Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 341/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 858/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.01.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen Verschlimmerung seiner Unfallfolgen höhere Verletztenrente zusteht.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 01.04.1987 während der Arbeit einen Unfall, bei dem er sich eine Acetabulum(Hüftpfanne)-Querfraktur rechts mit dorsalem Pfannenrandfragmet sowie einen Querfortsatzbruch des Lendenwirbelkörpers L 2 zuzog (Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. S. vom 01.04.1987, Zwischenbericht des K. Hospitals S. vom 28.04.1987).
Auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. We. vom 25.11.1987 gewährte die Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten – im folgenden Beklagte – mit Bescheid vom 15.03.1988 unter Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 06.06.1988). Seine hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) unter dem Az. S 5 U 2058/88 nahm der Kläger zurück (Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 15.03.1989).
Zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente erstattete Prof. Dr. We. das Gutachten vom 08.12.1988, in dem er die von ihm beschriebenen Unfallfolgen weiterhin mit einer MdE um 20 v.H. bewertete. Mit Bescheid vom 22.02.1989 bewilligte die Beklagte anstelle der vorläufigen Rente Dauerrente nach einer MdE um 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: rechts: Leichte Beeinträchtigungen des Gangbildes infolge schmerzhafter Bewegungseinschränkung, beginnende Verschleißerscheinungen und Kalksalzminderung des Hüftgelenks sowie endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Zehen und Sprunggelenke mit leichter Kalksalzminderung der Sprunggelenksknochen bei vorbestehendem Sprunggelenksbruch; Muskelminderung des Beins; reizlose Narbe am Beckenkamm und druckschmerzhafte Narbe im Leisten- und Oberschenkelbereich sowie Gefühlsstörungen im Fußbereich nach Hüftverrenkung mit Nervenschädigung und mit noch einliegenden Metallplatten knöchern fest verheiltem Hüftpfannenbruch.
Die Beklagte veranlasste von Amts wegen Nachprüfungsverfahren, in denen sie jeweils die Begutachtung des Klägers veranlasste. Im Gutachten vom 18.01.1991 kam Prof. Dr. We. zu der Beurteilung, eine wesentliche Befundänderung sei nicht eingetreten. Es bestehe weiterhin eine unfallbedingte MdE um 20 v.H. In seinem Gutachten vom 12.03.1993 kam Prof. Dr. We. zum gleichen Ergebnis. In der weiteren von der Beklagten eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 21.11.2001 führte Prof. Dr. W. nach Untersuchung des Klägers aus, eine klinisch relevante Veränderung des Befundes habe seine Untersuchung nicht ergeben.
Am 24.01.2013 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag (Schreiben vom 21.01.2013) wegen in den letzten Jahren zunehmenden Schmerzen in der Leiste, den Zehen, der Hüfte, im Rücken in Hüfthöhe, dem Oberschenkel, der Wade und wegen pelziger Fußballen, was mit Einschränkungen beim Gehen, Stehen, Sitzen und Schlafen verbunden sei. Er bat um eine Neufeststellung des Grades seiner unfallbedingten MdE (unter dem 04.02.2013 zurückgesendeter Fragebogenvordruck).
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik). Im Gutachten von Prof. Dr. St. /Dr. Re. vom 08.10.2013 wurden als Unfallfolgen ein knöchern verheilter ehemaliger Hüftpfannenbruch rechts mit einliegendem Metall, anteiligen verbildenden Veränderungen des rechten Hüftgelenkes, mit anteiliger Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes, sowie anteilige Muskel- und Kraftminderung am rechten Bein, eine anteilige Beeinträchtigung des Gangbildes rechts sowie ein knöchern verheilter Bruch des linken Querfortsatzes am zweiten Lendenwirbelkörper beschrieben, die eine MdE um 30 v.H. bedingten.
Die Beklagte ließ das Gutachten von ihrem Beratungsarzt Dr. F. auswerten, der in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.01.2014 ausführte, nach der unfallmedizinischen Literatur betrage für die Beeinträchtigung der Streckung und Beugung im Hüftgelenks von 0/10/90° die MdE 10 v.H. Eine Beinlängenverkürzung um 1,5 cm, eine anteilige Muskelminderung am rechten oberen Sprunggelenk und eine folgenlos ausgeheilte Lendenwirbelkörperfraktur ergebe keine wesentliche Änderung gegenüber dem Vorgutachten.
Mit Bescheid vom 06.02.2014 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente ab. Die Ergebnisse der gutachterlichen Untersuchung im August 2013 in der BG-Klinik stimmten im Wesentlichen mit den gutachterlich im Dezember 1988 erhobenen Unfallfolgen überein. Eine zwar anteilig mäßige Zunahme der unfallbedingten Bewegungseinschränkung liege vor, eine wesentliche Änderung sei dadurch aber noch nicht eingetreten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Im Vergleich der Messtabellen ergebe sich, dass sich die Streckung und Beugung des rechten Hüftgelenks verschlechtert habe, auch im Bereich des Abspreizens/Anführens zeige sich eine Verschlechterung. Ebenso sei die erhebliche Beinlängendifferenz zu berücksichtigen, die die Beschwerdezunahme an der Hüfte und der Lendenwirbelsäule verursache.
Zum Widerspruchsvorbringen holte die Beklagten die ergänzende beratungsärztliche Stellungnahmen von Dr. F. vom 21.08.2014 ein, der darauf verwies, dass die von Prof. Dr. St. erhobenen Befunde an der Hüfte nach der unfallmedizinischen Literatur weiterhin eine MdE von 20 v.H. bedingten. Hinsichtlich der Lendenwirbelsäule liege keine Zunahme der unfallbedingten Schäden, sondern eine Zunahme unfallunabhängiger verschleißbedingter Beschwerden vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger erhob hiergegen am 09.01.2015 Klage vor dem SG Stuttgart.
Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. W. vom 25.06.2015 ein, der als Unfallfolge unter anderem auch eine posttraumatische Coxarthrose rechts in Stadium Kellgren III diagnostizierte. Eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit und Behinderungen bei Alltagsbewegungen, die erstmals im Gutachten der BG-Klinik 2013 dokumentiert seien, stellten eine Verschlechterung da, die eine MdE um 30 v.H. rechtfertige.
Die Beklagte erhob gegen das Gutachten Einwendungen und verwies auf die vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 09.09.2015. Das Röntgenbild sei zwar ein Aspekt, um Funktionsstörungen darzustellen, aber die Funktionsbegutachtung stehe noch immer im Zentrum und nicht die Röntgenbegutachtung. Nach den Befunden von Dr. W. sei keine Muskelabmagerung des rechten Beines zu verzeichnen. Die Umfangmaße seien objektive Kriterien, die darstellten, wie wenig eine Extremität genutzt werde. Unfallunabhängig bestehe eine schwere Osteochondrose im Segment L4/5, was die Gehfähigkeit einschränke. Angegeben worden seien auch ein Taubheitsgefühl und Missempfindung in der Großzehe, was ein typischer Segmentbefund für L4/5 sei. Eine MdE von 30 v.H. werde nicht erreicht.
In der hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme von Dr. W. vom 16.11.2015 hielt er an seiner Einschätzung fest. Der Gesamteindruck des Gutachters in der Untersuchungssituation spiele eine erhebliche Rolle, zumindest eine größere Rolle als eine Umfangsmessung der Muskulatur. Soweit argumentiert werde, dass nach den Einschätzungsempfehlungen der unfallmedizinischen Literatur alle dort aufgeführten Kriterien, einschließlich der Muskelminderung, erfüllt sein müssten, werde dieser Einschätzung widersprochen. Vorliegend sei der Interpretationsspielraum sowohl von den Kollegen der BG-Klinik als auch durch ihn dahingehend genutzt, dass eine MdE von 30 v.H. angemessen erscheine.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.01.2016, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 04.07.2016, verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger ab 21.01.2013 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Das SG stützte sich hierbei auf die Gutachten von Prof. Dr. St. /Dr. Re. und Dr. W. , die den Kläger im Gegensatz zu den Beratungsärzten der Beklagten untersucht hätten und deren Aussagen daher ein höheres Gewicht zukomme. Die von Dr. W. erhobenen Bewegungsmaße ergäben eine deutliche Zunahme der Bewegungseinschränkung im Vergleich zu den Gutachten seit 1987.
Gegen den der Beklagten am 08.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 04.03.2016 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Eine Muskelminderung des unfallbetroffenen Beines von mehr als 3 cm sei beim Kläger nicht nachgewiesen. Entgegen der Auffassung von Dr. W. bestehe kein Interpretationsspielraum des Gutachters. Die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit erfolge nach anerkannten Richtwerten, die als abstrakte Primärannahmen zu bestimmten Funktionsbeeinträchtigungen als Eckwerte gelten, aus denen mittels vergleichender Betrachtung Werte für andere Schäden abzuleiten sein. Die Vorgaben der unfallmedizinischen Literatur für eine MdE um 30 v.H. seien nicht erfüllt.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.01.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Mit richterlicher Verfügung vom 16.09.2016 ist den Beteiligten ein richterlicher Hinweis auf den anzuwendenden Vergleichsmaßstab für die Beurteilung einer eingetretenen wesentlichen Änderung und zu den zugrundezulegenden MdE-Bewertungskriterien der unfallmedizinischen Literatur erteilt worden. Hierzu hat die Beklagte sich ergänzend geäußert (Schriftsatz vom 17.10.2016).
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des SG beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig und begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 06.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Verletztenrente. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG war daher aufzuheben und die Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten abzuweisen.
Im vorliegenden Fall sind vom Grundsatz her nicht die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII; BGBl I S. 1254) anzuwenden, denn Gegenstand des Rechtsstreit ist eine Leistungsgewährung aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII). Deshalb finden noch die bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung. Die Vorschriften des neuen Rechts über das Verfahren und bei Änderung von Renten sind dagegen auch auf diese Versicherungsfälle anzuwenden (§ 214 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 SGB VII).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die bei Erlass des Dauerrentenbescheids der Beklagten vom 22.09.1989 vorlagen, eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Neufeststellung vorliegen. Die wesentliche Änderung muss mit Wahrscheinlichkeit auf den erlittenen Arbeitsunfall wesentlich zurückzuführen sein und darf nicht durch andere, vom Arbeitsunfall unabhängige Umstände verursacht worden sein. Nach dem seit dem am 01.01.1997 in Kraft getretenen § 73 Abs. 3 SGB VII ist bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X nur dann wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit länger als 3 Monate andauert. Dies entspricht der schon bisherigen Rechtsprechung (vgl. BSGE 32, 245) zu den gesetzlichen Regelungen des Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Nach diesen Grundsätzen lässt sich eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wesentliche Änderung der rentenberechtigenden MdE um 20 v.H. (vgl. § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO bzw. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Maßgebend ist der Vergleich der auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. We. vom 08.12.1988 mit Bescheid vom 22.02.1989 festgestellten Unfallfolgen, die mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wurden, mit dem gegenwärtigen Unfallfolgenzustand.
Insoweit kann der Senat zwar eine Änderung im Unfallfolgezustand feststellen, da der Vergleich der 1988/1989 erhobenen Befunde mit den 2013 bzw. 2015 erhobenen Befunden zwar eine stärker ausgeprägte Coxarthrose rechts und weitergehende Bewegungseinschränkungen ergeben hat, die aber im Rechtssinne keine wesentliche Änderung sind, weil damit eine um mehr als 5 v.H höhere unfallbedingte MdE nicht begründet wird.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4 2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3 2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3 2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3 2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zuletzt BSG 22.06.2004 B 2 U 14/03 R SozR 4 2700 § 56 Nr. 1).
Derzeit ist im Hinblick auf den Wandel durch geänderte Anforderungen des Arbeitsmarkts und den medizinisch therapeutischen Fortschritt eine wissenschaftliche Diskussion darüber in Gang, inwieweit die teilweise über Jahrzehnte alten MdE Erfahrungswerte in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur diesem Wandel noch gerecht werden. So ist unter anderem von der Dachorganisation der Unfallversicherungsträger, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung -DGUV -, eine Expertengruppe eingesetzt, Vorschläge zur MdE Einschätzung zu erarbeiten, deren Ergebnisse jedoch nicht vor 2017 zu erwarten sind (vgl. Ludolph/Schürmann, Neubewertung der MdE bei unfallchirurgisch orthopädischen Arbeitsunfall und BK Folgen in der gesetzlichen Unfallversicherung, Medizinische Sachverständige 2016, 60 71). Zur Diskussion gestellt sind mittlerweile die Vorschläge der Kommission "Gutachten" der medizinischen Fachgesellschaft der Unfallchirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, die von Ausnahmen abgesehen die bisherigen MdE Bewertungsansätze mit niedrigeren MdE Sätzen versieht bzw. neue Bewertungsgrundsätze in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einführt (vgl. Ludolph/Schürmann a.a.O.). Vor dem Hintergrund, dass die wissenschaftliche Diskussion um die MdE Erfahrungswerte in der gesetzlichen Unfallversicherung noch ergebnisoffen und noch nicht abgeschlossen ist, hält der Senat im Wege der Einzelfallprüfung an den bislang in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur dargestellten MdE Bewertungskriterien fest. Ergibt sich im Einzelfall, dass eine der zur Diskussion gestellte, abweichende MdE Wertung für die zu bewertende gesundheitliche Folge eines Versicherungsfalls überzeugender ist, sieht sich der Senat nicht gehindert, diese seiner Entscheidung zugrundezulegen, nachdem allgemeiner Konsens jedenfalls darüber herrscht, dass die bisherigen MdE Bewertungskriterien überarbeitungsbedürftig sind (vgl. Senatsurteil vom 22.07.2016 – L 8 U 475/15 – juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Der Diskussionsentwurf der DGU ist mit richterlicher Verfügung vom 16.09.2016 in das Verfahren eingeführt worden und die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (BSG SozR 4 2700 § 56 Nr. 2). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, a.a.O. m.H.a.: BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr 42 m.w.N.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Grundsätzlich ist der Grad der MdE aus den festgestellten Funktionsbehinderungen abzuleiten, wobei hinsichtlich knöchernen Verletzungen als Maßstab Einschränkungen der Bewegungsmaße und durch neurologische Ausfälle bedingte funktionelle Beeinträchtigungen in Betracht kommen. Für die Beurteilung von Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke sind nach der bisherigen unfallmedizinischen Literatur die für dieses Gelenk funktionell bedeutsame Bewegungsrichtungen der Streckung und Beugung maßgebend.
Danach rechtfertigt die Versteifung beider Hüftgelenke eine MdE von 60-80 v.H., eines Hüftgelenks in Funktionsstellung eine MdE von 30 v.H. bzw. 30-40 v.H. und eines Hüftgelenks in ungünstiger Stellung eine MdE von 40 v.H. bzw. 40-50 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 581; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., Seite 195). Eine Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks mit Streckung/Beugung um 0/10/90° rechtfertigt eine MdE um 10 v.H., um 0/30/90° ergibt eine MdE um 20 v.H. (vgl. Schönberger u.a., a.a.O.). Andernorts wird eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung in Streckung und Beugung mit 0/0/90° mit einer MdE bis 10 v.H., mit 0/10/90° mit einer MdE von 10 v.H. und mit 0/30/90° oder 0/0/60° mit einer MdE um 20 v.H. bewertet (vgl. Mehrhoff u.a., a.a.O.). Im Diskussionsentwurf der DGU sind als Eckwerte eine Versteifung eines Hüftgelenks in Funktionsstellung mit einer MdE um 25 v.H. und beider Hüftgelenke in Funktionsstellung mit einer MdE um 60 v.H. angesetzt. Die Einschränkung der Beugefähigkeit eines Hüftgelenks unter 70° oder ein Streckdefizit ab 20° wird mit einer MdE um 20 v.H. und eine Einschränkung aller Bewegungsmöglichkeit im Hüftgelenk um die Hälfte mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. (Eine Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung, ein Schenkelhalsfalschgelenk bei Pseudoarthrose, instabil mit Gebrauchsbeeinträchtigung mit einer MdE um 30-40 v.H., eine schwere Arthrose eines Hüftgelenks mit deutlicher Gebrauchsbeeinträchtigung mit einer MdE um 20-30 v.H.).
Gegenüber den von Prof. Dr. We. im Dezember 1988 erhobenen Bewegungsmaßen von 0/0/90 (Streckung/Beugung) bzw. 35/0/20 (Abspreizen/Anführen) ergaben sich bei den Untersuchungen 2013 durch Prof. Dr. St. /Dr. Re. Bewegungsmaße von 0/10/80° (Streckung/Beugung) und 15/0/5 (Abspreizen/Anführen) und 2015 durch Dr. W. Bewegungsmaße von 80/20/0° (Beugung/Streckung) und 25/0/10° (Abspreizen/Anführen). Damit ist seit 1988 eine Streckhemmung von 10° bzw. 20° und eine Zunahme der Beugebeeinträchtigung um 10° auf den Bewegungsausschlag von 80° eingetreten, was unter Berücksichtigung der oben angegebenen Bewertungsgrundsätze der bisherigen unfallmedizinischen Literatur wie auch nach dem Diskussionsentwurf der DGU auch ab 2013 keine MdE um mehr als 20 v.H rechtfertigt. Auch in der vergleichenden Betrachtung ergibt sich, dass das Ausmaß der Bewegungsbeeinträchtigung nicht vergleichbar ist mit dem eine MdE um 30 v.H. begründenden Verletzungsmuster einer Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung. Auch die in der Literatur nicht einheitlich vorgenommene Differenzierung nach schmerzfreier und schmerzbehafteter Bewegungseinschränkung erlaubt keine höhere MdE-Bewertung allein unter diesem Gesichtspunkt. In den Bewertungsansätzen der Literatur anhand gemessener Bewegungseinschränkungen der Körperorgane sind nach allgemeiner Übereinkunft auch die üblichen Schmerzen berücksichtigt. Da die Bewertung der Bewegungseinschränkung nicht auf die ihr zu Grunde liegende Gesundheitsstörung abstellt, d.h. zunächst ist unerheblich, ob arthrotische Veränderungen, Gelenkfehlstellungen, Sehnen- oder Muskelverletzungen usw. die Bewegungseinschränkung verursachen, sind Schmerzen nur dann zu berücksichtigen, wenn ihnen funktionell zusätzliche Bedeutung zukommt (vgl. Beschluss des Senats vom 16.02.2010 – L 8 U 3926/09 – unveröffentlicht). Die Bewertungstabellen in Mehrhoff u.a. (a.a.O.) stellt im Gegensatz zur sonst zitierten Literatur nicht auf Bewegungseinschränkungen wegen Hüftgelenksverrenkungen bzw. Hüftgelenksfrakturen (vgl. dagegen Schönberger u.a., a.a.O.) ab, weshalb davon auszugehen ist, dass das grundsätzlich subjektive Schmerzempfinden allein eine Erhöhung der dort vorgesehenen Bewertungsansätze nicht rechtfertigt. Das Ausmaß der vom Kläger geltend gemachten schmerzhaften Belastungsbeschwerden, vergleiche hierzu die Ausführungen unten, rechtfertigt auch nach den Bewertungskriterien der genannten Literatur keine Erhöhung des Bewertungsansatzes für eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung um 0/30/90° bzw. 0/0/60° (jeweils eine MdE um 20 v.H. ergebend). Insoweit zieht der Senat vergleichbare bzw. speziellere Verletzungsmuster der unfallmedizinischen Literatur heran, die für eine Vergleichsbewertung geeignete Bewertungskriterien enthalten.
Unter Berücksichtigung der mittlerweile fortgeschrittenen unfallbedingten Coxarthrose ergibt sich keine unfallbedingte höhere MdE als 20 v.H. Spezifische Verletzungsfolgen aufgrund Coxarthrose sind in der unfallmedizinischen Literatur nur vereinzelt bewertet (vgl. Bewertungstabellen in Schönberger u.a., a.a.O., Seite 584f.), was wiederum für die alleinige Berücksichtigung objektivierbarer Anknüpfungstatsachen für Belastungsschmerzen zur Erhöhung der Bewertungsansätze aufgrund der Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke in der insoweit nicht differenzierenden unfallmedizinischen Literatur spricht.
Die spezifische MdE-Bewertungstabelle bei Coxarthrose (Schönberger ua., a.a.O.) sieht vor für: • Leicht, mit geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes und subchondraler Sklerosierung des Pfannendaches ohne Bewegungseinschränkung, ohne Muskelminderung des Beines eine MdE von 0 v.H. • Deutlich, mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk bis 30-50 °, Muskelminderung mehr als 2 cm, leichte Gangbehinderung eine MdE von 20 v.H. • Deutliche Verschmälerung des Gelenkspaltes, Randwulstbildungen am Oberschenkelkopf, Bewegungseinschränkung um die Hälfte, Muskelminderung des Beines mehr als 3 cm, Gangbehinderung und Verkürzung des Beines um 1-1,5 cm eine MdE von 30 v.H. • Stark, mit weitgehender Aufhebung des Gelenkspaltes, Bewegungsmöglichkeit gegenüber der Norm um 1/3, Muskelminderung um mehr als 4 cm, Gangbehinderung mit Schonhinken und leichter Fehlstellung des Beines, Verkürzung um 2 cm eine MdE von 40 v.H. • Schmerzhafte Wackelbeweglichkeit im Hüftgelenk, weitgehende Aufhebung des Gelenkspaltes, Fehlstellung des Hüftgelenks, Muskelminderung ab etwa 5 cm, Gangbehinderung und Verkürzung um mehr als 3 cm eine MdE von 50 v.H. • Schmerzhafte Wackelsteife des Hüftgelenks, Fehlstellung des Hüftgelenks, Verkürzung um mehr als 5 cm, starke Muskelminderung, Gehunfähigkeit eine MdE von 70 v.H.
Nach diesen Grundsätzen sind die von Dr. W. und Prof. Dr. St. beschriebenen funktionellen Einschränkungen der rechten Hüfte des Klägers noch nicht so ausgeprägt, dass die für eine MdE um 30 v.H. umschriebenen Funktionsausfälle erfüllt sind. Zwar beschreibt Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 08.10.2013 einen Röntgenbefund, der grundsätzlich die Zuordnung in die Bewertungsstufe einer MdE um 30 v.H. erlaubt. Eine Beeinträchtigung durch Beinlängenverkürzung von 1,5 cm wird im Gutachten von Prof. Dr. St. wie auch von Dr. W. beschrieben. Insoweit verweist Dr. W. für den Senat aber überzeugend darauf, dass aufgrund der röntgenologisch zu beurteilenden Veränderungen am Schenkelhals und am Hüftkopf keine solchen morphologischen Abweichungen aufgetreten sind, die eine unfallbedingte Beinlängenverkürzung plausibel machen könnten. Damit geht Dr. W. davon aus, dass die mit maximal 1 bis 1,5 cm beschriebene Beinlängendifferenz rechts eine vorbestehende Beinlängendifferenz darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass in den vorausgegangenen Untersuchungen hiervon abweichende Beinlängen gemessen wurden. Bereits am 25.11.1987 wurde eine Längendifferenz von 1 cm dokumentiert, obgleich eine unfallbedingte arthrotische Veränderung des rechten Hüftgelenks noch nicht nachweisbar war (Gutachten vom 25.11.1987), was wenige Monate nach dem Unfall auch nicht zu erwarten war. Spätere Untersuchungen im Dezember 1988 und im Oktober 2001 ergaben widersprüchliche Ergebnisse, nämlich keine Längendifferenz (Gutachten vom 08.12.1988) bzw. eine Differenz von 0,7 cm (Stellungnahme vom 21.11.2001), Die bereits im November 1988 gemessene Beinlängendifferenz spricht für die von Dr. W. angenommene vorbestehende körperliche Anlage. Nach Dr. W. gehören Beinlängendifferenzen bis 1,5 cm noch in die natürliche Schwankungsbreite bei der Ausbildung paariger Organe der Normalbevölkerung. Danach ergab der Röntgenbefund vom 27.08.2013 einen etwas entrundeten Hüftkopf mit Strukturunregelmäßigkeiten und mit vor allen Dingen sich aufweisender Randwulstbildung und einen deutlich konzentrisch verschmälerten Hüftgelenkspalt, was aber über das tatsächliche Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen selbst noch nicht endgültig Aufschluss gibt, worauf Dr. H. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2015 zutreffend hingewiesen hat.
Die hieraus resultierende funktionelle Beeinträchtigungen in dem für eine MdE um 30 v.H. zu fordernden Ausmaß verlangt eine schonungsbedingte Muskelminderung um mehr als 3 cm sowie eine Bewegungseinschränkung um die Hälfte, was sich weder aus dem Gutachten von Dr. W. noch aus dem von Prof. Dr. St. eindeutig ergibt. Bei Prof. Dr. St. war, wie dargelegt, die funktional bedeutsame Bewegungsrichtung Streckung/Beugung mit 0/10/80° (Normalwerte: 0-10°/0/130°) eingeschränkt. Der danach normale Bewegungsausschlag der Hüfte von 0°/10° bis 130° war auf den Bewegungsausschlag von 10° bis 80° begrenzt, was in der Summe (0°/10° - entsprechend 10° Differenz - plus 80° bis 130° - entsprechend 50° Differenz) eine Einschränkung von 60° ergibt, wonach der normale Bewegungsausschlag um 130° nicht um die Hälfte unterschritten wird. Erst das von Dr. W. erhobene Bewegungsmaß für Streckung/Beugung mit 0/20/80° ergibt einen Rest -Bewegungsausschlag, der eine Differenz von 70° ausweist und danach geringfügig unter der Hälfte von 65° des in dieser Bewegungsrichtung liegenden Normalmaßes liegt. Nur die funktionell weniger bedeutsame Drehung bei um 90° gebeugtem Hüftgelenk mit 5/0/5° (Normalwerte 30-45°/0/40-50°) ergab bei Prof. St. eine deutlich unter der Hälfte liegende Bewegungseinschränkung. Gleiches gilt für die von Dr. W. erhobenen Bewegungsmaße mit 25/0/10° (Abspreizen/Anführen) und 20/0/0 (auswärts/einwärts Drehung bei 90° gebeugter Hüfte) und 20/0/0° (auswärts/einwärts Drehung bei gestreckter Hüfte). Die nur grenzwertig erreichte funktionell bedeutsame Bewegungseinschränkung um die Hälfte korrespondiert zur Überzeugung des Senats mit dem beim Kläger objektivierten Ausmaß der Schonungszeichen einer Muskelminderung um allenfalls 2 cm, was näher zur MdE-Bewertungsstufe für eine MdE um 20 v.H. liegt.
Eine für eine MdE um 30 v.H. geforderte entsprechende Muskelminderung von mehr als 3 cm wird im Gutachten von Prof. Dr. St. , der am rechten Oberschenkel eine Muskelminderung von 2 cm beschreibt, und im Gutachten von Dr. W. , der am Oberschenkel seitengleiche Muskelumfänge mitteilt, nicht nachgewiesen. Eine Muskeldifferenz von 3 cm ist auch in den Untersuchungen in den Nachprüfungsverfahren nach der Dauerrentenbewilligung nicht erhoben worden. Dass dies auf Meßfehlern beruhen könnte, wie Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.11.2015 ausführt, ist daher spekulativ und für den Senat auch wenig überzeugend. Sowohl Dr. W. als auch Prof. Dr. St. haben jeweils an den üblichen Stellen des Oberschenkels, 20 cm bzw. 10 cm oberhalb des Kniegelenkspaltes insgesamt viermal Maß genommen. Bei beiden Untersuchungen ergaben sich keine auffälligen Abweichungen im Vergleich der beidseitigen Muskulatur am oberen oder unteren Oberschenkel. Soweit Dr. W. darauf verweist, dass die Verminderung der generellen körperlichen Aktivität eine Umfangsabnahme der Muskulatur am nicht verletzten Bein erklären könne, ist dies nicht überzeugend, da auch bei einer geringeren körperlichen Aktivität eine verletzungsbedingte Schonung sich im Vergleich zum unverletzten Bein niederschlagen müsste. Jedenfalls ist ein Beweis für die nachzuweisende verletzungsbedingte Schonung des rechten Hüftgelenks mit den in den Gutachten dargelegten Muskelumfängen nicht geführt. Soweit trifft auch die Auffassung von Dr. W. nicht zu, dass hinsichtlich des Verzichts auf Kriterien zur Einschätzung des Ausmaßes der verletzungsbedingten Nutzungseinschränkung dem medizinischen Sachverständigen ein Interpretationsspielraum zustehen würde.
Hinsichtlich der unfallbedingten Fraktur des Querfortsatzes des Lendenwirbelkörpers ist von den Sachverständigen Prof. Dr. St. und Dr. W. bereits keine Änderung im Unfallfolgenzustand beschrieben worden, denn beide Sachverständigen gehen davon aus, dass die Fraktur folgenlos verheilt ist.
Im Übrigen waren Belastungsbeschwerden des Klägers bereits im Gutachten von Prof. Dr. We. vom 08.12.1988 dokumentiert und bewertet worden. Bereits damals hatte der Kläger angegeben, nicht auf der rechten Seite schlafen zu können, beim Aufstehen bzw. bei der Körperdrehung nach links Schmerzen in der rechten Leiste zu haben. Er könne weder lange stehen noch lange sitzen und nach längerem Sitzen leide er unter Einlaufbeschwerden. Es ist davon auszugehen, dass bereits damals diese Belastungsbeschwerden in die MdE-Einschätzung mit eingegangen sind. Faktisch wäre insoweit bereits keine Änderung eingetreten. Soweit eine Verstärkung dieser Beschwerden geltend gemacht wird, sind diese anhand der MdE-Bewertungskriterien, wie oben ausgeführt, zu bemessen gewesen. Diese Prüfung ergab, dass keine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Die zusätzliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit durch die nach dem Unfall fortschreitende unfallunabhängige Degeneration der Lendenwirbelkörpersegmente L4/5 und L5/S1, wovon insoweit übereinstimmend Dr. W. und Dr. H. ausgehen, wie auch die von Prof. Dr. St. als unfallunabhängig beurteilte verbildenden Veränderungen am rechten Kniegelenk mit Bewegungseinschränkung – ein auffälliger Kniebefund rechts wurde von Prof. Dr. We. im Dezember 1988 nicht erhoben – sind für die MdE-Bewertung unbeachtlich, da es sich hierbei um einen unversicherten Nachschaden handelt. Inwieweit die fortschreitende unfallbedingte Coxarthrose noch wesentliche Ursache für die vom Kläger geklagte Zunahme der Gefühlsstörungen am rechten Bein und rechten Fuß ist, ist nicht hinreichend sicher abzugrenzen, zumal Dr. H. überzeugend darauf verweist, dass die geklagten Missempfindungen auch typische Symptome einer Spinalkanalstenose an den betroffenen Lendenwirbelsäule seien. Letztlich sind die gesicherten unfallbedingten Bewegungseinschränkungen mit den pauschalisierten Bewertungsansätzen der unfallmedizinischen Literatur auch mit ihren Auswirkungen auf das Gangbild insoweit hinreichend berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen Verschlimmerung seiner Unfallfolgen höhere Verletztenrente zusteht.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 01.04.1987 während der Arbeit einen Unfall, bei dem er sich eine Acetabulum(Hüftpfanne)-Querfraktur rechts mit dorsalem Pfannenrandfragmet sowie einen Querfortsatzbruch des Lendenwirbelkörpers L 2 zuzog (Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. S. vom 01.04.1987, Zwischenbericht des K. Hospitals S. vom 28.04.1987).
Auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. We. vom 25.11.1987 gewährte die Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten – im folgenden Beklagte – mit Bescheid vom 15.03.1988 unter Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 06.06.1988). Seine hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) unter dem Az. S 5 U 2058/88 nahm der Kläger zurück (Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 15.03.1989).
Zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente erstattete Prof. Dr. We. das Gutachten vom 08.12.1988, in dem er die von ihm beschriebenen Unfallfolgen weiterhin mit einer MdE um 20 v.H. bewertete. Mit Bescheid vom 22.02.1989 bewilligte die Beklagte anstelle der vorläufigen Rente Dauerrente nach einer MdE um 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: rechts: Leichte Beeinträchtigungen des Gangbildes infolge schmerzhafter Bewegungseinschränkung, beginnende Verschleißerscheinungen und Kalksalzminderung des Hüftgelenks sowie endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Zehen und Sprunggelenke mit leichter Kalksalzminderung der Sprunggelenksknochen bei vorbestehendem Sprunggelenksbruch; Muskelminderung des Beins; reizlose Narbe am Beckenkamm und druckschmerzhafte Narbe im Leisten- und Oberschenkelbereich sowie Gefühlsstörungen im Fußbereich nach Hüftverrenkung mit Nervenschädigung und mit noch einliegenden Metallplatten knöchern fest verheiltem Hüftpfannenbruch.
Die Beklagte veranlasste von Amts wegen Nachprüfungsverfahren, in denen sie jeweils die Begutachtung des Klägers veranlasste. Im Gutachten vom 18.01.1991 kam Prof. Dr. We. zu der Beurteilung, eine wesentliche Befundänderung sei nicht eingetreten. Es bestehe weiterhin eine unfallbedingte MdE um 20 v.H. In seinem Gutachten vom 12.03.1993 kam Prof. Dr. We. zum gleichen Ergebnis. In der weiteren von der Beklagten eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 21.11.2001 führte Prof. Dr. W. nach Untersuchung des Klägers aus, eine klinisch relevante Veränderung des Befundes habe seine Untersuchung nicht ergeben.
Am 24.01.2013 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag (Schreiben vom 21.01.2013) wegen in den letzten Jahren zunehmenden Schmerzen in der Leiste, den Zehen, der Hüfte, im Rücken in Hüfthöhe, dem Oberschenkel, der Wade und wegen pelziger Fußballen, was mit Einschränkungen beim Gehen, Stehen, Sitzen und Schlafen verbunden sei. Er bat um eine Neufeststellung des Grades seiner unfallbedingten MdE (unter dem 04.02.2013 zurückgesendeter Fragebogenvordruck).
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik). Im Gutachten von Prof. Dr. St. /Dr. Re. vom 08.10.2013 wurden als Unfallfolgen ein knöchern verheilter ehemaliger Hüftpfannenbruch rechts mit einliegendem Metall, anteiligen verbildenden Veränderungen des rechten Hüftgelenkes, mit anteiliger Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes, sowie anteilige Muskel- und Kraftminderung am rechten Bein, eine anteilige Beeinträchtigung des Gangbildes rechts sowie ein knöchern verheilter Bruch des linken Querfortsatzes am zweiten Lendenwirbelkörper beschrieben, die eine MdE um 30 v.H. bedingten.
Die Beklagte ließ das Gutachten von ihrem Beratungsarzt Dr. F. auswerten, der in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.01.2014 ausführte, nach der unfallmedizinischen Literatur betrage für die Beeinträchtigung der Streckung und Beugung im Hüftgelenks von 0/10/90° die MdE 10 v.H. Eine Beinlängenverkürzung um 1,5 cm, eine anteilige Muskelminderung am rechten oberen Sprunggelenk und eine folgenlos ausgeheilte Lendenwirbelkörperfraktur ergebe keine wesentliche Änderung gegenüber dem Vorgutachten.
Mit Bescheid vom 06.02.2014 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente ab. Die Ergebnisse der gutachterlichen Untersuchung im August 2013 in der BG-Klinik stimmten im Wesentlichen mit den gutachterlich im Dezember 1988 erhobenen Unfallfolgen überein. Eine zwar anteilig mäßige Zunahme der unfallbedingten Bewegungseinschränkung liege vor, eine wesentliche Änderung sei dadurch aber noch nicht eingetreten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Im Vergleich der Messtabellen ergebe sich, dass sich die Streckung und Beugung des rechten Hüftgelenks verschlechtert habe, auch im Bereich des Abspreizens/Anführens zeige sich eine Verschlechterung. Ebenso sei die erhebliche Beinlängendifferenz zu berücksichtigen, die die Beschwerdezunahme an der Hüfte und der Lendenwirbelsäule verursache.
Zum Widerspruchsvorbringen holte die Beklagten die ergänzende beratungsärztliche Stellungnahmen von Dr. F. vom 21.08.2014 ein, der darauf verwies, dass die von Prof. Dr. St. erhobenen Befunde an der Hüfte nach der unfallmedizinischen Literatur weiterhin eine MdE von 20 v.H. bedingten. Hinsichtlich der Lendenwirbelsäule liege keine Zunahme der unfallbedingten Schäden, sondern eine Zunahme unfallunabhängiger verschleißbedingter Beschwerden vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger erhob hiergegen am 09.01.2015 Klage vor dem SG Stuttgart.
Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. W. vom 25.06.2015 ein, der als Unfallfolge unter anderem auch eine posttraumatische Coxarthrose rechts in Stadium Kellgren III diagnostizierte. Eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit und Behinderungen bei Alltagsbewegungen, die erstmals im Gutachten der BG-Klinik 2013 dokumentiert seien, stellten eine Verschlechterung da, die eine MdE um 30 v.H. rechtfertige.
Die Beklagte erhob gegen das Gutachten Einwendungen und verwies auf die vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 09.09.2015. Das Röntgenbild sei zwar ein Aspekt, um Funktionsstörungen darzustellen, aber die Funktionsbegutachtung stehe noch immer im Zentrum und nicht die Röntgenbegutachtung. Nach den Befunden von Dr. W. sei keine Muskelabmagerung des rechten Beines zu verzeichnen. Die Umfangmaße seien objektive Kriterien, die darstellten, wie wenig eine Extremität genutzt werde. Unfallunabhängig bestehe eine schwere Osteochondrose im Segment L4/5, was die Gehfähigkeit einschränke. Angegeben worden seien auch ein Taubheitsgefühl und Missempfindung in der Großzehe, was ein typischer Segmentbefund für L4/5 sei. Eine MdE von 30 v.H. werde nicht erreicht.
In der hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme von Dr. W. vom 16.11.2015 hielt er an seiner Einschätzung fest. Der Gesamteindruck des Gutachters in der Untersuchungssituation spiele eine erhebliche Rolle, zumindest eine größere Rolle als eine Umfangsmessung der Muskulatur. Soweit argumentiert werde, dass nach den Einschätzungsempfehlungen der unfallmedizinischen Literatur alle dort aufgeführten Kriterien, einschließlich der Muskelminderung, erfüllt sein müssten, werde dieser Einschätzung widersprochen. Vorliegend sei der Interpretationsspielraum sowohl von den Kollegen der BG-Klinik als auch durch ihn dahingehend genutzt, dass eine MdE von 30 v.H. angemessen erscheine.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.01.2016, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 04.07.2016, verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger ab 21.01.2013 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Das SG stützte sich hierbei auf die Gutachten von Prof. Dr. St. /Dr. Re. und Dr. W. , die den Kläger im Gegensatz zu den Beratungsärzten der Beklagten untersucht hätten und deren Aussagen daher ein höheres Gewicht zukomme. Die von Dr. W. erhobenen Bewegungsmaße ergäben eine deutliche Zunahme der Bewegungseinschränkung im Vergleich zu den Gutachten seit 1987.
Gegen den der Beklagten am 08.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 04.03.2016 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Eine Muskelminderung des unfallbetroffenen Beines von mehr als 3 cm sei beim Kläger nicht nachgewiesen. Entgegen der Auffassung von Dr. W. bestehe kein Interpretationsspielraum des Gutachters. Die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit erfolge nach anerkannten Richtwerten, die als abstrakte Primärannahmen zu bestimmten Funktionsbeeinträchtigungen als Eckwerte gelten, aus denen mittels vergleichender Betrachtung Werte für andere Schäden abzuleiten sein. Die Vorgaben der unfallmedizinischen Literatur für eine MdE um 30 v.H. seien nicht erfüllt.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.01.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Mit richterlicher Verfügung vom 16.09.2016 ist den Beteiligten ein richterlicher Hinweis auf den anzuwendenden Vergleichsmaßstab für die Beurteilung einer eingetretenen wesentlichen Änderung und zu den zugrundezulegenden MdE-Bewertungskriterien der unfallmedizinischen Literatur erteilt worden. Hierzu hat die Beklagte sich ergänzend geäußert (Schriftsatz vom 17.10.2016).
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des SG beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig und begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 06.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Verletztenrente. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG war daher aufzuheben und die Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten abzuweisen.
Im vorliegenden Fall sind vom Grundsatz her nicht die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII; BGBl I S. 1254) anzuwenden, denn Gegenstand des Rechtsstreit ist eine Leistungsgewährung aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII). Deshalb finden noch die bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung. Die Vorschriften des neuen Rechts über das Verfahren und bei Änderung von Renten sind dagegen auch auf diese Versicherungsfälle anzuwenden (§ 214 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 SGB VII).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die bei Erlass des Dauerrentenbescheids der Beklagten vom 22.09.1989 vorlagen, eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Neufeststellung vorliegen. Die wesentliche Änderung muss mit Wahrscheinlichkeit auf den erlittenen Arbeitsunfall wesentlich zurückzuführen sein und darf nicht durch andere, vom Arbeitsunfall unabhängige Umstände verursacht worden sein. Nach dem seit dem am 01.01.1997 in Kraft getretenen § 73 Abs. 3 SGB VII ist bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X nur dann wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt und bei Renten auf unbestimmte Zeit länger als 3 Monate andauert. Dies entspricht der schon bisherigen Rechtsprechung (vgl. BSGE 32, 245) zu den gesetzlichen Regelungen des Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Nach diesen Grundsätzen lässt sich eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wesentliche Änderung der rentenberechtigenden MdE um 20 v.H. (vgl. § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO bzw. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Maßgebend ist der Vergleich der auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. We. vom 08.12.1988 mit Bescheid vom 22.02.1989 festgestellten Unfallfolgen, die mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wurden, mit dem gegenwärtigen Unfallfolgenzustand.
Insoweit kann der Senat zwar eine Änderung im Unfallfolgezustand feststellen, da der Vergleich der 1988/1989 erhobenen Befunde mit den 2013 bzw. 2015 erhobenen Befunden zwar eine stärker ausgeprägte Coxarthrose rechts und weitergehende Bewegungseinschränkungen ergeben hat, die aber im Rechtssinne keine wesentliche Änderung sind, weil damit eine um mehr als 5 v.H höhere unfallbedingte MdE nicht begründet wird.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4 2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3 2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3 2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3 2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zuletzt BSG 22.06.2004 B 2 U 14/03 R SozR 4 2700 § 56 Nr. 1).
Derzeit ist im Hinblick auf den Wandel durch geänderte Anforderungen des Arbeitsmarkts und den medizinisch therapeutischen Fortschritt eine wissenschaftliche Diskussion darüber in Gang, inwieweit die teilweise über Jahrzehnte alten MdE Erfahrungswerte in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur diesem Wandel noch gerecht werden. So ist unter anderem von der Dachorganisation der Unfallversicherungsträger, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung -DGUV -, eine Expertengruppe eingesetzt, Vorschläge zur MdE Einschätzung zu erarbeiten, deren Ergebnisse jedoch nicht vor 2017 zu erwarten sind (vgl. Ludolph/Schürmann, Neubewertung der MdE bei unfallchirurgisch orthopädischen Arbeitsunfall und BK Folgen in der gesetzlichen Unfallversicherung, Medizinische Sachverständige 2016, 60 71). Zur Diskussion gestellt sind mittlerweile die Vorschläge der Kommission "Gutachten" der medizinischen Fachgesellschaft der Unfallchirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, die von Ausnahmen abgesehen die bisherigen MdE Bewertungsansätze mit niedrigeren MdE Sätzen versieht bzw. neue Bewertungsgrundsätze in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einführt (vgl. Ludolph/Schürmann a.a.O.). Vor dem Hintergrund, dass die wissenschaftliche Diskussion um die MdE Erfahrungswerte in der gesetzlichen Unfallversicherung noch ergebnisoffen und noch nicht abgeschlossen ist, hält der Senat im Wege der Einzelfallprüfung an den bislang in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur dargestellten MdE Bewertungskriterien fest. Ergibt sich im Einzelfall, dass eine der zur Diskussion gestellte, abweichende MdE Wertung für die zu bewertende gesundheitliche Folge eines Versicherungsfalls überzeugender ist, sieht sich der Senat nicht gehindert, diese seiner Entscheidung zugrundezulegen, nachdem allgemeiner Konsens jedenfalls darüber herrscht, dass die bisherigen MdE Bewertungskriterien überarbeitungsbedürftig sind (vgl. Senatsurteil vom 22.07.2016 – L 8 U 475/15 – juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Der Diskussionsentwurf der DGU ist mit richterlicher Verfügung vom 16.09.2016 in das Verfahren eingeführt worden und die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (BSG SozR 4 2700 § 56 Nr. 2). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, a.a.O. m.H.a.: BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr 42 m.w.N.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Grundsätzlich ist der Grad der MdE aus den festgestellten Funktionsbehinderungen abzuleiten, wobei hinsichtlich knöchernen Verletzungen als Maßstab Einschränkungen der Bewegungsmaße und durch neurologische Ausfälle bedingte funktionelle Beeinträchtigungen in Betracht kommen. Für die Beurteilung von Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke sind nach der bisherigen unfallmedizinischen Literatur die für dieses Gelenk funktionell bedeutsame Bewegungsrichtungen der Streckung und Beugung maßgebend.
Danach rechtfertigt die Versteifung beider Hüftgelenke eine MdE von 60-80 v.H., eines Hüftgelenks in Funktionsstellung eine MdE von 30 v.H. bzw. 30-40 v.H. und eines Hüftgelenks in ungünstiger Stellung eine MdE von 40 v.H. bzw. 40-50 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 581; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., Seite 195). Eine Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks mit Streckung/Beugung um 0/10/90° rechtfertigt eine MdE um 10 v.H., um 0/30/90° ergibt eine MdE um 20 v.H. (vgl. Schönberger u.a., a.a.O.). Andernorts wird eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung in Streckung und Beugung mit 0/0/90° mit einer MdE bis 10 v.H., mit 0/10/90° mit einer MdE von 10 v.H. und mit 0/30/90° oder 0/0/60° mit einer MdE um 20 v.H. bewertet (vgl. Mehrhoff u.a., a.a.O.). Im Diskussionsentwurf der DGU sind als Eckwerte eine Versteifung eines Hüftgelenks in Funktionsstellung mit einer MdE um 25 v.H. und beider Hüftgelenke in Funktionsstellung mit einer MdE um 60 v.H. angesetzt. Die Einschränkung der Beugefähigkeit eines Hüftgelenks unter 70° oder ein Streckdefizit ab 20° wird mit einer MdE um 20 v.H. und eine Einschränkung aller Bewegungsmöglichkeit im Hüftgelenk um die Hälfte mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. (Eine Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung, ein Schenkelhalsfalschgelenk bei Pseudoarthrose, instabil mit Gebrauchsbeeinträchtigung mit einer MdE um 30-40 v.H., eine schwere Arthrose eines Hüftgelenks mit deutlicher Gebrauchsbeeinträchtigung mit einer MdE um 20-30 v.H.).
Gegenüber den von Prof. Dr. We. im Dezember 1988 erhobenen Bewegungsmaßen von 0/0/90 (Streckung/Beugung) bzw. 35/0/20 (Abspreizen/Anführen) ergaben sich bei den Untersuchungen 2013 durch Prof. Dr. St. /Dr. Re. Bewegungsmaße von 0/10/80° (Streckung/Beugung) und 15/0/5 (Abspreizen/Anführen) und 2015 durch Dr. W. Bewegungsmaße von 80/20/0° (Beugung/Streckung) und 25/0/10° (Abspreizen/Anführen). Damit ist seit 1988 eine Streckhemmung von 10° bzw. 20° und eine Zunahme der Beugebeeinträchtigung um 10° auf den Bewegungsausschlag von 80° eingetreten, was unter Berücksichtigung der oben angegebenen Bewertungsgrundsätze der bisherigen unfallmedizinischen Literatur wie auch nach dem Diskussionsentwurf der DGU auch ab 2013 keine MdE um mehr als 20 v.H rechtfertigt. Auch in der vergleichenden Betrachtung ergibt sich, dass das Ausmaß der Bewegungsbeeinträchtigung nicht vergleichbar ist mit dem eine MdE um 30 v.H. begründenden Verletzungsmuster einer Versteifung eines Hüftgelenkes in ungünstiger Stellung. Auch die in der Literatur nicht einheitlich vorgenommene Differenzierung nach schmerzfreier und schmerzbehafteter Bewegungseinschränkung erlaubt keine höhere MdE-Bewertung allein unter diesem Gesichtspunkt. In den Bewertungsansätzen der Literatur anhand gemessener Bewegungseinschränkungen der Körperorgane sind nach allgemeiner Übereinkunft auch die üblichen Schmerzen berücksichtigt. Da die Bewertung der Bewegungseinschränkung nicht auf die ihr zu Grunde liegende Gesundheitsstörung abstellt, d.h. zunächst ist unerheblich, ob arthrotische Veränderungen, Gelenkfehlstellungen, Sehnen- oder Muskelverletzungen usw. die Bewegungseinschränkung verursachen, sind Schmerzen nur dann zu berücksichtigen, wenn ihnen funktionell zusätzliche Bedeutung zukommt (vgl. Beschluss des Senats vom 16.02.2010 – L 8 U 3926/09 – unveröffentlicht). Die Bewertungstabellen in Mehrhoff u.a. (a.a.O.) stellt im Gegensatz zur sonst zitierten Literatur nicht auf Bewegungseinschränkungen wegen Hüftgelenksverrenkungen bzw. Hüftgelenksfrakturen (vgl. dagegen Schönberger u.a., a.a.O.) ab, weshalb davon auszugehen ist, dass das grundsätzlich subjektive Schmerzempfinden allein eine Erhöhung der dort vorgesehenen Bewertungsansätze nicht rechtfertigt. Das Ausmaß der vom Kläger geltend gemachten schmerzhaften Belastungsbeschwerden, vergleiche hierzu die Ausführungen unten, rechtfertigt auch nach den Bewertungskriterien der genannten Literatur keine Erhöhung des Bewertungsansatzes für eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung um 0/30/90° bzw. 0/0/60° (jeweils eine MdE um 20 v.H. ergebend). Insoweit zieht der Senat vergleichbare bzw. speziellere Verletzungsmuster der unfallmedizinischen Literatur heran, die für eine Vergleichsbewertung geeignete Bewertungskriterien enthalten.
Unter Berücksichtigung der mittlerweile fortgeschrittenen unfallbedingten Coxarthrose ergibt sich keine unfallbedingte höhere MdE als 20 v.H. Spezifische Verletzungsfolgen aufgrund Coxarthrose sind in der unfallmedizinischen Literatur nur vereinzelt bewertet (vgl. Bewertungstabellen in Schönberger u.a., a.a.O., Seite 584f.), was wiederum für die alleinige Berücksichtigung objektivierbarer Anknüpfungstatsachen für Belastungsschmerzen zur Erhöhung der Bewertungsansätze aufgrund der Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke in der insoweit nicht differenzierenden unfallmedizinischen Literatur spricht.
Die spezifische MdE-Bewertungstabelle bei Coxarthrose (Schönberger ua., a.a.O.) sieht vor für: • Leicht, mit geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes und subchondraler Sklerosierung des Pfannendaches ohne Bewegungseinschränkung, ohne Muskelminderung des Beines eine MdE von 0 v.H. • Deutlich, mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk bis 30-50 °, Muskelminderung mehr als 2 cm, leichte Gangbehinderung eine MdE von 20 v.H. • Deutliche Verschmälerung des Gelenkspaltes, Randwulstbildungen am Oberschenkelkopf, Bewegungseinschränkung um die Hälfte, Muskelminderung des Beines mehr als 3 cm, Gangbehinderung und Verkürzung des Beines um 1-1,5 cm eine MdE von 30 v.H. • Stark, mit weitgehender Aufhebung des Gelenkspaltes, Bewegungsmöglichkeit gegenüber der Norm um 1/3, Muskelminderung um mehr als 4 cm, Gangbehinderung mit Schonhinken und leichter Fehlstellung des Beines, Verkürzung um 2 cm eine MdE von 40 v.H. • Schmerzhafte Wackelbeweglichkeit im Hüftgelenk, weitgehende Aufhebung des Gelenkspaltes, Fehlstellung des Hüftgelenks, Muskelminderung ab etwa 5 cm, Gangbehinderung und Verkürzung um mehr als 3 cm eine MdE von 50 v.H. • Schmerzhafte Wackelsteife des Hüftgelenks, Fehlstellung des Hüftgelenks, Verkürzung um mehr als 5 cm, starke Muskelminderung, Gehunfähigkeit eine MdE von 70 v.H.
Nach diesen Grundsätzen sind die von Dr. W. und Prof. Dr. St. beschriebenen funktionellen Einschränkungen der rechten Hüfte des Klägers noch nicht so ausgeprägt, dass die für eine MdE um 30 v.H. umschriebenen Funktionsausfälle erfüllt sind. Zwar beschreibt Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 08.10.2013 einen Röntgenbefund, der grundsätzlich die Zuordnung in die Bewertungsstufe einer MdE um 30 v.H. erlaubt. Eine Beeinträchtigung durch Beinlängenverkürzung von 1,5 cm wird im Gutachten von Prof. Dr. St. wie auch von Dr. W. beschrieben. Insoweit verweist Dr. W. für den Senat aber überzeugend darauf, dass aufgrund der röntgenologisch zu beurteilenden Veränderungen am Schenkelhals und am Hüftkopf keine solchen morphologischen Abweichungen aufgetreten sind, die eine unfallbedingte Beinlängenverkürzung plausibel machen könnten. Damit geht Dr. W. davon aus, dass die mit maximal 1 bis 1,5 cm beschriebene Beinlängendifferenz rechts eine vorbestehende Beinlängendifferenz darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass in den vorausgegangenen Untersuchungen hiervon abweichende Beinlängen gemessen wurden. Bereits am 25.11.1987 wurde eine Längendifferenz von 1 cm dokumentiert, obgleich eine unfallbedingte arthrotische Veränderung des rechten Hüftgelenks noch nicht nachweisbar war (Gutachten vom 25.11.1987), was wenige Monate nach dem Unfall auch nicht zu erwarten war. Spätere Untersuchungen im Dezember 1988 und im Oktober 2001 ergaben widersprüchliche Ergebnisse, nämlich keine Längendifferenz (Gutachten vom 08.12.1988) bzw. eine Differenz von 0,7 cm (Stellungnahme vom 21.11.2001), Die bereits im November 1988 gemessene Beinlängendifferenz spricht für die von Dr. W. angenommene vorbestehende körperliche Anlage. Nach Dr. W. gehören Beinlängendifferenzen bis 1,5 cm noch in die natürliche Schwankungsbreite bei der Ausbildung paariger Organe der Normalbevölkerung. Danach ergab der Röntgenbefund vom 27.08.2013 einen etwas entrundeten Hüftkopf mit Strukturunregelmäßigkeiten und mit vor allen Dingen sich aufweisender Randwulstbildung und einen deutlich konzentrisch verschmälerten Hüftgelenkspalt, was aber über das tatsächliche Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen selbst noch nicht endgültig Aufschluss gibt, worauf Dr. H. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2015 zutreffend hingewiesen hat.
Die hieraus resultierende funktionelle Beeinträchtigungen in dem für eine MdE um 30 v.H. zu fordernden Ausmaß verlangt eine schonungsbedingte Muskelminderung um mehr als 3 cm sowie eine Bewegungseinschränkung um die Hälfte, was sich weder aus dem Gutachten von Dr. W. noch aus dem von Prof. Dr. St. eindeutig ergibt. Bei Prof. Dr. St. war, wie dargelegt, die funktional bedeutsame Bewegungsrichtung Streckung/Beugung mit 0/10/80° (Normalwerte: 0-10°/0/130°) eingeschränkt. Der danach normale Bewegungsausschlag der Hüfte von 0°/10° bis 130° war auf den Bewegungsausschlag von 10° bis 80° begrenzt, was in der Summe (0°/10° - entsprechend 10° Differenz - plus 80° bis 130° - entsprechend 50° Differenz) eine Einschränkung von 60° ergibt, wonach der normale Bewegungsausschlag um 130° nicht um die Hälfte unterschritten wird. Erst das von Dr. W. erhobene Bewegungsmaß für Streckung/Beugung mit 0/20/80° ergibt einen Rest -Bewegungsausschlag, der eine Differenz von 70° ausweist und danach geringfügig unter der Hälfte von 65° des in dieser Bewegungsrichtung liegenden Normalmaßes liegt. Nur die funktionell weniger bedeutsame Drehung bei um 90° gebeugtem Hüftgelenk mit 5/0/5° (Normalwerte 30-45°/0/40-50°) ergab bei Prof. St. eine deutlich unter der Hälfte liegende Bewegungseinschränkung. Gleiches gilt für die von Dr. W. erhobenen Bewegungsmaße mit 25/0/10° (Abspreizen/Anführen) und 20/0/0 (auswärts/einwärts Drehung bei 90° gebeugter Hüfte) und 20/0/0° (auswärts/einwärts Drehung bei gestreckter Hüfte). Die nur grenzwertig erreichte funktionell bedeutsame Bewegungseinschränkung um die Hälfte korrespondiert zur Überzeugung des Senats mit dem beim Kläger objektivierten Ausmaß der Schonungszeichen einer Muskelminderung um allenfalls 2 cm, was näher zur MdE-Bewertungsstufe für eine MdE um 20 v.H. liegt.
Eine für eine MdE um 30 v.H. geforderte entsprechende Muskelminderung von mehr als 3 cm wird im Gutachten von Prof. Dr. St. , der am rechten Oberschenkel eine Muskelminderung von 2 cm beschreibt, und im Gutachten von Dr. W. , der am Oberschenkel seitengleiche Muskelumfänge mitteilt, nicht nachgewiesen. Eine Muskeldifferenz von 3 cm ist auch in den Untersuchungen in den Nachprüfungsverfahren nach der Dauerrentenbewilligung nicht erhoben worden. Dass dies auf Meßfehlern beruhen könnte, wie Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.11.2015 ausführt, ist daher spekulativ und für den Senat auch wenig überzeugend. Sowohl Dr. W. als auch Prof. Dr. St. haben jeweils an den üblichen Stellen des Oberschenkels, 20 cm bzw. 10 cm oberhalb des Kniegelenkspaltes insgesamt viermal Maß genommen. Bei beiden Untersuchungen ergaben sich keine auffälligen Abweichungen im Vergleich der beidseitigen Muskulatur am oberen oder unteren Oberschenkel. Soweit Dr. W. darauf verweist, dass die Verminderung der generellen körperlichen Aktivität eine Umfangsabnahme der Muskulatur am nicht verletzten Bein erklären könne, ist dies nicht überzeugend, da auch bei einer geringeren körperlichen Aktivität eine verletzungsbedingte Schonung sich im Vergleich zum unverletzten Bein niederschlagen müsste. Jedenfalls ist ein Beweis für die nachzuweisende verletzungsbedingte Schonung des rechten Hüftgelenks mit den in den Gutachten dargelegten Muskelumfängen nicht geführt. Soweit trifft auch die Auffassung von Dr. W. nicht zu, dass hinsichtlich des Verzichts auf Kriterien zur Einschätzung des Ausmaßes der verletzungsbedingten Nutzungseinschränkung dem medizinischen Sachverständigen ein Interpretationsspielraum zustehen würde.
Hinsichtlich der unfallbedingten Fraktur des Querfortsatzes des Lendenwirbelkörpers ist von den Sachverständigen Prof. Dr. St. und Dr. W. bereits keine Änderung im Unfallfolgenzustand beschrieben worden, denn beide Sachverständigen gehen davon aus, dass die Fraktur folgenlos verheilt ist.
Im Übrigen waren Belastungsbeschwerden des Klägers bereits im Gutachten von Prof. Dr. We. vom 08.12.1988 dokumentiert und bewertet worden. Bereits damals hatte der Kläger angegeben, nicht auf der rechten Seite schlafen zu können, beim Aufstehen bzw. bei der Körperdrehung nach links Schmerzen in der rechten Leiste zu haben. Er könne weder lange stehen noch lange sitzen und nach längerem Sitzen leide er unter Einlaufbeschwerden. Es ist davon auszugehen, dass bereits damals diese Belastungsbeschwerden in die MdE-Einschätzung mit eingegangen sind. Faktisch wäre insoweit bereits keine Änderung eingetreten. Soweit eine Verstärkung dieser Beschwerden geltend gemacht wird, sind diese anhand der MdE-Bewertungskriterien, wie oben ausgeführt, zu bemessen gewesen. Diese Prüfung ergab, dass keine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Die zusätzliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit durch die nach dem Unfall fortschreitende unfallunabhängige Degeneration der Lendenwirbelkörpersegmente L4/5 und L5/S1, wovon insoweit übereinstimmend Dr. W. und Dr. H. ausgehen, wie auch die von Prof. Dr. St. als unfallunabhängig beurteilte verbildenden Veränderungen am rechten Kniegelenk mit Bewegungseinschränkung – ein auffälliger Kniebefund rechts wurde von Prof. Dr. We. im Dezember 1988 nicht erhoben – sind für die MdE-Bewertung unbeachtlich, da es sich hierbei um einen unversicherten Nachschaden handelt. Inwieweit die fortschreitende unfallbedingte Coxarthrose noch wesentliche Ursache für die vom Kläger geklagte Zunahme der Gefühlsstörungen am rechten Bein und rechten Fuß ist, ist nicht hinreichend sicher abzugrenzen, zumal Dr. H. überzeugend darauf verweist, dass die geklagten Missempfindungen auch typische Symptome einer Spinalkanalstenose an den betroffenen Lendenwirbelsäule seien. Letztlich sind die gesicherten unfallbedingten Bewegungseinschränkungen mit den pauschalisierten Bewertungsansätzen der unfallmedizinischen Literatur auch mit ihren Auswirkungen auf das Gangbild insoweit hinreichend berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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