war die aufgrund der sogenannten Mütterrente höhere eigene Altersrente der Klägerin, die teilweise auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen sei. Aus der monatlichen Rente der Klägerin i.H.v. nun 921,89 EUR brutto errechne sich ein anzurechnendes Einkommen i.H.v. 18,70 EUR ab 1.7.2014 (Anlage 8). Die Rente werde ab 1.10.2014 in Höhe von monatlich 351,39 EUR und für die Zeit ab 1.11.2014 laufend monatlich i.H.v. 401,73 EUR gezahlt. Die für die Zeit vom 1.7. bis 30.9.2014 sich ergebende Überzahlung i.H.v. 50,34 EUR werde einmalig von der Zahlung für den Monat Oktober 2014 einbehalten. Der Bescheid über die Rentenanpassung 2014 werde hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 SGB X aufgehoben.
Dagegen ließ die Klägerin mit der Begründung Widerspruch einlegen, nur ein Teil ihrer Rente beruhe auf Entgeltpunkten nach dem SGB VI und könne miteinander verrechnet werden. Die jedoch nach dem FRG unter Kürzung um den Faktor 0,6 erbrachten Leistungen seien besondere soziale Leistungen für Spätaussiedler, die nicht verrechenbar seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.2.2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Darlegung der sich nach §§ 97, 18d SGB VI ergebenden Rechtslage hinsichtlich der Einkommensanrechnung zurück.
Dagegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 12.3.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und das Begehren mit gleicher Begründung wie im Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Ergänzend hat er die Auffassung vertreten, dass eine Verrechnung nach § 97 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI (gemeint § 97 Abs. 1 S. 1 SGB VI) nur auf Rentenleistungen Anwendung finde, die als solche aufgrund von rentenbegründenden Beitragszeiten, nicht aber aufgrund von FRG-Zeiten erworben wurden. Andernfalls sei eine Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 unzulässig.
Die Beklagte ist der Auffassung entgegengetreten. Das FRG regele in erster Linie, welche fremden Zeiten in der deutschen Rentenversicherung gleichgestellt und wie diese zu bewerten seien. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten seien den Beitragszeiten nach Bundesrecht im Sinne des § 55 SGB VI gleichgestellt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6.10.2015 abgewiesen. Die Klägerin erhalte seit dem 1.10.2013 eine große Witwenrente. Nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werde Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Renten der Rentenversicherung wegen Alters seien als Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen (§ 18a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB IV). Da die Klägerin eine Altersrente erhalte, sei diese anzurechnen. Der klägerischen Auffassung, dass es sich bei den Renten, bei denen Zeiten nach dem FRG berücksichtigt werden, nicht um Renten, sondern um besondere Leistungen für Spätaussiedler handele, die nicht der Anrechnungspflicht unterfielen, könne nicht gefolgt werden. Die unter Zugrundelegung dieser Beitragszeiten tatsächlich gewährte Rente sei eine Altersrente bzw. Witwenrente nach dem SGB VI. Die Kürzung der Entgeltpunkte für diese Rente nach § 22 Abs. 4 FRG sei verfassungsgemäß (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL5/01, 1 BvL 10/04). Anhaltspunkte für eine Falschberechnung der anzurechnenden Rente seien nicht ersichtlich.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 21.10.2015 zugestellte Urteil hat er am 19.11.2015 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Ergänzend hat er vorgetragen, aus dem Witwenrentenbescheid ergebe sich, dass die Witwenrente nicht aufgrund der Entgeltpunkte berechnet worden sei, die der Rente des Verstorbenen zugrunde lagen, sondern neu als Leistung für Spätaussiedler unter Kürzung um den Faktor 0,6. Diese Leistung könne aber, da es sich nicht um eine Rente handele, nicht angerechnet werden. Entgegen der Auffassung des Gerichts unterlägen die Rentenanwartschaften, soweit nach dem FRG solche noch begründet worden sind, dem Schutz des Grundgesetzes, wenn diese bestandskräftig festgestellt worden seien. Dieses sei im Falle der Rente des Verstorbenen der Fall gewesen. Dennoch sei die Beklagte dazu übergegangen, die Rente ausschließlich nach neuen gesetzlichen Bestimmungen zu berechnen, weshalb auch nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass hier eine Rente im Sinne des SGB VI ausgezahlt werden sollte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Oktober 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 14.12.2015 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss hingewiesen worden, sofern der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren ergeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.2.2015, mit dem die Beklagte die der Klägerin gewährte große Witwenrente unter Anrechnung von 18,70 EUR ihrer seit 1.7.2014 erhöhten eigenen Altersrente neu berechnet hat. Dagegen geht die Klägerin zulässig mit der Anfechtungsklage vor, da durch die Beseitigung des angefochtenen Bescheids die ursprünglich gewährte große Witwenrente in Höhe von 411,64 EUR ohne Kürzung durch die Anrechnung eigenen Renteneinkommens wieder aufleben würde. Einer Leistungsklage bedarf es hierzu nicht.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Das SG hat die Klage unter Benennung der einschlägigen Normen und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Recht abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte die Altersrente der Klägerin zutreffend als Erwerbsersatzeinkommen bei der Berechnung der Witwenrente berücksichtigt hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Klägervertreter irrig davon ausgeht, dass die u.a. als Grundlage für die Witwenrente dienenden Zeiten in der ehemaligen Sowjetunion im Versicherungsverlauf des verstorbenen Versicherten erstmalig bei der Berechnung der Witwenrente nur zu 60 Prozent berücksichtigt worden seien. Die Berechnung mit dem Faktor 0,6 findet sich bereits im Altersrentenbescheid des verstorbenen Versicherten vom 20.5.1998.
Auch findet die vom Klägervertreter vertretene Auffassung, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass Rentenanteile, die auf dem FRG beruhen, nicht als Erwerbsersatzeinkommen gem. § 18a SGB IV nach § 97 SGB VI anrechenbar seien, im Gesetz keine Stütze.
Die im Falle der durch das FRG begründeten Renten beruhen anders als sonst nicht auf einer an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung, die vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen ihren Ausdruck findet (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 –, BVerfGE 116, 96-135, Rn. 79 f.). Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung des Gesetzgebers mit der der Staat seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Soweit die nach dem FRG Berechtigten Beiträge zur Rentenversicherung in den Herkunftsländern gezahlt haben, sind diese Beiträge nicht den Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland zugeflossen, deren gesetzliche Aufgabe es ist, die Rentenleistungen an die nicht mehr erwerbstätige Generation zu finanzieren. Soweit die nach dem FRG berücksichtigten Zeiten auf der in den Herkunftsländern persönlich geleisteten Arbeit beruhen, ist die Arbeitsleistung in einem anderen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem als dem der Bundesrepublik Deutschland erbracht worden. Sie ist Wertschöpfung, die nicht innerhalb der zur Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgt und ihr auch nicht zugute gekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 –, BVerfGE 116, 96-135, Rn. 81).
Wenn der Gesetzgeber sich entschließt, die in den Herkunftsländern zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten dennoch wie Zeiten zu behandeln, die die Berechtigten im System der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt haben, so ist dies zwar ein Akt besonderer staatlicher Fürsorge. Der Gesetzgeber verfolgt damit das legitime Ziel, insbesondere Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler, die in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln, soweit als möglich mit Hilfe auch der Sozialversicherung zu integrieren, ohne zu dieser Lösung durch Art. 116 GG und das Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich verpflichtet zu sein (BVerfGE 43, 213; (226); BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 –, BVerfGE 116, 96-135, Rn. 81).
Nachdem bereits die Rentengewährung auf Grund von FRG-Zeiten nur auf einem Akt besonderer staatlicher Fürsorge beruht und der Integrierung in die Sozialversicherung dienen soll, ist kein Grund ersichtlich, diese Renten noch weiter - etwa bei der Gewährung von Witwenrente - zu privilegieren und darauf beruhende, allein aus Fürsorge gewährte Leistungen, von einer Anrechnung auf die Witwenrente herauszunehmen. In diesem Falle würde dann die Klägerin sogar besser gestellt, als ein Rentenempfänger, dessen Leistungen auf ins Deutsche Rentensystem eingezahlten Beiträgen beruhen, was keine Rechtfertigung findet. Deshalb weist die Beklagte zu Recht auf die Gleichstellung der FRG-Zeiten mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten hin (§ 15 Abs. 1 S. 1 FRG, § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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