L 7 SO 3892/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 2837/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3892/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 6. Oktober 2016 in Ziffer 2) des Tenors mit der Maßgabe abgeändert, dass die einstweilige Anordnung bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin vom 19. Oktober 2016 gegen den Bescheid vom 19. September 2016 - längstens jedoch bis zum 30. April 2017 - befristet wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist indes im Wesentlichen unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim (SG) war lediglich hinsichtlich der ausgesprochenen Befristung der erlassenen einstweiligen Anordnung abzuändern.

1. Gegenstand des Verfahrens ist nach dem zuletzt geäußerten ausdrücklichen Begehren der Antragstellerin (s. den Anwaltsschriftsatz vom 5. Oktober 2016 (Blatt 93 der SG-Akte des Eilverfahrens)) die vorläufige Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab Anhängigkeit des Eilantrags am 15. September 2016 bis "zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache". Dabei ist allerdings zu beachten, dass die "Hauptsache" des vorliegenden Eilverfahrens nicht etwa die von der Antragstellerin am 2. Mai 2016 beim SG erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG) S 9 SO 1284/16 ist, mit der sie sich u.a. gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. April 2016 (§ 95 SGG) betreffend die Ablehnung von Grundsicherungsleistungen auf den (neuerlichen) Leistungsantrag vom 28. August 2015 wendet, sondern das noch nicht abgeschlossene Widerspruchsverfahren (Widerspruch der Antragstellerin vom 19. Oktober 2016) gegen den Ablehnungsbescheid vom 19. September 2016.

Nachdem die Antragstellerin am 19. Mai 2016 einen erneuten Leistungsantrag gestellt hat, über den der Antragsgegner mit Bescheid vom 19. September 2016 (wiederum) ablehnend entschieden hat, ist insoweit eine "Zäsur" dergestalt eingetreten, dass der Bescheid vom 19. September 2016 für den Leistungszeitraum ab dem 1. Mai 2016 (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 SGB XII) den vorangegangenen Ablehnungsbescheid vom 20. Oktober 2015 (Widerspruchsbescheid vom 1. April 2016) nach § 39 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erledigt hat (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - (juris Rdnr. 8) m.w.N.). Der Bescheid vom 19. September 2016 betreffend die Zeit ab dem 1. Mai 2016 ist dabei auch nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 9 SO 1284/16 geworden, denn die Ablehnung der Leistung ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der mit Wirkung für die Zukunft i.S.d. § 96 Abs. 1 SGG abgeändert oder ersetzt werden kann (BSG, a.a.O.). Auch eine entsprechende Anwendung des § 96 SGG kommt, wenn die Leistung erneut abgelehnt worden ist, nicht in Betracht (BSG, a.a.O.; Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 59/06 R - (juris Rdnr. 13)). Gegenstand des Klageverfahrens S 9 SO 1284/16 ist mithin - soweit laufende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII betroffen sind - nur noch der Leistungszeitraum vom 1. August 2015 bis 30. April 2016. An der Zulässigkeit des vorliegenden Eilbegehrens ändert dies freilich nichts.

2. Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die rechtlichen Grundlagen für den Erlass einer - hier alleine statthaften - Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zutreffend dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass und warum die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)) hat. Dem schließt sich der Senat an, verweist auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) sowie auf die Ausführungen im Beschluss des Senatsvorsitzenden vom 3. November 2016 - die sich der Senat ebenfalls zu eigen macht - und weist die Beschwerde des Antragsgegners insoweit als unbegründet zurück.

Zum Beschwerdevorbringen merkt der Senat unter Hinweis auf den Beschluss vom 3. November 2016 lediglich noch an, dass es nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes im existenzsichernden Grundsicherungsrecht ist, letzte (Rest-)Zweifel am Vorbringen der Antragstellerin auszuräumen. Dies hat vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu bleiben, zumal es jedenfalls derzeit keinerlei belastbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Antragstellerin über zu berücksichtigendes Vermögen verfügt. Dem Vorbringen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 4. November 2016 ist entgegenzuhalten, dass von der Antragstellerin wohl kaum verlangt werden kann, die Grundlagen der Verkehrswerteinschätzung eines Kfz-Meisters zu benennen respektive diese Einschätzung zu substantiieren. Es lag daher am Antragsgegner selbst, dem im Wege der Amtsermittlung (§ 20 Abs. 1 SGB X) ggf. nachzugehen - etwa durch Einvernahme des Herrn Meider (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X) -, wenn er die Frage des Restwerts des Kfz auch noch nach über einem Jahr der Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs am 15. Juli 2015 (s. dazu Band 2, Blatt 549 der Verwaltungsakten) und des Kaufvertrags vom 18. Juli 2015 für entscheidungserheblich erachtet, obgleich Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin weiterhin die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug innehat, nicht ersichtlich sind. Spricht danach deutlich mehr dafür als dagegen, dass die Antragstellerin das Fahrzeug tatsächlich veräußert hat, dürfte es schon alleine im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf - währenddessen die Antragstellerin unwiderlegt von ihrem Renteneinkommen sowie namentlich von Darlehensleistungen des C. bzw. des Herrn L. gelebt hat und gleichzeitig u.a. Energieschulden entstanden sind - nicht darauf ankommen, ob das Kfz dereinst für 2.300 Euro oder für 4.437 Euro veräußert wurde. Darauf hat bereits das SG zutreffend hingewiesen.

Schließlich sieht der Senat auch im Hinblick auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 16. November 2016 keine Veranlassung, die einstweilige Anordnung des SG betragsmäßig abzuändern, nachdem das SG bereits einen Abschlag vom monatlichen Regelbedarf i.H.v. 30 vom Hundert angeordnet hat (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - (juris Rdnr. 26)).

3. Abzuändern war der Beschluss des SG aus Klarstellungsgründen indes hinsichtlich der Befristung der einstweiligen Anordnung (Beschlussausspruch zu Ziffer 2), da das SG irrtümlich - weil es der Antragsgegner pflichtwidrig (arg. ex § 119 SGG, s. dazu nur Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 119 Rdnr. 1 m.w.N.) unterlassen hat, dem SG seine vollständigen Akten vorzulegen (der Bescheid vom 19. September 2016, der wie dargelegt zur "Zäsur" im Verfahren S 9 SO 1284/16 geführt hat, wurde erst am 18. November 2016 nach ausdrücklicher Anforderung des Senats beigebracht) - davon ausgegangen ist, das dem Eilverfahren zugrundeliegende Verfahren der Hauptsache sei das Klageverfahren S 9 SO 1284/16. Dass die einstweilige Anordnung sachgerecht (vgl. dazu statt vieler nur Keller a.a.O., § 86b Rdnrn. 35b, 35f m.w.N.) längstens bis zum 30. April 2017 zu befristen ist, beruht auf § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO und § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Kostenentscheidung des SG abzuändern; sie entspricht der Billigkeit (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ebenso ist es sachgerecht, dass der Antragsgegner der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten hat. Der Umstand, dass der Senat die Entscheidung des SG teilweise abgeändert hat, rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung und nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine andere Entscheidung.

5. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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