Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2324/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 3151/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 SGB VI bei einem Tierarzt, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst tätig ist.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger ab 16. Februar 2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) als Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst.
Der Kläger ist approbierter Tierarzt. Mit Bescheid vom 1.6.1989 befreite ihn die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte von der Versicherungspflicht nach § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ab 1.4.1989 (Bl. 89 LSG Akte). Seither war er Mitglied der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, ab 14.1.1991 Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung (Bl. 78 LSG Akte) und in der Zeit vom 1.12.2010 bis 15.2.2013 Mitglied im Versorgungswerk der Landestierärztekammer Thüringen (Bl. 79 LSG Akte) und hat aufgrund der oben genannten Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV zu den Versorgungswerken Beiträge gezahlt.
Seit 16.2.2013 ist der Kläger bei der Firma S. Dr. O. GmbH (Beigeladene zu 2.), als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst mit einem Monatsgehalt von 4.750 EUR brutto zuzüglich Zusatzleistungen angestellt. Seither ist er laut der Formularerklärung des Versorgungswerks Pflichtmitglied der Landestierärztekammer Baden-Württemberg und (wieder) Pflichtmitglied der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (Beigeladene zu 1.), zu der er ab Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende einkommensbezogene Pflichtbeiträge zahlen muss (vgl. Bl. 4, 13 VA).
Die Beigeladene zu 2. vertreibt Arzneimittel, Futtermittel, Pflege und Hygieneprodukte, Zubehör für Intensivmedizin und Nahtmaterial für Tiere.
Mit Schreiben vom 8.2.2013 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. S. 5 SGB VI. Nach Auswertung des Anstellungsvertrages vom 29.11.2012, einer Stellenausschreibung vom November 2013 für eine vergleichbare Stelle bei der Beigeladenen zu 2., wonach ein Tierarzt gesucht wurde, sowie der Stellenbeschreibung durch den Arbeitgeber vom 12.12.2013 - Hauptaufgabe: veterinärmedizinische Beratung und qualifizierte Präsentation der Tierarzneimittel bei Tierärzten und Tierkliniken - lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16.1.2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich um keine berufsspezifische Tätigkeit als Tierarzt handele. Allein die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versorgungseinrichtung sei nicht ausreichend, sondern es müsse auch eine für einen Tierarzt typische tierärztliche Berufstätigkeit, die durch das Behandeln erkrankter oder verletzter Tiere, Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten, Sicherstellung des Tierschutzes nach § 1 BTÄO (Bundestierärzte-Ordnung) gekennzeichnet sei, ausgeübt werden. Anders als im Beitragsrecht der Kammern sei eine berufsspezifische Tätigkeit danach nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten einer veterinärmedizinischen Ausbildung mit verwendet würden; vielmehr müsse es sich um eine "approbationspflichtige Tätigkeit" handeln. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI sei in dem Sinne zu verstehen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen sei. Der Aufgabenschwerpunkt des Klägers, Kunden vor Ort veterinärmedizinisch zu beraten sowie die Tierarzneimittel der Firma qualifiziert zu präsentieren, entspreche nicht dem in der Bundes-Tierärzteordnung (BTO) niedergelegten Berufsbild von Tierärzten. Dass bei der Ausübung der Tätigkeit ein veterinärmedizinisches Fachwissen nützlich sei, mache die Tätigkeit als solche nicht zu einer berufsspezifischen tierärztlichen Tätigkeit.
Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Berufsbild des Tierarztes vielfältig und nicht ausschließlich auf die kurative Tätigkeit beschränkt sei, wie sich aus den Berufsbeschreibungen der FU-Berlin, Fachbereich Veterinärmedizin und der Bundestierärztekammer ergebe. Weitere 10 von der Beigeladenen zu 2. beschäftigte Tierärzte im wissenschaftlichen Außendienst seien auch von der Versicherungspflicht befreit, ebenso wie der Kläger bereits 2007 für die gleiche Tätigkeit für 3 Jahre und danach als Account-Manager bei der Firma P. von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Seine Hauptaufgabe sei die wissenschaftliche Beratung in fachspezifischen Fragen seiner Kunden, die ausschließlich niedergelassene Tierärzte seien. Er berate in Fällen von Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Off-Label-Anwendungen, Einsatz bei Exoten, Erste-Hilfe-Maßnahmen etc. Er vermittle tiermedizinisches Wissen auf hohem Niveau und sei auch in Notfällen und Notfallmaßnahmen der Ansprechpartner seiner Kunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und hielt unter Bezugnahme auf vergleichbare Rechtsprechung zur Versicherungspflicht von Ärzten als Pharmaberater an ihrer Auffassung fest, dass es an dem Erfordernis einer berufsspezifischen Beschäftigung, die beim Tierarzt in der Ausübung der Heilkunde an Tieren bestehe, fehle. Die vom Kläger im Außendienst ausgeübte Tätigkeit könne auch von Personen ohne entsprechende akademische Ausbildung ausgeübt werden, diese sei keine objektiv notwendige Zugangsvoraussetzung.
Dagegen hat der Kläger am 11.7.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erheben lassen und sein Begehren im Wesentlichen mit der gleichen Begründung weiterverfolgt. Nach der Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg (Berufsordnung LTK BW) sei unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden (§ 2 Berufsordnung LTK BW). Für die Beratung hinsichtlich Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen seien veterinärmedizinische Fachkenntnisse zwingend erforderlich, ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt seien für die Einstellung des Klägers Voraussetzung gewesen. Die ausgeübte Tätigkeit sei eindeutig als tierärztliche Tätigkeit einzuordnen, da sie sowohl dem Bild der Berufsordnung entspreche, Gegenstand der zur Approbation notwendigen Prüfungsfächer (Pharmakologie und Toxikologie) sowie einer eigenen Fachtierarztausbildung sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
In der mündlichen Verhandlung am 25.3.2015 vor dem SG hat der Kläger weitere Ausführungen zu seiner Tätigkeit gemacht. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.3.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger für seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht habe, weil er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst keine für die Berufsgruppe der Tierärzte spezifische Tätigkeit, sondern im Wesentlichen mit dem Hauptaufgabengebiet Präsentation und Verkauf der veterinärmedizinischen Produkte bei praktizierenden Tierärzten und tierärztlichen Kliniken sowie Beratung dieser Kunden die Tätigkeit eines Pharmareferenten ausübe. Das Aufgabengebiet eines Pharmareferenten sei, medizinisches Fachpersonal über Arzneimittel seines jeweiligen Auftraggebers aus der pharmazeutischen Industrie zu informieren. Hierbei berate und informiere der Pharmareferent unter anderem auch Ärzte über Arzneimittel und deren Wirkungsweise, Nebenwirkungen und Gegenanzeigen unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften. Für die Ausübung dieser Tätigkeit sei eine Approbation als (Tier-) Arzt rechtlich nicht erforderlich, was gegen eine Berufsspezifik der vom Kläger verrichteten Tätigkeit spreche, worauf in der obergerichtlichen Rechtsprechung wiederholt abgestellt worden sei (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.1.2009 - L 4 R 738/06, vom 8.10.2010 - L 4 KR 5196/08 und vom 1.3.2011- L 11 R 4872/09; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.5.2010 - L 4 R 168/09). Nicht entscheidend sei, dass der Arbeitgeber des Klägers die tierärztliche Qualifikation zwingend voraussetze und für eine qualifizierte Kundenbetreuung nutzen möchte. Die Vertriebstätigkeit des Klägers werde dadurch, dass sie von einem approbierten Tierarzt ausgeübt werde, nicht zu einer tierärztlichen Tätigkeit. Auch die in diesem Zusammenhang gelegentliche Ausübung von Beratertätigkeiten zum Einsatz der Arzneimittel oder zur Wahl der richtigen Behandlungsmethode führe zu keiner anderen Entscheidung, da sie der Tätigkeit nicht das Gepräge gebe. Zudem bleibe die Verantwortung für die Behandlung des Tieres beim behandelnden Tierarzt, der die ärztliche Entscheidung letztlich treffe.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 23.6.2015 zugestellte Urteil hat er am 23.7.2015 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und seinen Vortrag vertieft. Die nach der BSG-Rechtsprechung erforderliche Prüfung unter Berücksichtigung sowohl des Berufsrechts als auch des beruflichen Versorgungsrechts habe das SG unterlassen, wonach es aber überhaupt keinen Zweifel daran geben könne, dass der Kläger tierärztlich tätig sei, wie sich aus § 2 Abs. 1 des Heilberufe-Kammergesetzes des Landes Baden-Württemberg, § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte des Landes Baden-Württemberg ergebe. Die Tätigkeits- und Ausbildungsfelder des Tierarztes seien vielfältig und müssten keinem gängigen Berufsbild entsprechen. Für die erforderliche Aufklärung auch außerhalb der Zulassung (Off-Label-Use) über Wirkweisen, Wirkzusammenhänge, Kontraindikationen und Wechselwirkungen sowie für Schulungen und Vorträge sei der Kläger auf tierärztliches Wissen angewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 sowie den Bescheid vom 16. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger für seine ab dem 16. Februar 2013 ausgeübte Tätigkeit für die S. Dr. O. GmbH von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hält an ihrer Auffassung fest, dass es sich bei der infrage stehenden Tätigkeit nicht um eine approbationspflichtige Tätigkeit, worauf abzustellen sei, sondern um die Betreuung von Tierärzten und Tierkliniken vor allem unter Marketinggesichtspunkten mit dem Ziel geschäftlicher Abschlüsse, vergleichbar einem Pharmareferenten gehe. Der Kläger sei auch nicht als Tierarzt, sondern als Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst eingestellt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.1.2016 die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte als Beigeladene zu 1. sowie die Fa. S. als Beigeladene zu 2. gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.
Der Kläger hat den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt vom 1.6.1989 über die Befreiung von der Versicherungspflicht zum 1.4.1989 vorgelegt (Bl. 89 LSG-Akte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.6.2016 und der Beklagten vom 16.6.2016, des Beigeladenen zu 1. vom 13.6.2016 und der Beigeladenen zu 2. vom 24.6.2016).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat für seine bei der Beigeladenen zu 2. ausgeübte Tätigkeit als Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst seit 16.2.2013 Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 16.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.6.2014, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. von der Versicherungspflicht in der GRV zu befreien. Dagegen geht der Kläger zulässig mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vor.
Der Kläger ist nicht bereits auf Grund seiner früheren Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1.4.1989 (Bescheid vom 1.6.1989) auch weiterhin für die jetzt ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. von der Versicherungspflicht befreit. Nach § 231 Abs. 1 S. 1 SGB VI bleiben zwar Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Vorliegend handelt es sich bei der bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigung nicht um dieselbe, die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zu Grunde lag. Es besteht keine Identität (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - , juris Rn. 16 ff.). Gemäß § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI ist die Befreiung auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Eine früher erteilte Befreiung entfaltet bei einem Wechsel der Beschäftigung hinsichtlich des neuen Beschäftigungsverhältnisses auch dann keine Wirkungen, wenn hierbei dieselbe oder eine vergleichbare berufliche Tätigkeit verrichtet wird (BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - ,juris Rn. 17 ff.). Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI verpflichtet, die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht auf die seit 16.2.2013 ausgeübte Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. zu erstrecken. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil es sich bei der in Rede stehenden Beschäftigung nicht um eine von vornherein zeitlich begrenzte Beschäftigung gehandelt hat.
Rechtsgrundlage für den Befreiungsanspruch des Klägers ist § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Der Kläger erbringt bei der Beigeladenen zu 2. als Außendienstmitarbeiter seit 16.2.2013 nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB) in mehr als geringfügigem Umfang. Er ist daher abhängig versicherungspflichtig beschäftigt (§ 1 S. 1 Nr. 1 Halbs. 1 Alt 1 SGB VI, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB IV).
Maßgeblich für eine Befreiung von der Versicherungspflicht kommt es daher darauf an, ob der Kläger wegen dieser Beschäftigung Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer geworden ist. Ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw. Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer ist, ist anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (BSG, Urteil vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R, juris, Rn. 34).
Ausgehend davon ist bereits der Ansatz der Beklagten, die tierärztliche Berufsausübung ausschließlich an der Bundes-Tierärzteordnung (BTÄO) zu orientieren, verfehlt. Nach § 1 Abs. 1 BTÄO ist der Tierarzt berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken. Ob diese Voraussetzungen nur durch einen kurativ tätigen Tierarzt erfüllt werden können oder ob auch die Tätigkeit des Klägers mit dem qualifizierten Vertrieb von tiermedizinischen Pharmazeutika darunter fallen kann, kann indes dahin stehen. Es kommt nämlich nicht auf die Bundesnorm, sondern auf die einschlägigen landesrechtlichen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen an.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Gesetz über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz - HBKG) gehören der Landestierärztekammer alle Tierärztinnen und Tierärzte an, die bestallt oder approbiert sind oder eine Erlaubnis zur Ausübung des tierärztlichen Berufs besitzen und die im Land ihren Beruf ausüben oder, falls sie ihren Beruf nicht ausüben, im Land ihren Wohnsitz haben. Die Kammerangehörigkeit ist nicht einer konstitutiven Regelung durch Verwaltungsakt zugänglich. Es handelt sich vielmehr um eine gesetzlich geregelte Folge, die ausschließlich von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 HBKG abhängig ist (so zu §§ 1 und 2 HeilBerG NRW: Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Beschluss vom 5.8.2014 – 6t E 285/12.T –, Rn. 33, juris). Danach gehört der als Tierarzt approbierte Kläger, der als Außendienstmitarbeiter für das Gebiet Baden-Württemberg sowohl seinen Beruf in Baden-Württemberg ausübt (tätigkeitsbezogen) als auch dort seinen Wohnsitz hat (personenbezogen), kraft Gesetzes der berufsständischen Kammer an.
Damit ist der Kläger kraft Gesetzes auch Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung geworden. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung (§ 2 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte - Versorgungsanstaltsgesetz - (VersAnstG), in der Fassung vom 11. Oktober 2007 (GBl. S. 473)). Nach § 7 Abs. 1 VersAnstG und § 17 der (nach § 10 Nr. 14 HBKG erlassenen ) Satzung der Beigeladenen zu 1. nehmen an der Versorgungsanstalt diejenigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten teil, die die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des HBKG genannten Voraussetzungen erfüllen - dies ist im Wesentlichen die Approbation - und im Land ihren Beruf ausüben, soweit sie nicht als Beamte einen gesetzlichen Anspruch auf Ruhegehalt oder Hinterbliebenenversorgung haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Die Pflichtteilnahme ist für den 1961 geborenen Kläger auch nicht wegen Alters entfallen (§ 18 der Satzung). Danach knüpft die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung allein tätigkeitsbezogen an das Kriterium der Ausübung des Berufes eines Tierarztes an. Demnach geht die Beigeladene zu 1. davon aus, dass der Kläger durch die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. eine tierärztliche Berufstätigkeit ausübt.
Das Vorliegen einer solchen berufs(gruppen)spezifischen Tätigkeit muss vor dem Hintergrund des jeweils gesetzlich festgelegten Berufsbilds des Kammerberufs überprüft und bewertet werden; es muss eine für den in der jeweiligen Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit ausgeübt werden (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.4.2016 – L 1 KR 347/15 –, juris Rn. 58 m.w.Nw.). Dies wiederum ist anhand der einschlägigen kammerrechtlichen Vorschriften, insbesondere unter Beachtung der Berufsordnungen des jeweiligen verkammerten Berufs, zu beurteilen (SG München, Urteil vom 10. März 2016 – S 15 R 10/16 –, Rn. 33, juris).
Nach § 1 der Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2002, i.d.F.vom 25. Juni 2015 (Berufsordnung LTK BW) sind die Berufsaufgaben der Tierärzte wie folgt definiert: (1) Tierärztinnen und Tierärzte dienen dem Allgemeinwohl und tragen bei der Ausübung ihres Berufes in hohem Maß Verantwortung für die Gesundheit von Mensch und Tier. Aufgrund der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten ist jede Tierärztin und jeder Tierarzt in besonderer Weise zum Schutz der Tiere berufen und verpflichtet. (2) Tierärztinnen und Tierärzte haben insbesondere die Aufgabe, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen und sie vor Schäden zu bewahren, zur Entwicklung und Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen beizutragen und den Menschen vor Gefahren und Schäden durch vom Tier übertragbare Krankheiten oder durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen. (3) Es ist ebenso Aufgabe der Tierärztinnen und Tierärzte, zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt die Qualität und Sicherheit sowohl von Tieren als auch nicht von Tieren stammender Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sowie die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln und von Futtermitteln zu gewährleisten.
Nach § 2 Berufsordnung LTK BW ist unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden, sofern die Bestimmungen der §§ 2, 3 Bundestierärzteordnung (BTÄO) erfüllt sind, womit im Wesentlichen die Approbation gemeint ist. In der Anlage zur Beitragsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg wird unter Gruppe II Nr. 2. beispielhaft aufgeführt, welche Tätigkeiten von Kammerangehörigen gemeint sind, bei denen sie während des veterinärmedizinischen Studiums erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten verwerten. Dies sind z.B. Lehre und Forschung, pharmazeutische Industrie, Fachjournalisten, Medizinische Informatik usw.
Ausgehend von diesem weiten kammerrechtlichen Verständnis tierärztlicher Tätigkeit ist das von der Beklagten zugrunde gelegte Verständnis über eine berufsspezifische veterinärmedizinische Tätigkeit, die sich ausschließlich an einer kurativen Tätigkeit orientiert, auch in der mittlerweile veränderten Berufswelt als zu eng anzusehen. Auch in § 30 Abs. 3 S. 2 HBKG wird ein weites Verständnis des tierärztlichen Berufes zu Grunde gelegt, wenn dort die Teilnahme am Notdienst und Fortbildung nur bestimmt wird, sofern die Tierärzte an der ambulanten tiermedizinischen Versorgung mitwirken. Das impliziert, dass auch andere Tätigkeitsfelder dem Berufsbild immanent sind.
Zur Überzeugung des Senats entspricht die vom Kläger in der pharmazeutischen Industrie verrichtete Arbeit einer tiermedizinischen Berufsausübung. Diese gründet auf der Auswertung der schriftlichen Unterlagen über die Tätigkeit des Klägers und seine Angaben im Erörterungstermin am 15.12.2015. Die Tätigkeit des Klägers ist durch die veterinärmedizinische Beratung von Tierärzten in Praxen oder Kliniken vor Ort sowie die qualifizierte Präsentation und den Verkauf der veterinärmedizinischen Produkte des Beigeladenen zu 2. geprägt. Hierbei ist zunächst zu bemerken, dass das Sortiment der Beigeladenen zu 2. nicht nur einzelne Medikamente gegen bestimmte Krankheiten beinhaltet, sondern auch mit zugekauften und vertriebenen Produkten den gesamten tierärztlichen Bedarf abdeckt, wie der Kläger im Erörterungstermin ausgeführt hat. Dies sind nach der Produktinformation auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2. (www.S ...de/arzneimittel/all-tierarten.htmllistview-265) allein 265 Arzneimittel für alle Tierarten. Angesichts der Vielzahl der Arzneimittel ist hinsichtlich der Wirkungsweise der Inhaltsstoffe auch an den verschiedenen Tierarten zur Beratung in fachspezifischen Fragen umfassendes veterinärmedizinisches Wissen erforderlich. Gleiches gilt für die Beratung in Fällen von Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Wechselwirkungen, Off-Label-Anwendungen, Einsatz bei Exoten, Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie sie der Kläger vornimmt. Andernfalls könnte der Kläger auch nicht in Notfällen und Notfallmaßnahmen, wie es der Fall ist, erster Ansprechpartner seiner Kunden sein.
Die Produktpalette wird neben Futtermittel, Pflege- und Hygieneprodukten im medizinischen Bereich durch Intensivmedizin und Nahtmaterial wie z.B. Brust-Drainage-Katheter, Endotrachealtuben, Nadel- und Faden-Produkte in den verschiedensten Ausführungen, Wunddrainagen und Katheter vervollständigt. Der Kläger hat hierzu im Erörterungstermin geschildert, dass er die Vorzüge eines Produktes teilweise auch selbst im Rahmen einer vor Ort notwendigen tierärztlichen Operation demonstriert und z.B. eine Operationsnaht dem ortsansässigen Tierarzt vorführt. Dies ist ein Tätigwerden am Tier, das allein einem Tierarzt vorbehalten ist. Der Tierarzt darf sich in seiner fachlichen Tätigkeit nur durch Tierärzte vertreten lassen und es ist unzulässig, dass der Tierarzt gemeinsam mit Nichttierärzten Tiere untersucht, behandelt oder an ihnen Eingriffe vornimmt (§ 14 Abs. 1 und 2 BerufsO). Die Tätigkeit des Klägers geht weit über die bloße Informationstätigkeit zu bestimmten Arzneimitteln, wie sie ein Pharmaberater vornimmt (Befreiung von der Versicherungspflicht für Pharmaberater ablehnend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2009 – L 4 R 738/06 –, Rn. 29, juris) hinaus. Dem komplexen Aufgabengebiet entsprechend ist es konsequent, dass nach der Stellenausschreibung des Beigeladenen zu 2. auch ein Tierarzt (m/w) gesucht wurde. Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass der Kläger aber nicht als Tierarzt, sondern als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst angestellt wurde. Die Bezeichnung wissenschaftlicher Mitarbeiter lässt bereits darauf schließen, dass eine besondere Sachkunde und Ausbildung erforderlich ist. Der Kläger wurde nämlich gerade auch nicht als Pharmaberater oder Pharmareferent, für die auch eine geringere Qualifikation als durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium hier in Bezug auf Veterinärmedizin, nämlich z.B. eine abgeschlossene Ausbildung als technische Assistenten in der Veterinärmedizin, ausreichend sein kann und einem mittleren Bildungsniveau entspricht (vgl. § 75 Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG -), eingestellt. So hat die Beigeladene zu 2. im Schreiben vom 12.12.2013 gegenüber der Beklagten auch erklärt, dass die veterinärmedizinischen Fachkenntnisse für die Beratungen der tierärztlichen Kunden zwingend erforderlich seien und daher das abgeschlossene Hochschulstudium der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt das entscheidende Kriterium für die Einstellung des Klägers gewesen sind. Dies schlägt sich nicht zuletzt auch in der Höhe des Gehalts von 4.750 EUR brutto nieder. Die Beklagte geht deshalb zu Unrecht davon aus, dass die höhere Qualifikation des Klägers nicht erforderlich gewesen sei, sondern zur Qualitätssteigerung vom Arbeitgeber nur gerne in Kauf genommen worden sei.
Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit wird auch unter der Bezeichnung "Industrietierarzt" geführt. Unter dem Begriff "Industrietierarzt" verbergen sich Tierärzte, die im Produktmarketing, im wissenschaftlichen Technical Service, im wissenschaftlichen Außendienst, im Vertrieb, im Marketing oder in der Forschung und Entwicklung bzw. Arzneimittelzulassung arbeiten. Als Arbeitsgebiete werden Produktmanagement, Technical Service, Wissenschaftlicher Außendienst, Verkauf von Produkten, Forschung und Entwicklung, Qualitätskontrolle, Zulassung und Marketing genannt. Arbeitgeber sind u.a. veterinär- und humanpharmazeutische Unternehmen, Medizinproduktehersteller, Futtermittelhersteller, Lebensmittelindustrie und -forschung, Hersteller von Medizintechnik und Dienstleister für Tierärzte (vgl. www.beruftierarzt.de/berufsprofile/industrie.html). Genau diesem Zweig des Berufsbildes des Tierarztes entspricht die Tätigkeit des Klägers. Die Tätigkeit steht damit auch mit § 2 Berufsordnung LTK BW in Einklang. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die für seine Tätigkeit besonders benötigten Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Pharmakologie und der Toxikologie Gegenstand der zur Approbation nötigen Fachgebiete waren (Anl. 1 Nr. 10 zu § 2 AppO für Tierärzte - TAppO vom 22.4.1986, jetzt TAppO 2000) und auch Gegenstand einer eigenen Fachtierarztausbildung sein kann (§ 2 Weiterbildungsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg vom 23.12.1996, i.d.F. vom 3. Dezember 2015). An der Verwendung tiermedizinischen Wissens besteht daher kein Zweifel. Damit geht der Kläger einer doppelrelevanten Beschäftigung (BSG, Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 3/14 R - , juris Rn. 28) nach und übt somit eine i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreiungsfähige berufsspezifische Tätigkeit eines Tierarztes aus.
Der so verstandene Begriff der tierärztlichen Berufsausübung deckt sich auch mit der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung. Danach sind unter ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Tätigkeit nämlich nicht nur diejenigen Tätigkeiten zu verstehen, für die die ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Approbation oder Erlaubnis Voraussetzung ist, sondern auch jene Tätigkeiten, bei welchen Kenntnisse verwertet werden, die aufgrund einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Tätigkeit erworben wurden oder die nach den jeweils geltenden Vorschriften Gegenstand der ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Ausbildung, Fort- oder Weiterbildung sind (BVerwG vom 30.1.1996 Az. 1 C 9/93 und vom 26.1.1993 Az. 1 C 33/89; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.6.2007 – 21 ZB 06.1853 –, Rn. 4, juris; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Gutmann/Walter/Wiese, Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Ärztinnen und Ärzte, NZS Heft 10/2015 Seite 361 ff.).
Der Begriff der ärztlichen Tätigkeit ist deshalb nicht mit einer approbationspflichtigen Tätigkeit gleichzusetzen, wie es die Beklagte fordert. Sofern - wie hier - ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet (BSG, Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 3/14 R - juris Rn. 25).
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 SGB VI liegen vor. So gewährt die Versorgungsanstalt den Teilnehmern und ihren Hinterbliebenen Versorgung durch Altersruhegeld und Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit sowie Hinterbliebenenversorgung (§§ 2, 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte [Versorgungsanstaltsgesetz - VersAnstG]). Es sind einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen (§ 22, 23 der Satzung). eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestand bereits vor dem 1.1.1995 in Baden-Württemberg. Das VersAnstG stammt aus dem Jahre 1961.
Die nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI geforderte Bestätigung der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde, die der letztlich bindenden Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vorausgeht (problematisiert in BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R, juris Rn. 36), bestätigt lediglich generell den Versorgungsstatus des berufsständischen Versorgungswerks (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 Rn. 143, Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI § 6 Rn. 30). Eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers im berufsständischen Versorgungswerk wird damit jedoch nicht getroffen. Der Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass die Bestätigung für die Beigeladene zu 2. bereits im Zusammenhang mit der Gründung erteilt worden ist und keinerlei Hinweise darauf bestehen, dass die versorgungsrechtlichen Befreiungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sein könnten.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Befreiung vom Beginn der Beschäftigung am 16.2.2013. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrages an. Der Kläger hat den Antrag bereits am 8.2.2013 vor dem Beginn der Beschäftigung gestellt.
Aus diesen Gründen war der Berufung des Klägers stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1. und zu 2. sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben.
Der Senat hat die Revision zugelassen. Die Frage der Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV für verkammerte Berufe bedarf insbesondere im Licht der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG auf Grund der Urteile vom 3.4.2014 (B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R) der näheren Konkretisierung, wie weit der Begriff der ärztlichen, zahnärztlichen, tierärztlichen und pharmazeutischen Tätigkeit zu fassen ist.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) als Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst.
Der Kläger ist approbierter Tierarzt. Mit Bescheid vom 1.6.1989 befreite ihn die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte von der Versicherungspflicht nach § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ab 1.4.1989 (Bl. 89 LSG Akte). Seither war er Mitglied der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, ab 14.1.1991 Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung (Bl. 78 LSG Akte) und in der Zeit vom 1.12.2010 bis 15.2.2013 Mitglied im Versorgungswerk der Landestierärztekammer Thüringen (Bl. 79 LSG Akte) und hat aufgrund der oben genannten Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV zu den Versorgungswerken Beiträge gezahlt.
Seit 16.2.2013 ist der Kläger bei der Firma S. Dr. O. GmbH (Beigeladene zu 2.), als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst mit einem Monatsgehalt von 4.750 EUR brutto zuzüglich Zusatzleistungen angestellt. Seither ist er laut der Formularerklärung des Versorgungswerks Pflichtmitglied der Landestierärztekammer Baden-Württemberg und (wieder) Pflichtmitglied der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (Beigeladene zu 1.), zu der er ab Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende einkommensbezogene Pflichtbeiträge zahlen muss (vgl. Bl. 4, 13 VA).
Die Beigeladene zu 2. vertreibt Arzneimittel, Futtermittel, Pflege und Hygieneprodukte, Zubehör für Intensivmedizin und Nahtmaterial für Tiere.
Mit Schreiben vom 8.2.2013 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. S. 5 SGB VI. Nach Auswertung des Anstellungsvertrages vom 29.11.2012, einer Stellenausschreibung vom November 2013 für eine vergleichbare Stelle bei der Beigeladenen zu 2., wonach ein Tierarzt gesucht wurde, sowie der Stellenbeschreibung durch den Arbeitgeber vom 12.12.2013 - Hauptaufgabe: veterinärmedizinische Beratung und qualifizierte Präsentation der Tierarzneimittel bei Tierärzten und Tierkliniken - lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16.1.2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich um keine berufsspezifische Tätigkeit als Tierarzt handele. Allein die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versorgungseinrichtung sei nicht ausreichend, sondern es müsse auch eine für einen Tierarzt typische tierärztliche Berufstätigkeit, die durch das Behandeln erkrankter oder verletzter Tiere, Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten, Sicherstellung des Tierschutzes nach § 1 BTÄO (Bundestierärzte-Ordnung) gekennzeichnet sei, ausgeübt werden. Anders als im Beitragsrecht der Kammern sei eine berufsspezifische Tätigkeit danach nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten einer veterinärmedizinischen Ausbildung mit verwendet würden; vielmehr müsse es sich um eine "approbationspflichtige Tätigkeit" handeln. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI sei in dem Sinne zu verstehen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen sei. Der Aufgabenschwerpunkt des Klägers, Kunden vor Ort veterinärmedizinisch zu beraten sowie die Tierarzneimittel der Firma qualifiziert zu präsentieren, entspreche nicht dem in der Bundes-Tierärzteordnung (BTO) niedergelegten Berufsbild von Tierärzten. Dass bei der Ausübung der Tätigkeit ein veterinärmedizinisches Fachwissen nützlich sei, mache die Tätigkeit als solche nicht zu einer berufsspezifischen tierärztlichen Tätigkeit.
Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Berufsbild des Tierarztes vielfältig und nicht ausschließlich auf die kurative Tätigkeit beschränkt sei, wie sich aus den Berufsbeschreibungen der FU-Berlin, Fachbereich Veterinärmedizin und der Bundestierärztekammer ergebe. Weitere 10 von der Beigeladenen zu 2. beschäftigte Tierärzte im wissenschaftlichen Außendienst seien auch von der Versicherungspflicht befreit, ebenso wie der Kläger bereits 2007 für die gleiche Tätigkeit für 3 Jahre und danach als Account-Manager bei der Firma P. von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Seine Hauptaufgabe sei die wissenschaftliche Beratung in fachspezifischen Fragen seiner Kunden, die ausschließlich niedergelassene Tierärzte seien. Er berate in Fällen von Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Off-Label-Anwendungen, Einsatz bei Exoten, Erste-Hilfe-Maßnahmen etc. Er vermittle tiermedizinisches Wissen auf hohem Niveau und sei auch in Notfällen und Notfallmaßnahmen der Ansprechpartner seiner Kunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und hielt unter Bezugnahme auf vergleichbare Rechtsprechung zur Versicherungspflicht von Ärzten als Pharmaberater an ihrer Auffassung fest, dass es an dem Erfordernis einer berufsspezifischen Beschäftigung, die beim Tierarzt in der Ausübung der Heilkunde an Tieren bestehe, fehle. Die vom Kläger im Außendienst ausgeübte Tätigkeit könne auch von Personen ohne entsprechende akademische Ausbildung ausgeübt werden, diese sei keine objektiv notwendige Zugangsvoraussetzung.
Dagegen hat der Kläger am 11.7.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erheben lassen und sein Begehren im Wesentlichen mit der gleichen Begründung weiterverfolgt. Nach der Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg (Berufsordnung LTK BW) sei unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden (§ 2 Berufsordnung LTK BW). Für die Beratung hinsichtlich Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen seien veterinärmedizinische Fachkenntnisse zwingend erforderlich, ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt seien für die Einstellung des Klägers Voraussetzung gewesen. Die ausgeübte Tätigkeit sei eindeutig als tierärztliche Tätigkeit einzuordnen, da sie sowohl dem Bild der Berufsordnung entspreche, Gegenstand der zur Approbation notwendigen Prüfungsfächer (Pharmakologie und Toxikologie) sowie einer eigenen Fachtierarztausbildung sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
In der mündlichen Verhandlung am 25.3.2015 vor dem SG hat der Kläger weitere Ausführungen zu seiner Tätigkeit gemacht. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.3.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger für seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht habe, weil er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst keine für die Berufsgruppe der Tierärzte spezifische Tätigkeit, sondern im Wesentlichen mit dem Hauptaufgabengebiet Präsentation und Verkauf der veterinärmedizinischen Produkte bei praktizierenden Tierärzten und tierärztlichen Kliniken sowie Beratung dieser Kunden die Tätigkeit eines Pharmareferenten ausübe. Das Aufgabengebiet eines Pharmareferenten sei, medizinisches Fachpersonal über Arzneimittel seines jeweiligen Auftraggebers aus der pharmazeutischen Industrie zu informieren. Hierbei berate und informiere der Pharmareferent unter anderem auch Ärzte über Arzneimittel und deren Wirkungsweise, Nebenwirkungen und Gegenanzeigen unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften. Für die Ausübung dieser Tätigkeit sei eine Approbation als (Tier-) Arzt rechtlich nicht erforderlich, was gegen eine Berufsspezifik der vom Kläger verrichteten Tätigkeit spreche, worauf in der obergerichtlichen Rechtsprechung wiederholt abgestellt worden sei (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.1.2009 - L 4 R 738/06, vom 8.10.2010 - L 4 KR 5196/08 und vom 1.3.2011- L 11 R 4872/09; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.5.2010 - L 4 R 168/09). Nicht entscheidend sei, dass der Arbeitgeber des Klägers die tierärztliche Qualifikation zwingend voraussetze und für eine qualifizierte Kundenbetreuung nutzen möchte. Die Vertriebstätigkeit des Klägers werde dadurch, dass sie von einem approbierten Tierarzt ausgeübt werde, nicht zu einer tierärztlichen Tätigkeit. Auch die in diesem Zusammenhang gelegentliche Ausübung von Beratertätigkeiten zum Einsatz der Arzneimittel oder zur Wahl der richtigen Behandlungsmethode führe zu keiner anderen Entscheidung, da sie der Tätigkeit nicht das Gepräge gebe. Zudem bleibe die Verantwortung für die Behandlung des Tieres beim behandelnden Tierarzt, der die ärztliche Entscheidung letztlich treffe.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 23.6.2015 zugestellte Urteil hat er am 23.7.2015 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und seinen Vortrag vertieft. Die nach der BSG-Rechtsprechung erforderliche Prüfung unter Berücksichtigung sowohl des Berufsrechts als auch des beruflichen Versorgungsrechts habe das SG unterlassen, wonach es aber überhaupt keinen Zweifel daran geben könne, dass der Kläger tierärztlich tätig sei, wie sich aus § 2 Abs. 1 des Heilberufe-Kammergesetzes des Landes Baden-Württemberg, § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte des Landes Baden-Württemberg ergebe. Die Tätigkeits- und Ausbildungsfelder des Tierarztes seien vielfältig und müssten keinem gängigen Berufsbild entsprechen. Für die erforderliche Aufklärung auch außerhalb der Zulassung (Off-Label-Use) über Wirkweisen, Wirkzusammenhänge, Kontraindikationen und Wechselwirkungen sowie für Schulungen und Vorträge sei der Kläger auf tierärztliches Wissen angewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 sowie den Bescheid vom 16. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger für seine ab dem 16. Februar 2013 ausgeübte Tätigkeit für die S. Dr. O. GmbH von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hält an ihrer Auffassung fest, dass es sich bei der infrage stehenden Tätigkeit nicht um eine approbationspflichtige Tätigkeit, worauf abzustellen sei, sondern um die Betreuung von Tierärzten und Tierkliniken vor allem unter Marketinggesichtspunkten mit dem Ziel geschäftlicher Abschlüsse, vergleichbar einem Pharmareferenten gehe. Der Kläger sei auch nicht als Tierarzt, sondern als Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst eingestellt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.1.2016 die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte als Beigeladene zu 1. sowie die Fa. S. als Beigeladene zu 2. gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.
Der Kläger hat den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt vom 1.6.1989 über die Befreiung von der Versicherungspflicht zum 1.4.1989 vorgelegt (Bl. 89 LSG-Akte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.6.2016 und der Beklagten vom 16.6.2016, des Beigeladenen zu 1. vom 13.6.2016 und der Beigeladenen zu 2. vom 24.6.2016).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat für seine bei der Beigeladenen zu 2. ausgeübte Tätigkeit als Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst seit 16.2.2013 Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 16.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.6.2014, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. von der Versicherungspflicht in der GRV zu befreien. Dagegen geht der Kläger zulässig mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vor.
Der Kläger ist nicht bereits auf Grund seiner früheren Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1.4.1989 (Bescheid vom 1.6.1989) auch weiterhin für die jetzt ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. von der Versicherungspflicht befreit. Nach § 231 Abs. 1 S. 1 SGB VI bleiben zwar Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Vorliegend handelt es sich bei der bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigung nicht um dieselbe, die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zu Grunde lag. Es besteht keine Identität (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - , juris Rn. 16 ff.). Gemäß § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI ist die Befreiung auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Eine früher erteilte Befreiung entfaltet bei einem Wechsel der Beschäftigung hinsichtlich des neuen Beschäftigungsverhältnisses auch dann keine Wirkungen, wenn hierbei dieselbe oder eine vergleichbare berufliche Tätigkeit verrichtet wird (BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - ,juris Rn. 17 ff.). Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI verpflichtet, die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht auf die seit 16.2.2013 ausgeübte Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. zu erstrecken. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil es sich bei der in Rede stehenden Beschäftigung nicht um eine von vornherein zeitlich begrenzte Beschäftigung gehandelt hat.
Rechtsgrundlage für den Befreiungsanspruch des Klägers ist § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Der Kläger erbringt bei der Beigeladenen zu 2. als Außendienstmitarbeiter seit 16.2.2013 nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB) in mehr als geringfügigem Umfang. Er ist daher abhängig versicherungspflichtig beschäftigt (§ 1 S. 1 Nr. 1 Halbs. 1 Alt 1 SGB VI, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB IV).
Maßgeblich für eine Befreiung von der Versicherungspflicht kommt es daher darauf an, ob der Kläger wegen dieser Beschäftigung Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer geworden ist. Ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw. Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer ist, ist anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (BSG, Urteil vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R, juris, Rn. 34).
Ausgehend davon ist bereits der Ansatz der Beklagten, die tierärztliche Berufsausübung ausschließlich an der Bundes-Tierärzteordnung (BTÄO) zu orientieren, verfehlt. Nach § 1 Abs. 1 BTÄO ist der Tierarzt berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken. Ob diese Voraussetzungen nur durch einen kurativ tätigen Tierarzt erfüllt werden können oder ob auch die Tätigkeit des Klägers mit dem qualifizierten Vertrieb von tiermedizinischen Pharmazeutika darunter fallen kann, kann indes dahin stehen. Es kommt nämlich nicht auf die Bundesnorm, sondern auf die einschlägigen landesrechtlichen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen an.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Gesetz über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz - HBKG) gehören der Landestierärztekammer alle Tierärztinnen und Tierärzte an, die bestallt oder approbiert sind oder eine Erlaubnis zur Ausübung des tierärztlichen Berufs besitzen und die im Land ihren Beruf ausüben oder, falls sie ihren Beruf nicht ausüben, im Land ihren Wohnsitz haben. Die Kammerangehörigkeit ist nicht einer konstitutiven Regelung durch Verwaltungsakt zugänglich. Es handelt sich vielmehr um eine gesetzlich geregelte Folge, die ausschließlich von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 HBKG abhängig ist (so zu §§ 1 und 2 HeilBerG NRW: Landesberufsgericht für Heilberufe Münster, Beschluss vom 5.8.2014 – 6t E 285/12.T –, Rn. 33, juris). Danach gehört der als Tierarzt approbierte Kläger, der als Außendienstmitarbeiter für das Gebiet Baden-Württemberg sowohl seinen Beruf in Baden-Württemberg ausübt (tätigkeitsbezogen) als auch dort seinen Wohnsitz hat (personenbezogen), kraft Gesetzes der berufsständischen Kammer an.
Damit ist der Kläger kraft Gesetzes auch Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung geworden. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung (§ 2 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte - Versorgungsanstaltsgesetz - (VersAnstG), in der Fassung vom 11. Oktober 2007 (GBl. S. 473)). Nach § 7 Abs. 1 VersAnstG und § 17 der (nach § 10 Nr. 14 HBKG erlassenen ) Satzung der Beigeladenen zu 1. nehmen an der Versorgungsanstalt diejenigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten teil, die die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des HBKG genannten Voraussetzungen erfüllen - dies ist im Wesentlichen die Approbation - und im Land ihren Beruf ausüben, soweit sie nicht als Beamte einen gesetzlichen Anspruch auf Ruhegehalt oder Hinterbliebenenversorgung haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Die Pflichtteilnahme ist für den 1961 geborenen Kläger auch nicht wegen Alters entfallen (§ 18 der Satzung). Danach knüpft die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung allein tätigkeitsbezogen an das Kriterium der Ausübung des Berufes eines Tierarztes an. Demnach geht die Beigeladene zu 1. davon aus, dass der Kläger durch die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. eine tierärztliche Berufstätigkeit ausübt.
Das Vorliegen einer solchen berufs(gruppen)spezifischen Tätigkeit muss vor dem Hintergrund des jeweils gesetzlich festgelegten Berufsbilds des Kammerberufs überprüft und bewertet werden; es muss eine für den in der jeweiligen Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit ausgeübt werden (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.4.2016 – L 1 KR 347/15 –, juris Rn. 58 m.w.Nw.). Dies wiederum ist anhand der einschlägigen kammerrechtlichen Vorschriften, insbesondere unter Beachtung der Berufsordnungen des jeweiligen verkammerten Berufs, zu beurteilen (SG München, Urteil vom 10. März 2016 – S 15 R 10/16 –, Rn. 33, juris).
Nach § 1 der Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2002, i.d.F.vom 25. Juni 2015 (Berufsordnung LTK BW) sind die Berufsaufgaben der Tierärzte wie folgt definiert: (1) Tierärztinnen und Tierärzte dienen dem Allgemeinwohl und tragen bei der Ausübung ihres Berufes in hohem Maß Verantwortung für die Gesundheit von Mensch und Tier. Aufgrund der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten ist jede Tierärztin und jeder Tierarzt in besonderer Weise zum Schutz der Tiere berufen und verpflichtet. (2) Tierärztinnen und Tierärzte haben insbesondere die Aufgabe, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen und sie vor Schäden zu bewahren, zur Entwicklung und Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen beizutragen und den Menschen vor Gefahren und Schäden durch vom Tier übertragbare Krankheiten oder durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen. (3) Es ist ebenso Aufgabe der Tierärztinnen und Tierärzte, zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt die Qualität und Sicherheit sowohl von Tieren als auch nicht von Tieren stammender Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sowie die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln und von Futtermitteln zu gewährleisten.
Nach § 2 Berufsordnung LTK BW ist unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden, sofern die Bestimmungen der §§ 2, 3 Bundestierärzteordnung (BTÄO) erfüllt sind, womit im Wesentlichen die Approbation gemeint ist. In der Anlage zur Beitragsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg wird unter Gruppe II Nr. 2. beispielhaft aufgeführt, welche Tätigkeiten von Kammerangehörigen gemeint sind, bei denen sie während des veterinärmedizinischen Studiums erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten verwerten. Dies sind z.B. Lehre und Forschung, pharmazeutische Industrie, Fachjournalisten, Medizinische Informatik usw.
Ausgehend von diesem weiten kammerrechtlichen Verständnis tierärztlicher Tätigkeit ist das von der Beklagten zugrunde gelegte Verständnis über eine berufsspezifische veterinärmedizinische Tätigkeit, die sich ausschließlich an einer kurativen Tätigkeit orientiert, auch in der mittlerweile veränderten Berufswelt als zu eng anzusehen. Auch in § 30 Abs. 3 S. 2 HBKG wird ein weites Verständnis des tierärztlichen Berufes zu Grunde gelegt, wenn dort die Teilnahme am Notdienst und Fortbildung nur bestimmt wird, sofern die Tierärzte an der ambulanten tiermedizinischen Versorgung mitwirken. Das impliziert, dass auch andere Tätigkeitsfelder dem Berufsbild immanent sind.
Zur Überzeugung des Senats entspricht die vom Kläger in der pharmazeutischen Industrie verrichtete Arbeit einer tiermedizinischen Berufsausübung. Diese gründet auf der Auswertung der schriftlichen Unterlagen über die Tätigkeit des Klägers und seine Angaben im Erörterungstermin am 15.12.2015. Die Tätigkeit des Klägers ist durch die veterinärmedizinische Beratung von Tierärzten in Praxen oder Kliniken vor Ort sowie die qualifizierte Präsentation und den Verkauf der veterinärmedizinischen Produkte des Beigeladenen zu 2. geprägt. Hierbei ist zunächst zu bemerken, dass das Sortiment der Beigeladenen zu 2. nicht nur einzelne Medikamente gegen bestimmte Krankheiten beinhaltet, sondern auch mit zugekauften und vertriebenen Produkten den gesamten tierärztlichen Bedarf abdeckt, wie der Kläger im Erörterungstermin ausgeführt hat. Dies sind nach der Produktinformation auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2. (www.S ...de/arzneimittel/all-tierarten.htmllistview-265) allein 265 Arzneimittel für alle Tierarten. Angesichts der Vielzahl der Arzneimittel ist hinsichtlich der Wirkungsweise der Inhaltsstoffe auch an den verschiedenen Tierarten zur Beratung in fachspezifischen Fragen umfassendes veterinärmedizinisches Wissen erforderlich. Gleiches gilt für die Beratung in Fällen von Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Wechselwirkungen, Off-Label-Anwendungen, Einsatz bei Exoten, Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie sie der Kläger vornimmt. Andernfalls könnte der Kläger auch nicht in Notfällen und Notfallmaßnahmen, wie es der Fall ist, erster Ansprechpartner seiner Kunden sein.
Die Produktpalette wird neben Futtermittel, Pflege- und Hygieneprodukten im medizinischen Bereich durch Intensivmedizin und Nahtmaterial wie z.B. Brust-Drainage-Katheter, Endotrachealtuben, Nadel- und Faden-Produkte in den verschiedensten Ausführungen, Wunddrainagen und Katheter vervollständigt. Der Kläger hat hierzu im Erörterungstermin geschildert, dass er die Vorzüge eines Produktes teilweise auch selbst im Rahmen einer vor Ort notwendigen tierärztlichen Operation demonstriert und z.B. eine Operationsnaht dem ortsansässigen Tierarzt vorführt. Dies ist ein Tätigwerden am Tier, das allein einem Tierarzt vorbehalten ist. Der Tierarzt darf sich in seiner fachlichen Tätigkeit nur durch Tierärzte vertreten lassen und es ist unzulässig, dass der Tierarzt gemeinsam mit Nichttierärzten Tiere untersucht, behandelt oder an ihnen Eingriffe vornimmt (§ 14 Abs. 1 und 2 BerufsO). Die Tätigkeit des Klägers geht weit über die bloße Informationstätigkeit zu bestimmten Arzneimitteln, wie sie ein Pharmaberater vornimmt (Befreiung von der Versicherungspflicht für Pharmaberater ablehnend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2009 – L 4 R 738/06 –, Rn. 29, juris) hinaus. Dem komplexen Aufgabengebiet entsprechend ist es konsequent, dass nach der Stellenausschreibung des Beigeladenen zu 2. auch ein Tierarzt (m/w) gesucht wurde. Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass der Kläger aber nicht als Tierarzt, sondern als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst angestellt wurde. Die Bezeichnung wissenschaftlicher Mitarbeiter lässt bereits darauf schließen, dass eine besondere Sachkunde und Ausbildung erforderlich ist. Der Kläger wurde nämlich gerade auch nicht als Pharmaberater oder Pharmareferent, für die auch eine geringere Qualifikation als durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium hier in Bezug auf Veterinärmedizin, nämlich z.B. eine abgeschlossene Ausbildung als technische Assistenten in der Veterinärmedizin, ausreichend sein kann und einem mittleren Bildungsniveau entspricht (vgl. § 75 Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG -), eingestellt. So hat die Beigeladene zu 2. im Schreiben vom 12.12.2013 gegenüber der Beklagten auch erklärt, dass die veterinärmedizinischen Fachkenntnisse für die Beratungen der tierärztlichen Kunden zwingend erforderlich seien und daher das abgeschlossene Hochschulstudium der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt das entscheidende Kriterium für die Einstellung des Klägers gewesen sind. Dies schlägt sich nicht zuletzt auch in der Höhe des Gehalts von 4.750 EUR brutto nieder. Die Beklagte geht deshalb zu Unrecht davon aus, dass die höhere Qualifikation des Klägers nicht erforderlich gewesen sei, sondern zur Qualitätssteigerung vom Arbeitgeber nur gerne in Kauf genommen worden sei.
Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit wird auch unter der Bezeichnung "Industrietierarzt" geführt. Unter dem Begriff "Industrietierarzt" verbergen sich Tierärzte, die im Produktmarketing, im wissenschaftlichen Technical Service, im wissenschaftlichen Außendienst, im Vertrieb, im Marketing oder in der Forschung und Entwicklung bzw. Arzneimittelzulassung arbeiten. Als Arbeitsgebiete werden Produktmanagement, Technical Service, Wissenschaftlicher Außendienst, Verkauf von Produkten, Forschung und Entwicklung, Qualitätskontrolle, Zulassung und Marketing genannt. Arbeitgeber sind u.a. veterinär- und humanpharmazeutische Unternehmen, Medizinproduktehersteller, Futtermittelhersteller, Lebensmittelindustrie und -forschung, Hersteller von Medizintechnik und Dienstleister für Tierärzte (vgl. www.beruftierarzt.de/berufsprofile/industrie.html). Genau diesem Zweig des Berufsbildes des Tierarztes entspricht die Tätigkeit des Klägers. Die Tätigkeit steht damit auch mit § 2 Berufsordnung LTK BW in Einklang. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die für seine Tätigkeit besonders benötigten Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Pharmakologie und der Toxikologie Gegenstand der zur Approbation nötigen Fachgebiete waren (Anl. 1 Nr. 10 zu § 2 AppO für Tierärzte - TAppO vom 22.4.1986, jetzt TAppO 2000) und auch Gegenstand einer eigenen Fachtierarztausbildung sein kann (§ 2 Weiterbildungsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg vom 23.12.1996, i.d.F. vom 3. Dezember 2015). An der Verwendung tiermedizinischen Wissens besteht daher kein Zweifel. Damit geht der Kläger einer doppelrelevanten Beschäftigung (BSG, Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 3/14 R - , juris Rn. 28) nach und übt somit eine i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreiungsfähige berufsspezifische Tätigkeit eines Tierarztes aus.
Der so verstandene Begriff der tierärztlichen Berufsausübung deckt sich auch mit der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung. Danach sind unter ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Tätigkeit nämlich nicht nur diejenigen Tätigkeiten zu verstehen, für die die ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Approbation oder Erlaubnis Voraussetzung ist, sondern auch jene Tätigkeiten, bei welchen Kenntnisse verwertet werden, die aufgrund einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Tätigkeit erworben wurden oder die nach den jeweils geltenden Vorschriften Gegenstand der ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Ausbildung, Fort- oder Weiterbildung sind (BVerwG vom 30.1.1996 Az. 1 C 9/93 und vom 26.1.1993 Az. 1 C 33/89; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.6.2007 – 21 ZB 06.1853 –, Rn. 4, juris; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Gutmann/Walter/Wiese, Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Ärztinnen und Ärzte, NZS Heft 10/2015 Seite 361 ff.).
Der Begriff der ärztlichen Tätigkeit ist deshalb nicht mit einer approbationspflichtigen Tätigkeit gleichzusetzen, wie es die Beklagte fordert. Sofern - wie hier - ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet (BSG, Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 3/14 R - juris Rn. 25).
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 SGB VI liegen vor. So gewährt die Versorgungsanstalt den Teilnehmern und ihren Hinterbliebenen Versorgung durch Altersruhegeld und Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit sowie Hinterbliebenenversorgung (§§ 2, 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte [Versorgungsanstaltsgesetz - VersAnstG]). Es sind einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen (§ 22, 23 der Satzung). eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestand bereits vor dem 1.1.1995 in Baden-Württemberg. Das VersAnstG stammt aus dem Jahre 1961.
Die nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI geforderte Bestätigung der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde, die der letztlich bindenden Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vorausgeht (problematisiert in BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R, juris Rn. 36), bestätigt lediglich generell den Versorgungsstatus des berufsständischen Versorgungswerks (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 Rn. 143, Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI § 6 Rn. 30). Eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers im berufsständischen Versorgungswerk wird damit jedoch nicht getroffen. Der Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass die Bestätigung für die Beigeladene zu 2. bereits im Zusammenhang mit der Gründung erteilt worden ist und keinerlei Hinweise darauf bestehen, dass die versorgungsrechtlichen Befreiungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sein könnten.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Befreiung vom Beginn der Beschäftigung am 16.2.2013. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrages an. Der Kläger hat den Antrag bereits am 8.2.2013 vor dem Beginn der Beschäftigung gestellt.
Aus diesen Gründen war der Berufung des Klägers stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1. und zu 2. sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben.
Der Senat hat die Revision zugelassen. Die Frage der Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV für verkammerte Berufe bedarf insbesondere im Licht der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG auf Grund der Urteile vom 3.4.2014 (B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R) der näheren Konkretisierung, wie weit der Begriff der ärztlichen, zahnärztlichen, tierärztlichen und pharmazeutischen Tätigkeit zu fassen ist.
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