Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 2640/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 268/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.12.2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 23.210,80 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (Richtgrößenprüfung) verfügten Heilmittelregresses (Jahr 2006).
Der Kläger nimmt seit 05.02.1986 als Facharzt für Orthopädie mit Sitz in H. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er führt die Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie, ist als H-Arzt tätig und verfügt über die Genehmigung zur Durchführung ambulanter Operationen und Osteodensitometrien (Knochendichtemessungen).
Die (für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständige) Prüfungsstelle (der G. P. Baden-Württemberg) leitete beim Kläger für das Jahr 2006 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung (Richtgrößenprüfung) hinsichtlich der Verordnung von Heilmitteln ein. Mit Schreiben vom 22.10.2008 teilte sie dem Kläger mit, bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 15 % sei von Amts wegen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen. Bei dieser Prüfung handele es sich um eine Auffälligkeitsprüfung für den Zeitraum eines Kalenderjahres auf der Grundlage der Heilmittel-Richtgrößenvereinbarung 2006. Man habe im Rahmen der Vorabprüfung ermittelt, dass das Heilmittelverordnungsvolumen des Klägers im Kalenderjahr 2006 das individuelle Richtgrößenvolumen um mehr als 15 % (um 28,31 %) übersteige, was auf Grund der vorliegenden Daten ersichtlich nicht in vollem Umfang auf Praxisbesonderheiten beruhe. Unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes seien die für den Kläger günstigsten Richtgrößenwerte (im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) vormals noch vier selbstständige Bezirke) angesetzt worden; zusätzlich habe man die Kosten für Logopädie- und Ergotherapieverordnungen als Praxisbesonderheit vom Verordnungsvolumen abgezogen. Der Kläger erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 16.12.2008 setzte die Prüfungsstelle für das Jahr 2006 einen Regressbetrag i.H.v. 23.210,80 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, die Richtgrößenvereinbarung (Heilmittel) und damit auch die für den Kläger maßgeblichen Richtgrößenwerte seien noch im Jahr 2005 und damit rechtzeitig durch Rundschreiben veröffentlicht worden. Mangels einheitlicher Richtgrößen im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) seien die für den Kläger günstigsten Richtgrößen angesetzt worden (Krankenkassenmitglieder und Familienversicherte (M/F): 48,72 EUR; Rentnerversicherte (R): 52,56 EUR). Kosten für Logopädie und Ergotherapie habe man pauschal als Praxisbesonderheit berücksichtigt. Im Übrigen lägen Praxisbesonderheiten und/oder kompensatorische Einsparungen aber nicht vor. Die Krankheitsbilder der vom Kläger behandelten Patienten unterschieden sich insbesondere hinsichtlich der Verordnungsnotwendigkeit nicht von den Krankheitsbildern der Patientenschaft einer durchschnittlichen orthopädischen Praxis. Zusammenfassend ergebe sich für die Heilmittelausgaben Folgendes:
Brutto-Verordnungskosten 1.087.803,87 EUR./. Logopädie und Ergotherapie 11.127,72 EUR Bereinigter Arztwert 1.076.676,15 EUR Richtgrößenvolumen (Meistbegünstigungsregelung) 839.113,68 EUR Abweichung in EUR 237.562,47 EUR
Abweichung in % 28,31 %
Richtgrößenvolumen + 25% 1.048.892, 10 EUR Brutto-Regresssumme 27.784,05 EUR Netto-Regresssumme 23.210,80 EUR
Am 16.01.2009 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, für die Festsetzung eines Regresses gebe es keine hinreichende Rechtsgrundlage. Einheitliche Richtgrößenwerte (für den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1)) seien nicht vereinbart worden, weshalb er sich mit seinem Verordnungsverhalten nicht auf einen voraussagbaren Wert habe einstellen können. Die Meistbegünstigungsregelung sei im Bescheid nicht nachvollziehbar dargestellt. Praxisbesonderheiten lägen bei der Schmerztherapie und der Osteoporosebehandlung vor. Daraus folge ein Mehrbedarf für Heilmittel.
Am 11.11.2009 fand die Sitzung des Beklagten statt; der (ordnungsgemäß geladene) Kläger nahm an der Sitzung nicht teil. Mit Beschluss vom 11.11.2009/Widerspruchsbescheid vom 31.03.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Prüfungsstelle habe rechtsfehlerfrei die dem Kläger günstigsten Richtgrößenwerte angewendet. Wegen der bis Ende 2004 vorgeschriebenen Errichtung der Beigeladenen zu 1) durch Fusion ihrer vormals selbstständigen Bezirke habe man für den Übergangszeitraum 2005 und 2006 die sehr unterschiedlichen Verordnungssituationen getrennt erfassen und für jeden Unterbezirk der Beigeladenen zu 1) eigene Richtgrößen festlegen müssen. Die Vertragspartner hätten die Prüfungsstelle in einer Protokollnotiz zur Richtgrößenvereinbarung vom 22.11.2007 daher ermächtigt, der Prüfung in den Jahren 2005 und 2006 die meistbegünstigenden Richtgrößen zugrunde zu legen, um jegliche Benachteiligung der Vertragsärzte auszuschließen; das sei auch dem Kläger zugutegekommen. Im Jahr 2006 habe der Kläger sein zulässiges individuelles Richtgrößenvolumen um 29,64% überschritten. Praxisbesonderheiten seien wegen der Zusatzbezeichnung Sportmedizin, der Tätigkeiten als H-Arzt und in der Chirotherapie sowie wegen der Berechtigung zur Durchführung ambulanter Operationen nicht festzustellen gewesen, zumal die entsprechenden Tätigkeiten von der überwiegenden Mehrzahl der Orthopäden ausgeführt würden. Der Kläger behandele, wie die Durchsicht der einschlägigen Unterlagen ergeben habe, eine absolut durchschnittliche konservativ-orthopädische Patientenschaft. Aufgrund der statistischen Daten zur Durchführung von Osteodensitometrien mit einer Vergleichsgruppenüberschreitung um 746% im Quartal 4/2006 gehe man davon aus, dass bereits der überproportionale Ansatz der Osteodensitometrien zu beanstanden sei, weshalb insoweit kein Spielraum für die Ableitung einer Praxisbesonderheit im Heilmittelbereich vorliege. Die vermehrte Behandlung von Patienten mit manifester Osteoporose könne zwar Einfluss auf die Verordnungskosten im Heilmittelbereich haben. Osteoporosebehandlungen gehörten allerdings zum Alltag eines konservativ tätigen Orthopäden; erst ein deutlich überdurchschnittliches Aufkommen dieser Patientenschaft könne eine zu berücksichtigende Praxisbesonderheit darstellen. Hierfür sei die Verordnungsaufstellung des Klägers im Arzneimittelbereich herangezogen worden. Bei den einschlägigen Bisphosphonatpräparaten, die bei manifester Osteoporose eingesetzt würden, betrage der Verordnungsanteil des Klägers an den Gesamtverordnungen im Jahr 2006 insgesamt 1,52%. Der Anteil bei der Vergleichsgruppe sei mit 2,32% aber um 65,5% höher gewesen. Das spreche nicht für einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Osteoporosepatienten in der Praxis des Klägers und decke sich zudem mit dem Ergebnis der Durchsicht der mit den Abrechnungsscheinen zusammen sortierten Heilmittelverordnungsblätter. Hinsichtlich der als Praxisbesonderheit geltend gemachten Schmerztherapie sei festzustellen, dass der Kläger weder die Zusatzbezeichnung Schmerztherapie führe noch an der Schmerztherapievereinbarung teilnehme. Zur Anerkennung einer entsprechenden Praxisbesonderheit sei eine umfangreiche Betreuung von Patienten in den Stufen 2 und 3 des WHO-Schmerzschemas notwendig, da die Schmerzbehandlung im Übrigen zum allgemeinen Tätigkeitsbereich der Orthopäden gehöre. Hierfür habe man (ebenfalls) die Aggregatestatistik des Klägers im Arzneimittelbereich herangezogen. Mit einem Verordnungsanteil von 8,77% gegenüber 6,86% bei der Vergleichsgruppe würden Arzneimittel für Schmerzfälle der genannten Stufen zwar um 28% häufiger verordnet, jedoch zeigten die prozentualen Anteile sowohl beim Kläger als auch bei der Vergleichsgruppe insgesamt, dass die schweren Schmerzfälle einen sehr kleinen Teil der Patientenschaft ausmachten. Aus dieser vom Verordnungsspektrum eines schwerpunktmäßig tätigen Schmerztherapeuten geringfügigen Abweichung könne ein Schmerztherapieschwerpunkt als Praxisbesonderheit, der sich maßgeblich auf die Heilmittelverordnungen auswirken könnte, nicht abgeleitet werden. Zudem sei nicht jeder Schmerzpatient für einen intensiven Heilmitteleinsatz geeignet. Der gegenüber der Fachgruppe um 20% höhere Anteil von Rentnerversicherten werde durch die entsprechend höheren Richtgrößenwerte für Rentner berücksichtigt. Verordnungskosten für Logotherapie und Ergotherapie seien pauschal als Praxisbesonderheit abgesetzt worden. Kompensatorische Einsparungen seien bei (ebenfalls vorliegenden) Überschreitungen der Arzneimittelrichtgrößen (um 38 %) nicht festzustellen (in einem anderen Prüfungsverfahren verfügter Arzneimittelregress: 17.328,54 EUR). Die Honoraranforderung des Klägers habe im Jahr 2006 den Fachgruppendurchschnitt um 92 % überschritten. Die Fallzahl des Klägers habe um 164 % über dem Fallzahldurchschnitt der Fachgruppe gelegen (mit einem eigentlich zu erwartenden entsprechenden Effekt durch Verdünnerscheine (ohne Heilmittelverordnungen)), was Zweifel daran wecke, ob eine derart hohe Zahl von Patienten in einer Einzelpraxis noch fachgerecht betreut werden könne. Die Prüfungsstelle habe einen zu geringen Nettoregressbetrag errechnet; dies werde wegen des Verböserungsverbots aber nicht korrigiert. Angesichts der massiv auffälligen Werte in allen Leistungsbereichen (Heilmittel, Arzneimittel, Honorarabrechnung) möge der Kläger seine Behandlungsweise überdenken.
Am 03.05.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung trug er vor, die Prüfung sei unzulässig gewesen, weil die einschlägige Richtgrößenvereinbarung erst im Laufe des Prüfungsjahres getroffen worden sei, so dass er sich hierauf nicht habe einstellen können. Auch wenn ihm der günstigste Richtgrößenwert zugutegekommen sei, bleibe er dabei, dass er durchweg standardgemäß Heilmittel verordnet habe. Da sich seine Praxis an einem Industriestandort befinde, müsse er vermehrt Heilmittel verordnen. Er bezweifle die Sachgemäßheit einer Richtgrößenvereinbarung. Der Beklagte habe sich mit seinem Vorbringen zu Praxisbesonderheiten nicht ausreichend auseinandergesetzt; weshalb sich die Praxisbesonderheit Chirotherapie, die eine Spezialität seiner Praxis sei, auf die Verordnung von Heilmitteln nicht auswirken solle, sei nicht nachvollziehbar an Hand von Zahlen begründet worden. Im Honorarbereich habe ihm die Beigeladene zu 1) eine Praxisbesonderheit hinsichtlich der Osteodensitometrie zugestanden, weshalb überrasche, dass der Beklagte die vermehrte Abrechnung dieser Leistung bei der Prüfung der Heilmittelverordnungen beanstande. Er biete diese Leistung als einziger Vertragsarzt in weitem Umkreis an und habe insoweit auch einen überregionalen Einzugsbereich. Er behandele weitaus mehr Osteoporosepatienten als andere Orthopäden. Er verordne deswegen vermehrt Nahrungsergänzungsmittel und Heilmittel zur Wiederherstellung von Kraft und Beweglichkeit. Auch die Darlegungen des Beklagten hinsichtlich der Schmerztherapie seien nicht nachvollziehbar und würden bestritten. Er habe einen hohen Anteil an Schmerzpatienten, die er systemisch behandele; hierfür habe er einschlägige Fortbildungen absolviert. Der Widerspruchsbescheid sei schließlich erst 4 Monate und 3 Wochen nach der Sitzung des Beklagten und damit zu spät erlassen worden.
Der Beklagte trat der Klage entgegen. Die Heilmittelrichtgrößenvereinbarung für das Jahr 2006 sei am 08.12.2005 abgeschlossen und die maßgeblichen Richtgrößen seien mit Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) vom 13.12.2005 veröffentlicht worden. Durch die einheitliche Anwendung der höchsten Richtgrößenwerte sei der Kläger ausschließlich begünstigt worden. Es werde nicht nur statistisch geprüft, vielmehr prüfe man stets auch eine repräsentative Anzahl von Verordnungsausdrucken in Zusammenschau mit den zugehörigen Abrechnungsscheinen. Hierfür werde auf eine sachkundige Besetzung des Ausschusses geachtet; an der Sitzung vom 11.11.2009 hätten zwei Orthopäden teilgenommen. Der Kläger habe das maximal zulässige (um 25 % angehobene) individuelle Richtgrößenvolumen in einem Ausmaß überschritten, das nicht mehr durch Besonderheiten in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten zu erklären sei. Die Schmerztherapie könne nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden, da die normale Schmerzbehandlung - im Gegensatz zur speziellen Schmerztherapie, die der Kläger nicht anwende -, zum üblichen Behandlungsspektrum eines Orthopäden gehöre. Gleiches gelte für die Behandlung von Osteoporosepatienten. Unter Hinzuziehung der Ergebnisse der gleichzeitig durchgeführten Arzneimittelrichtgrößenprüfung habe man festgestellt, dass zumindest kein überdurchschnittlicher Anteil an Patienten mit manifester Osteoporose vorgelegen habe. Hinsichtlich der Durchführung von Osteodensitometrien seien auch im Bereich der Honorarprüfung Praxisbesonderheiten nicht festgestellt worden. Die Chirotherapie werde nicht als Praxisbesonderheit gewertet, da diese Behandlung in der Fachgruppe der Orthopäden weit verbreitet und üblich sei und außerdem nicht jede chirotherapeutische Maßnahme eine Heilmittelverordnung nach sich ziehen müsse. Eine besondere Häufung von Heilmittelverordnungen, die zwingend auf eine vorausgegangene Chirotherapie bezogen werden könnten, habe man nicht festgestellt. Der Widerspruchsbescheid sei dem Kläger innerhalb der einschlägigen Fünfmonatsfrist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15.11.1995, - 6 RKa 5/94 -, in juris) zugestellt worden.
Die mit Beschluss des SG vom 25.01.2011 zum Verfahren beigeladenen Beteiligten äußerten sich nicht.
Mit Urteil vom 13.12.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es (unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, (SGG)) aus, der (Regress-)Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Er beruhe auf § 84 Abs. 8 i.V.m. § 84 Abs. 6 und § 106 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (in der während des Jahres 2006 noch maßgeblichen Fassung (SGB V)). Danach werde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Auffälligkeitsprüfung). Nach § 84 Abs. 6 Satz 1 bis 4 SGB V vereinbarten die zuständigen Gesamtvertragspartner zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach § 84 Abs. 1 SGB V getroffenen Arzneimittelvereinbarung. Zusätzlich sollten die Vertragspartner die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen. Die Richtgrößen leiteten den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Arzneimitteln nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens löse eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen aus. Diese Regelungen seien für Heilmittel nach § 106 Abs. 8 (richtig § 84 Abs. 8) SGB V unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V habe der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet sei; die Vertragspartner bestimmten in Vereinbarungen die Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten (§ 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V). Davon ausgehend habe der Beklagte gegen den Kläger wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens für die Verordnung von Heilmitteln im Jahr 2006 zu Recht einen Regress festgesetzt. Für das Jahr 2006 habe es nicht an einer wirksamen Richtgrößenvereinbarung gefehlt. Die Richtgrößenvereinbarung sei ein öffentlich-rechtlicher Normsetzungsvertrag. Sie sei daher zu veröffentlichen, wobei die Bekanntgabe durch Rundschreiben ausreiche. Für das Jahr 2006 hätten die Vertragspartner nach § 84 Abs. 1 SGB V für die Verordnung von Heilmitteln folgende Richtgrößen festgelegt:
Richtgrößenwerte Richtgrößenwerte Richtgrößenwerte Richtgrößenwerte Bezirk Bezirk Bezirk Bezirk Nord-Württemberg Südwürttemberg Nordbaden Südbaden M/F 41,27 EUR 39,12 EUR 48,72 EUR 36,41 EUR R 43,12 EUR 40,53 EUR 52,56 EUR 40,10 EUR
Diese Vereinbarung habe der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 8 i.V.m. § 84 Abs. 6 SGB V entsprochen. Insbesondere sei es zulässig gewesen, die Richtgrößen in den vormals selbstständigen Bezirken der Beigeladenen zu 1) in unterschiedlicher Höhe festzulegen. Die Richtgrößen seien auch rechtzeitig mit Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) vom 13.12.2005 veröffentlicht worden. Der Beklagte habe rechtsfehlerfrei die für den Kläger günstigeren (höheren) Richtgrößen des (ehemaligen) Bezirks Nordbaden angewendet; der Kläger sei dadurch nicht belastet, sondern (nur) begünstigt worden, weshalb eine unzulässige Rückwirkung nicht vorliege (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.03.2011, - B 6 KA 9/10 R -, in juris). Die vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten seien zu Recht nicht berücksichtigt worden. Für die Entscheidung hierüber stehe den Prüfgremien ein die gerichtliche Rechtskontrolle einschränkender Beurteilungsspielraum zu (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2005, - B 6 KA 63/04 R -, in juris). Die gerichtliche Überprüfung beschränke sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liege, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten habe, die sich bei Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergäben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet habe, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2007, - B 6 KA 27/06 R -, in juris). Diesen Anforderungen werde der angefochtene Bescheid gerecht. Für die Annahme einer Praxisbesonderheit sei ein besonderer Zuschnitt der Patientenschaft bzw. des Leistungsspektrums oder der Ausrichtung der Praxis erforderlich, was im Regelfall in Wechselbeziehung zu einer spezifischen Qualifikation des Arztes stehe. Von Amts wegen müssten nur offenkundige Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden; im Übrigen müsse der Vertragsarzt die Praxisbesonderheiten (substantiiert) geltend machen und darlegen. Dafür genüge es nicht, wenn er lediglich seine einzelnen Behandlungsfälle aufliste und sie einzeln mit Anführung von Diagnosen sowie Behandlungs- und Verordnungsmaßnahmen erläutere (vgl. juris-PK-SGB V/Clemens, § 106 Rdnr. 152). Vielmehr müssten spezielle Strukturen aufgezeigt werden. Hierfür sei es notwendig, dass der Arzt seine Patientenschaft und deren Erkrankungen "systematisiere", etwa indem er die schwerpunktmäßig behandelten Erkrankungen aufzähle und mitteile, welcher Anteil seiner Patientenschaft ihnen jeweils zuzuordnen und welcher Behandlungsaufwand durchschnittlich für die Therapie erforderlich sei. Diesen Erfordernissen genüge das Vorbringen des Klägers nicht. Hinsichtlich der Behandlung von Osteoporosepatienten sei schon nicht dargelegt, welcher Prozentsatz der Patienten tatsächlich an einer manifesten Osteoporose leide und in welcher Höhe hierfür im Durchschnitt über den Richtgrößen liegende Kosten für die Verordnung von Heilmitteln verursacht würden. Der Beklagte habe insoweit zutreffend darauf verwiesen, dass allein das Vorhalten der Osteodensitometrie als besonderer Untersuchungsmethode nicht den Schluss auf einen gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt erheblich höheren Patientenanteil mit manifester Osteoporose zulasse. Wie im (wegen eines Arzneimittelregresses ergangenen) Urteil des SG vom 12.05.2011 (- S 5 KA 7032/07 -) ausgeführt, sei davon auszugehen, dass der Kläger Untersuchungen zur Osteoporosediagnostik nur bei Vorliegen einer entsprechenden Indikation durchführe; andere Orthopäden (ohne Osteodensitometrie-Gerät) würden bei Vorliegen einer entsprechenden Indikation die Osteoporosediagnostik durch Überweisung zum Radiologen durchführen lassen. Daher sei auch unerheblich, ob der Kläger, wie er behaupte, im weiteren Umkreis als einziger Orthopäde selbst Knochendichtemessungen durchführe. Darüber hinaus habe der Beklagte dargelegt, dass aus der Verordnungsstatistik für das Jahr 2006 bei den einschlägigen Bisphosphonatpräparaten, die bei manifester Osteoporose eingesetzt würden, ein Verordnungsanteil beim Kläger von 1,52% gegenüber einem Verordnungsanteil von 2,32% bei der Fachgruppe der Orthopäden hervorgehe. Daraus habe er in nicht zu beanstandender Weise auf einen unterdurchschnittlichen Anteil an Patienten mit manifester Osteoporose geschlossen. Auch eine Praxisbesonderheit wegen der Behandlung von Schmerzpatienten sei nicht substantiiert dargetan; der Beklagte habe das im angefochtenen Bescheid ebenfalls zutreffend dargelegt. Dass der Kläger einschlägige Fortbildungen absolviert habe, ändere daran nichts. Der Kläger führe weder eine entsprechende Zusatzbezeichnung noch nehme er an der Schmerztherapievereinbarung teil. Einen besonderen Patientenzuschnitt, dessen Prozentsatz am Praxisaufkommen und den hierdurch verursachten Aufwand im Bereich der Verordnung von Heilmitteln habe der Kläger nicht einmal ansatzweise dargelegt. Entsprechendes gelte für sein Vorbringen zur Chirotherapie, die in der Fachgruppe der Orthopäden weit verbreitet sei und als übliche Therapieform angewendet werde. Davon abgesehen sei nicht erkennbar, weshalb chirotherapeutische Behandlungen zu vermehrten Heilmittelverordnungen führen sollten. Dass H. ein Industriestandort sei, begründe ebenfalls keine Praxisbesonderheit. Die Einhaltung der Heilmittel-Richtlinien für sich allein besage für die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nichts (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21.03.2012, - B 6 KA 18/11 R -, in juris). Der Widerspruchsbescheid sei (noch) rechtzeitig nach der Sitzung des Beklagten ergangen. Einwendungen gegen die Berechnung des Regressbetrags seien nicht erhoben worden.
Gegen das ihm am 27.12.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.01.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Das Urteil des SG überzeuge nicht. Die Vereinbarung von Richtgrößen greife in Grundrechte des Vertragsarztes ein; dafür fehle es hier an der notwendigen Rechtfertigung. Die Ärzte hätten sich auf die durch Rundschreiben vom 13.12.2005 bekannt gemachten Richtgrößen mit ihrem Verordnungsverhalten nicht rechtzeitig einstellen können. Dazu sei die Regelung zu kurzfristig und zu wenig durchschaubar gewesen. Das SG habe auch Praxisbesonderheiten (vermehrte Behandlung von Osteoporose- und Schmerzpatienten, Chirotherapie) zu Unrecht nicht anerkannt. Es sei lebensfremd, von einer vermehrten Knochendichtemessung nicht auf eine vermehrte Behandlung von Osteoporosepatienten zu schließen. Bei höherer Untersuchungsdichte steige die Aufdeckungsquote und damit auch die Behandlungsdichte. Die Patienten blieben erfahrungsgemäß auch bei dem Arzt, der die entsprechende Untersuchungsmethode vorhalte, und der für die Behandlung der entsprechenden Erkrankung besonders bekannt sei; das treffe auf ihn zu. Er sehe sich im Übrigen seit Jahren Regressen wegen übermäßiger Verordnung von Osteoporose-Präparaten ausgesetzt. Es bestünden auch Zweifel an den sachlichen Grundlagen der Prüfung; die statistischen Daten seien unzureichend. Kompensatorische Einsparungen durch unterdurchschnittliche Krankenhauseinweisungen (infolge Bädertherapie oder Krankengymnastik) seien nicht berücksichtigt worden. Den Krankenkassen - der Beigeladenen zu 2) - seien die behaupteten Mehrausgaben nicht in vollem Umfang entstanden, weil sie einen Teil seiner Verordnungen - die durch die I. GmbH ausgeführt worden seien - nicht (vollständig) vergütet hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.12.2012 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31.03.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Hier sei nicht eine statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten, sondern eine Richtgrößenprüfung durchgeführt worden. Durchschnittswerte von Heilmittelverordnungsdaten seien nicht verwendet worden. Den höheren Anteil des Klägers an Rentnerversicherten (41,35 %, Fachgruppe 34,55 %) habe man berücksichtigt. Eine geringere Anzahl an Krankenhauseinweisungen könne in der Regel nicht als kompensatorische Einsparung eingestuft werden, da der Spielraum des Arztes hier sehr begrenzt sei und es für die Entscheidung in erster Linie auf den Zustand des Patienten ankomme. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen hänge von vielen, auch zufälligen und vom Arzt nicht beeinflussbaren Faktoren ab, so dass ein kausaler Zusammengang zu besonderen Behandlungsmethoden schwer herstellbar sei.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 2) hat (zum Vorbringen des Klägers, durch die I. GmbH ausgeführte Verordnungen seien nicht vollständig vergütet worden) mitgeteilt, die von ihr für die Richtgrößenprüfung gelieferten Daten seien bereits um Rechnungskürzungen bereinigt gewesen. Verordnungen, die gekürzt oder nicht vergütet worden seien, seien von vornherein in den Werten der Richtgrößenprüfung nicht enthalten gewesen. Auf die Daten der Rechnungskürzung komme es daher nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist (allein) der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31.03.2010 (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011, - B 6 KA 13/10 R -, in juris). Mit dem streitigen Regressbetrag von 23.210,80 EUR ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die Begründung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 31.03.2010 Bezug (§§ 153 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend ist anzumerken:
1.) Rechtsgrundlage des angefochtenen Regressbescheids für das Jahr 2006 ist § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden und seither - auch im Prüfjahr 2006 - (nahezu) unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I, S. 2190, im Folgenden nur: SGB V, vgl. dazu BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris). Danach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Dies gilt auch für verordnete Heilmittel (vgl. § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 84 Abs. 6 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 SGB V - BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 3/14 R -, in juris). Die Vorschrift regelt für die in § 106 Abs. 5a ff. SGB V normierte Richtgrößenprüfung (als praktisch bedeutsamste Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung) einen besonderen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch der Krankenkassen gegen den Vertragsarzt wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2015, - B 6 KA 45/14 R -, in juris m.w.N.).
Das (Heilmittel-)Richtgrößenvolumen des Vertragsarztes i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V wird auf der Grundlage von gesamtvertraglich festgelegten (Heilmittel-)Richtgrößen berechnet. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 SGB V in der vom 01.01.2004 bis 30.04.2006 geltenden Fassung vom 25.11.2003 vereinbaren die Vertragspartner nach § 84 Abs. 1 SGB V (Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und Kassenärztliche Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Leistungen nach § 31 SGB V (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte; das gilt entsprechend für Heilmittel (§ 32 SGB V). Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V (Arznei- und Verbandmittel) bzw. von Heilmitteln (§ 32 SGB V) nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Insoweit dienen die Richtgrößen der (vorausschauenden) Steuerung des Verordnungsverhaltens. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 4 SGB V löst die Überschreitung des Richtgrößenvolumens eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 105 Abs. 5a SGB V (Richtgrößenprüfung) aus. Insoweit dienen die Richtgrößen der (rückschauenden) Prüfung des Verordnungsverhaltens; sie haben dabei die Funktion von normativ festgelegten (und nicht nur statistisch ermittelten) Vergleichswerten (vgl. jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 249).
Praxisbesonderheiten i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V liegen vor, wenn für die Prüfpraxis ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungs- bzw. Verordnungsbedarf der eigenen Patientenschaft und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden können (juris-PK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 192 m. Nachw. zur Rspr. des BSG). Die Abrechnung eines (bloßen) "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen begründet keine Praxisbesonderheit (dazu näher etwa BSG, Urteil vom 29.06.2011, - B 6 KA 17/10 R -, in juris). Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V sind in der Prüfungsvereinbarung - (nur) klarstellend-deklaratorisch (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 200) - Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten festzulegen. Für die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten haben die Prüfgremien (auch) bei der Richtgrößenprüfung einen Beurteilungsspielraum. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris m.w.N.).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die Festsetzung eines den Krankenkassen zu erstattenden Mehraufwands nach § 106 Abs. 5a SGB V - seit 01.01.2011 - innerhalb von 2 Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen (§ 105 Abs. 2 Satz 7 2. Halbsatz SGB V); davor war eine Ausschlussfrist von 4 Jahren maßgeblich (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 309).
2.) Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Regressbescheid als rechtmäßig. Er ist von der zuständigen Behörde in einem rechtsfehlerfreien Verwaltungsverfahren, insbesondere unter Wahrung der für die Regressfestsetzung maßgeblichen (Ausschluss-)Frist von noch 4 Jahren, erlassen worden. In der Sache steht die Regressfestsetzung in Einklang mit den hierfür maßgeblichen Vorschriften.
Die für das Jahr 2006 maßgeblichen Heilmittelrichtgrößen sind rechtsfehlerfrei festgelegt und durch Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) vom 13.12.2005 rechtzeitig bekannt gemacht worden. Unschädlich ist, dass man die Richtgrößen im Hinblick auf die Errichtung der Beigeladenen zu 1) aus ihren vormals selbstständigen Bezirken seinerzeit erst im Dezember 2005 und noch nicht einheitlich hat vereinbaren können. Die Vertragsärzte haben ihr Verordnungsverhalten dennoch an den für ihren Bezirk jeweils maßgeblichen Richtgrößen orientieren können, so dass die Steuerungsfunktion der Richtgrößen gewahrt gewesen ist. Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die günstigsten (höchsten) Richtgrößen angewendet worden, so dass Benachteiligungen von Vertragsärzten, auch des Klägers, nicht stattgefunden haben.
Der Beklagte hat Praxisbesonderheiten wegen Logopädie- und Ergotherapie pauschal anerkannt und die Berücksichtigung der vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Praxisbesonderheiten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Führung der Zusatzbezeichnung Sportmedizin und die Tätigkeiten des Klägers als H-Arzt und in der Chirotherapie sowie seine Berechtigung zur Durchführung ambulanter Operationen begründen keine Praxisbesonderheiten. Hierfür hat der Beklagte ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass diese Umstände auf die überwiegende Mehrzahl der Orthopäden zutreffen und dass der Kläger (im Prüfjahr 2006) nach Durchsicht der einschlägigen Unterlagen eine absolut durchschnittliche konservativ-orthopädische Patientenschaft behandelt hat. Ein vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungs- bzw. Verordnungsbedarf der Patientenschaft mit darauf beruhenden Mehrkosten für Heilmittel ist damit nicht nachgewiesen. Das gilt auch für die Osteoporose- und Schmerzbehandlung. Auch diese Behandlungen werden von den konservativ tätigen Orthopäden regelmäßig erbracht. Einen überdurchschnittlichen Anteil an Osteoporose-Patienten in der Patientenschaft des Klägers haben die Prüfgremien nicht feststellen können. Der Beklagte hat hierzu in seinem Widerspruchsbescheid vom 31.03.2010 auf die Verordnungsdaten der zur Behandlung der manifesten Osteoporose (im Jahr 2006) angewandten Bisphosphonatpräparate abgestellt und aus dem insoweit (um 65,5 %) unterdurchschnittlichen Verordnungsanteil des Klägers ohne Rechtsfehler geschlossen, dass in der Patientenschaft des Klägers ein überdurchschnittlicher Anteil an Osteoporosepatienten nicht vorhanden ist. Das hat sich bei der Durchsicht der Heilmittelverordnungsblätter bestätigt. Dass der Kläger weit überdurchschnittlich Osteodensometrien durchführt (Vergleichsgruppenüberschreitung 746 %), besagt für das Vorliegen einer Praxisbesonderheit in der Osteoporosetherapie demgegenüber wenig und kann ggf. (eher) auf insoweit unwirtschaftliche (übermäßige) Leistungserbringung hinweisen. Schmerzbehandlungen werden ersichtlich ebenfalls im Rahmen des für Orthopäden üblichen Tätigkeitsbereichs erbracht. Auch dies hat der Beklagte rechtsfehlerfrei unter Auswertung der einschlägigen Arzneimittelverordnungsdaten festgestellt und im angefochtenen Bescheid schlüssig und nachvollziehbar dargelegt und dabei ebenfalls rechtsfehlerfrei zusätzlich darauf abgestellt, dass der Kläger weder die Zusatzbezeichnung Schmerztherapie führt noch an der Schmerztherapievereinbarung teilnimmt. Kompensatorische Einsparungen sind ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint worden. Stichhaltige Einwendungen, die einen im Rahmen der Rechtskontrolle beachtlichen Beurteilungsfehler des Beklagten begründen könnten, sind nicht geltend gemacht worden. Dafür genügt es nicht, dass der Kläger bei der Heilmittelverordnung nach seinem Vorbringen die einschlägigen Richtlinien einhält und sich seine Praxis an einem Industriestandort befindet. Damit sind Praxisbesonderheiten nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Maßgaben zur gesteigerten Mitwirkungspflicht des Vertragsarztes nicht substantiiert dargetan; das SG hat das in seinem Urteil im Einzelnen zutreffend dargelegt. Das gilt auch für das Vorbringen des Klägers, er führe mit seinem Osteodensometriegerät vermehrt Knochendichtemessungen durch, weshalb er von Patienten überregional konsultiert werde, die dann auch bei ihm blieben. Pauschales Vorbringen dieser Art kann Praxisbesonderheiten nicht begründen und die im angefochtenen Bescheid hierzu festgehaltenen konkreten Subsumtionserwägungen des Beklagten nicht entkräften. Kompensatorische Einsparungen durch Vermeidung von Krankenhauseinweisungen sind ebenfalls nur pauschal behauptet worden (zu den Anforderungen an die Darlegung eines entsprechenden Ursachenzusammenhangs näher etwa jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 211 ff.). Die Behauptung des Klägers, den Krankenkassen (der Beigeladenen zu 2), seien Mehrausgaben teilweise nicht entstanden, weil Heilmittelverordnungen teilweise nicht vergütet worden wären, ist durch die hierzu eingeholte Auskunft der Beigeladenen zu 2) widerlegt. Deren, der Richtgrößenprüfung zugrunde gelegten Daten sind um Rechnungskürzungen bereinigt worden; der Kläger hat dagegen nichts mehr eingewandt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 23.210,80 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (Richtgrößenprüfung) verfügten Heilmittelregresses (Jahr 2006).
Der Kläger nimmt seit 05.02.1986 als Facharzt für Orthopädie mit Sitz in H. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er führt die Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie, ist als H-Arzt tätig und verfügt über die Genehmigung zur Durchführung ambulanter Operationen und Osteodensitometrien (Knochendichtemessungen).
Die (für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständige) Prüfungsstelle (der G. P. Baden-Württemberg) leitete beim Kläger für das Jahr 2006 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung (Richtgrößenprüfung) hinsichtlich der Verordnung von Heilmitteln ein. Mit Schreiben vom 22.10.2008 teilte sie dem Kläger mit, bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 15 % sei von Amts wegen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen. Bei dieser Prüfung handele es sich um eine Auffälligkeitsprüfung für den Zeitraum eines Kalenderjahres auf der Grundlage der Heilmittel-Richtgrößenvereinbarung 2006. Man habe im Rahmen der Vorabprüfung ermittelt, dass das Heilmittelverordnungsvolumen des Klägers im Kalenderjahr 2006 das individuelle Richtgrößenvolumen um mehr als 15 % (um 28,31 %) übersteige, was auf Grund der vorliegenden Daten ersichtlich nicht in vollem Umfang auf Praxisbesonderheiten beruhe. Unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes seien die für den Kläger günstigsten Richtgrößenwerte (im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) vormals noch vier selbstständige Bezirke) angesetzt worden; zusätzlich habe man die Kosten für Logopädie- und Ergotherapieverordnungen als Praxisbesonderheit vom Verordnungsvolumen abgezogen. Der Kläger erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 16.12.2008 setzte die Prüfungsstelle für das Jahr 2006 einen Regressbetrag i.H.v. 23.210,80 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, die Richtgrößenvereinbarung (Heilmittel) und damit auch die für den Kläger maßgeblichen Richtgrößenwerte seien noch im Jahr 2005 und damit rechtzeitig durch Rundschreiben veröffentlicht worden. Mangels einheitlicher Richtgrößen im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) seien die für den Kläger günstigsten Richtgrößen angesetzt worden (Krankenkassenmitglieder und Familienversicherte (M/F): 48,72 EUR; Rentnerversicherte (R): 52,56 EUR). Kosten für Logopädie und Ergotherapie habe man pauschal als Praxisbesonderheit berücksichtigt. Im Übrigen lägen Praxisbesonderheiten und/oder kompensatorische Einsparungen aber nicht vor. Die Krankheitsbilder der vom Kläger behandelten Patienten unterschieden sich insbesondere hinsichtlich der Verordnungsnotwendigkeit nicht von den Krankheitsbildern der Patientenschaft einer durchschnittlichen orthopädischen Praxis. Zusammenfassend ergebe sich für die Heilmittelausgaben Folgendes:
Brutto-Verordnungskosten 1.087.803,87 EUR./. Logopädie und Ergotherapie 11.127,72 EUR Bereinigter Arztwert 1.076.676,15 EUR Richtgrößenvolumen (Meistbegünstigungsregelung) 839.113,68 EUR Abweichung in EUR 237.562,47 EUR
Abweichung in % 28,31 %
Richtgrößenvolumen + 25% 1.048.892, 10 EUR Brutto-Regresssumme 27.784,05 EUR Netto-Regresssumme 23.210,80 EUR
Am 16.01.2009 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, für die Festsetzung eines Regresses gebe es keine hinreichende Rechtsgrundlage. Einheitliche Richtgrößenwerte (für den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1)) seien nicht vereinbart worden, weshalb er sich mit seinem Verordnungsverhalten nicht auf einen voraussagbaren Wert habe einstellen können. Die Meistbegünstigungsregelung sei im Bescheid nicht nachvollziehbar dargestellt. Praxisbesonderheiten lägen bei der Schmerztherapie und der Osteoporosebehandlung vor. Daraus folge ein Mehrbedarf für Heilmittel.
Am 11.11.2009 fand die Sitzung des Beklagten statt; der (ordnungsgemäß geladene) Kläger nahm an der Sitzung nicht teil. Mit Beschluss vom 11.11.2009/Widerspruchsbescheid vom 31.03.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Prüfungsstelle habe rechtsfehlerfrei die dem Kläger günstigsten Richtgrößenwerte angewendet. Wegen der bis Ende 2004 vorgeschriebenen Errichtung der Beigeladenen zu 1) durch Fusion ihrer vormals selbstständigen Bezirke habe man für den Übergangszeitraum 2005 und 2006 die sehr unterschiedlichen Verordnungssituationen getrennt erfassen und für jeden Unterbezirk der Beigeladenen zu 1) eigene Richtgrößen festlegen müssen. Die Vertragspartner hätten die Prüfungsstelle in einer Protokollnotiz zur Richtgrößenvereinbarung vom 22.11.2007 daher ermächtigt, der Prüfung in den Jahren 2005 und 2006 die meistbegünstigenden Richtgrößen zugrunde zu legen, um jegliche Benachteiligung der Vertragsärzte auszuschließen; das sei auch dem Kläger zugutegekommen. Im Jahr 2006 habe der Kläger sein zulässiges individuelles Richtgrößenvolumen um 29,64% überschritten. Praxisbesonderheiten seien wegen der Zusatzbezeichnung Sportmedizin, der Tätigkeiten als H-Arzt und in der Chirotherapie sowie wegen der Berechtigung zur Durchführung ambulanter Operationen nicht festzustellen gewesen, zumal die entsprechenden Tätigkeiten von der überwiegenden Mehrzahl der Orthopäden ausgeführt würden. Der Kläger behandele, wie die Durchsicht der einschlägigen Unterlagen ergeben habe, eine absolut durchschnittliche konservativ-orthopädische Patientenschaft. Aufgrund der statistischen Daten zur Durchführung von Osteodensitometrien mit einer Vergleichsgruppenüberschreitung um 746% im Quartal 4/2006 gehe man davon aus, dass bereits der überproportionale Ansatz der Osteodensitometrien zu beanstanden sei, weshalb insoweit kein Spielraum für die Ableitung einer Praxisbesonderheit im Heilmittelbereich vorliege. Die vermehrte Behandlung von Patienten mit manifester Osteoporose könne zwar Einfluss auf die Verordnungskosten im Heilmittelbereich haben. Osteoporosebehandlungen gehörten allerdings zum Alltag eines konservativ tätigen Orthopäden; erst ein deutlich überdurchschnittliches Aufkommen dieser Patientenschaft könne eine zu berücksichtigende Praxisbesonderheit darstellen. Hierfür sei die Verordnungsaufstellung des Klägers im Arzneimittelbereich herangezogen worden. Bei den einschlägigen Bisphosphonatpräparaten, die bei manifester Osteoporose eingesetzt würden, betrage der Verordnungsanteil des Klägers an den Gesamtverordnungen im Jahr 2006 insgesamt 1,52%. Der Anteil bei der Vergleichsgruppe sei mit 2,32% aber um 65,5% höher gewesen. Das spreche nicht für einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Osteoporosepatienten in der Praxis des Klägers und decke sich zudem mit dem Ergebnis der Durchsicht der mit den Abrechnungsscheinen zusammen sortierten Heilmittelverordnungsblätter. Hinsichtlich der als Praxisbesonderheit geltend gemachten Schmerztherapie sei festzustellen, dass der Kläger weder die Zusatzbezeichnung Schmerztherapie führe noch an der Schmerztherapievereinbarung teilnehme. Zur Anerkennung einer entsprechenden Praxisbesonderheit sei eine umfangreiche Betreuung von Patienten in den Stufen 2 und 3 des WHO-Schmerzschemas notwendig, da die Schmerzbehandlung im Übrigen zum allgemeinen Tätigkeitsbereich der Orthopäden gehöre. Hierfür habe man (ebenfalls) die Aggregatestatistik des Klägers im Arzneimittelbereich herangezogen. Mit einem Verordnungsanteil von 8,77% gegenüber 6,86% bei der Vergleichsgruppe würden Arzneimittel für Schmerzfälle der genannten Stufen zwar um 28% häufiger verordnet, jedoch zeigten die prozentualen Anteile sowohl beim Kläger als auch bei der Vergleichsgruppe insgesamt, dass die schweren Schmerzfälle einen sehr kleinen Teil der Patientenschaft ausmachten. Aus dieser vom Verordnungsspektrum eines schwerpunktmäßig tätigen Schmerztherapeuten geringfügigen Abweichung könne ein Schmerztherapieschwerpunkt als Praxisbesonderheit, der sich maßgeblich auf die Heilmittelverordnungen auswirken könnte, nicht abgeleitet werden. Zudem sei nicht jeder Schmerzpatient für einen intensiven Heilmitteleinsatz geeignet. Der gegenüber der Fachgruppe um 20% höhere Anteil von Rentnerversicherten werde durch die entsprechend höheren Richtgrößenwerte für Rentner berücksichtigt. Verordnungskosten für Logotherapie und Ergotherapie seien pauschal als Praxisbesonderheit abgesetzt worden. Kompensatorische Einsparungen seien bei (ebenfalls vorliegenden) Überschreitungen der Arzneimittelrichtgrößen (um 38 %) nicht festzustellen (in einem anderen Prüfungsverfahren verfügter Arzneimittelregress: 17.328,54 EUR). Die Honoraranforderung des Klägers habe im Jahr 2006 den Fachgruppendurchschnitt um 92 % überschritten. Die Fallzahl des Klägers habe um 164 % über dem Fallzahldurchschnitt der Fachgruppe gelegen (mit einem eigentlich zu erwartenden entsprechenden Effekt durch Verdünnerscheine (ohne Heilmittelverordnungen)), was Zweifel daran wecke, ob eine derart hohe Zahl von Patienten in einer Einzelpraxis noch fachgerecht betreut werden könne. Die Prüfungsstelle habe einen zu geringen Nettoregressbetrag errechnet; dies werde wegen des Verböserungsverbots aber nicht korrigiert. Angesichts der massiv auffälligen Werte in allen Leistungsbereichen (Heilmittel, Arzneimittel, Honorarabrechnung) möge der Kläger seine Behandlungsweise überdenken.
Am 03.05.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung trug er vor, die Prüfung sei unzulässig gewesen, weil die einschlägige Richtgrößenvereinbarung erst im Laufe des Prüfungsjahres getroffen worden sei, so dass er sich hierauf nicht habe einstellen können. Auch wenn ihm der günstigste Richtgrößenwert zugutegekommen sei, bleibe er dabei, dass er durchweg standardgemäß Heilmittel verordnet habe. Da sich seine Praxis an einem Industriestandort befinde, müsse er vermehrt Heilmittel verordnen. Er bezweifle die Sachgemäßheit einer Richtgrößenvereinbarung. Der Beklagte habe sich mit seinem Vorbringen zu Praxisbesonderheiten nicht ausreichend auseinandergesetzt; weshalb sich die Praxisbesonderheit Chirotherapie, die eine Spezialität seiner Praxis sei, auf die Verordnung von Heilmitteln nicht auswirken solle, sei nicht nachvollziehbar an Hand von Zahlen begründet worden. Im Honorarbereich habe ihm die Beigeladene zu 1) eine Praxisbesonderheit hinsichtlich der Osteodensitometrie zugestanden, weshalb überrasche, dass der Beklagte die vermehrte Abrechnung dieser Leistung bei der Prüfung der Heilmittelverordnungen beanstande. Er biete diese Leistung als einziger Vertragsarzt in weitem Umkreis an und habe insoweit auch einen überregionalen Einzugsbereich. Er behandele weitaus mehr Osteoporosepatienten als andere Orthopäden. Er verordne deswegen vermehrt Nahrungsergänzungsmittel und Heilmittel zur Wiederherstellung von Kraft und Beweglichkeit. Auch die Darlegungen des Beklagten hinsichtlich der Schmerztherapie seien nicht nachvollziehbar und würden bestritten. Er habe einen hohen Anteil an Schmerzpatienten, die er systemisch behandele; hierfür habe er einschlägige Fortbildungen absolviert. Der Widerspruchsbescheid sei schließlich erst 4 Monate und 3 Wochen nach der Sitzung des Beklagten und damit zu spät erlassen worden.
Der Beklagte trat der Klage entgegen. Die Heilmittelrichtgrößenvereinbarung für das Jahr 2006 sei am 08.12.2005 abgeschlossen und die maßgeblichen Richtgrößen seien mit Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) vom 13.12.2005 veröffentlicht worden. Durch die einheitliche Anwendung der höchsten Richtgrößenwerte sei der Kläger ausschließlich begünstigt worden. Es werde nicht nur statistisch geprüft, vielmehr prüfe man stets auch eine repräsentative Anzahl von Verordnungsausdrucken in Zusammenschau mit den zugehörigen Abrechnungsscheinen. Hierfür werde auf eine sachkundige Besetzung des Ausschusses geachtet; an der Sitzung vom 11.11.2009 hätten zwei Orthopäden teilgenommen. Der Kläger habe das maximal zulässige (um 25 % angehobene) individuelle Richtgrößenvolumen in einem Ausmaß überschritten, das nicht mehr durch Besonderheiten in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten zu erklären sei. Die Schmerztherapie könne nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden, da die normale Schmerzbehandlung - im Gegensatz zur speziellen Schmerztherapie, die der Kläger nicht anwende -, zum üblichen Behandlungsspektrum eines Orthopäden gehöre. Gleiches gelte für die Behandlung von Osteoporosepatienten. Unter Hinzuziehung der Ergebnisse der gleichzeitig durchgeführten Arzneimittelrichtgrößenprüfung habe man festgestellt, dass zumindest kein überdurchschnittlicher Anteil an Patienten mit manifester Osteoporose vorgelegen habe. Hinsichtlich der Durchführung von Osteodensitometrien seien auch im Bereich der Honorarprüfung Praxisbesonderheiten nicht festgestellt worden. Die Chirotherapie werde nicht als Praxisbesonderheit gewertet, da diese Behandlung in der Fachgruppe der Orthopäden weit verbreitet und üblich sei und außerdem nicht jede chirotherapeutische Maßnahme eine Heilmittelverordnung nach sich ziehen müsse. Eine besondere Häufung von Heilmittelverordnungen, die zwingend auf eine vorausgegangene Chirotherapie bezogen werden könnten, habe man nicht festgestellt. Der Widerspruchsbescheid sei dem Kläger innerhalb der einschlägigen Fünfmonatsfrist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15.11.1995, - 6 RKa 5/94 -, in juris) zugestellt worden.
Die mit Beschluss des SG vom 25.01.2011 zum Verfahren beigeladenen Beteiligten äußerten sich nicht.
Mit Urteil vom 13.12.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es (unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, (SGG)) aus, der (Regress-)Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Er beruhe auf § 84 Abs. 8 i.V.m. § 84 Abs. 6 und § 106 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (in der während des Jahres 2006 noch maßgeblichen Fassung (SGB V)). Danach werde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Auffälligkeitsprüfung). Nach § 84 Abs. 6 Satz 1 bis 4 SGB V vereinbarten die zuständigen Gesamtvertragspartner zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach § 84 Abs. 1 SGB V getroffenen Arzneimittelvereinbarung. Zusätzlich sollten die Vertragspartner die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen. Die Richtgrößen leiteten den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Arzneimitteln nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens löse eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen aus. Diese Regelungen seien für Heilmittel nach § 106 Abs. 8 (richtig § 84 Abs. 8) SGB V unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V habe der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet sei; die Vertragspartner bestimmten in Vereinbarungen die Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten (§ 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V). Davon ausgehend habe der Beklagte gegen den Kläger wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens für die Verordnung von Heilmitteln im Jahr 2006 zu Recht einen Regress festgesetzt. Für das Jahr 2006 habe es nicht an einer wirksamen Richtgrößenvereinbarung gefehlt. Die Richtgrößenvereinbarung sei ein öffentlich-rechtlicher Normsetzungsvertrag. Sie sei daher zu veröffentlichen, wobei die Bekanntgabe durch Rundschreiben ausreiche. Für das Jahr 2006 hätten die Vertragspartner nach § 84 Abs. 1 SGB V für die Verordnung von Heilmitteln folgende Richtgrößen festgelegt:
Richtgrößenwerte Richtgrößenwerte Richtgrößenwerte Richtgrößenwerte Bezirk Bezirk Bezirk Bezirk Nord-Württemberg Südwürttemberg Nordbaden Südbaden M/F 41,27 EUR 39,12 EUR 48,72 EUR 36,41 EUR R 43,12 EUR 40,53 EUR 52,56 EUR 40,10 EUR
Diese Vereinbarung habe der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 8 i.V.m. § 84 Abs. 6 SGB V entsprochen. Insbesondere sei es zulässig gewesen, die Richtgrößen in den vormals selbstständigen Bezirken der Beigeladenen zu 1) in unterschiedlicher Höhe festzulegen. Die Richtgrößen seien auch rechtzeitig mit Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) vom 13.12.2005 veröffentlicht worden. Der Beklagte habe rechtsfehlerfrei die für den Kläger günstigeren (höheren) Richtgrößen des (ehemaligen) Bezirks Nordbaden angewendet; der Kläger sei dadurch nicht belastet, sondern (nur) begünstigt worden, weshalb eine unzulässige Rückwirkung nicht vorliege (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.03.2011, - B 6 KA 9/10 R -, in juris). Die vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten seien zu Recht nicht berücksichtigt worden. Für die Entscheidung hierüber stehe den Prüfgremien ein die gerichtliche Rechtskontrolle einschränkender Beurteilungsspielraum zu (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2005, - B 6 KA 63/04 R -, in juris). Die gerichtliche Überprüfung beschränke sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liege, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten habe, die sich bei Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergäben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet habe, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2007, - B 6 KA 27/06 R -, in juris). Diesen Anforderungen werde der angefochtene Bescheid gerecht. Für die Annahme einer Praxisbesonderheit sei ein besonderer Zuschnitt der Patientenschaft bzw. des Leistungsspektrums oder der Ausrichtung der Praxis erforderlich, was im Regelfall in Wechselbeziehung zu einer spezifischen Qualifikation des Arztes stehe. Von Amts wegen müssten nur offenkundige Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden; im Übrigen müsse der Vertragsarzt die Praxisbesonderheiten (substantiiert) geltend machen und darlegen. Dafür genüge es nicht, wenn er lediglich seine einzelnen Behandlungsfälle aufliste und sie einzeln mit Anführung von Diagnosen sowie Behandlungs- und Verordnungsmaßnahmen erläutere (vgl. juris-PK-SGB V/Clemens, § 106 Rdnr. 152). Vielmehr müssten spezielle Strukturen aufgezeigt werden. Hierfür sei es notwendig, dass der Arzt seine Patientenschaft und deren Erkrankungen "systematisiere", etwa indem er die schwerpunktmäßig behandelten Erkrankungen aufzähle und mitteile, welcher Anteil seiner Patientenschaft ihnen jeweils zuzuordnen und welcher Behandlungsaufwand durchschnittlich für die Therapie erforderlich sei. Diesen Erfordernissen genüge das Vorbringen des Klägers nicht. Hinsichtlich der Behandlung von Osteoporosepatienten sei schon nicht dargelegt, welcher Prozentsatz der Patienten tatsächlich an einer manifesten Osteoporose leide und in welcher Höhe hierfür im Durchschnitt über den Richtgrößen liegende Kosten für die Verordnung von Heilmitteln verursacht würden. Der Beklagte habe insoweit zutreffend darauf verwiesen, dass allein das Vorhalten der Osteodensitometrie als besonderer Untersuchungsmethode nicht den Schluss auf einen gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt erheblich höheren Patientenanteil mit manifester Osteoporose zulasse. Wie im (wegen eines Arzneimittelregresses ergangenen) Urteil des SG vom 12.05.2011 (- S 5 KA 7032/07 -) ausgeführt, sei davon auszugehen, dass der Kläger Untersuchungen zur Osteoporosediagnostik nur bei Vorliegen einer entsprechenden Indikation durchführe; andere Orthopäden (ohne Osteodensitometrie-Gerät) würden bei Vorliegen einer entsprechenden Indikation die Osteoporosediagnostik durch Überweisung zum Radiologen durchführen lassen. Daher sei auch unerheblich, ob der Kläger, wie er behaupte, im weiteren Umkreis als einziger Orthopäde selbst Knochendichtemessungen durchführe. Darüber hinaus habe der Beklagte dargelegt, dass aus der Verordnungsstatistik für das Jahr 2006 bei den einschlägigen Bisphosphonatpräparaten, die bei manifester Osteoporose eingesetzt würden, ein Verordnungsanteil beim Kläger von 1,52% gegenüber einem Verordnungsanteil von 2,32% bei der Fachgruppe der Orthopäden hervorgehe. Daraus habe er in nicht zu beanstandender Weise auf einen unterdurchschnittlichen Anteil an Patienten mit manifester Osteoporose geschlossen. Auch eine Praxisbesonderheit wegen der Behandlung von Schmerzpatienten sei nicht substantiiert dargetan; der Beklagte habe das im angefochtenen Bescheid ebenfalls zutreffend dargelegt. Dass der Kläger einschlägige Fortbildungen absolviert habe, ändere daran nichts. Der Kläger führe weder eine entsprechende Zusatzbezeichnung noch nehme er an der Schmerztherapievereinbarung teil. Einen besonderen Patientenzuschnitt, dessen Prozentsatz am Praxisaufkommen und den hierdurch verursachten Aufwand im Bereich der Verordnung von Heilmitteln habe der Kläger nicht einmal ansatzweise dargelegt. Entsprechendes gelte für sein Vorbringen zur Chirotherapie, die in der Fachgruppe der Orthopäden weit verbreitet sei und als übliche Therapieform angewendet werde. Davon abgesehen sei nicht erkennbar, weshalb chirotherapeutische Behandlungen zu vermehrten Heilmittelverordnungen führen sollten. Dass H. ein Industriestandort sei, begründe ebenfalls keine Praxisbesonderheit. Die Einhaltung der Heilmittel-Richtlinien für sich allein besage für die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nichts (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21.03.2012, - B 6 KA 18/11 R -, in juris). Der Widerspruchsbescheid sei (noch) rechtzeitig nach der Sitzung des Beklagten ergangen. Einwendungen gegen die Berechnung des Regressbetrags seien nicht erhoben worden.
Gegen das ihm am 27.12.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.01.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Das Urteil des SG überzeuge nicht. Die Vereinbarung von Richtgrößen greife in Grundrechte des Vertragsarztes ein; dafür fehle es hier an der notwendigen Rechtfertigung. Die Ärzte hätten sich auf die durch Rundschreiben vom 13.12.2005 bekannt gemachten Richtgrößen mit ihrem Verordnungsverhalten nicht rechtzeitig einstellen können. Dazu sei die Regelung zu kurzfristig und zu wenig durchschaubar gewesen. Das SG habe auch Praxisbesonderheiten (vermehrte Behandlung von Osteoporose- und Schmerzpatienten, Chirotherapie) zu Unrecht nicht anerkannt. Es sei lebensfremd, von einer vermehrten Knochendichtemessung nicht auf eine vermehrte Behandlung von Osteoporosepatienten zu schließen. Bei höherer Untersuchungsdichte steige die Aufdeckungsquote und damit auch die Behandlungsdichte. Die Patienten blieben erfahrungsgemäß auch bei dem Arzt, der die entsprechende Untersuchungsmethode vorhalte, und der für die Behandlung der entsprechenden Erkrankung besonders bekannt sei; das treffe auf ihn zu. Er sehe sich im Übrigen seit Jahren Regressen wegen übermäßiger Verordnung von Osteoporose-Präparaten ausgesetzt. Es bestünden auch Zweifel an den sachlichen Grundlagen der Prüfung; die statistischen Daten seien unzureichend. Kompensatorische Einsparungen durch unterdurchschnittliche Krankenhauseinweisungen (infolge Bädertherapie oder Krankengymnastik) seien nicht berücksichtigt worden. Den Krankenkassen - der Beigeladenen zu 2) - seien die behaupteten Mehrausgaben nicht in vollem Umfang entstanden, weil sie einen Teil seiner Verordnungen - die durch die I. GmbH ausgeführt worden seien - nicht (vollständig) vergütet hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.12.2012 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31.03.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Hier sei nicht eine statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten, sondern eine Richtgrößenprüfung durchgeführt worden. Durchschnittswerte von Heilmittelverordnungsdaten seien nicht verwendet worden. Den höheren Anteil des Klägers an Rentnerversicherten (41,35 %, Fachgruppe 34,55 %) habe man berücksichtigt. Eine geringere Anzahl an Krankenhauseinweisungen könne in der Regel nicht als kompensatorische Einsparung eingestuft werden, da der Spielraum des Arztes hier sehr begrenzt sei und es für die Entscheidung in erster Linie auf den Zustand des Patienten ankomme. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen hänge von vielen, auch zufälligen und vom Arzt nicht beeinflussbaren Faktoren ab, so dass ein kausaler Zusammengang zu besonderen Behandlungsmethoden schwer herstellbar sei.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 2) hat (zum Vorbringen des Klägers, durch die I. GmbH ausgeführte Verordnungen seien nicht vollständig vergütet worden) mitgeteilt, die von ihr für die Richtgrößenprüfung gelieferten Daten seien bereits um Rechnungskürzungen bereinigt gewesen. Verordnungen, die gekürzt oder nicht vergütet worden seien, seien von vornherein in den Werten der Richtgrößenprüfung nicht enthalten gewesen. Auf die Daten der Rechnungskürzung komme es daher nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist (allein) der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31.03.2010 (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011, - B 6 KA 13/10 R -, in juris). Mit dem streitigen Regressbetrag von 23.210,80 EUR ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die Begründung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 31.03.2010 Bezug (§§ 153 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend ist anzumerken:
1.) Rechtsgrundlage des angefochtenen Regressbescheids für das Jahr 2006 ist § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden und seither - auch im Prüfjahr 2006 - (nahezu) unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I, S. 2190, im Folgenden nur: SGB V, vgl. dazu BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris). Danach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Dies gilt auch für verordnete Heilmittel (vgl. § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 84 Abs. 6 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 SGB V - BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 3/14 R -, in juris). Die Vorschrift regelt für die in § 106 Abs. 5a ff. SGB V normierte Richtgrößenprüfung (als praktisch bedeutsamste Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung) einen besonderen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch der Krankenkassen gegen den Vertragsarzt wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2015, - B 6 KA 45/14 R -, in juris m.w.N.).
Das (Heilmittel-)Richtgrößenvolumen des Vertragsarztes i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V wird auf der Grundlage von gesamtvertraglich festgelegten (Heilmittel-)Richtgrößen berechnet. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 SGB V in der vom 01.01.2004 bis 30.04.2006 geltenden Fassung vom 25.11.2003 vereinbaren die Vertragspartner nach § 84 Abs. 1 SGB V (Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und Kassenärztliche Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Leistungen nach § 31 SGB V (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte; das gilt entsprechend für Heilmittel (§ 32 SGB V). Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V (Arznei- und Verbandmittel) bzw. von Heilmitteln (§ 32 SGB V) nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Insoweit dienen die Richtgrößen der (vorausschauenden) Steuerung des Verordnungsverhaltens. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 4 SGB V löst die Überschreitung des Richtgrößenvolumens eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 105 Abs. 5a SGB V (Richtgrößenprüfung) aus. Insoweit dienen die Richtgrößen der (rückschauenden) Prüfung des Verordnungsverhaltens; sie haben dabei die Funktion von normativ festgelegten (und nicht nur statistisch ermittelten) Vergleichswerten (vgl. jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 249).
Praxisbesonderheiten i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V liegen vor, wenn für die Prüfpraxis ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungs- bzw. Verordnungsbedarf der eigenen Patientenschaft und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden können (juris-PK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 192 m. Nachw. zur Rspr. des BSG). Die Abrechnung eines (bloßen) "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen begründet keine Praxisbesonderheit (dazu näher etwa BSG, Urteil vom 29.06.2011, - B 6 KA 17/10 R -, in juris). Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V sind in der Prüfungsvereinbarung - (nur) klarstellend-deklaratorisch (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 200) - Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten festzulegen. Für die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten haben die Prüfgremien (auch) bei der Richtgrößenprüfung einen Beurteilungsspielraum. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris m.w.N.).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die Festsetzung eines den Krankenkassen zu erstattenden Mehraufwands nach § 106 Abs. 5a SGB V - seit 01.01.2011 - innerhalb von 2 Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen (§ 105 Abs. 2 Satz 7 2. Halbsatz SGB V); davor war eine Ausschlussfrist von 4 Jahren maßgeblich (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 309).
2.) Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Regressbescheid als rechtmäßig. Er ist von der zuständigen Behörde in einem rechtsfehlerfreien Verwaltungsverfahren, insbesondere unter Wahrung der für die Regressfestsetzung maßgeblichen (Ausschluss-)Frist von noch 4 Jahren, erlassen worden. In der Sache steht die Regressfestsetzung in Einklang mit den hierfür maßgeblichen Vorschriften.
Die für das Jahr 2006 maßgeblichen Heilmittelrichtgrößen sind rechtsfehlerfrei festgelegt und durch Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) vom 13.12.2005 rechtzeitig bekannt gemacht worden. Unschädlich ist, dass man die Richtgrößen im Hinblick auf die Errichtung der Beigeladenen zu 1) aus ihren vormals selbstständigen Bezirken seinerzeit erst im Dezember 2005 und noch nicht einheitlich hat vereinbaren können. Die Vertragsärzte haben ihr Verordnungsverhalten dennoch an den für ihren Bezirk jeweils maßgeblichen Richtgrößen orientieren können, so dass die Steuerungsfunktion der Richtgrößen gewahrt gewesen ist. Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die günstigsten (höchsten) Richtgrößen angewendet worden, so dass Benachteiligungen von Vertragsärzten, auch des Klägers, nicht stattgefunden haben.
Der Beklagte hat Praxisbesonderheiten wegen Logopädie- und Ergotherapie pauschal anerkannt und die Berücksichtigung der vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Praxisbesonderheiten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Führung der Zusatzbezeichnung Sportmedizin und die Tätigkeiten des Klägers als H-Arzt und in der Chirotherapie sowie seine Berechtigung zur Durchführung ambulanter Operationen begründen keine Praxisbesonderheiten. Hierfür hat der Beklagte ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass diese Umstände auf die überwiegende Mehrzahl der Orthopäden zutreffen und dass der Kläger (im Prüfjahr 2006) nach Durchsicht der einschlägigen Unterlagen eine absolut durchschnittliche konservativ-orthopädische Patientenschaft behandelt hat. Ein vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungs- bzw. Verordnungsbedarf der Patientenschaft mit darauf beruhenden Mehrkosten für Heilmittel ist damit nicht nachgewiesen. Das gilt auch für die Osteoporose- und Schmerzbehandlung. Auch diese Behandlungen werden von den konservativ tätigen Orthopäden regelmäßig erbracht. Einen überdurchschnittlichen Anteil an Osteoporose-Patienten in der Patientenschaft des Klägers haben die Prüfgremien nicht feststellen können. Der Beklagte hat hierzu in seinem Widerspruchsbescheid vom 31.03.2010 auf die Verordnungsdaten der zur Behandlung der manifesten Osteoporose (im Jahr 2006) angewandten Bisphosphonatpräparate abgestellt und aus dem insoweit (um 65,5 %) unterdurchschnittlichen Verordnungsanteil des Klägers ohne Rechtsfehler geschlossen, dass in der Patientenschaft des Klägers ein überdurchschnittlicher Anteil an Osteoporosepatienten nicht vorhanden ist. Das hat sich bei der Durchsicht der Heilmittelverordnungsblätter bestätigt. Dass der Kläger weit überdurchschnittlich Osteodensometrien durchführt (Vergleichsgruppenüberschreitung 746 %), besagt für das Vorliegen einer Praxisbesonderheit in der Osteoporosetherapie demgegenüber wenig und kann ggf. (eher) auf insoweit unwirtschaftliche (übermäßige) Leistungserbringung hinweisen. Schmerzbehandlungen werden ersichtlich ebenfalls im Rahmen des für Orthopäden üblichen Tätigkeitsbereichs erbracht. Auch dies hat der Beklagte rechtsfehlerfrei unter Auswertung der einschlägigen Arzneimittelverordnungsdaten festgestellt und im angefochtenen Bescheid schlüssig und nachvollziehbar dargelegt und dabei ebenfalls rechtsfehlerfrei zusätzlich darauf abgestellt, dass der Kläger weder die Zusatzbezeichnung Schmerztherapie führt noch an der Schmerztherapievereinbarung teilnimmt. Kompensatorische Einsparungen sind ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint worden. Stichhaltige Einwendungen, die einen im Rahmen der Rechtskontrolle beachtlichen Beurteilungsfehler des Beklagten begründen könnten, sind nicht geltend gemacht worden. Dafür genügt es nicht, dass der Kläger bei der Heilmittelverordnung nach seinem Vorbringen die einschlägigen Richtlinien einhält und sich seine Praxis an einem Industriestandort befindet. Damit sind Praxisbesonderheiten nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Maßgaben zur gesteigerten Mitwirkungspflicht des Vertragsarztes nicht substantiiert dargetan; das SG hat das in seinem Urteil im Einzelnen zutreffend dargelegt. Das gilt auch für das Vorbringen des Klägers, er führe mit seinem Osteodensometriegerät vermehrt Knochendichtemessungen durch, weshalb er von Patienten überregional konsultiert werde, die dann auch bei ihm blieben. Pauschales Vorbringen dieser Art kann Praxisbesonderheiten nicht begründen und die im angefochtenen Bescheid hierzu festgehaltenen konkreten Subsumtionserwägungen des Beklagten nicht entkräften. Kompensatorische Einsparungen durch Vermeidung von Krankenhauseinweisungen sind ebenfalls nur pauschal behauptet worden (zu den Anforderungen an die Darlegung eines entsprechenden Ursachenzusammenhangs näher etwa jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 211 ff.). Die Behauptung des Klägers, den Krankenkassen (der Beigeladenen zu 2), seien Mehrausgaben teilweise nicht entstanden, weil Heilmittelverordnungen teilweise nicht vergütet worden wären, ist durch die hierzu eingeholte Auskunft der Beigeladenen zu 2) widerlegt. Deren, der Richtgrößenprüfung zugrunde gelegten Daten sind um Rechnungskürzungen bereinigt worden; der Kläger hat dagegen nichts mehr eingewandt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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