L 11 KR 2547/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 1760/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2547/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten einer Hörgeräteversorgung iHv 2.195,42 EUR.

Die 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und leidet an beidseitiger mittel- bis hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit. Sie arbeitet als Krankenpflegehelferin und ist dabei im Wesentlichen zuständig für die Durchführung neurologischer Untersuchungen wie EEG, evozierte Potenziale, Schwindellabor und NLG.

Der HNO Arzt Dr. W. verordnete am 13.05.2014 beidseitige Hörhilfen als Ersatz für verloren gegangene Hörgeräte.

Die Klägerin beantragte am 28.05.2014 bei der Beklagten die Versorgung mit den nicht zuzahlungsfreien Hörgeräten "Agil Pro Mini Ex". Vorgelegt wurde eine Patientenerklärung zur Versorgung mit Mehrkosten, eine Verlustanzeige, der Anpass- und Abschlussbericht des Hörgeräteakustikers sowie Prüfbögen zu den getesteten Hörgeräten. Beigefügt war auch der Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers über die beantragten Hörgeräte, der Gesamtkosten iHv 3.892 EUR, bestehend aus einer Kassenleistung iHv 1.696,58 EUR und einem Kundenanteil von 2.195,42 EUR auswies.

Mit Schreiben vom 03.06.2014 übersandte die Beklagte ein mit "Weiterleitung eines Rehabilitationsantrages nach § 14 SGB IX" überschriebenes Schreiben an die Beigeladene, in welchem sie unter anderem angab, dass sie die Kosten in Höhe der geltenden Festbeträge übernehme und um Prüfung einer Beteiligung oberhalb des Zuschusses bat.

Mit Bescheid vom 04.06.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Hörgeräte bis zur Höhe der geltenden Vertragspreise (- Höhe näher dargestellt -) übernommen würden. Zur Prüfung eines weiteren Zuschusses seien die Unterlagen an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet worden.

Mit Schreiben vom 07.07.2014 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass ein berufsbedingter Mehrbedarf nicht bestehe. Daraufhin gab die Beklagte der Klägerin per E-Mail vom 12.11.2014 bekannt, dass eine weitere Kostenübernahme (über die geltenden Festbeträge iHv 1.676,58 EUR hinaus) nicht möglich sei. Die Klägerin legte am 14.11.2014 hiergegen sinngemäß Widerspruch ein und bat unter Übersendung einer aktuellen Hörkurve um eine erneute Prüfung. Zudem teilte sie der Beklagten mit, dass die Anpassphase der Hörgeräte abgeschlossen sei und sie sich für die Hörgeräte "Agil Pro Mini Ex" entschieden habe. Mit den so genannten Kassengeräten käme sie nur schwer zurecht. Die Hintergrundgeräusche würden mit den zuzahlungsfreien Geräten ("Novasense G") nur mangelhaft herausgefiltert. Das Hörverstehen im Team und beim Telefonieren sei während der Anpassung ein großes Problem gewesen.

Zwischenzeitlich hatte die Klägerin mit Schreiben vom 09.09.2014 erneut bei der Beklagten eine Kostenübernahme für die Hörgeräte "Agil Pro Mini Ex" beantragt. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 15.09.2014 mitgeteilt, dass für Hilfsmittel, die für die berufliche Tätigkeit benötigt würden, der Arbeitgeber oder die Rentenversicherung zuständig sei. Die Klägerin beantragte nachfolgend bei der Beigeladenen Leistungen zur Teilhabe. Diese leitete den Antrag gem § 14 SGB IX an die Beklagte weiter und teilte dies mit Schreiben vom 25.09.2014 der Klägerin mit.

Im Rahmen einer sozialmedizinischen Fallberatung stellte Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) am 27.01.2015 fest, dass im Konsens mit dem verordnenden HNO-Arzt keine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliege. Aufgrund der Messdaten wäre das Festbetragsgerät "Novasense G" geeignet, den unmittelbaren Behinderungsausgleich zu erzielen. Die Vorteile des zuzahlungspflichtigen Geräts seien marginal und lägen im Komfortbereich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine medizinische Notwendigkeit für die Versorgung mit dem höherwertigen Gerät nicht bestehe.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.05.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Mit Urteil vom 08.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte im Außenverhältnis zur Klägerin für den Kostenerstattungsantrag insgesamt zuständig sei, da keine wirksame Weiterleitung gemäß § 14 SGB IX an die Beigeladene stattgefunden habe. Die Beklagte habe ihre Leistungspflicht zum möglichst vollständigen Behinderungsausgleich durch Bewilligung des Festbetrages erfüllt. Ausweislich des Anpassungsberichts des Hörgeräteakustikers vom 17.07.2014 habe die Klägerin sowohl bei dem zuzahlungsfreien Hörgerät "Novasense G" als auch bei dem Gerät "Agil Pro Mini Ex" bei einem Nutzschall von 65 dB einen Hörgewinn von 85 % und bei einem Störschall von 60 dB einen Hörgewinn von 25 % erzielt. Angesichts dieses identischen Hörzugewinns sei überzeugend, dass der MDK in seinem Gutachten angegeben habe, die Versorgung mit dem zuzahlungsfreien Gerät erlaube objektiv die Erzielung eines bestmöglichen Hörverstehens. Es sei nicht ersichtlich, dass der mit dem zuzahlungspflichtigen Hörgerät verbundene Mehraufwand durch funktionelle Nutzungsvorteile gerechtfertigt wäre, die über den reinen Komfort hinausgingen. Vielmehr würden beide Hörgeräte ein annähernd identisches Hörvermögen ermöglichen. Insbesondere übersteige die Bluetoothfunktion des Hörgerätes das Hörvermögen eines Gesunden und gehe damit über einen unmittelbaren Behinderungsausgleich hinaus. Nach alledem habe die Klägerin keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V. Ein Kostenerstattungsanspruch aufgrund einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den Vorschriften des SGB VI iVm SGB IX bestehe nicht, da ein berufsbedingter Mehrbedarf, der über die allgemeine Hörgeräteversorgung hinausgehe, nicht vorhanden sei. Ausweislich der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung würden die mit der Tätigkeit als Krankenpflegehelferin verbundenen Anforderungen an das Hörvermögen nicht über die Anforderungen hinaus gehen, die auch im privaten Alltag zu bewältigen seien.

Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 10.06.2016 zugestellte Urteil haben diese am 07.07.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die bei ihr vorliegende Behinderung mit Hörgeräten zum Festpreis nicht ausreichend ausgeglichen werden könne. Dies habe die Überprüfung beim Hörgeräteakustiker ergeben. Das Sprachverstehen sei sehr schlecht gewesen, da die Nebengeräusche nicht hätten herausgefiltert werden können. Dies sei nur mit dem beantragten Gerät möglich gewesen. Hinzu komme, dass dieses Gerät bluetoothfähig sei. Die Beklagte sei verpflichtet, auch den Betrag oberhalb des Festbetrages zu übernehmen, wenn mit Festbetragsgeräten eine ausreichende Versorgung nicht sichergestellt sei. Diese Voraussetzung liege bei ihr vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.06.2016 aufzuheben, den Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr den Festbetrag übersteigende Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 2.195,42 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 15.09.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Zudem hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass die gerichtlichen Ermittlungen abgeschlossen seien und die Einholung eines Gutachtens gem § 109 SGG nicht für notwendig erachtet werde. Die medizinischen Tatsachen seien nicht umstritten. Es komme entscheidend auf den Anpassbericht des Hörgeräteakustikers an.

Die Beklagte und Beigeladene haben sich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt. Die Klägerin hat an einer zuvor schon beantragten Begutachtung gem § 109 SGG durch eine näher bestimmte Ärztin zum Nachweis dafür, dass die Angaben im Anpassbericht des Hörgeräteakustikers nicht zutreffend seien, festgehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2015, mit dem die Übernahme/Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Beschaffung der Hörgeräte "Agil Pro Mini Ex" abgelehnt worden ist. Der Bescheid vom 04.06.2014 ist nicht Streitgegenstand. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts bewilligte die Beklagte mit diesem Bescheid ausschließlich den Festbetrag. Eine Entscheidung über einen weiteren Zuschuss über den Festbetrag hinaus enthält dieser Bescheid nicht. Vielmehr wird ausgeführt, dass diesbezüglich eine weitere Prüfung erfolgt. Erst mit E-Mail vom 12.11.2014 hat die Beklagte eine weitere Kostenübernahme abgelehnt.

Der Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme bzw Erstattung von den Festbetrag übersteigenden Kosten der Versorgung mit den Hörgeräten "Agil Pro Mini Ex". Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Bei dem Antrag auf Kostenübernahme für die Hörgeräte vom 09.09.2014 handelt es sich nicht um einen eigenständigen Antrag, sondern um eine Wiederholung des Antrags vom 28.05.2014. Gleiches gilt für den bei der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.09.2014 gestellten Antrag auf Kostenübernahme der Eigenanteilskosten, der von der Beigeladenen am 25.09.2014 an die Beklagte gemäß § 14 SGB IX weitergeleitet worden ist.

Den von der Klägerin gestellten und auch nach Anhörung gemäß § 153 Abs 4 SGG aufrechterhaltenen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG lehnt der Senat ab. Unabhängig davon, dass es nach Ansicht des Senats hinsichtlich der Frage, ob mit dem zuzahlungspflichtigen Hörgerät ein besserer Behinderungsausgleich vorgenommen werden kann als mit einem zuzahlungsfreien Gerät, grundsätzlich entscheidend auf den Anpassbericht des Hörgeräteakustikers ankommt, sind die medizinischen Tatsachen im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Der Schweregrad der Schwerhörigkeit steht eindeutig und unumstritten fest. Insoweit bedarf es demnach keiner Ermittlung durch das Gericht mehr. Soweit die Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG bei der benannten Ärztin zum Nachweis dafür beantragt wird, dass die Angaben im Anpassbericht des Hörgeräteakustikers nicht zutreffend sind bzw mit dem zuzahlungsfreien Gerät nicht das bestmögliche Hörverstehen erzielt worden ist, ist die Einholung eines Gutachtens bei einer Ärztin untauglich. Dieses Beweisthema ist einer medizinischen Beurteilung nicht zugänglich und damit vom Antragsrecht gem § 109 SGG nicht erfasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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