L 11 KR 4555/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3497/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4555/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 30.11.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Gewährung von Krankengeld (KrG) über den 18.11.2016 hinaus. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG.

Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris). Krg kann zudem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes frühestens ab Eingang des Antrags beim SG (21.11.2016) zugesprochen werden (vgl Senatsbeschluss vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12; 29.03.2010, L 11 KR 1448/10 ER-B).

Vorliegend liegt schon kein Anordnungsgrund vor. Ab 01.02.2017 erhält die Antragstellerin Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund (Bescheid vom 23.12.2016), so dass ab dann ein monatliches Einkommen gesichert ist. Für die Zeit vor dem 01.02.2017 ist der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Trotz Aufforderung durch den Senat (Schreiben vom 21.12.2016) hat die Antragstellerin ihre Vermögensverhältnisse nicht offengelegt und keine aussagekräftigen Nachweise hierzu vorgelegt. Sie wurde auch auf die Möglichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 294 ZPO) hingewiesen. Sie hat vielmehr im Schreiben vom 01.01.2017 klargestellt, dass sie im vorliegenden Verfahren die Gewährung von Krankengeld ohne eine Vermögensprüfung begehre. Dies ist jedoch nicht möglich, weil die Gewährung von vorläufigen oder vorweggenommenen Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz immer die Eilbedürftigkeit als Anordnungsgrund bedingt.

Unabhängig vom Nichtvorliegen eines Anordnungsgrundes besteht auch kein Anordnungsanspruch. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage hat der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11.11.2016, mit dem die Antragsgegnerin mitgeteilt hat, dass die Zahlung von Krankengeld zum 18.11.2016 wegen Erreichen der Höchstanspruchsdauer endet, keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerin Verletztengeld gemäß §§ 45 SGB VII begehrt, ist die Antragsgegnerin nicht zuständig, sondern die Unfallversicherung Bund und Bahn. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 30.11.2016 verwiesen. Im Übrigen ist die Gewährung von Verletztengeld im Wege einer einstweiligen Anordnung bereits Gegenstand des Verfahrens S 13 U 3484/16 ER beim SG. Eine Verbindung der beiden Verfahren ist nicht möglich.

Soweit die Antragstellerin auch über den 18.11.2016 hinaus Krankengeld von der Antragsgegnerin beansprucht, spricht viel dafür, dass die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V) mit dem 18.11.2016 erreicht ist. Zwar schließen gem § 11 Abs 5 SGB V Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung Leistungen nach dem SGB V aus. Zeiten des Bezugs von Verletztengeld sind demnach grundsätzlich nicht auf die Höchstbezugsdauer von Krankengeld anzurechnen. Maßgeblich ist hierfür jedoch ausschließlich die materielle Rechtslage. Denn nach dem Wortlaut des § 11 Abs 5 SGB V besteht auf Leistungen nach dem SGB V kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies hat die die Antragsgegnerin hier beachtet. Sie hat für die Gewährung von Krankengeld und die Berechnung der Höchstbezugsdauer den 15.06.2015 als Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit angesetzt. Denn die Unfallversicherung Bund und Bahn hat mit Bescheid vom 17.08.2016 ua mitgeteilt, dass die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 14.06.2015 (Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums) vorgelegen habe und demnach gem § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII der Anspruch auf Verletztengeld mit diesem Datum ende. Auch wenn die Antragstellerin gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hat, spricht anhand der tatsächlich vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen materiell viel dafür, dass die Einschätzung der Unfallversicherung richtig ist. Denn die ab dem Tag des Arbeitsunfalls am 18.05.2015 durchgängig festgestellte Arbeitsunfähigkeit basiert auf folgenden Diagnosen: M17.0 Primäre Gonarthrose, beidseitig; S06.0 Gehirnerschütterung; S20.2 Prellung des Thorax; S80.0 Prellung des Knie. Mit Ausnahme der Gonarthrose handelt es sich um Gesundheitsstörungen, die regelmäßig in kürzerer Zeit folgenlos ausheilen. Die Gonarthrose bestand jedoch bei der Antragstellerin bereits vor dem Arbeitsunfall. Sie war im Januar 2014 bereits ua deshalb 23 Tage arbeitsunfähig. Dieser Zeitraum ist demnach gem § 48 Abs 1 Satz 1 SGB V auch auf die Höchstbezugsdauer von Krankengeld anzurechnen. Bezüglich der Berechnung der Höchstbezugsdauer ist kein Fehler ersichtlich. Eine ausnahmsweise Verlängerung der Höchstbezugsdauer sieht das Gesetz nicht vor.

Ob gegebenenfalls dann die Höchstbezugsdauer noch nicht erschöpft ist und ein weiterer Anspruch auf Krankengeld besteht, wenn sich im Verfahren gegenüber der Unfallversicherung Bund und Bahn herausstellen sollte, dass über den 14.06.2015 hinaus Anspruch auf Verletztengeld bestanden hat, bleibt dem Hauptsacheverfahren (hier zunächst dem Widerspruchsverfahren) vorbehalten.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved