L 10 R 4459/16 PKH

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 2790/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4459/16 PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch einzuleitendes Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25.10.2016 wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der am 1958 geborene, aus I. stammende Kläger war zuletzt als Maschinenbediener tätig. Er begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25.10.2016, mit dem das Sozialgericht das Begehren des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung abgelehnt hat. Grundlage der Entscheidung des Sozialgerichts ist das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. K. (wegen Wirbelsäulen- und Hüftgelenksbeschwerden nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig möglich, ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten, ohne Klettern und Steigen und ohne Absturzgefahr), das ebenfalls von der Beklagten eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. (wegen einer somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia sei die Erwerbsfähigkeit nicht komplett aufgehoben, er rate zu einer Rehabilitationsbehandlung, nach der leichte, einfach durchstrukturierte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr möglich seien, zu vermeiden seien zusätzlich besonderer Zeitdruck und Schichtarbeit) sowie das vom Sozialgericht eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Chefarztes des Krankenhauses St. E. in R. PD Dr. B. gewesen, der, ausgehend von einem chronischen Schmerz mit somatischen und psychischen Faktoren, einem operierten Bandscheibenvorfall und einem Analphabetismus sowie dem Unvermögen, über den Zahlenraum bis 10 hinaus zu rechnen, einfach strukturierte leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig für möglich erachtet hat. Zu vermeiden seien schwere und dauerhaft mittelschwere Tätigkeiten, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, massiver Zeitdruck sowie Tätigkeiten, die intellektuelle Fähigkeiten wie Schreiben und Rechnen voraussetzen, einschließlich Publikumsverkehr.

II.

Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringt. Dies verneint der Senat.

Dass und aus welchen Gründen das Begehren auf Rente wegen Erwerbsminderung keine Erfolgsaussicht hat, hat das Sozialgericht im Urteil vom 25.10.2016 unter Wiedergabe der rechtlichen Grundlagen der begehrten Rente zutreffend dargelegt und insbesondere ausgeführt, dass bei dem auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Kläger unabhängig von der von Dr. Z. empfohlenen Rehabilitationsmaßnahme keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorliegt und angesichts der zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen keine Besonderheiten vorliegen, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde, dies auch unter Berücksichtigung der geringen intellektuellen Fähigkeiten des Klägers. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat daher Bezug.

Die Einwände des Klägers in seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründen keine Aussicht auf Erfolg einer Berufung.

Soweit der Kläger die Notwendigkeit der Benennung einer Verweisungstätigkeit behauptet, folgt ihm der Senat nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden) steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist nur ausnahmsweise erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Soweit der Kläger behauptet, wegen seiner intellektuellen Einschränkung sozial nicht ausreichend kommunizieren zu können, ergibt sich hieraus nichts anderes. Denn tatsächlich war der Kläger trotz der unterdurchschnittlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig und auszuschließen ist nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. B. insoweit nur Publikumsverkehr, eine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht üblicherweise abverlangte Tätigkeit.

Nichts anderes gilt in Bezug auf die Einschränkungen beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Dabei bedarf es keiner Aufklärung, welche Einschränkungen tatsächlich vorliegen. Denn auch wenn das von PD Dr. B. dargelegte Niveau unterstellt wird, ergibt sich hieraus - auch unter Berücksichtigung der übrigen Einschränkungen - weder eine Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit und schon gar keine rentenrelevante Einschränkung. Denn der Kläger ist trotz seiner Einschränkungen nicht gehindert, die beispielsweise in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise geforderten Verrichtungen, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, kleinere Reinigungstätigkeiten, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) mindestens sechs Stunden täglich auszuüben und entsprechende Arbeitsplätze aufzusuchen. Es erschließt sich nicht, aus welchen Gründen die intellektuellen Einschränkungen des Klägers solchen Tätigkeiten entgegenstehen sollen. Tatsächlich war der Kläger ja trotz dieser Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jahrelang tätig. Entgegen der möglicherweise vom Kläger vertretenen Auffassung hindern ihn auch die oben aufgeführten qualitativen Einschränkungen an solchen Tätigkeiten nicht. Zu vermeiden sind danach nur schwere und dauerhaft mittelschwere Tätigkeiten, häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Klettern und Steigen, Absturzgefahr sowie massiver Zeitdruck. Solche, durchaus übliche Einschränkungen auf leichte Tätigkeiten stehen einer Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - ohne Benennung einer konkreten Tätigkeit (s. oben) - nicht entgegen, eben weil die üblicherweise verlangten, oben aufgelisteten Tätigkeiten noch ausgeübt werden können.

Im Grunde sieht dies auch der Kläger so, wenn er in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass er mit seinen Einschränkungen keinen zur Einstellung bereiten Arbeitgeber finden würde. Allerdings spielt dieser Aspekt für die Frage nach dem Vorliegen einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung keine maßgebliche Rolle. Denn nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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