L 7 SO 3527/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 2829/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3527/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 12. September 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Gegenstand des am 7. September 2016 beim Sozialgericht Ulm (SG) anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist in der Sache das Begehren des Antragstellers auf darlehensweise Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit ab 1. August 2016, nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. Juli 2016 dem Antragsteller für Juli 2016 darlehensweise Grundsicherungsleistungen gewährt und Grundsicherungsleistungen ab 1. August 2016 gem. § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (SGB I) versagt hatte sowie sein am 19. August 2016 beim SG gestellter einstweiliger Rechtsschutzantrag betreffend Grundsicherungsleistungen "auf Darlehensbasis" ab 1. August 2016 ohne Erfolg geblieben ist (SG, Beschluss vom 25. August 2016 - S 14 SO 2629/16 ER -; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. September 2016 - L 2 SO 3254/16 ER-B -; dem Antragsteller am 3. September 2016 zugestellt). Dieses erneute einstweilige Rechtsschutzgesuch hat das SG durch Beschluss vom 12. September 2016 abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 20. September 2016 beim LSG Baden-Württemberg eingelegten Beschwerde. An seiner Beschwerde hat er auch festgehalten (Schreiben vom 29. September 2016), nachdem der Antragsgegner von einer Nachholung der geforderten Mitwirkung (Vorlage "ungeschwärzter" Kontoauszüge) ausgegangen ist sowie darlehensweise Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. August 2016 bis zum 31. Oktober 2016 am 23. September 2016 in Höhe von insgesamt 1.174,98 EUR ausbezahlt und mit Bescheid vom 28. September 2016 für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Juli 2017 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 388,66 EUR als Darlehen bewilligt hat.

2. Unabhängig davon, ob der begehrten vorläufigen Gewährung von darlehensweisen Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab 1. August 2016 die Rechtskraft des im Verfahren L 2 SO 3254/16 ER-B am 1. September 2016 ergangenen und dem Antragsteller am 3. September 2016 zugestellten Beschlusses des LSG Baden-Württemberg entgegensteht (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 8. September 2010 - L 7 SO 3038/10 ER-B - juris), ist der Beschluss des SG vom 12. September 2016 nicht zu beanstanden und die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

3. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Nach § 86b Abs. 4 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt nunmehr - nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit ab 1. August 2016 Leistungen bewilligt und gewährt hat (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz im Falle eines Versagungsbescheids z.B. Senatsbeschluss vom 8. April 2010 - L 7 AS 304/10 ER-B - juris Rdnrn. 3 f.) - allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).

4. Jedenfalls sind die Anordnungsvoraussetzungen im Beschwerdeverfahren nicht mehr gegeben. Denn es fehlt an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Anordnungsgrund, nämlich der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens. Durch eine einstweilige Anordnung soll vermieden werden, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren erlangen kann (Keller in Meyer-Ladewig u.a., 11. Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 27a). Entscheidend ist, ob es bei einer Interessenabwägung nach den Umständen des Einzelfalls für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 86b Rdnr. 134; Keller, a.a.O. Rdnr. 28; Krodel in Beck´scher Online-Kommentar-Sozialrecht, § 86b Rdnr. 72). Dabei genügen die mit jedem Hauptsacheverfahren zwingend verbundenen zeitlichen Nachteile nicht (Keller, a.a.O., Rdnr. 29a).

Vorliegend ist es dem Antragsteller zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Antragsgegner hat zwischenzeitlich durch Bescheid vom 28. September 2016, den der Antragsteller freilich mit einem Widerspruch (vgl. Schreiben vom 4. Oktober 2016) angegriffen hat, für die Zeit vom 1. August 2016 bis zum 31. Juli 2017 - ergänzend zu der Altersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von derzeit 260,34 EUR - dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 388,66 EUR als Darlehen bewilligt und dabei den Regelbedarf in Höhe von 404,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 270,00 EUR berücksichtigt und die Altersrente sowie eine Stellplatzmiete (25,00 EUR) als Einkommen abgesetzt. Nachdem der Antragsgegner mithin zwischenzeitlich existenzsichernde Leistungen für die Zeit ab 1. August 2016 bewilligt hat, ist eine Dringlichkeit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens nicht mehr gegeben. Vielmehr ist es dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang der anhängigen Vorverfahren betreffend den Bescheid vom 28. September 2016 abzuwarten und dort seine Einwendungen vorzubringen. Eine gegenwärtige akute Notlage, zu deren Behebung die Regelungsanordnung dient (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschluss vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - juris; ferner Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., Rdnr. 335; Keller, a.a.O., Rdnr. 35a), hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht aufzuzeigen vermocht; eine solche ist für den Senat auch nicht ersichtlich.

Zwar hat der Antragsteller geltend gemacht, die vom Antragsgegner gewährten Leistungen seien zu niedrig, weil seine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sich auf monatlich 421,00 EUR beliefen und die Einnahmen für den Stellplatz einen "durchlaufenden Posten zu Gunsten der Vermieterin" darstellten. Jedoch hat der Antragsgegner zu Recht hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie des Zuflusses der Stellplatzmiete erheblichen Aufklärungsdarf gesehen, den Antragsteller zur Mitwirkung aufgefordert und eine ggf. erforderliche Überprüfung bzw. Korrektur zugesagt (vgl. Bescheid vom 28. September 2016, Schreiben vom 7. Oktober 2016). Denn den vom Antragsteller beim Antragsgegner eingereichten Kontoauszügen ist zu entnehmen, dass ihm am 10. Juni 2016, 5. Juli 2016 und 10. August 2016 seitens J. B. eine "Stellplatzmiete" in Höhe von monatlich 25,00 EUR zugeflossen ist und er am 29. April 2016, 1. Juni 2016, 1. August 2016 und 1. September 2016 an M. H.-S. eine "Miete" in Höhe von monatlich 270,00 EUR überwiesen hat. Auch in seiner Beschwerdeschrift vom 14. September 2016 hat er selbst vorgetragen, dass er eine "Miete von EUR 270,00 bezahlen muss". Weder in seinem Widerspruchsschreiben vom 4. Oktober 2016 noch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller es vermocht, die Differenz zwischen seinen nachgewiesenen Zahlungen an seine Vermieterin in Höhe von monatlich 270,00 EUR und dem im schriftlichen Mietvertrag vereinbarten monatlichen Mietzins in Höhe von 412,00 EUR ansatzweise zu erklären. Soweit der Antragsteller insoweit vorgebracht hat, dass der reduzierte Betrag "nur für die Miete" stehe und die Kaution als Sicherheit diene, ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Denn die mietvertraglich geschuldete "Miete" (vgl. § 535 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) meint grundsätzlich die "Brutto-Warm-Miete" (vgl. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 535 Rdnr. 649). Die an die Vermieterin vorgenommenen Überweisungen sind mit dem Betreff "Miete" versehen. Dass und ggf. auf welche Forderungen der Vermieterin er Teilzahlungen hat erbringen wollen, ist den Kontoauszügen nicht zu entnehmen. Auch das Vorbringen, dass die hinterlegte Kaution hinsichtlich nicht erbrachter Teilzahlungen als "Sicherheit" diene, ist nicht nachvollziehbar. Denn während der Mietzeit ist der Vermieter im Hinblick auf das Kautionsguthaben wie ein Treuhänder anzusehen (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, a.a.O., § 551 Rdnr. 89) Die treuhänderische Gebundenheit des Vermieters erlischt erst, wenn er fällige Forderungen aus dem Mietverhältnis gegen den Mieter hat und damit gegen die Kaution aufrechnet hat (Blank, a.a.O., Rdnr. 90). Während der Mietzeit kann der Vermieter allerdings nur wegen rechtskräftig festgestellter, unstreitiger oder offensichtlich begründeter Forderungen auf die Kaution zugreifen (Blank, a.a.O., Rdnrn. 90 f.). Dass hier eine solche Aufrechnung seitens der Vermieterin erfolgt ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr würde eine solche Aufrechnung der vom Antragsteller vorgelegten "Bestätigung" seiner Vermieterin vom 23. September 2016 widersprechen. Denn darin hat diese bestätigt, dass der Antragsteller "alle Zahlungsverpflichtungen" (Miete, Kaution, Nebenkosten, Heizkosten) "fristgemäß und vollständig erbracht" habe und "keine offenen Forderungen" bestünden. Wenn die Vermieterin wegen offener Forderungen gegen den Antragsteller mit der Kaution aufgerechnet hätte, wäre dadurch das Kautionsguthaben entsprechend geschmälert und die Vermieterin hätte gegen den Antragsteller einen Anspruch auf Wiederauffüllung der Kaution (vgl. dazu Blank, a.a.O., Rdnr. 90), mithin wäre der Antragsteller nicht "allen Zahlungsverpflichtungen" - vorliegend der Verpflichtung zur Widerauffüllung des Kautionsguthabens - nachgekommen. Wenn der Antragsteller dagegen tatsächlich die mietvertraglich geschuldete Miete in Höhe von 421,00 EUR geleistet hat, ist es ihm zumutbar, dies im Einzelnen zu erläutern und ggf. zu belegen. Die Behauptung des Antragstellers, es handele sich "um eine vorübergehende geänderte Zahlungsvereinbarung" mit seiner Vermieterin, ist pauschal und im Ansatz nicht nachprüfbar. Vielmehr ist es dem Antragsteller unschwer im Rahmen des Widerspruchsverfahrens möglich, im Einzelnen gegenüber dem Antragsgegner darzulegen, wann er welche Zahlungen an seine Vermieterin tatsächlich geleistet hat, welche konkreten - ggf. vom Mietvertrag abweichenden - Vereinbarungen er mit seiner Vermieterin für welchen Zeitraum getroffen hat und wie diese tatsächlich umgesetzt worden sind, und ggf. mit Nachweisen zu belegen.

Auch hinsichtlich der Zahlungen der J. B. für eine "Stellplatzmiete", die der Antragsgegner als Einkommen berücksichtigt hat (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), ist es dem Antragsteller möglich und zumutbar, dem Antragsgegner Rechtsgrund, Beginn und Dauer dieser Zuflüsse zu erläutern und ggf. zu belegen (Mietvertrag, Kündigung etc.). Seine Behauptung, die Einnahmen für den Stellplatz seien "durchlaufende Posten zu Gunsten der Vermieterin", ist unsubstantiiert und nicht glaubhaft gemacht. Aus den beim Antragsgegner eingereichten Kontoauszügen ist nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin diese Beträge an seine Vermieterin überwiesen hat. Auch hat er nicht vorgetragen, geschweige denn belegt, wann er auf welcher Rechtsgrundlage die ihm zugeflossene "Stellplatzmiete" an seine Vermieterin weitergeleitet hat.

Gründe sind nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), die es unzumutbar erscheinen ließen, die Klärung der skizzierten Widersprüche und Unklarheiten in einem Hauptsacheverfahren abzuwarten. Insbesondere hat es der Antragsteller selbst in der Hand, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid vom 28. September 2016 konstruktiv mitzuwirken. Gerichtliche Hilfe im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist dazu nicht erforderlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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