L 4 R 2840/16 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2331/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2840/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für die Frage der hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne des Prozesskostenhilferechts kommt es auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrages an. Dazu gehört neben der schlüssigen Begründung der Klage die Vorlage der vollständig und plausibel ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
2. Die Befragung behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen rechtfertigt allein nicht die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein erstinstanzliches Verfahren wegen Erwerbsminderungsrente.

Die Klägerin ist am 1975 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Vom 11. September bis 15. Oktober 2013 absolvierte die Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der M.-B.-Klinik in K ... Im Entlassungsbericht vom 22. Oktober 2013 berichtet Dr. C. über die Diagnosen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak (Abhängigkeitssyndrom). Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichteten.

Am 14. Februar 2014 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Im Auftrag der Beklagten erstellte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 1. April 2014 unter dem 12. April 2014 ein ärztliches Gutachten. Er diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere bis schwere Episode. Die Klägerin könne Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch bei Beachtung qualitativer Einschränkungen nur unter drei Stunden täglich verrichten. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. April 2015.

Am 18. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung. Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. S. aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 4. März 2015 unter dem 7. März 2015 erneut ein ärztliches Gutachten. Er diagnostizierte nun eine rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig leicht). Die Klägerin könne seit März 2015 leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bei Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Weitergewährung der Rente daraufhin mit Bescheid vom 25. März 2015 ab. Die Klägerin könne wieder mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein.

Hiergegen erhob die Klägerin am 13. April 2015 Widerspruch. Sie sehe sich aufgrund ihrer psychischen Instabilität zur Zeit nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2015 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und beantragte zugleich die Gewährung von PKH unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten. Es seien nach wie vor schwerste Depressionen vorhanden. Neben den psychischen Erkrankungen (Angstzuständen, komplette Antriebslosigkeit, keinerlei Konzentrationsfähigkeit usw.) leide sie mehr und mehr unter weiteren Schmerzen. Es seien unspezifische Schmerzsymptome am ganzen Körper. Ausgelöst würden diese Schmerzen, welche durchgehend seit April 2015 bestünden, ebenfalls aus neurologischen Gründen. Zum PKH-Antrag trug sie vor, von "spärlichen Alg II-Bezügen" zu leben und die Kosten der Rechtsverfolgung nicht finanzieren zu können. Sie legte zusammen mit der im Original am 20. Juli 2015 eingegangenen Klageschrift den Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenshilfe" vor. Die Abschnitte D, E, F bis J dieses Vordrucks waren weitgehend durchgestrichen und enthielten auch ansonsten keine Einträge. Beigefügt war ein Bescheid des Landratsamt L. vom 22. Mai 2015 über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) für Mai bis Oktober 2015.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2016 wies das SG den Bevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig sei, insbesondere alle Angaben in den Feldern E und G fehlten.

Die Klägerin ließ am mit Schriftsatz vom 27. April 2016, beim SG eingegangen am 29. April 2016, vortragen, dass den formellen Formularen zur PKH zu entnehmen sei, dass für den Fall, dass Arbeitslosengeld II (Alg-II) bezogen werde, weitere Belege nicht notwendig seien. Sie lebe nur von den Sozialleistungen, besitze keinerlei Vermögen. Sie legte den Bescheid des Landratsamts L. über die Änderung von laufenden Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II vom 5. Dezember 2015 über die Bewilligung von Leistungen für Januar bis April 2016 vor.

Das SG wies den Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2016 darauf hin, dass es bei dem gerichtlichen Hinweis vom 8. Februar 2016 bleibe.

Die Klägerin legte am 7. Juni 2016 ein weiteres Exemplar des Vordrucks "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" vor, in dem sie Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR 484,94 sowie Kindergeld in Höhe von EUR 190,00 angab.

Das SG holte eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage bei Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 21. September 2015 ein (Diagnose: rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode; keine ausreichende Belastbarkeit für eine sechsstündige berufliche Tätigkeit). Sodann bestellte es Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Br. von Amts wegen zur gerichtlichen Sachverständigen. Dr. Br. erstattete aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 1. April 2016 unter dem selben Datum ein ärztliches Gutachten. Das Gutachten ging am 11. April 2016 beim SG ein. Die Klägerin leide an rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlicher Ausprägung. Zudem bestehe eine Tabakabhängigkeit. Gegenwärtig bestehe eine leichte depressive Episode bei rezidivierenden depressiven Episoden. Die Klägerin könne aus nervenärztlicher Sicht eine leichte körperliche Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden pro Tag leisten. Ausgeschlossen sei Nachtarbeit sowie die Übernahme von Verantwortung für Menschen.

Das SG lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH mit Beschluss vom 22. Juni 2016 ab. Die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin die Erklärung des Bevollmächtigten vom 27. April 2016, eingegangen beim SG am 29. April 2016, dass sie nur von den Sozialleistungen lebe und keinerlei Vermögen besitze, als Ergänzung der zuvor vorgelegten unvollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenshilfe für ausreichend erachten würde, sei Entscheidungsreife jedenfalls nicht vor dem 29. April 2016 eingetreten. Dies bedeute, dass bei der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Weitergewährung von Rente auch das bereits vorliegende Gutachten von Dr. Br. bei der Erfolgsprognose zu berücksichtigen sei. Aus dem Gutachten der Dr. Br. ergebe sich jedoch, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert sei.

Gegen den ihr am 28. Juni 2016 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 26. Juli 2016 beim SG Beschwerde eingelegt. Die PKH sei zusammen mit der Klageerhebung beantragt worden. Bereits in der Klageschrift sei mitgeteilt worden, dass sie nur von Alg II-Bezügen lebe und sonst kein Einkommen habe. Der Alg II-Bescheid sei beigefügt gewesen. Damit habe bereits bei Erhebung der Klage festgestanden, dass sie bedürftig sei und die Kosten der Rechtsstreits nicht finanzieren könne. Es sei gerichtsbekannt, dass Alg II-Empfänger keinerlei Vermögen oder Einkommen über diese Einkünfte hinaus zur Verfügung hätten, sonst würde kein Anspruch auf Alg II bestehen. Dies ergebe sich auch aus dem Alg II-Bescheid, auf welchen bereits in der Klage und in dem PKH-Formular verwiesen worden sei. Damit habe für das SG bereits am 17. Juli 2015 festgestanden, dass sie über keinerlei Einkünfte verfüge, außer jenen, die im Alg II-Bescheid aufgenommen seien. Dort seien die konkreten Alg II-Einkünfte jederzeit zu erkennen gewesen. Damit seien das Einkommen und die Vermögensverhältnisse hinreichend belegt gewesen. Erst mit Schreiben vom 8. Februar 2016 sei eine kurze Verfügung des SG erlassen worden. Konkret habe das SG auf die Angaben im Feld E und G Bezug genommen. Hierbei handle es sich um Fragen zum Einkommen und Vermögen. Diese Fragen seien jedoch schon geklärt. Das Einkommen sei nachgewiesen gewesen. Der Alg II-Bescheid haben von Anfang an vorgelegen. Damit sei Einkommen belegt. Weiter seien alle Felder durchgestrichen worden beim Abschnitt G. Dies bedeute, dass keinerlei Vermögen vorhanden sei. Dies sei jedem Sozialrichter bekannt, weil jeder Alg II-Empfänger bedürftig sei und gegebenenfalls außer einem kleinen Schonvermögen niemals weiteres einsetzbares Vermögen haben könne. Bereits mit Zustellung der Klage sei das Einkommen bekannt gewesen. Das SG hätte die PKH bereits lange vor Erhalt des Gutachtens bescheiden müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juni 2016 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit beim Sozialgericht Heilbronn mit dem Aktenzeichen S 5 R 2331/15 zu gewähren.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie auf die beigezogenen Akte der Beklagte Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 SGG) eingelegt worden und auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der seit dem 25. Oktober 2013 geltenden Fassung ausgeschlossen, denn der Beschwerdeausschluss gilt danach nur, wenn – was hier nicht der Fall ist – das Gericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist.

2. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Gewährung von PKH für das Verfahren S 5 R 2331/15 zu Recht abgelehnt.

a) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden, jedoch darf PKH unter diesem Gesichtspunkt bereits dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris, Rn. 13; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 5. Januar 1994 – 1 A 14/92 – juris, Rn. 3; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris, Rn. 4; Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 10 S 961/07 – juris, Rn. 3).

Bei der Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften über die Gewährung von PKH haben die Fachgerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen zu beachten. Dabei ist keine vollständige Gleichheit Unbemittelter, sondern nur eine weitgehende Angleichung geboten (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 22. Januar 1959 – 1 BvR 154/55 – juris, Rn. 22 f.; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris, Rn. 23, 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris, Rn. 35). Vergleichsperson ist derjenige Bemittelte, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/98 – juris, Rn. 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris, Rn. 35). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG auch einer Besserstellung der Unbemittelten gegenüber Bemittelten entgegensteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 2009 – 1 BvR 2455/08 – juris, Rn. 9; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2010 – 1 BvR 1974/08 – juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2011 – 1 BvR 2735/11 – juris, Rn. 7; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris, Rn. 13). Im Verfahren über die Bewilligung von PKH ist bezüglich der Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine summarische Prüfung geboten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2006 – 1 BvR 2236/06 – juris, Rn. 13; Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 14. Dezember 2006 – IX ZR 164/05 – juris, Rn. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2006 – L 7 SO 96/06 PKH-B – juris, Rn. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris, Rn. 4).

In zeitlicher Hinsicht kommt es für die Erfolgsaussichten auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrages an. Diese Bewilligungsreife liegt erst bei einem vollständigen Antrag vor. Dazu gehört neben der schlüssigen Begründung der Klage die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris, Rn. 15; BGH, Beschluss vom 18. November 2009 – XII ZB 152/09 – juris, Rn. 10; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 2014 – L 11 R 4217/13 B – juris, Rn. 21). Auch muss dem Prozessgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sein.

b) Nach diesen Maßstäben hat die Klage der Klägerin jedenfalls seit der Entscheidungsreife des PKH-Antrages keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, sondern erweist sich als unbegründet.

aa) Bewilligungsreife lag frühestens am 29. April 2016 vor, als beim SG die Mitteilung ihres Bevollmächtigten einging, dass die Klägerin über keinerlei Vermögen verfügt.

Durch die mit der Klageerhebung am 17. Juli 2015 erfolgte Vorlage des Formulars "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" konnte keine Bewilligungsreife herbeigeführt werden. Denn die Klägerin hat in dem Formular zu Einnahmen (Abschnitt E) und Vermögen (Abschnitt G) keinerlei Angaben gemacht. Diese Abschnitte waren teilweise durchgestrichen und im Übrigen nicht ausgefüllt. Dass die Klägerin keinerlei Einkommen hat, ist aber nicht glaubhaft, weil es nicht plausibel ist, von "nichts" zu leben. Die Nichtangabe von Einkommen wurde im Übrigen durch die Klägerin selbst durch die gleichzeitige Vorlage des Bescheides des Landratsamtes L. vom 22. Mai 2015 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II dementiert. Angesichts dieser Lücken, Implausibilitäten und Widersprüche lag ein vollständiger Antrag auf PKH nicht vor. Hierauf wies das SG mit Schreiben vom 8. Februar 2016 die Klägerin zu Recht hin. Erst am 7. Juni 2016 legte die Klägerin dann die "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" ausgefüllt vor und offenbarte neben den Leistungen nach dem SGB II Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 484,49 und Kindergeld in Höhe von EUR 190,00 – wobei zu diesen Einnahmen keine Belege beigefügt waren – sowie Vermögen in Form eines Girokontoguthabens von EUR 810,00 und eines Personenkraftwagens mit einem Verkehrswert von EUR 1.800,00.

Auch aus dem bereits mit Klagerhebung mitgeteilten Umstand, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezieht, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass sie über kein Vermögen verfügt. Rückschlüsse zwischen dem Leistungsbezug nach dem SGB II und der Bedürftigkeit im Sinne des PKH-Rechts sind nicht zulässig, denn Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II kann auch bestehen, wenn Vermögen vorliegt, das aufgrund seiner Höhe oder seiner Art bei der Bedürftigkeitsprüfung außen vor zu bleiben hat (§ 12 Abs. 2 und 3 SGB II). Für den Anspruch auf PKH gelten hingegen andere, niedrigere Vermögensfreibeträge (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII]; zu den Einzelheiten etwa Mecke, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 90 Rn. 83 ff.). Dem entspricht auch, dass das Formular inzwischen – und auch in der von der Klägerin verwendeten Fassung – Angaben zu den Abschnitten E bis J vorbehaltlich anderer gerichtlicher Anordnung (§ 2 Abs 3 Prozesskostenhilfevordruckverordnung [PKHVV]) nur dann für entbehrlich erklärt, wenn Leistungen nach dem SGB XII bezogen werden, nicht aber bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Die Argumentation der Klägerin und ihr Hinweis auf den SGB II-Bewilligungsbescheid gehen daher auch insofern ins Leere.

bb) Bei der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht vor.

(1) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

(2) Diese Voraussetzungen liegen bei der im PKH-Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht vor. Die Klägerin leidet zwar unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, nämlich unter rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlicher Ausprägung. Zuletzt hat die gerichtliche Sachverständige Dr. Br. bei einer Untersuchung der Klägerin am 1. April 2016 eine leichte depressive Episode festgestellt. Das Gleiche gilt für die Untersuchung der Klägerin am 4. März 2015 durch Dr. S ... Eine mittelschwere bis schwere Ausprägung stellte Dr. S. am 1. April 2014, eine schwere depressive Episode Dr. C. während der stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 11. September bis 15. Oktober 2013 – also jeweils vor Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums – fest. Während leichte Episoden nach Einschätzung Dr. S. und Dr. Br. und zur Überzeugung des Senats die berufliche Leistungsfähigkeit nicht in quantitativer Hinsicht mindern, lässt sich nicht feststellen, dass die mittelschweren und schweren Episoden im streitgegenständlichen Zeitraum so anhaltend und zumal zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Antrages vorhanden waren, dass die Erwerbsfähigkeit zumindest für sechs Monate ununterbrochen in rentenberechtigendem Grad gemindert gewesen wäre. Ausgeschlossen sind lediglich Nachtarbeit sowie Tätigkeiten, die mit der Übernahme von Verantwortung für Menschen einhergehen.

(3) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(4) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.

(5) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen.

cc) PKH war auch nicht deswegen zu gewähren, weil das SG Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt hat. Abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt nach dem oben Dargelegten der PKH-Antrag noch gar nicht bewilligungsreif war, rechtfertigt die Einholung eines Berichtes des behandelnden Arztes noch nicht die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten. Bei der Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte handelt es sich noch nicht um eine Beweisaufnahme im engeren Sinne, sondern die Einholung von Äußerungen der behandelnden Ärzte dient allein dazu, den klägerischen Vortrag zu substantiieren und schlüssig zu machen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris, Rn. 20; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – L 11 R 2360/14 B – juris, Rn. 21).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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