Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 2886/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4432/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherte haben keinen Anspruch auf Durchführung einer „Traumatherapie“ bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeutin.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. September 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der ihr durch die Behandlung bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychotherapeutin im Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 entstandenen Kosten in Höhe von EUR 25.200,00.
Die am 1966 geborene Klägerin war jedenfalls seit 2002 bis zum 31. März 2016 Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie ist – auch im streitbefangenen Zeitraum – beschäftigt in Vollzeit als Lehrkraft an der Fachschule für Sozialpädagogik in S.-G. mit einem 25-Stundendeputat zzgl. Vor- und Nachbereitung; zusätzlich muss sie kurzfristig Besuch in Jugendhilfe-Einrichtungen durchführen.
Im Entlassungskurzbrief vom 23. März 2012 über eine stationäre Behandlung im V. Klinikum W. - Klinik für Stimm- und Spracherkrankungen - im Zeitraum vom 13. Februar bis 24. März 2012 berichtete Leitende Ärztin Dr. M., Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, über die Diagnosen einer psychogenen Dysphonie (F44.4), einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) und einer Anpassungsstörung (F43.2) neben weiteren somatischen Gesundheitsstörungen. Logopädische Therapie habe die im Dezember 2011 plötzlich aufgetretene Stimmlosigkeit nicht verbessern können. Im Rahmen der körperlichen Erschöpfung und der Isolation aufgrund einer Noro-Virus-Infektion sei bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung in Form von Flashbacks zu Tage getreten (Missbrauchstrauma in der frühen Kindheit). Empfohlen wurde eine weitere ambulante Psychotherapie und eine Weiterbehandlung in einer psychosomatischen/psychotherapeutischen Klinik mit Eye-Movement-Desensitization und Reprocessing (EMDR), die bereits während des stationären Aufenthaltes angewandt worden sei.
Am 19. April 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine ambulante Psychotherapie bei Dipl.-Psych. Me.-S., O ... Diese verfüge zwar nicht über eine Kassenzulassung. Sie – die Klägerin – habe jedoch zuvor sechs – im Einzelnen genannte – zugelassene Psychologische Psychotherapeutinnen erfolglos angefragt; die Wartezeiten hätten zwischen sechs bis acht Monaten bis zu ein bis eineinhalb Jahre betragen. Aufgrund ihrer psychischen Situation kämen nur weibliche Therapeutinnen in Betracht.
Dipl.-Psych. Me.-S. verfügt über die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin (Approbationsurkunde des Hessischen Prüfungsamtes für Heilberufe vom 1. Januar 1999), ist aber nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme ab, da Dipl.-Psych. Me.-S. nicht als Vertragstherapeutin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Als zugelassene Vertragstherapeutinnen stünden zur Verfügung Dipl.-Psych. R., J. und G., alle in S ...
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, bei den genannten Therapeutinnen erfolglos einen Therapieplatz angefragt zu haben. Unter dem 24. Mai 2012 wies die Beklagte darauf hin, dass die weitere Therapeutensuche von der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme abhänge. Die Beklagte benannte der Klägerin am 29. Mai 2012 telefonisch u.a. Dipl.-Psych. P.-D., L., als Therapeutin mit langjähriger Erfahrung mit Traumapatienten, die über einen freien Therapieplatz verfüge, sowie am 5. Juni 2012 per E-Mail Dr. Le., S ... Zur Begründung des aufrechterhaltenen Widerspruches trug die Klägerin weiter vor, sie habe im Rahmen eines Vorabtelefonats mit Dipl.-Psych. P.-D. nicht den Eindruck gewinnen können, dass diese eine geeignete Therapie anbieten könne; diese habe zunächst von Traumtherapie gesprochen und danach nicht benennen können, welchen Therapieansatz (Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie [PITT] oder EMDR) sie praktiziere. Aufgrund der örtlichen Lage sei die Therapeutin nur mit langen Anfahrtszeiten zu erreichen und biete im Übrigen keine Samstagstermine, was für sie – die Klägerin – wegen der Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit wichtig sei. Dr. Le. habe angegeben, keine Traumatherapie bei Missbrauchsopfern anzubieten und im Übrigen für zwei freie Plätze aus 40 Bewerberinnen wählen zu müssen. Eine weitere von ihr angefragte Therapeutin habe am 12. Juni 2012 mitgeteilt, erst ab September oder Oktober 2012 neue Termine vergeben zu können. Das Bundessozialgericht (BSG) habe "im Verfahren 5 RKA 15/97" (gemeint wohl das Verfahren 6 RKA 15/97) dargelegt, dass ein Patient Anspruch auf außervertragliche Behandlung habe, wenn er nachweise, dass der nachgefragte Behandlungsplatz nicht zur Verfügung stehe; dabei seien mehr als drei vergebliche Behandlungsanfragen und Wartezeiten über drei Monate nicht zuzumuten.
Vom 7. August bis 4. Oktober 2012 befand sich die Klägerin in stationärer Rehabilitation in der Abteilung Psychotraumatologie der Klinik am O., B. O ... Im Entlassungsbericht vom 12. Oktober 2012 stellte Chefärztin Dr. St. die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie dissoziativer Bewegungsstörungen. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig mit der Empfehlung der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz nach Versorgung mit einem Stimmverstärker. Die Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Setting bei einer weiblichen Therapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung sowie stationär traumatherapeutischer Intervalltherapie (Wiederholungsreha) wurde empfohlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Über die Gründe des Ausgangsbescheides hinaus wurde ausgeführt, nicht zugelassene Ärzte oder Psychotherapeuten könnten nur nach Wahl des in § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelten Kostenerstattungsverfahrens mit vorheriger Zustimmung der Krankenkasse aufgesucht werden. Dieses Verfahren habe die Klägerin nicht gewählt. Ihr seien mehrere zugelassene Vertragstherapeutinnen benannt worden. Die Einschränkung ausschließlich auf weibliche Therapeutinnen sei nicht nachvollziehbar, da Therapeuten durch Ausbildung und Erfahrung in der Lage seien, sowohl männliche als auch weibliche Patienten zu betreuen und traumatisierte Patienten zu behandeln. Eine spezielle und isolierte Traumatherapie sei in der maßgeblichen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) nicht vorgesehen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 6. September 2012 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG), mit der sie zuletzt die Verurteilung der Beklagten begehrte, die Kosten in Höhe von EUR 15.660,00 zu erstatten sowie die künftige psychotherapeutische Behandlungen durch Dipl.-Psych. Me.-S. bis 31. Dezember 2015 im Umfange von durchschnittlich monatlich acht Stunden zu gewähren. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus führte sie zur Begründung aus, Dipl.-Psych. Me.-S. habe sie – die Klägerin – bereits während des Aufenthalts in der V. Klinik W. vom 13. Februar bis 24. März 2012 behandelt. Die Notwendigkeit einer Behandlung durch eine weibliche Therapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung werde durch Dr. St. bestätigt (Attest vom 30. August 2012). Die Wahrnehmung von Therapiesitzungen sei ihr lediglich samstags möglich, da sie als Dozentin an der Fachschule für Sozialpädagogik in Vollzeit über schwer zu planende Arbeitszeiten verfüge. Während der Woche habe sie häufig kurzfristig abendliche Praxisbesuche in Einrichtungen der Jugendhilfe wahrzunehmen. Dipl.-Psych. Me.-S. biete Therapiesitzungen an Samstagen an. Die Anfahrt erfolge mit der Bahn und dauere durchschnittlich zwei Stunden und 40 Minuten. Eine Traumatherapie gehöre zum Bereich der Verhaltenstherapie und könne deshalb im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beansprucht werden. Bei Dipl.-Psych. J. und G. habe sie jeweils Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, wobei Rückrufe nach dem Ansagetext nur bei freien Therapieplätzen erfolgen sollten. Rückrufe habe sie nicht erhalten. Dipl.-Psych. Ri. habe ihr gesagt, sie sei "total voll". Dr. Le. habe betont, dass sie keine spezialisierte Traumatherapeutin sei; sie behandle zwar vier Vergewaltigungs-, aber bislang keine Missbrauchsopfer. Die Klägerin legte vor Anfragen per E-Mail vom 10. Juni 2012 bei weiteren vier Therapeutinnen mit einer Rückmeldung der Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. P.-G. vom 12. Juni 2012; danach verfüge diese weder über einen freien Therapieplatz noch eine Warteliste; Erstgespräche seien erst wieder ab September/Oktober 2012 vormittags möglich.
Am 1. Dezember 2012 nahm die Klägerin die Therapie bei Dipl.-Psych. Me.-S. auf, die in der Regel zweimal monatlich samstags in Blöcken von vier Stunden erfolgte. Die von Dipl.-Psych. Me.-S. in Rechnung gestellten Behandlungskosten zahlte die Klägerin nach ihrer Behauptung jeweils. Sie legte Rechnungen dieser Therapeutin für "Psychotherapie" mit einem Stundensatz von EUR 90,00 sowie eine Mitteilung der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein (Psychotherapeutenjournal 2/2004) über den Inhalt des Vergleichs vom 21. Mai 1997 im Verfahren vor dem BSG 6 RKa 15/97 über die Kostenerstattung bei Behandlung durch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychologische Psychotherapeuten vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, die Praxis von Dipl.-Psych. Me.-S. sei vom Wohnort der Klägerin 258 km entfernt; die Anfahrt im Pkw erfordere ca. 2 Stunden und 35 Minuten. Dagegen seien die Anfahrtswege zu den von ihr benannten Vertragstherapeutinnen unerheblich. Aus den Antworten auf die gerichtlichen Anfragen (dazu unten) ergebe sich noch hinreichend deutlich, dass sich die Klägerin auch bei einer Vertragstherapeutin hätte in Behandlung begeben können. Dass sie noch immer nicht bei einer solchen in Behandlung sei, resultiere nicht aus einem Mangel an behandlungsbereiten Psychotherapeutinnen, sondern zeige die Fixierung der Klägerin auf eine Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S ...
Einen auf Kostenübernahme für die psychotherapeutische Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. gerichteten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nahm die Klägerin am 22. November 2012 zurück (S 8 KR 3573/12 ER).
Vom 23. Juli bis 27. August 2013 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Rehabilitation in der Abteilung Psychotraumatologie der Klinik am O., B. O ... Im Entlassungsbericht vom 11. September 2013 stellte Chefärztin Dr. St. die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie dissoziativer Bewegungsstörungen. Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig, hinsichtlich Tätigkeiten mit hohem Spracheinsatz bestehe die Notwendigkeit eines Stimmverstärkers fort. Die Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Setting bei einer weiblichen Therapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung sowie zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute psychosomatische stationäre Behandlung wurde empfohlen.
Das SG holte schriftliche Zeugenaussagen der benannten Therapeuten ein. Dipl.-Psych. Ge. teilte unter dem 18. Januar 2013 mit, eine Kontaktaufnahme der Klägerin nicht bestätigen zu können. Im Mai/Juni 2012 hätten – wie zum Zeitpunkt der Auskunft – Wartezeiten für das Erstgespräch von zwei bis drei Wochen bestanden. Dipl.-Psych. J. berichtete über Wartezeiten für einen Therapieplatz von ca. drei Monaten. Der Name der Klägerin sei ihr nicht erinnerlich; häufig seien jedoch Nachrichten auf dem Anrufbeantworter unverständlich oder wegen fehlender Angabe von Name und Nummer nicht zu beantworten (Auskunft vom 22. Januar 2013). Dr. Le. gab Wartezeiten bis zum Behandlungsbeginn von maximal zwei Wochen bei freiem Therapieplatz an. Die Klägerin habe sich am 12. Juni 2012 vorgestellt, aber klargestellt, dass sie keine Verhaltenstherapie wünsche, sondern nur eine Traumatherapie (Auskunft vom 25. Januar 2013). Dipl.-Psych. P.-D. berichtete über Wartezeiten bis zu vier Wochen und gab an, sich an einen Kontakt mit der Klägerin nicht erinnern zu können (Auskunft vom 23. Januar 2013). Dipl.-Psych. G. teilte mit, Wartezeiten seien von Tag und Uhrzeit abhängig; an die Klägerin könne sie sich nicht erinnern. Dipl.-Psych. Ri. (Auskunft vom 9. März 2013) nannte Wartezeiten von drei bis sechs Wochen. Ihres Wissens habe sich die Klägerin bei ihr nicht gemeldet. Alle angefragten Psychotherapeuten – mit Ausnahme von Dipl.-Psych. Ri. – bestätigten, Traumatherapien durchzuführen. Dr. Le. verwies darauf, Verhaltenstherapien durchzuführen, aber keine spezialisierte Traumatherapeutin zu sein.
Mit Urteil vom 10. September 2014 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Kostenerstattung für die bereits in Anspruch genommene Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. noch einen entsprechenden Anspruch auf Sachleistung für die Zukunft. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V habe tatsächlich nicht vorgelegen und hätte rechtlich nur zu einem Vergütungsanspruch dieser Therapeutin gegen die Kassenärztliche Vereinigung, nicht aber zu einem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin geführt. Einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V stehe das Fehlen eines Primäranspruches auf die Behandlung als Sachleistung entgegen, da die gewählte Therapeutin nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Auch auf ein Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Sicherstellung der Versorgung im verhaltenstherapeutischen Bereich erfüllt, weil behandlungsbereite, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Therapeuten in einer - unter Berücksichtigung des damaligen Gesundheitszustandes der Klägerin – zumutbaren Entfernung und Wartezeit vorhanden gewesen seien, bevor sich diese am 1. Dezember 2012 in Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. begeben habe. So hätte sie nach ihrer Entlassung aus der stationären Rehabilitation am 4. Oktober 2012 eine ambulante Therapie bei Dr. P.-G. beginnen können, was deren E-Mail vom 12. Juni 2012 entnommen werden könne. Die dort angebotenen vormittäglichen Behandlungstermine seien der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigung auch nach der Arbeitsunfähigkeit zumutbar gewesen. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Arbeitnehmer von der Dienstverrichtung gemäß § 616 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) freizustellen, wenn sich dieser zur Behandlung drohender Arbeitsunfähigkeit regelmäßig während der Arbeitszeit in ärztliche Behandlung begeben müsse (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteile vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 467/81 – und vom 9. Januar 1985 – 5 AZR 415/82 – (beide juris)). Die Entfernung zu Dr. P.-G. sei mit einer Pkw-Strecke von (einfach) 45,8 km bzw. mit 1:07 Stunden Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr zumutbar, insbesondere im Vergleich zu der weitaus größeren Entfernung zur Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. in O ... Offen bleiben könne, ob es der Klägerin im Herbst 2012 zumutbar gewesen wäre, eine Behandlung bei den anderen von der Beklagten genannten Vertragstherapeuten zu beginnen. Einem Kostenerstattungsanspruch stehe weiter entgegen, dass die Abrechnungen von Dipl.-Psych. Me.-S. nicht erkennen ließen, ob die durchgeführte Therapie als Behandlungsform nach §§ 14 ff. Psychotherapie-Richtlinie zugelassen gewesen sei. Dass diese den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit nach §§ 2 Abs. 2, 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 28 Abs. 3 Satz 1 und 70 SGB V genüge, sei mangels einer Notwendigkeitsbescheinigung eines zur psychotherapeutischen Behandlung berechtigten "Behandlers" nicht ersichtlich. Die vorgelegten Rechnungen entsprächen nicht den Anforderungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Gegen dieses ihr am 25. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Oktober 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und ergänzend zum bisherigen Vorbringen ausgeführt, das SG habe bei Heranziehung der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen, dass nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte bei nicht akuten Erkrankungen Arztbesuche in die Freizeit zu verlegen seien. Unter Berücksichtigung der Dauer der Sitzung, An- und Abfahrt liege nicht nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Hinsichtlich der zumutbaren Entfernung habe das SG ihren Sachvortrag unzutreffend wiedergegeben. Längere Wegstrecken seien ihr nur am dienstfreien Samstag, nicht aber an Arbeitstagen zumutbar. Zweifel an der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der durchgeführten Therapie habe das SG im Verfahren nicht angemeldet. Es verkenne zudem, dass die Traumatherapie (EMDR) dem Bereich der Verhaltenstherapie zuzuordnen sei. Eine Notwendigkeitsbescheinigung sei weder von der Beklagten noch vom SG gefordert worden. Die Klägerin hat zunächst weitere Rechnungen für "Psychotherapie" mit einem Stundensatz von EUR 90,00 vorgelegt (Zeitraum 18. Mai 2014 bis 13. Dezember 2014) sowie auf gerichtliche Anfragen korrigierte Kostenrechnungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 vorgelegt. In letzteren werden jeweils die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) und Dissoziative Bewegungsstörung (F44.4) genannt und "Psychotherapie (Verhaltenstherapie Einzel, GOÄ870)" mit einem Faktor von 2,1 und einem Stundensatz von 91,81 abgerechnet. Des Weiteren hat sie einen Kurzbericht von Dipl.-Psych. Me.-S. vom 1. Juli 2016 vorgelegt, in dem als Art der Therapie eine Verhaltenstherapie mit erlebnisorientierten Elementen und integrierter EMDR-Traumatherapie genannt wird. Inhalt der Therapie seien das Dissoziieren (Überführung des Verleugnens der Traumata in Akzeptanz des Geschehens), die Reduktion der Aphonie als Symptom (Stabilisierung der Stimme), die Auflösung der Angstsymptomatik, die Erhöhung der Selbstreferenz und die Reduzierung der erhöhten vegetativen Sensationen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2012 zu verurteilen, ihr EUR 25.200,00 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, anfangs zwei und später eine Therapiesitzung mit "normaler" Dauer von 45 bis 60 Minuten wöchentlich seien ausreichend gewesen. Hierzu müsse der Arbeitgeber die Klägerin jeweils freistellen. Sie sei nicht verpflichtet, ihren Versicherten Psychotherapeuten, Zahnärzte, Physiotherapeuten etc. zur Verfügung zu stellen, die eine reguläre Versorgung außerhalb der Notfallversorgung an Wochenenden sicherstellten. Die Klägerin habe auch nicht schlüssig vorgetragen, dass gerade ihr Arbeitgeber sich in ihrem Falle anders verhalten sollte. Neben dem fehlenden Bezug der Rechnungstellung zur GOÄ sei auch die lange Dauer der gewählten Behandlung auffällig. Es bleibe offen, ob die durchgeführte Behandlung den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie entspreche. Der Kurzbericht von Dipl.-Psych. Me.-S. vom 1. Juli 2016 entspreche nicht annährend den Berichten, die Psychotherapeuten für die Überprüfung von Langzeittherapien vorlegten und lasse nichts erkennen, was ein Vertragstherapeut mit Kassenzulassung nicht auch leisten könne. §§ 23a, 23b Psychotherapie-Richtlinie sehe für Verhaltenstherapie zunächst einen Umfang von 45 Therapiestunden, in besonderen Fällen von 60 Stunden vor. Bei einer Verlängerung sei grundsätzlich eine Höchstgrenze von 80 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden einzuhalten. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen umfassten insgesamt 280 Stunden. Ein Systemversagen liege nicht vor.
Der Berichterstatter hat am 20. April 2016 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie auf die Verfahrensakten des SG S 8 KR 3573/12 ER Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, weil der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von EUR 750,00 zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 24. Oktober 2014 überschritten wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 184 Stunden Psychotherapie bei Dipl.-Psych. Me.-S. durchgeführt. Bei einem Betrag pro Sitzung von EUR 90,00 (ausweislich der ursprünglich gestellten und von der Klägerin beglichenen Rechnungen) ergibt sich ein Betrag von EUR 16.500,00. Dass ihr tatsächlich höhere Kosten entsprechend den später korrigierten Rechnungen von Dipl.-Psych. Me.-S. (Stundensatz EUR 91,81) entstanden und von ihr beglichen worden seien, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
2. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auch die Kosten für die weiteren nach Einlegung der Berufung durchgeführten Therapiesitzungen geltend macht, handelt es sich nicht um eine Klageänderung, weil insoweit die Klägerin nur statt der ursprünglichen bereits beim SG geltend gemachten zukünftigen Sachleistung wegen der mittlerweile erfolgten Selbstbeschaffung der Leistungen auch insoweit Kostenerstattung begehrt (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
3. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. entstanden sind, weil die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, diese Behandlung zu bewilligen.
Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 25.200,00, die der Klägerin durch die Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 entstanden sind, nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Alternative 2) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG reicht dieser Anspruch jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 5/05 R – juris, Rn. 21 ff.; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 9; Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R – juris, Rn. 13; Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 8/12 R – juris, Rn. 8). Eine Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. musste die Beklagte nicht als Sachleistung gewähren, weil diese nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen war (a), kein Notfall vorlag (b), diese Behandlung auch nicht unaufschiebbar war (c) und kein so genanntes Systemversagen vorlag (d).
a) Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (Satz 1). Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung (Satz 2 Nr. 1). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es sich um keine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 15 SGB IX handelt - nichts Abweichendes vorsehen. Die Klägerin hatte damit grundsätzlich bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung. Eine solche Behandlung konnte aber nur bei einem zur vertragsärztlichen oder vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen. Denn nach § 76 Abs. 1 SGB V, der nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V u.a. für die Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend gilt, können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen (Satz 1). Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (Satz 2). Dipl.-Psych. Me.-S. war im Zeitraum der Behandlung vom 1. Dezember 2012 bis 15. Dezember 2015 nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen.
b) Ein Notfall, bei dem ausnahmsweise nicht zugelassene Ärzte oder Psychologische Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden können, ist nicht gegeben. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt auftretender Behandlungsbedarf aus medizinischen Gründen sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 1. Februar 1995 – 6 RKa 9/94 – juris, Rn. 17; und vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 23). Die Notwendigkeit der weiteren ambulanten psychotherapeutischen Behandlung war bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. am 1. Dezember 2012 nach der Entlassung aus der stationären Rehabilitation am 4. Oktober 2012 nicht unvermittelt aufgetreten. Im Übrigen hätte, wenn ein Notfall vorgelegen hätte, Dipl.-Psych. Me.-S. unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen müssen und hätte der Klägerin selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen stellen dürfen.
c) Der Fall einer unaufschiebbaren Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, Alternative 1 SGB V) lag nicht vor. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung des Leistungsträgers mehr besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R – juris Rn. 15 ff.). Die Fähigkeit der Krankenkasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung des Leistungsträgers vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteile vom 25. September 2000 – B 1 KR 5/99 R – juris, Rn. 16 und vom 2. November 2007 – B 1 KR 14/07 R – juris, Rn. 28). Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. nicht vor. Die Beklagte war bereits durch den Antrag der Klägerin vom 19. April 2012 mit der Frage der Leistungsgewährung befasst und hatte noch vor der tatsächlichen Aufnahme der Behandlung zum 1. Dezember 2012 – abschlägig – entschieden.
d) Auch den Ausnahmefall eines so genannten Systemversagens, dass nämlich eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – juris, Rn. 18; und vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 38/06 R – juris, Rn. 35), vermag der Senat nicht festzustellen. Die Beklagte war in der Lage, der Klägerin die geschuldete notwendige Behandlung durch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychologischen Psychotherapeuten rechtzeitig zu erbringen.
(aa) Die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie war im Falle der Klägerin auch nach Durchführung der stationären Rehabilitation noch notwendig. Der Senat entnimmt dies dem Entlassungsbericht von Dr. St. vom 12. Oktober 2012. Die dort bei Entlassung ausdrücklich abgegebene Empfehlung der Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Setting ist aufgrund der beschriebenen Krankheitsbilder einer posttraumatischen Belastungsstörung und dissoziativer Bewegungsstörungen und des Rehabilitationsergebnisses nachvollziehbar. Danach konnten jeweils eine beginnende emotionale Stabilisierung, Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit und Annäherung an Träume assoziierte Emotionen erreicht werden, nicht aber eine vollständige Ausheilung. Auch die Beklagte hat die Notwendigkeit einer anschließenden ambulanten Psychotherapie nicht in Abrede gestellt.
(bb) Der Inhalt der geschuldeten Leistung bestimmt sich nach § 28 Abs. 3 SGB V i.V.m. der Psychotherapie-Richtlinie. Danach wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V – dies ist die Psychotherapie-Richtlinie – durchgeführt. Maßgeblich sind vorliegend noch die in den Jahren 2012 bis 2015 geltenden Fassungen dieser Richtlinie. In § 13 Psychotherapie-Richtlinie und deren Anlage 1 wird festgestellt, für welche Verfahren und Methoden die Erfordernisse der Psychotherapie-Richtlinie als erfüllt gelten und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen diese zur Behandlung von Krankheit Anwendung finden können (§ 8 Psychotherapie-Richtlinie). Anerkannte Psychotherapieverfahren im Sinne der Richtlinie sind nach § 13 Psychotherapie-Richtlinie psychoanalytisch begründete Verfahren (§§ 14 ff Psychotherapie-Richtlinie) sowie Verhaltenstherapie (§ 15 Psychotherapie-Richtlinie). Nach Anlage 1 I.3. Psychotherapie-Richtlinie kann EMDR bei Erwachsenen mit posttraumatischen Belastungsstörungen als Behandlungsmethode im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzeptes der Verhaltenstherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie oder analytischen Psychotherapie Anwendung finden.
Die isolierte Erbringung von EMDR ist somit in der vertragsärztlichen Versorgung nicht als psychotherapeutische Leistung vorgesehen. Auch "Traumatherapie" ist keine in der Psychotherapie-Richtlinie vorgesehene Behandlungsmethode. Allerdings ist die Notwendigkeit einer speziellen "Traumatherapie" den Behandlungsempfehlungen der Entlassungsberichte von Dr. St. vom 12. Oktober 2012 und vom 11. September 2013 nicht zu entnehmen. Empfohlen wurde jeweils eine ambulante Psychotherapie bei einer Therapeutin mit "traumatherapeutischer Erfahrung", also spezielle Behandlungsform "Traumatherapie". Auch Dr. M. empfahl im Entlassungskurzbrief vom 23. März 2012 lediglich ambulante Psychotherapie; soweit eine "Traumatherapie" angesprochen wurde, bezog sich dies auf eine stationäre Behandlung, nicht eine hier allein in Rede stehende ambulante. Die bei der Klägerin notwendige Psychotherapie war daher vom Leistungsumfang der vertragsärztlichen Versorgung umfasst.
(cc) Für die Durchführung dieser geschuldeten Behandlung standen zum Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide wie auch zu Beginn der tatsächlichen Behandlung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychologische Psychotherapeuten zur Verfügung, die die Klägerin hätte in Anspruch nehmen können.
(1) Zunächst bestand eine Behandlungsmöglichkeit bei Dipl.-Psych. P.-D ... Dies entnimmt der Senat dem Aktenvermerk der Beklagten vom 14. Juni 2012 (Bl. 15 der Verwaltungsakte) sowie der schriftlichen Zeugenaussage der Dipl.-Psych. P.-D. gegenüber dem SG vom 23. Januar 2013. Der Einwand der Klägerin, Dipl.-Psych. P.-D. habe sich in einem Telefonat immer auf eine "Traumtherapie" statt "Traumatherapie" bezogen, wurde bereits am 14. Juni 2012 durch eine telefonische Nachfrage der Beklagten ausgeräumt, was die Beklagte der Klägerin telefonisch sofort mitgeteilt hatte. Dipl.-Psych. P.-D. hatte dabei angegeben, die Klägerin schlecht verstanden zu haben, und klargestellt, dass sie als Verhaltenstherapeutin auch Behandlungen bei Traumata durchführe. Dies hat sie auch in ihrer Aussage vom 23. Januar 2013 gegenüber dem SG bestätigt. Dabei ist es unerheblich, dass in der der Klägerin zugeleiteten – nicht unterschriebenen – Mehrfertigung dieser Aussage eine handschriftliche Korrektur von Traum- in Traumatherapie vorgenommen wurde. In der zu den Akten des SG gelangten – unterschriebenen – Auskunft wird ausdrücklich die Durchführung von "Traumatherapie" bestätigt. Die Klägerin hat weiter eingewandt, Dipl.-Psych. P.-D. habe auf Nachfrage, welchen Therapieansatz sie praktiziere (PITT oder EMDR), lediglich mitgeteilt, sich Abkürzungen nicht merken zu können. Der Senat misst dem keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Den – unwidersprochenen – Feststellungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren ist zu entnehmen, dass Dipl.-Psych. P.-D. seit 25 Jahren "Traumatherapie" durchführe. Dem entnimmt der Senat, dass es sich um eine Psychologische Psychotherapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung handelt, wie in den Entlassungsberichten von Dr. St. empfohlen. Die Entwicklung konkreter Behandlungsansätze hätte nach einem Erstgespräch (probatorische Sitzung) erfolgen müssen. Ein solches hat die Klägerin aber nicht mehr ermöglicht. Dipl.-Psych. P.-D. ist nach der bereits im Widerspruchsverfahren getroffenen Feststellung der Beklagten, an der zu zweifeln kein Anlass besteht, zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin zugelassen. Die Klägerin hat dies nicht in Abrede gestellt. Dass ein freier Therapieplatz vorhanden war, ergibt sich zunächst aus dem Aktenvermerk der Beklagten vom 29. Mai 2012 (Bl. 16 der Verwaltungsakte) aufgrund einer telefonischen Nachfrage bei Dipl.-Psych. P.-D. sowie aus ihrer Zeugenaussage vom 23. Januar 2013. Darin hat sie Wartezeiten von zwei bis drei Wochen im Mai/Juni 2012 und von drei bis vier Wochen zum Zeitpunkt der Auskunft – und somit zeitnah zur Aufnahme der Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. – angegeben. Hierzu wurde von der Klägerin nichts Abweichendes vorgetragen.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit bestand bei der ärztlichen Psychotherapeutin Dr. Le ... Auch diese ist nach den nicht anzuzweifelnden Feststellungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren zur Erbringung von Psychotherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Diese hat entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht selbst eingeräumt, sich nicht für die geeignete Therapeutin zu halten. Dies kann auch nicht ihrer Zeugenaussage vom 25. Januar 2013 gegenüber dem SG entnommen werden. Dort hatte sie lediglich angegeben, dass sie Verhaltenstherapien durchführe und keine spezialisierte Traumatherapeutin sei. Diese Angabe ist vor dem Hintergrund zu werten, dass eine "Traumatherapie" – wie oben dargelegt – nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich Psychotherapie ist, sondern nur als Teil einer Verhaltenstherapie oder eines psychoanalytisch begründeten Verfahrens. Dies stimmt mit dem weiteren Inhalt der Aussage überein, dass die Klägerin keine Verhaltens-, sondern "Traumatherapie" gewünscht habe. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, Dr. Le. habe im Gespräch angegeben, bislang keine Missbrauchs-, wohl aber Vergewaltigungsopfer behandelt zu haben. Dr. Le. hatte auch die Behandlung der Klägerin nicht abgelehnt. Vielmehr hat sie in ihrer Auskunft vom 25. Januar 2013 dargelegt, sie habe der Klägerin bei deren Vorstellung am 12. Juni 2012 erläutert, was eine Verhaltenstherapie sei und in welcher Richtung sie als Verhaltenstherapeutin in ihrem Fall – nach der Schilderung eines Teils der Beschwerden – mit der Therapie anfangen würde. Die Klägerin habe sich aber klar geäußert, dass sie keine Verhaltenstherapie wünsche, sondern nur eine Traumatherapie. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass bei Dr. Le. ein freier Therapieplatz nicht vorhanden gewesen wäre. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin bestanden zum Zeitpunkt des Erstgesprächs zwei freie Therapieplätze. Auch wenn diesen tatsächlich – wie weiter von der Klägerin behauptet – 40 Bewerber gegenüberstanden, ist dem nicht zu entnehmen, dass eine Behandlung durch Dr. Le. nicht zustande gekommen wäre. Die Klägerin hat lediglich nicht abgewartet, ob die Entscheidung zu ihren Gunsten ausfällt. Die Vorstellung am 12, Juni 2012 hatte gerade gezeigt, dass eine Behandlung nicht von vornherein ausgeschlossen war.
Schließlich bestand noch die bereits vom SG ausführlich aufgezeigte Möglichkeit einer Behandlung durch Dr. P.-G., die ebenfalls zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Diese hatte in der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 12. Juni 2012 mitgeteilt, ab September/Oktober 2012 wieder Erstgespräche führen zu können, also zu einem Zeitpunkt vor Aufnahme der Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S ...
(2) Alle drei zugelassenen Leistungserbringer waren vom Wohnort der Klägerin, die über einen Pkw verfügt, in einer für eine regelmäßige Therapie zumutbaren Zeit zu erreichen. Der Senat stützt sich dabei auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren herangezogenen Erhebungen des SG (Bl. 124/141 SG-Akte) mittels Online-Routenplaner und Verbindungsnachweisen des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS). Die Praxis von Dr. P.-G. in S. war mit dem Pkw innerhalb von 37 Minuten zu erreichen, mit öffentlichem Nahverkehr innerhalb von 1:12 Stunden, einschließlich aller Fußwege. Die Fahrzeit zu Dipl.-Psych. P.-D., L., liegt bei einer Stunden mit dem Pkw und ca. 1:20 Stunden mit öffentlichem Nahverkehr. Der Weg zu Dr. Le., S-F., ist mit dem Pkw in ca. 50 Minuten zurückzulegen (Routenplanerabfrage vom 3. November 2016) und mit öffentlichem Nahverkehr in ca. einer Stunde, einschließlich der Fußwege (VVS-Abfrage vom 3. November 2016).
(3) Den genannten Behandlungsmöglichkeiten stand die Berufstätigkeit der Klägerin nicht entgegen, insbesondere war diese entgegen ihrem Vorbringen nicht darauf beschränkt, die ambulante Psychotherapie lediglich an Wochenenden durchzuführen. Auch wenn die Krankheit keine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat und der Arbeitnehmer daher gegen seinen Arbeitgeber keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz hat, kann sich bei Arbeitsverhinderung wegen einer Behandlungsmaßnahme ein Anspruch auf Weiterleistung des Arbeitsentgelts aus § 616 Satz 1 BGB ergeben. Danach wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Dies gilt auch dann, wenn nur die Termingestaltung des Arztes den Lohnausfall verursacht hat (BAG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 455/81 – juris, Rn. 16). Nach § 616 Satz 1 BGB entfällt eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wenn dem Arbeitnehmer die Leistung unzumutbar ist. Das kann auch bei einem Arztbesuch der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann. In diesen Fällen ist der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert. Insoweit besteht eine Konfliktsituationen des Arbeitnehmers: Seine Arbeitspflicht gerät in Widerspruch zu gesetzlichen oder familiären oder sittlichen Verpflichtungen. Im Fall des Arztbesuches besteht eine solche Situation nicht nur bei medizinischen Begründungen, sondern auch bei Terminbestimmungen des behandelnden Arztes (BAG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 467/81 – juris, Rn. 22). Der Arbeitnehmer muss die Verhinderung zwar möglichst zu vermeiden suchen. Hält der Arzt außerhalb der Arbeitszeit Sprechstunden ab und sprechen aus der Sicht des Arbeitnehmers keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, soll der Arbeitnehmer diese Möglichkeit (Berufstätigensprechstunde) auch wahrnehmen. Ist ein weiterer Arztbesuch notwendig, soll er den Arzt bitten, den Behandlungstermin wenn möglich auf einen Zeitpunkt zu verlegen, zu dem keine Arbeitspflicht besteht. Wenn sich der Arzt auf diesen Wunsch des Patienten aber nicht einlässt, kommt es zu einer Pflichtenkollision (BAG, a.a.O., Rn. 25). Je nach Art der notwendigen Behandlung können auch längere Abwesenheitszeiten über einen längeren Zeitraum noch eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" darstellen (z.B. alle zwei Wochen sieben bis acht Stunden Abwesenheit über zwei Jahre, vgl. BAG, Urteil vom 09. Januar 1985 – 5 AZR 415/82 –juris, Rn. 2 und 28). Eine andere Bewertung ergibt sich demgegenüber für ärztlich verordnete Behandlungen. Gemeint sind damit Massagen, Bäder, Inhalationen und ähnliche Heilmaßnahmen, die von Angehörigen der Heilhilfsberufe ausgeführt werden. Hier kann gegebenenfalls davon ausgegangen werden, dass diese Institute ihre Arbeitszeit den Bedürfnissen der Arbeitnehmer anpassen und Behandlungen außerhalb der üblichen Arbeitszeit anbieten (BAG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 92/82 – juris, Rn. 15 zu einer tarifvertraglichen Regelung). Dies gilt nicht für die ärztlichen Behandlungen gleichzustellende Psychotherapie (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V).
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass eine im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführte ambulante Psychotherapie bei den oben genannten zugelassenen Leistungserbringer den Rahmen einer "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" im beschriebenen Sinne überschritten hätte. Die pauschale Behauptung der Klägerin, Therapiesitzungen an einem Werktag seien ihr nicht zumutbar, trifft aus den genannten Gründen nicht zu. Ein substantiierter Vortrag zum Umfang der Behandlung durch die genannten zugelassenen Leistungserbringer ist nicht erfolgt. Vielmehr hat die Klägerin die Aufstellung eines Behandlungsplans Behandlungsumfang und Behandlungsfrequenz sind nach § 23 Absatz ein Satz 1 Psychotherapie-Richtlinie vor Beginn der Behandlung festzulegen – durch diese nicht ermöglicht. Somit liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Rahmen des Fortzahlungsanspruches nach § 616 Satz 1 BGB überschritten worden wäre. Die Klägerin hat – trotz des entsprechenden Hinweises der Beklagten – auch keine Angaben gemacht, inwieweit ihr eine Einteilung der Arbeitszeit, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Vor- oder Nacharbeit, Überstundenausgleich oder ähnlichem, möglich gewesen wäre. Die Klägerin durfte somit Vertragstherapeutinnen nicht wegen der fehlenden Möglichkeit von Behandlungen am Wochenende ausschließen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der ihr durch die Behandlung bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychotherapeutin im Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 entstandenen Kosten in Höhe von EUR 25.200,00.
Die am 1966 geborene Klägerin war jedenfalls seit 2002 bis zum 31. März 2016 Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie ist – auch im streitbefangenen Zeitraum – beschäftigt in Vollzeit als Lehrkraft an der Fachschule für Sozialpädagogik in S.-G. mit einem 25-Stundendeputat zzgl. Vor- und Nachbereitung; zusätzlich muss sie kurzfristig Besuch in Jugendhilfe-Einrichtungen durchführen.
Im Entlassungskurzbrief vom 23. März 2012 über eine stationäre Behandlung im V. Klinikum W. - Klinik für Stimm- und Spracherkrankungen - im Zeitraum vom 13. Februar bis 24. März 2012 berichtete Leitende Ärztin Dr. M., Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, über die Diagnosen einer psychogenen Dysphonie (F44.4), einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) und einer Anpassungsstörung (F43.2) neben weiteren somatischen Gesundheitsstörungen. Logopädische Therapie habe die im Dezember 2011 plötzlich aufgetretene Stimmlosigkeit nicht verbessern können. Im Rahmen der körperlichen Erschöpfung und der Isolation aufgrund einer Noro-Virus-Infektion sei bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung in Form von Flashbacks zu Tage getreten (Missbrauchstrauma in der frühen Kindheit). Empfohlen wurde eine weitere ambulante Psychotherapie und eine Weiterbehandlung in einer psychosomatischen/psychotherapeutischen Klinik mit Eye-Movement-Desensitization und Reprocessing (EMDR), die bereits während des stationären Aufenthaltes angewandt worden sei.
Am 19. April 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine ambulante Psychotherapie bei Dipl.-Psych. Me.-S., O ... Diese verfüge zwar nicht über eine Kassenzulassung. Sie – die Klägerin – habe jedoch zuvor sechs – im Einzelnen genannte – zugelassene Psychologische Psychotherapeutinnen erfolglos angefragt; die Wartezeiten hätten zwischen sechs bis acht Monaten bis zu ein bis eineinhalb Jahre betragen. Aufgrund ihrer psychischen Situation kämen nur weibliche Therapeutinnen in Betracht.
Dipl.-Psych. Me.-S. verfügt über die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin (Approbationsurkunde des Hessischen Prüfungsamtes für Heilberufe vom 1. Januar 1999), ist aber nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme ab, da Dipl.-Psych. Me.-S. nicht als Vertragstherapeutin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Als zugelassene Vertragstherapeutinnen stünden zur Verfügung Dipl.-Psych. R., J. und G., alle in S ...
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, bei den genannten Therapeutinnen erfolglos einen Therapieplatz angefragt zu haben. Unter dem 24. Mai 2012 wies die Beklagte darauf hin, dass die weitere Therapeutensuche von der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme abhänge. Die Beklagte benannte der Klägerin am 29. Mai 2012 telefonisch u.a. Dipl.-Psych. P.-D., L., als Therapeutin mit langjähriger Erfahrung mit Traumapatienten, die über einen freien Therapieplatz verfüge, sowie am 5. Juni 2012 per E-Mail Dr. Le., S ... Zur Begründung des aufrechterhaltenen Widerspruches trug die Klägerin weiter vor, sie habe im Rahmen eines Vorabtelefonats mit Dipl.-Psych. P.-D. nicht den Eindruck gewinnen können, dass diese eine geeignete Therapie anbieten könne; diese habe zunächst von Traumtherapie gesprochen und danach nicht benennen können, welchen Therapieansatz (Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie [PITT] oder EMDR) sie praktiziere. Aufgrund der örtlichen Lage sei die Therapeutin nur mit langen Anfahrtszeiten zu erreichen und biete im Übrigen keine Samstagstermine, was für sie – die Klägerin – wegen der Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit wichtig sei. Dr. Le. habe angegeben, keine Traumatherapie bei Missbrauchsopfern anzubieten und im Übrigen für zwei freie Plätze aus 40 Bewerberinnen wählen zu müssen. Eine weitere von ihr angefragte Therapeutin habe am 12. Juni 2012 mitgeteilt, erst ab September oder Oktober 2012 neue Termine vergeben zu können. Das Bundessozialgericht (BSG) habe "im Verfahren 5 RKA 15/97" (gemeint wohl das Verfahren 6 RKA 15/97) dargelegt, dass ein Patient Anspruch auf außervertragliche Behandlung habe, wenn er nachweise, dass der nachgefragte Behandlungsplatz nicht zur Verfügung stehe; dabei seien mehr als drei vergebliche Behandlungsanfragen und Wartezeiten über drei Monate nicht zuzumuten.
Vom 7. August bis 4. Oktober 2012 befand sich die Klägerin in stationärer Rehabilitation in der Abteilung Psychotraumatologie der Klinik am O., B. O ... Im Entlassungsbericht vom 12. Oktober 2012 stellte Chefärztin Dr. St. die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie dissoziativer Bewegungsstörungen. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig mit der Empfehlung der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz nach Versorgung mit einem Stimmverstärker. Die Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Setting bei einer weiblichen Therapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung sowie stationär traumatherapeutischer Intervalltherapie (Wiederholungsreha) wurde empfohlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Über die Gründe des Ausgangsbescheides hinaus wurde ausgeführt, nicht zugelassene Ärzte oder Psychotherapeuten könnten nur nach Wahl des in § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelten Kostenerstattungsverfahrens mit vorheriger Zustimmung der Krankenkasse aufgesucht werden. Dieses Verfahren habe die Klägerin nicht gewählt. Ihr seien mehrere zugelassene Vertragstherapeutinnen benannt worden. Die Einschränkung ausschließlich auf weibliche Therapeutinnen sei nicht nachvollziehbar, da Therapeuten durch Ausbildung und Erfahrung in der Lage seien, sowohl männliche als auch weibliche Patienten zu betreuen und traumatisierte Patienten zu behandeln. Eine spezielle und isolierte Traumatherapie sei in der maßgeblichen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) nicht vorgesehen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 6. September 2012 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG), mit der sie zuletzt die Verurteilung der Beklagten begehrte, die Kosten in Höhe von EUR 15.660,00 zu erstatten sowie die künftige psychotherapeutische Behandlungen durch Dipl.-Psych. Me.-S. bis 31. Dezember 2015 im Umfange von durchschnittlich monatlich acht Stunden zu gewähren. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus führte sie zur Begründung aus, Dipl.-Psych. Me.-S. habe sie – die Klägerin – bereits während des Aufenthalts in der V. Klinik W. vom 13. Februar bis 24. März 2012 behandelt. Die Notwendigkeit einer Behandlung durch eine weibliche Therapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung werde durch Dr. St. bestätigt (Attest vom 30. August 2012). Die Wahrnehmung von Therapiesitzungen sei ihr lediglich samstags möglich, da sie als Dozentin an der Fachschule für Sozialpädagogik in Vollzeit über schwer zu planende Arbeitszeiten verfüge. Während der Woche habe sie häufig kurzfristig abendliche Praxisbesuche in Einrichtungen der Jugendhilfe wahrzunehmen. Dipl.-Psych. Me.-S. biete Therapiesitzungen an Samstagen an. Die Anfahrt erfolge mit der Bahn und dauere durchschnittlich zwei Stunden und 40 Minuten. Eine Traumatherapie gehöre zum Bereich der Verhaltenstherapie und könne deshalb im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beansprucht werden. Bei Dipl.-Psych. J. und G. habe sie jeweils Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, wobei Rückrufe nach dem Ansagetext nur bei freien Therapieplätzen erfolgen sollten. Rückrufe habe sie nicht erhalten. Dipl.-Psych. Ri. habe ihr gesagt, sie sei "total voll". Dr. Le. habe betont, dass sie keine spezialisierte Traumatherapeutin sei; sie behandle zwar vier Vergewaltigungs-, aber bislang keine Missbrauchsopfer. Die Klägerin legte vor Anfragen per E-Mail vom 10. Juni 2012 bei weiteren vier Therapeutinnen mit einer Rückmeldung der Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. P.-G. vom 12. Juni 2012; danach verfüge diese weder über einen freien Therapieplatz noch eine Warteliste; Erstgespräche seien erst wieder ab September/Oktober 2012 vormittags möglich.
Am 1. Dezember 2012 nahm die Klägerin die Therapie bei Dipl.-Psych. Me.-S. auf, die in der Regel zweimal monatlich samstags in Blöcken von vier Stunden erfolgte. Die von Dipl.-Psych. Me.-S. in Rechnung gestellten Behandlungskosten zahlte die Klägerin nach ihrer Behauptung jeweils. Sie legte Rechnungen dieser Therapeutin für "Psychotherapie" mit einem Stundensatz von EUR 90,00 sowie eine Mitteilung der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein (Psychotherapeutenjournal 2/2004) über den Inhalt des Vergleichs vom 21. Mai 1997 im Verfahren vor dem BSG 6 RKa 15/97 über die Kostenerstattung bei Behandlung durch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychologische Psychotherapeuten vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, die Praxis von Dipl.-Psych. Me.-S. sei vom Wohnort der Klägerin 258 km entfernt; die Anfahrt im Pkw erfordere ca. 2 Stunden und 35 Minuten. Dagegen seien die Anfahrtswege zu den von ihr benannten Vertragstherapeutinnen unerheblich. Aus den Antworten auf die gerichtlichen Anfragen (dazu unten) ergebe sich noch hinreichend deutlich, dass sich die Klägerin auch bei einer Vertragstherapeutin hätte in Behandlung begeben können. Dass sie noch immer nicht bei einer solchen in Behandlung sei, resultiere nicht aus einem Mangel an behandlungsbereiten Psychotherapeutinnen, sondern zeige die Fixierung der Klägerin auf eine Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S ...
Einen auf Kostenübernahme für die psychotherapeutische Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. gerichteten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nahm die Klägerin am 22. November 2012 zurück (S 8 KR 3573/12 ER).
Vom 23. Juli bis 27. August 2013 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Rehabilitation in der Abteilung Psychotraumatologie der Klinik am O., B. O ... Im Entlassungsbericht vom 11. September 2013 stellte Chefärztin Dr. St. die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie dissoziativer Bewegungsstörungen. Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig, hinsichtlich Tätigkeiten mit hohem Spracheinsatz bestehe die Notwendigkeit eines Stimmverstärkers fort. Die Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Setting bei einer weiblichen Therapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung sowie zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute psychosomatische stationäre Behandlung wurde empfohlen.
Das SG holte schriftliche Zeugenaussagen der benannten Therapeuten ein. Dipl.-Psych. Ge. teilte unter dem 18. Januar 2013 mit, eine Kontaktaufnahme der Klägerin nicht bestätigen zu können. Im Mai/Juni 2012 hätten – wie zum Zeitpunkt der Auskunft – Wartezeiten für das Erstgespräch von zwei bis drei Wochen bestanden. Dipl.-Psych. J. berichtete über Wartezeiten für einen Therapieplatz von ca. drei Monaten. Der Name der Klägerin sei ihr nicht erinnerlich; häufig seien jedoch Nachrichten auf dem Anrufbeantworter unverständlich oder wegen fehlender Angabe von Name und Nummer nicht zu beantworten (Auskunft vom 22. Januar 2013). Dr. Le. gab Wartezeiten bis zum Behandlungsbeginn von maximal zwei Wochen bei freiem Therapieplatz an. Die Klägerin habe sich am 12. Juni 2012 vorgestellt, aber klargestellt, dass sie keine Verhaltenstherapie wünsche, sondern nur eine Traumatherapie (Auskunft vom 25. Januar 2013). Dipl.-Psych. P.-D. berichtete über Wartezeiten bis zu vier Wochen und gab an, sich an einen Kontakt mit der Klägerin nicht erinnern zu können (Auskunft vom 23. Januar 2013). Dipl.-Psych. G. teilte mit, Wartezeiten seien von Tag und Uhrzeit abhängig; an die Klägerin könne sie sich nicht erinnern. Dipl.-Psych. Ri. (Auskunft vom 9. März 2013) nannte Wartezeiten von drei bis sechs Wochen. Ihres Wissens habe sich die Klägerin bei ihr nicht gemeldet. Alle angefragten Psychotherapeuten – mit Ausnahme von Dipl.-Psych. Ri. – bestätigten, Traumatherapien durchzuführen. Dr. Le. verwies darauf, Verhaltenstherapien durchzuführen, aber keine spezialisierte Traumatherapeutin zu sein.
Mit Urteil vom 10. September 2014 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Kostenerstattung für die bereits in Anspruch genommene Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. noch einen entsprechenden Anspruch auf Sachleistung für die Zukunft. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V habe tatsächlich nicht vorgelegen und hätte rechtlich nur zu einem Vergütungsanspruch dieser Therapeutin gegen die Kassenärztliche Vereinigung, nicht aber zu einem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin geführt. Einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V stehe das Fehlen eines Primäranspruches auf die Behandlung als Sachleistung entgegen, da die gewählte Therapeutin nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Auch auf ein Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Sicherstellung der Versorgung im verhaltenstherapeutischen Bereich erfüllt, weil behandlungsbereite, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Therapeuten in einer - unter Berücksichtigung des damaligen Gesundheitszustandes der Klägerin – zumutbaren Entfernung und Wartezeit vorhanden gewesen seien, bevor sich diese am 1. Dezember 2012 in Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. begeben habe. So hätte sie nach ihrer Entlassung aus der stationären Rehabilitation am 4. Oktober 2012 eine ambulante Therapie bei Dr. P.-G. beginnen können, was deren E-Mail vom 12. Juni 2012 entnommen werden könne. Die dort angebotenen vormittäglichen Behandlungstermine seien der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigung auch nach der Arbeitsunfähigkeit zumutbar gewesen. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Arbeitnehmer von der Dienstverrichtung gemäß § 616 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) freizustellen, wenn sich dieser zur Behandlung drohender Arbeitsunfähigkeit regelmäßig während der Arbeitszeit in ärztliche Behandlung begeben müsse (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteile vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 467/81 – und vom 9. Januar 1985 – 5 AZR 415/82 – (beide juris)). Die Entfernung zu Dr. P.-G. sei mit einer Pkw-Strecke von (einfach) 45,8 km bzw. mit 1:07 Stunden Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr zumutbar, insbesondere im Vergleich zu der weitaus größeren Entfernung zur Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. in O ... Offen bleiben könne, ob es der Klägerin im Herbst 2012 zumutbar gewesen wäre, eine Behandlung bei den anderen von der Beklagten genannten Vertragstherapeuten zu beginnen. Einem Kostenerstattungsanspruch stehe weiter entgegen, dass die Abrechnungen von Dipl.-Psych. Me.-S. nicht erkennen ließen, ob die durchgeführte Therapie als Behandlungsform nach §§ 14 ff. Psychotherapie-Richtlinie zugelassen gewesen sei. Dass diese den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit nach §§ 2 Abs. 2, 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 28 Abs. 3 Satz 1 und 70 SGB V genüge, sei mangels einer Notwendigkeitsbescheinigung eines zur psychotherapeutischen Behandlung berechtigten "Behandlers" nicht ersichtlich. Die vorgelegten Rechnungen entsprächen nicht den Anforderungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Gegen dieses ihr am 25. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Oktober 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und ergänzend zum bisherigen Vorbringen ausgeführt, das SG habe bei Heranziehung der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen, dass nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte bei nicht akuten Erkrankungen Arztbesuche in die Freizeit zu verlegen seien. Unter Berücksichtigung der Dauer der Sitzung, An- und Abfahrt liege nicht nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Hinsichtlich der zumutbaren Entfernung habe das SG ihren Sachvortrag unzutreffend wiedergegeben. Längere Wegstrecken seien ihr nur am dienstfreien Samstag, nicht aber an Arbeitstagen zumutbar. Zweifel an der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der durchgeführten Therapie habe das SG im Verfahren nicht angemeldet. Es verkenne zudem, dass die Traumatherapie (EMDR) dem Bereich der Verhaltenstherapie zuzuordnen sei. Eine Notwendigkeitsbescheinigung sei weder von der Beklagten noch vom SG gefordert worden. Die Klägerin hat zunächst weitere Rechnungen für "Psychotherapie" mit einem Stundensatz von EUR 90,00 vorgelegt (Zeitraum 18. Mai 2014 bis 13. Dezember 2014) sowie auf gerichtliche Anfragen korrigierte Kostenrechnungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 vorgelegt. In letzteren werden jeweils die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) und Dissoziative Bewegungsstörung (F44.4) genannt und "Psychotherapie (Verhaltenstherapie Einzel, GOÄ870)" mit einem Faktor von 2,1 und einem Stundensatz von 91,81 abgerechnet. Des Weiteren hat sie einen Kurzbericht von Dipl.-Psych. Me.-S. vom 1. Juli 2016 vorgelegt, in dem als Art der Therapie eine Verhaltenstherapie mit erlebnisorientierten Elementen und integrierter EMDR-Traumatherapie genannt wird. Inhalt der Therapie seien das Dissoziieren (Überführung des Verleugnens der Traumata in Akzeptanz des Geschehens), die Reduktion der Aphonie als Symptom (Stabilisierung der Stimme), die Auflösung der Angstsymptomatik, die Erhöhung der Selbstreferenz und die Reduzierung der erhöhten vegetativen Sensationen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2012 zu verurteilen, ihr EUR 25.200,00 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, anfangs zwei und später eine Therapiesitzung mit "normaler" Dauer von 45 bis 60 Minuten wöchentlich seien ausreichend gewesen. Hierzu müsse der Arbeitgeber die Klägerin jeweils freistellen. Sie sei nicht verpflichtet, ihren Versicherten Psychotherapeuten, Zahnärzte, Physiotherapeuten etc. zur Verfügung zu stellen, die eine reguläre Versorgung außerhalb der Notfallversorgung an Wochenenden sicherstellten. Die Klägerin habe auch nicht schlüssig vorgetragen, dass gerade ihr Arbeitgeber sich in ihrem Falle anders verhalten sollte. Neben dem fehlenden Bezug der Rechnungstellung zur GOÄ sei auch die lange Dauer der gewählten Behandlung auffällig. Es bleibe offen, ob die durchgeführte Behandlung den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie entspreche. Der Kurzbericht von Dipl.-Psych. Me.-S. vom 1. Juli 2016 entspreche nicht annährend den Berichten, die Psychotherapeuten für die Überprüfung von Langzeittherapien vorlegten und lasse nichts erkennen, was ein Vertragstherapeut mit Kassenzulassung nicht auch leisten könne. §§ 23a, 23b Psychotherapie-Richtlinie sehe für Verhaltenstherapie zunächst einen Umfang von 45 Therapiestunden, in besonderen Fällen von 60 Stunden vor. Bei einer Verlängerung sei grundsätzlich eine Höchstgrenze von 80 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden einzuhalten. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen umfassten insgesamt 280 Stunden. Ein Systemversagen liege nicht vor.
Der Berichterstatter hat am 20. April 2016 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie auf die Verfahrensakten des SG S 8 KR 3573/12 ER Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, weil der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von EUR 750,00 zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 24. Oktober 2014 überschritten wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 184 Stunden Psychotherapie bei Dipl.-Psych. Me.-S. durchgeführt. Bei einem Betrag pro Sitzung von EUR 90,00 (ausweislich der ursprünglich gestellten und von der Klägerin beglichenen Rechnungen) ergibt sich ein Betrag von EUR 16.500,00. Dass ihr tatsächlich höhere Kosten entsprechend den später korrigierten Rechnungen von Dipl.-Psych. Me.-S. (Stundensatz EUR 91,81) entstanden und von ihr beglichen worden seien, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
2. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auch die Kosten für die weiteren nach Einlegung der Berufung durchgeführten Therapiesitzungen geltend macht, handelt es sich nicht um eine Klageänderung, weil insoweit die Klägerin nur statt der ursprünglichen bereits beim SG geltend gemachten zukünftigen Sachleistung wegen der mittlerweile erfolgten Selbstbeschaffung der Leistungen auch insoweit Kostenerstattung begehrt (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
3. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. entstanden sind, weil die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, diese Behandlung zu bewilligen.
Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 25.200,00, die der Klägerin durch die Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 12. Dezember 2015 entstanden sind, nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Alternative 2) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG reicht dieser Anspruch jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 5/05 R – juris, Rn. 21 ff.; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 9; Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R – juris, Rn. 13; Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 8/12 R – juris, Rn. 8). Eine Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. musste die Beklagte nicht als Sachleistung gewähren, weil diese nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen war (a), kein Notfall vorlag (b), diese Behandlung auch nicht unaufschiebbar war (c) und kein so genanntes Systemversagen vorlag (d).
a) Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (Satz 1). Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung (Satz 2 Nr. 1). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es sich um keine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 15 SGB IX handelt - nichts Abweichendes vorsehen. Die Klägerin hatte damit grundsätzlich bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung. Eine solche Behandlung konnte aber nur bei einem zur vertragsärztlichen oder vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen. Denn nach § 76 Abs. 1 SGB V, der nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V u.a. für die Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend gilt, können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen (Satz 1). Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (Satz 2). Dipl.-Psych. Me.-S. war im Zeitraum der Behandlung vom 1. Dezember 2012 bis 15. Dezember 2015 nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen.
b) Ein Notfall, bei dem ausnahmsweise nicht zugelassene Ärzte oder Psychologische Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden können, ist nicht gegeben. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein unvermittelt auftretender Behandlungsbedarf aus medizinischen Gründen sofort befriedigt werden muss und ein fachlich zuständiger Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 1. Februar 1995 – 6 RKa 9/94 – juris, Rn. 17; und vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 23). Die Notwendigkeit der weiteren ambulanten psychotherapeutischen Behandlung war bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. am 1. Dezember 2012 nach der Entlassung aus der stationären Rehabilitation am 4. Oktober 2012 nicht unvermittelt aufgetreten. Im Übrigen hätte, wenn ein Notfall vorgelegen hätte, Dipl.-Psych. Me.-S. unmittelbar mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen müssen und hätte der Klägerin selbst keine Rechnungen über durchgeführte Notfallbehandlungen stellen dürfen.
c) Der Fall einer unaufschiebbaren Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, Alternative 1 SGB V) lag nicht vor. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung des Leistungsträgers mehr besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R – juris Rn. 15 ff.). Die Fähigkeit der Krankenkasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung des Leistungsträgers vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteile vom 25. September 2000 – B 1 KR 5/99 R – juris, Rn. 16 und vom 2. November 2007 – B 1 KR 14/07 R – juris, Rn. 28). Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der Behandlung durch Dipl.-Psych. Me.-S. nicht vor. Die Beklagte war bereits durch den Antrag der Klägerin vom 19. April 2012 mit der Frage der Leistungsgewährung befasst und hatte noch vor der tatsächlichen Aufnahme der Behandlung zum 1. Dezember 2012 – abschlägig – entschieden.
d) Auch den Ausnahmefall eines so genannten Systemversagens, dass nämlich eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – juris, Rn. 18; und vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 38/06 R – juris, Rn. 35), vermag der Senat nicht festzustellen. Die Beklagte war in der Lage, der Klägerin die geschuldete notwendige Behandlung durch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychologischen Psychotherapeuten rechtzeitig zu erbringen.
(aa) Die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie war im Falle der Klägerin auch nach Durchführung der stationären Rehabilitation noch notwendig. Der Senat entnimmt dies dem Entlassungsbericht von Dr. St. vom 12. Oktober 2012. Die dort bei Entlassung ausdrücklich abgegebene Empfehlung der Fortsetzung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Setting ist aufgrund der beschriebenen Krankheitsbilder einer posttraumatischen Belastungsstörung und dissoziativer Bewegungsstörungen und des Rehabilitationsergebnisses nachvollziehbar. Danach konnten jeweils eine beginnende emotionale Stabilisierung, Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit und Annäherung an Träume assoziierte Emotionen erreicht werden, nicht aber eine vollständige Ausheilung. Auch die Beklagte hat die Notwendigkeit einer anschließenden ambulanten Psychotherapie nicht in Abrede gestellt.
(bb) Der Inhalt der geschuldeten Leistung bestimmt sich nach § 28 Abs. 3 SGB V i.V.m. der Psychotherapie-Richtlinie. Danach wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V – dies ist die Psychotherapie-Richtlinie – durchgeführt. Maßgeblich sind vorliegend noch die in den Jahren 2012 bis 2015 geltenden Fassungen dieser Richtlinie. In § 13 Psychotherapie-Richtlinie und deren Anlage 1 wird festgestellt, für welche Verfahren und Methoden die Erfordernisse der Psychotherapie-Richtlinie als erfüllt gelten und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen diese zur Behandlung von Krankheit Anwendung finden können (§ 8 Psychotherapie-Richtlinie). Anerkannte Psychotherapieverfahren im Sinne der Richtlinie sind nach § 13 Psychotherapie-Richtlinie psychoanalytisch begründete Verfahren (§§ 14 ff Psychotherapie-Richtlinie) sowie Verhaltenstherapie (§ 15 Psychotherapie-Richtlinie). Nach Anlage 1 I.3. Psychotherapie-Richtlinie kann EMDR bei Erwachsenen mit posttraumatischen Belastungsstörungen als Behandlungsmethode im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzeptes der Verhaltenstherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie oder analytischen Psychotherapie Anwendung finden.
Die isolierte Erbringung von EMDR ist somit in der vertragsärztlichen Versorgung nicht als psychotherapeutische Leistung vorgesehen. Auch "Traumatherapie" ist keine in der Psychotherapie-Richtlinie vorgesehene Behandlungsmethode. Allerdings ist die Notwendigkeit einer speziellen "Traumatherapie" den Behandlungsempfehlungen der Entlassungsberichte von Dr. St. vom 12. Oktober 2012 und vom 11. September 2013 nicht zu entnehmen. Empfohlen wurde jeweils eine ambulante Psychotherapie bei einer Therapeutin mit "traumatherapeutischer Erfahrung", also spezielle Behandlungsform "Traumatherapie". Auch Dr. M. empfahl im Entlassungskurzbrief vom 23. März 2012 lediglich ambulante Psychotherapie; soweit eine "Traumatherapie" angesprochen wurde, bezog sich dies auf eine stationäre Behandlung, nicht eine hier allein in Rede stehende ambulante. Die bei der Klägerin notwendige Psychotherapie war daher vom Leistungsumfang der vertragsärztlichen Versorgung umfasst.
(cc) Für die Durchführung dieser geschuldeten Behandlung standen zum Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide wie auch zu Beginn der tatsächlichen Behandlung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychologische Psychotherapeuten zur Verfügung, die die Klägerin hätte in Anspruch nehmen können.
(1) Zunächst bestand eine Behandlungsmöglichkeit bei Dipl.-Psych. P.-D ... Dies entnimmt der Senat dem Aktenvermerk der Beklagten vom 14. Juni 2012 (Bl. 15 der Verwaltungsakte) sowie der schriftlichen Zeugenaussage der Dipl.-Psych. P.-D. gegenüber dem SG vom 23. Januar 2013. Der Einwand der Klägerin, Dipl.-Psych. P.-D. habe sich in einem Telefonat immer auf eine "Traumtherapie" statt "Traumatherapie" bezogen, wurde bereits am 14. Juni 2012 durch eine telefonische Nachfrage der Beklagten ausgeräumt, was die Beklagte der Klägerin telefonisch sofort mitgeteilt hatte. Dipl.-Psych. P.-D. hatte dabei angegeben, die Klägerin schlecht verstanden zu haben, und klargestellt, dass sie als Verhaltenstherapeutin auch Behandlungen bei Traumata durchführe. Dies hat sie auch in ihrer Aussage vom 23. Januar 2013 gegenüber dem SG bestätigt. Dabei ist es unerheblich, dass in der der Klägerin zugeleiteten – nicht unterschriebenen – Mehrfertigung dieser Aussage eine handschriftliche Korrektur von Traum- in Traumatherapie vorgenommen wurde. In der zu den Akten des SG gelangten – unterschriebenen – Auskunft wird ausdrücklich die Durchführung von "Traumatherapie" bestätigt. Die Klägerin hat weiter eingewandt, Dipl.-Psych. P.-D. habe auf Nachfrage, welchen Therapieansatz sie praktiziere (PITT oder EMDR), lediglich mitgeteilt, sich Abkürzungen nicht merken zu können. Der Senat misst dem keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Den – unwidersprochenen – Feststellungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren ist zu entnehmen, dass Dipl.-Psych. P.-D. seit 25 Jahren "Traumatherapie" durchführe. Dem entnimmt der Senat, dass es sich um eine Psychologische Psychotherapeutin mit traumatherapeutischer Erfahrung handelt, wie in den Entlassungsberichten von Dr. St. empfohlen. Die Entwicklung konkreter Behandlungsansätze hätte nach einem Erstgespräch (probatorische Sitzung) erfolgen müssen. Ein solches hat die Klägerin aber nicht mehr ermöglicht. Dipl.-Psych. P.-D. ist nach der bereits im Widerspruchsverfahren getroffenen Feststellung der Beklagten, an der zu zweifeln kein Anlass besteht, zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin zugelassen. Die Klägerin hat dies nicht in Abrede gestellt. Dass ein freier Therapieplatz vorhanden war, ergibt sich zunächst aus dem Aktenvermerk der Beklagten vom 29. Mai 2012 (Bl. 16 der Verwaltungsakte) aufgrund einer telefonischen Nachfrage bei Dipl.-Psych. P.-D. sowie aus ihrer Zeugenaussage vom 23. Januar 2013. Darin hat sie Wartezeiten von zwei bis drei Wochen im Mai/Juni 2012 und von drei bis vier Wochen zum Zeitpunkt der Auskunft – und somit zeitnah zur Aufnahme der Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S. – angegeben. Hierzu wurde von der Klägerin nichts Abweichendes vorgetragen.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit bestand bei der ärztlichen Psychotherapeutin Dr. Le ... Auch diese ist nach den nicht anzuzweifelnden Feststellungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren zur Erbringung von Psychotherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Diese hat entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht selbst eingeräumt, sich nicht für die geeignete Therapeutin zu halten. Dies kann auch nicht ihrer Zeugenaussage vom 25. Januar 2013 gegenüber dem SG entnommen werden. Dort hatte sie lediglich angegeben, dass sie Verhaltenstherapien durchführe und keine spezialisierte Traumatherapeutin sei. Diese Angabe ist vor dem Hintergrund zu werten, dass eine "Traumatherapie" – wie oben dargelegt – nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich Psychotherapie ist, sondern nur als Teil einer Verhaltenstherapie oder eines psychoanalytisch begründeten Verfahrens. Dies stimmt mit dem weiteren Inhalt der Aussage überein, dass die Klägerin keine Verhaltens-, sondern "Traumatherapie" gewünscht habe. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, Dr. Le. habe im Gespräch angegeben, bislang keine Missbrauchs-, wohl aber Vergewaltigungsopfer behandelt zu haben. Dr. Le. hatte auch die Behandlung der Klägerin nicht abgelehnt. Vielmehr hat sie in ihrer Auskunft vom 25. Januar 2013 dargelegt, sie habe der Klägerin bei deren Vorstellung am 12. Juni 2012 erläutert, was eine Verhaltenstherapie sei und in welcher Richtung sie als Verhaltenstherapeutin in ihrem Fall – nach der Schilderung eines Teils der Beschwerden – mit der Therapie anfangen würde. Die Klägerin habe sich aber klar geäußert, dass sie keine Verhaltenstherapie wünsche, sondern nur eine Traumatherapie. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass bei Dr. Le. ein freier Therapieplatz nicht vorhanden gewesen wäre. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin bestanden zum Zeitpunkt des Erstgesprächs zwei freie Therapieplätze. Auch wenn diesen tatsächlich – wie weiter von der Klägerin behauptet – 40 Bewerber gegenüberstanden, ist dem nicht zu entnehmen, dass eine Behandlung durch Dr. Le. nicht zustande gekommen wäre. Die Klägerin hat lediglich nicht abgewartet, ob die Entscheidung zu ihren Gunsten ausfällt. Die Vorstellung am 12, Juni 2012 hatte gerade gezeigt, dass eine Behandlung nicht von vornherein ausgeschlossen war.
Schließlich bestand noch die bereits vom SG ausführlich aufgezeigte Möglichkeit einer Behandlung durch Dr. P.-G., die ebenfalls zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Diese hatte in der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 12. Juni 2012 mitgeteilt, ab September/Oktober 2012 wieder Erstgespräche führen zu können, also zu einem Zeitpunkt vor Aufnahme der Behandlung bei Dipl.-Psych. Me.-S ...
(2) Alle drei zugelassenen Leistungserbringer waren vom Wohnort der Klägerin, die über einen Pkw verfügt, in einer für eine regelmäßige Therapie zumutbaren Zeit zu erreichen. Der Senat stützt sich dabei auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren herangezogenen Erhebungen des SG (Bl. 124/141 SG-Akte) mittels Online-Routenplaner und Verbindungsnachweisen des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS). Die Praxis von Dr. P.-G. in S. war mit dem Pkw innerhalb von 37 Minuten zu erreichen, mit öffentlichem Nahverkehr innerhalb von 1:12 Stunden, einschließlich aller Fußwege. Die Fahrzeit zu Dipl.-Psych. P.-D., L., liegt bei einer Stunden mit dem Pkw und ca. 1:20 Stunden mit öffentlichem Nahverkehr. Der Weg zu Dr. Le., S-F., ist mit dem Pkw in ca. 50 Minuten zurückzulegen (Routenplanerabfrage vom 3. November 2016) und mit öffentlichem Nahverkehr in ca. einer Stunde, einschließlich der Fußwege (VVS-Abfrage vom 3. November 2016).
(3) Den genannten Behandlungsmöglichkeiten stand die Berufstätigkeit der Klägerin nicht entgegen, insbesondere war diese entgegen ihrem Vorbringen nicht darauf beschränkt, die ambulante Psychotherapie lediglich an Wochenenden durchzuführen. Auch wenn die Krankheit keine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat und der Arbeitnehmer daher gegen seinen Arbeitgeber keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz hat, kann sich bei Arbeitsverhinderung wegen einer Behandlungsmaßnahme ein Anspruch auf Weiterleistung des Arbeitsentgelts aus § 616 Satz 1 BGB ergeben. Danach wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Dies gilt auch dann, wenn nur die Termingestaltung des Arztes den Lohnausfall verursacht hat (BAG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 455/81 – juris, Rn. 16). Nach § 616 Satz 1 BGB entfällt eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wenn dem Arbeitnehmer die Leistung unzumutbar ist. Das kann auch bei einem Arztbesuch der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann. In diesen Fällen ist der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert. Insoweit besteht eine Konfliktsituationen des Arbeitnehmers: Seine Arbeitspflicht gerät in Widerspruch zu gesetzlichen oder familiären oder sittlichen Verpflichtungen. Im Fall des Arztbesuches besteht eine solche Situation nicht nur bei medizinischen Begründungen, sondern auch bei Terminbestimmungen des behandelnden Arztes (BAG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 467/81 – juris, Rn. 22). Der Arbeitnehmer muss die Verhinderung zwar möglichst zu vermeiden suchen. Hält der Arzt außerhalb der Arbeitszeit Sprechstunden ab und sprechen aus der Sicht des Arbeitnehmers keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, soll der Arbeitnehmer diese Möglichkeit (Berufstätigensprechstunde) auch wahrnehmen. Ist ein weiterer Arztbesuch notwendig, soll er den Arzt bitten, den Behandlungstermin wenn möglich auf einen Zeitpunkt zu verlegen, zu dem keine Arbeitspflicht besteht. Wenn sich der Arzt auf diesen Wunsch des Patienten aber nicht einlässt, kommt es zu einer Pflichtenkollision (BAG, a.a.O., Rn. 25). Je nach Art der notwendigen Behandlung können auch längere Abwesenheitszeiten über einen längeren Zeitraum noch eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" darstellen (z.B. alle zwei Wochen sieben bis acht Stunden Abwesenheit über zwei Jahre, vgl. BAG, Urteil vom 09. Januar 1985 – 5 AZR 415/82 –juris, Rn. 2 und 28). Eine andere Bewertung ergibt sich demgegenüber für ärztlich verordnete Behandlungen. Gemeint sind damit Massagen, Bäder, Inhalationen und ähnliche Heilmaßnahmen, die von Angehörigen der Heilhilfsberufe ausgeführt werden. Hier kann gegebenenfalls davon ausgegangen werden, dass diese Institute ihre Arbeitszeit den Bedürfnissen der Arbeitnehmer anpassen und Behandlungen außerhalb der üblichen Arbeitszeit anbieten (BAG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 5 AZR 92/82 – juris, Rn. 15 zu einer tarifvertraglichen Regelung). Dies gilt nicht für die ärztlichen Behandlungen gleichzustellende Psychotherapie (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V).
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass eine im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführte ambulante Psychotherapie bei den oben genannten zugelassenen Leistungserbringer den Rahmen einer "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" im beschriebenen Sinne überschritten hätte. Die pauschale Behauptung der Klägerin, Therapiesitzungen an einem Werktag seien ihr nicht zumutbar, trifft aus den genannten Gründen nicht zu. Ein substantiierter Vortrag zum Umfang der Behandlung durch die genannten zugelassenen Leistungserbringer ist nicht erfolgt. Vielmehr hat die Klägerin die Aufstellung eines Behandlungsplans Behandlungsumfang und Behandlungsfrequenz sind nach § 23 Absatz ein Satz 1 Psychotherapie-Richtlinie vor Beginn der Behandlung festzulegen – durch diese nicht ermöglicht. Somit liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Rahmen des Fortzahlungsanspruches nach § 616 Satz 1 BGB überschritten worden wäre. Die Klägerin hat – trotz des entsprechenden Hinweises der Beklagten – auch keine Angaben gemacht, inwieweit ihr eine Einteilung der Arbeitszeit, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Vor- oder Nacharbeit, Überstundenausgleich oder ähnlichem, möglich gewesen wäre. Die Klägerin durfte somit Vertragstherapeutinnen nicht wegen der fehlenden Möglichkeit von Behandlungen am Wochenende ausschließen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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