L 9 R 1667/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 987/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1667/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1954 geborene Klägerin war in ihrem Herkunftsland Bosnien-Herzegowina als Verkäuferin beschäftigt. Seit 1992 lebt sie in der Bundesrepublik Deutschland und war zuletzt seit 2003 als Reinigungskraft und Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2011 ist sie arbeitsunfähig.

Vom 06.05. bis 27.05.2011 gewährte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der P.-Klinik Bad N. Im Entlassungsbericht vom 06.06.2011 wurden als Diagnosen eine Tendovaginitis de Quervain beidseits, rechts mehr als links, eine Handgelenksarthrose rechts, rezidivierende Cervikobrachialgien beidseits bei Halswirbelsäulendegeneration, eine Fettstoffwechselstörung sowie eine Hypothyreose angegeben. Für die bisherige Tätigkeit als Küchenhilfe sei die Klägerin dauerhaft arbeitsunfähig; eine innerbetriebliche Umsetzung auf leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter Ausschluss von schweren und ungünstigen Arbeiten sei notwendig.

Am 08.09.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Hausärzte der Klägerin Dres. W. vom 14.10.2011 sowie Befundberichte des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. W. vom 13.01.2011 und vom 29.03.2011 bei und beauftragte den Chirurgen Dr. P. mit der Erstattung eine Gutachtens. In seinem Gutachten vom 16.12.2011 gab er an, bei der Klägerin bestünden ein chronisches degeneratives Reizsyndrom der Halswirbelsäule, eine rezidivierende Pannikulitis in der Nacken- und Rückenregion, eine deutliche Tendovaginitis de Quervain beiderseits (rechts betonter als links) und der Verdacht auf depressive Erschöpfung. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin für leichte Tätigkeiten unter konsequenter Berücksichtigung des negativen Leistungsbildes vollschichtig einsetzbar. Auszuschließen seien Zeitdruck, Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen, Arbeiten unter erhöhter Verletzungsgefahr, häufiges Bücken, Zwangshaltungen, regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie Feinarbeiten.

Mit Bescheid vom 23.01.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen der Klägerin ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Aufgrund ihres beruflichen Werdegangs seien der Klägerin Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die sie sechs Stunden täglich ausüben könne, zumutbar. Die Klägerin habe daher auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Zur Begründung ihres hiergegen am 31.01.2012 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie leide unter starken Schmerzen im ganzen Körper, die nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Außerdem verwies sie auf ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 31.01.2012, der angab, aufgrund der weiter bestehenden Schmerzsymptomatik sei eine erneute Arbeitsfähigkeit bis auf weiteres nicht abzusehen.

Nach Einholung der sozialmedizinischen Stellungnahme bei der Fachärztin für Allgemeinedizin Dr. T. vom 15.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2012 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.03.2012 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie leide an einer Gelenksarthrose in beiden Handgelenken. Die Schmerzen strahlten über die Arme bis zum Kopf; sie trage Schienen an den Handgelenken. Darüber hinaus bestünden Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule. Sie könne keine drei Stunden mehr täglich arbeiten. Während des Klageverfahrens habe sie einen Bandscheibenvorfall im Bereich C5 bis C7 sowie eine Bandscheibenprotrusion im Bereich C4/C5 erlitten; sie könne daher nicht mehr lange stehen und sitzen. Das allgemeine Schmerzsyndrom sei bei den Aussagen der Ärzte zu wenig berücksichtigt worden. Sie hat Berichte des behandelnden Orthopäden Dr. W. vom 06.09.2012 und 14.11.2012 vorgelegt.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. hat unter dem 14.05.2012 angegeben, die Klägerin einmalig im Juli 2011 behandelt zu haben. Es bestünden der Verdacht auf eine organische depressive Störung und auf Spannungskopfschmerz, ein Zervikobrachial-Syndrom beidseits und eine Läsion des Nervus plantaris beidseits (Morton’sche Metatarsalgie). In seiner Aussage vom 16.05.2012 hat Dr. W. dargelegt, er habe die Klägerin zuletzt im März 2011 untersucht. Die Klägerin sei aufgrund der degenerativen Veränderungen bei Überkopfarbeiten eingeschränkt. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie noch sechs Stunden und mehr ausüben. Dr. M. hat einen Auszug aus seinen medizinischen Daten vom 10.05.2012 übersandt und zu den Beweisfragen keine Stellung genommen. Dr. W., Radiologie Zentrum N., hat unter dem 16.05.2012 mitgeteilt, die Klägerin nur einmalig nuklearmedizinisch untersucht zu haben. In isolierter Kenntnis der von ihm getroffenen Feststellungen sollten leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens sechs Stunden definitiv möglich sein. Das maßgebliche Leiden liege auf dem Fachgebiet der Orthopädie.

Mit Urteil vom 13.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden auszuüben. Dies ergebe sich aus den Aussagen der behandelnden Fachärzte, die im gerichtlichen Verfahren nicht von einem auf unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschränkten Leistungsvermögen ausgegangen seien, und dem Gutachten von Dr. P. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe ebenfalls nicht, da die Klägerin aufgrund ihrer letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 26.03.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.04.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, die Wirbelsäulenerkrankung sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die geltend gemachten Schmerzzustände ließen sich durch die Wirbelsäulenbefunde erklären. Die Beschwerden bestünden trotz Schmerzmitteleinnahme sowie seitens der Hausärztin verordneter Massagen fort und beeinträchtigten sie auch im Rahmen der Aktivitäten des täglichen Lebens. Der Verdacht auf das Vorliegen einer depressiven Störung habe sich zwischenzeitlich bestätigt. Darüber hinaus sei sie aufgrund ihres Fersensporns in der Wegefähigkeit beeinträchtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. März 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. September 2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf Stellungnahmen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 30.10.2013 und vom 17.12.2013 sowie auf Stellungnahmen des Internisten Medizinaldirektor Dr. G. vom 18.05.2015 und vom 15.07.2015.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Senat zunächst die Fachärztin für Neurologie Dr. A. schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen. Sie hat unter dem 28.11.2013 mitgeteilt, die Klägerin sei dort fünf Mal in Behandlung gewesen. Im psychischen Befund sei sie jeweils immer deutlich depressiv herabgestimmt, weinerlich, ängstlich, mit innerer Unruhe gewesen. Sie habe über Ein- und Durchschlafstörungen berichtet. Formale und inhaltliche Denkstörungen hätten ebenso wenig wie eine akute Suizidalität vorgelegen. Es bestehe eine mittelgradige Depression.

Der Senat hat dann den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin hat er in seinem Gutachten vom 22.01.2015 ausgeführt, diese leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und einer Dysthymie. Sie habe körperliche Symptome aus psychischen Gründen entwickelt. Überlagert sei die gesamte Störung durch eine ganz erhebliche Neigung der Klägerin zu Aggravation und Simulation, so dass davon auszugehen sei, dass insbesondere die seelischen Störungen nur gelegentlich zu beobachten seien, sicherlich auch, eine entsprechende Motivation der Klägerin vorausgesetzt, zumindest teilweise ohne ärztliche Behandlung überwunden werden könnten. Unter Berücksichtigung der objektivierbaren Befunde sei kein Grund erkennbar, warum die Klägerin nicht in der Lage sein sollte, zumindest leichte anspruchslose Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung von qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr werktäglich zu verrichten. Die Klägerin sei auch in der Lage, eine Wegstrecke von 500 Metern in weniger als 15 Minuten zurückzulegen.

Nachdem die Klägerin ein Attest der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. W. vom 12.06.2015 vorgelegt hatte, wonach sie aufgrund der Beschwerden durch eine Plantarfasziitis der linken Ferse in ihrem Alltag deutlich eingeschränkt sei und Schwierigkeiten habe, längere Strecken (über 50 Meter) zu Fuß zu bewältigen, hat der Senat Dr. W. und Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum U., schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. W. hat unter dem 18.09.2015 mitgeteilt, er habe die Klägerin, die sich etwa ein Mal im Quartal vorstelle, zuletzt am 10.06.2015 gesehen. Sie sei sehr schleppend gegangen; sie habe stehen und auch objektiv normal laufen können, allerdings etwas verlangsamt. Im Vordergrund habe die depressive Symptomatik gestanden. Die Klägerin sei aufgrund der zunehmenden Gelenkschmerzen nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Sie könne eine Strecke von 500 Metern zu Fuß zurücklegen, allerdings mit Pausen und mit deutlicher Zeitverzögerung. Prof. Dr. W. hat in seiner Stellungnahme vom 01.04.2016 mitgeteilt, die Klägerin wegen einer schmerzhaften Plantarfasziitis links sowie einer Haglund-Ferse links behandelt zu haben. Eine leichte, körperlich nicht belastende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in zeitlich überschaubarem Umfang scheine noch möglich, zumindest unter bedarfsweiser Einnahme von Schmerzmitteln. Eine solche Tätigkeit sei vergleichbar mit den Anforderungen der allgemeinen Lebensführung, die von der Klägerin durchaus noch zu bewältigen sei.

Mit Schreiben vom 07.09.2016 hat die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweise Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 07.09.2016 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Gemäß § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte zwar täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2013, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 f.).

An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.

Dass bei der Klägerin ein berufliches Leistungsvermögen jedenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise festgestellt. Der Senat schließt sich daher zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 13.03.2013, insbesondere der dort vorgenommenen Beweiswürdigung, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen, sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist.

Der Senat stützt seine Überzeugung im Wesentlichen auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. W. sowie das im Wege des Urkundenbeweises verwertbare Verwaltungsgutachten von Dr. P.

Für den Senat steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und einer chronifizierten milden depressiven Symptomatik im Sinne einer Dysthymie leidet.

Diese Diagnosen hat Dr. W. schlüssig und nachvollziehbar aus den von ihm erhobenen Befunden abgeleitet. Bei der körperlich-neurologischen Untersuchung demonstrierte die Klägerin eine erhebliche Unsicherheit im Unterberger-Tretversuch mit bizarrer Gangstörung, eine Schwäche der Arme mit Absinken zur Seite (was mit normalen neurologische Gegebenheiten nicht zu vereinbaren ist) und ein konsequentes und dabei nicht dysmetrisches Vorbeizeigen im Finger-Nasen-Versuch. Objektivierbare Defizite waren nicht festzustellen, der Reflexstatus war weitgehend unauffällig, im Kontrast zur angegebenen Tatenlosigkeit war das Muskelrelief bei der Klägerin völlig unauffällig. Im EEG zeigte sich keine Allgemeinveränderung, im Tibialis-SEP keine Leitungsstörung von den Beinen, in der motorischen Neurographie des Nervus medianus kein Hinweis für eine proximale oder distale Leitungsstörung. In psychischer Hinsicht war die Stimmungslage bei der Klägerin insgesamt gedrückt, die Stimmungsfähigkeit eingeschränkt, Antrieb und Psychomotorik leichtgradig herabgesetzt. Testpsychologisch konnte eine ausgeprägte Simulation der geklagten Gedächtnisstörung festgestellt werden. In der Schmerz-Simulationsskala wurde ein Punktwert erreicht, der mit einer bewusstseinsnahen Aggravation der geklagten Schmerzen vereinbar war. Auffällig war auch das Ergebnis im strukturierten Fragebogen simulierter Symptome. Der Gutachter gelangt auf der Grundlage dieser Befunde zusammenfassend nachvollziehbar zu der Bewertung, dass bei der Klägerin eine chronifizierte Schmerzstörung vorliegt, für die es auch organpathologische Erklärungsmuster gibt, sowohl die orthopädischerseits beschriebene Tendovaginitis als auch Bandscheibenvorfälle in Höhe HWK 5/6/7. Die Schmerzsymptomatik ist nach der schlüssigen Einschätzung des Gutachters aber überlagert durch psychische Faktoren, so die mangelnde Integration bei Migrationshintergrund und mögliche traumatische Erfahrungen während des Bosnienkrieges; auch muss im Hinblick auf das Verhalten in der Untersuchung und die Ergebnisse in der Testpsychologie eine eindeutige Tendenzreaktion mit deutlichen simulativen Tendenzen im Sinne einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen angenommen werden. Eine tiefgreifende Depression war im Hinblick auf den objektivierbaren psychopathologischen Befund nicht erkennbar, insbesondere fanden sich auch keine relevanten kognitiven Auffälligkeiten im Gespräch. Soweit Prof. Dr. W. eine Angstsymptomatik angenommen hat, konnte diese durch Dr. W. nicht bestätigt werden. Die durch den Gutachter festgestellten Störungen führen zu einer Einschränkung der Belastbarkeit, so dass dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten nicht verrichtet werden können. Zu vermeiden sind Tätigkeiten unter Zeitdruck und im Schichtbetrieb. Unter Berücksichtigung der von Dr. W. objektivierbaren Störungen sind der Klägerin aber Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar. So konnte der Gutachter keinen Grund erkennen, warum die Klägerin nicht in der Lage sein sollte, zumindest eine leichte anspruchslose Tätigkeit sechs Stunden und mehr werktäglich zu verrichten.

Auf orthopädischem Fachgebiet folgt der Senat der Einschätzung von Dr. P., dessen Gutachten vom 14.12.2011 im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnte. Die durch den Gutachter angegebenen Diagnosen - chronisches degeneratives Reizsyndrom der Halswirbelsäule, rezidivierende Pannikulitis in der Nacken- und Rückenregion und deutliche Tendovaginitis de Quervain - leitet dieser schlüssig aus den von ihm erhobenen Befunden ab; sie stimmen im Wesentlichen mit den im Entlassungsbericht der Park-Klinik Bad N. vom 06.06.2011 überein. Eine Verschlechterung wurde durch die im Klage- und Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht dokumentiert, weshalb der Senat keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen auch auf orthopädischem Fachgebiet gesehen hat. Soweit die Klägerin unter einer schmerzhaften Plantarfasziitis links und einer Haglund-Ferse links leidet, führt dies nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens, wie sich aus der Stellungnahme von Prof. Dr. W. ergibt.

Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens folgt daher weder aus den orthopädischen noch aus den psychiatrischen Erkrankungen der Klägerin. Den durch die behandelnden Ärzte angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen wird durch das Erfordernis einer leichten Tätigkeit ausreichend Rechnung getragen. Die Erkrankungen führen dazu, dass Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen durchgeführt werden sollen. Zudem sind Tätigkeiten in Kälte, Hitze, unter Temperaturschwankungen und in Zugluft zu vermeiden. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankungen sind Tätigkeiten unter Zeitdruck sowie im Schicht- und Nachtbetrieb nicht möglich. Darüber hinausgehende Einschränkungen sind, wie Dr. W. darlegt, zwar möglich, aber aufgrund der erheblichen simulativen Tendenzen nicht wahrscheinlich zu machen. Sie sind daher auch für den Senat nicht nachgewiesen. Ein Rentenanspruch kann vorliegend somit auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden.

Die Klägerin ist darüber hinaus auch in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 RSozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. und vom 28.08.2002 - B 5 RJ 12/02 R - Juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG, Urteile vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R - Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris). Die Klägerin leidet unter Gesundheitsstörungen, die sich auf die Wegefähigkeit auswirken. Zur Überzeugung des Senats ist sie aber dennoch in der Lage, 500 Meter in einem zumutbaren Zeitaufwand zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dies folgt für den Senat insbesondere aus der Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 01.04.2016. Trotz der bei der vorliegenden schmerzhaften Plantarfasziitis links sowie der Haglund-Ferse links ist die Klägerin nach seiner Einschätzung in der Lage, die geforderte Wegstrecke in angemessener Zeit zurückzulegen. Dass hierfür ggf. die Einnahme von Schmerzmitteln erforderlich ist, steht der grundsätzlichen Fähigkeit, einen Arbeitsplatz aufzusuchen, nicht entgegen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit folgt auch nicht aus der Stellungnahme von Dr. W. vom 18.09.2015. Er bestätigt, dass die Klägerin grundsätzlich in der Lage ist, eine Strecke von 500 Metern zurückzulegen. Dass dies nur mit Pausen und deutlicher Zeitverzögerung möglich ist, spricht nicht gegen die Wegefähigkeit. Er hält die Klägerin auch für in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die noch im Attest vom 12.06.2015 angegebene Einschränkung der Gehstrecke auf 50 Meter wird in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.09.2015 nicht bestätigt. Unabhängig davon, ob die Einschränkung auf 50 Meter bereits medizinisch nicht begründbar ist, wie Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 15.07.2015 ausführt, ist jedenfalls nicht von einer dauerhaften, d.h. über sechs Monate bestehenden Einschränkung auszugehen. Die Strahlentherapie wurde in einem eng begrenzten Zeitraum vom 27.03. bis 06.04.2015 durchgeführt. Bereits am 10.06.2015 beschreibt Dr. W. den Gang zwar als sehr schleppend, objektiv aber als "normal" und "etwas verlangsamt". Die Einschränkung aufgrund der Plantarfasziitis stand bei diesem Termin auch nicht mehr im Vordergrund.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 01.02.1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI). Bei der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als Reinigungsfrau handelt es sich um eine ungelernte Tätigkeit, sodass die Klägerin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist; eine konkrete Verweisungstätigkeit ist nicht zu benennen. Auf die in Bosnien-Herzegowina ausgeübte Tätigkeit der Verkäuferin ist nicht mehr abzustellen, nachdem die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland seit über 17 Jahren als Reinigungskraft und Küchenhilfe versicherungspflichtig tätig war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus dem erlernten Beruf als Verkäuferin aus gesundheitlichen Gründen gelöst hat.

Da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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