L 6 U 1099/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2056/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1099/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Grundurteil über "Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung" ist unzulässig.
2. Der Gesundheitserstschaden (hier Bandscheibenvorfall L5/S1) muss auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung im natürlichen Sinne (z. B. zeitlicher Ablauf, klinische Symptomatik, zeitnahe ärztliche Dokumentation, Weiterarbeit) durch die versicherte Einwirkung verursacht worden sein.
3. Die Wesentlichkeit des Unfalls für die eingetretene Unfallfolge ist erst auf der zweiten Stufe zu prüfen.
4. Ein biomechanisches Gutachten kann keinen abschließenden Beweis über die Ursächlichkeit einer Krafteinwirkung auf eine isolierte Bandscheibenverletzung erbringen.
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Februar 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in keiner Instanz zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit einem Bandscheibenvorfall (BS-Vorfall), zur Anerkennung von "Folgeschäden" und zur "Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung".

Die Klägerin ist 1958 geboren. Sie war zur Zeit des angeschuldigten Vorfalls als Leitende Krankengymnastin bei der V. von P. Hospital gGmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) angestellt und im Krankenhaus R. tätig. In dieser Eigenschaft war sie bei der beklagten gewerblichen Berufsgenossenschaft (Beklagte) gesetzlich unfallversichert.

Die Arbeitgeberin erstattete am 5. April 2011 eine Unfallanzeige wegen eines Vorfalls am 5. Januar 2011. Sie teilte mit, die Klägerin habe sich beim Transfer eines Patienten auf einer "Bo-bath-Liege" von der Rückenlage zum Sitzen "verhoben" und einen BS-Vorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) an den Segmenten L5/S1 erlitten. Sie habe vom 11. Januar bis zum 2. Februar 2011 nicht gearbeitet. Seit dem 4. April 2011 sei sie erneut arbeitsunfähig und zur stationären Behandlung in die neurologische Abteilung des Krankenhauses R. aufgenommen worden. Die Arbeitgeberin legte den Behandlungsbericht des Neurologen Dr. N. vom 17. März 2011 vor. Dieser führte aus, die Klägerin habe – eigenanamnestisch – schon vor drei bis vier Jahren Lumbalgien bekommen, als sie eine übergewichtige Patientin behandelt habe. Nunmehr habe sie am Tag nach dem Vorfall vom 5. Januar 2011 starke Schmerzen im linken Bein gehabt. Sie sei zunächst mit Schmerzmitteln und physiotherapeutisch behandelt worden. Jetzt – bei der Untersuchung am 16. März – sei die Rumpfbeugung kaum möglich, das Schober’sche Zeichen betrage 10:12 cm, der Lasègue links sei positiv bei 30°, der Achillessehnenreflex links abgeschwächt. Paresen lägen nicht vor. Eine Computertomografie (CT) der LWS am 16. März 2011 habe durchgängig eine normale knöcherne Situation und unauffällige BS-Ver¬hältnisse bei L2/3 bis L4/5 gezeigt. Im Segment L5/S1 bestehe dagegen ein ausgeprägter links mediolateral gelegener BS-Vorfall. Zu diagnostizieren sei ein sensibles Wurzelreizsyndrom S1 links bei dem genannten BS-Vorfall.

Die Beklagte forderte Dr. N. mit formlosem Schreiben vom 6. April 2011 auf, die Behandlung der Klägerin zu ihren – der Beklagten – Lasten einzustellen. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor

Mit Schreiben vom 9. März 2012, bei der Beklagten am 13. März 2012 eingegangen, rügte die Klägerin, dass der Vorfall noch nicht als Arbeitsunfall anerkannt sei. Sie habe einem etwa 90 bis 100 kg schweren Patienten mit Parkinson-Syndrom geholfen, sich vom Liegen ins Sitzen aufzurichten. Er sei unvorhergesehen zurückgefallen. Sie habe aus einer nach vorn gebeugten und nach links gedrehten Haltung im Reflex nachgegriffen. Direkt danach habe ein akutes BS-Syndrom eingesetzt. Die Klägerin legte ein Attest von Dr. N. vom 21. Februar 2012 vor, wonach er sie am 16. März 2011 ambulant und vom 4. bis 15. April 2011 stationär behandelt habe. Im weiteren Verlauf sei eine BS-Operation notwendig geworden. Es bestehe kein Zweifel an einem Ursachenzusammenhang zu der beruflichen Tätigkeit.

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin bei, in dem für 2006 bis 2011 nur internistische Diagnosen und für den 11. bis 21. Januar 2011 (attestiert durch den Hausarzt, Allgemeinmediziner Dr. K.) eine Arbeitsunfähigkeit wegen Ischialgie verzeichnet waren. Ferner gelangten die Entlassungsberichte der B.-Klinik Ü., Dr. E., vom 18. Mai und 19. Juli 2011 zur Akte. Hiernach war die Klägerin wegen eines mediolateralen BS-Vorfalls L5/S1 links stationär behandelt worden. Sie hatte dort angegeben, bereits drei bis vier Jahre zuvor nach einem Verhebetrauma akute Lumbalgien erlitten zu haben, die nach wenigen Tagen abgeklungen seien. Sie habe sich in der ersten Januarwoche 2011 bei einem Patienten verhoben und "den Tag darauf" starke Schmerzen im linken Bein verspürt. Die Operation habe nach der ersten Behandlung, am 6. Juni 2011, stattgefunden. Dabei sei eine mikrochirurgische Seques¬trek¬tomie und Nukleotomie über eine Laminotomie L5/S1 durchgeführt worden.

In dem Unfallfragebogen vom 13. Mai 2012 teilte die Klägerin ergänzend mit, die Behandlungsliege des Patienten sei etwa 42 cm hoch gewesen.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. H. das orthopädische Gutachten vom 26. Oktober 2012. Er diagnostizierte einen Zustand nach (Z.n.) operativer Entfernung eines BS-Vorfalls bei L5/S1 links wegen einer Lumboischialgie links, subjektiv mit anhaltenden ischialgieformen Schmerzen und Gefühlsstörungen vorwiegend im Dermatom L5. Die Beschwerden seien nach den jetzigen Angaben der Klägerin 30 min nach dem Vorfall aufgetreten, während sie bislang angegeben habe, sie seien erst am nächsten Tag entstanden. Die Ursache der starken Ischialgien sei zweifelsfrei der BS-Vorfall gewesen. Die BS sei bereits deutlich degenerativ verändert gewesen. Isolierte BS-Vorfälle hätten äußerst selten eine traumatische Ursache. Wenn die BS bei dem Halten des Patienten gerissen sei, was nicht bewiesen sei, so wäre dies nur als Anlassgeschehen zu werten. Angesichts der erst später aufgetretenen Schmerzen sei davon auszugehen, dass der Riss erst später aufgetreten sei. Die höhere Glaubwürdigkeit sei den zeitnahen ersten Bekundungen beizumessen. Es liege auch kein Hebe-, sondern eine Haltevorgang an einem grundsätzlich sitzenden Patienten vor. Die objektivierbaren Folgen des BS-Schadens lägen in jedem Falle – nur – bei einer MdE von 10 v.H.

Mit Bescheid vom 27. November 2012 stellte die Beklagte fest, das Ereignis vom 5. Januar 2011 sei kein Arbeitsunfall. In der Begründung führte sie aus, die Klägerin habe an jenem Tage einem Patienten geholfen, sich zum Sitzen aufzurichten, und, als der Patient plötzlich zurückgefallen sei, reflexartig nachgegriffen, um den Sturz zu verhindern. Jedoch liege ein Arbeitsunfall nicht vor, wenn ein Gesundheitsschaden nicht durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei. Bei der Klägerin sei der BS-Vorfall nach dem Gutachten auf bereits bestehende körperliche Veränderungen zurückzuführen. Der geschilderte Geschehensablauf sei nicht geeignet gewesen, die BS unter Stress zu setzen. Auch das Schadensbild, eine isolierte Schädigung der BS ohne Beteiligung des knöchernen und ligamentären Apparats, spreche gegen eine unfallbedingte Entstehung.

Im Vorverfahren trug die Klägerin vor, sie habe vor dem streitigen Vorfall niemals Beschwerden an der LWS gehabt und sei deswegen auch nie krankgeschrieben gewesen. Sie legte den Bericht von Dr. M. vom 27. Mai 2011 über eine kernspintomografische Untersuchung der LWS am Vortag (großer, mediolateral linksseitiger subligamentärer BS-Prolaps im Segment L5/S1 mit Duralschlauch- und vor allem linksseitiger S1-Nervenwurzelpelottierung, zusätzlich fortgeschrittene Osteochondrose mit geringer florider evosiver Komponente in diesem Segment und initialer Osteochondrose bei L4/5) vor.

Nachdem Prof. Dr. H. in der ergänzenden Stellungnahme vom 28. Februar 2011 seine Einschätzung verteidigt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2013 zurück und führte ergänzend aus, Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis beweise nichts, da eine Schadensanlage auch stumm sein könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 2. August 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, auch nach der Einschätzung Dr. N.s, der zu folgen sei, liege ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Halten des Patienten am 5. Januar 2011 und dem BS-Vorfall vor. Sie hat behauptet, sie habe nur einmal an einem Wochenende an Rückenschmerzen gelitten. Sie meint, deshalb könne nicht von einer Vorerkrankung gesprochen werden.

Das SG hat von Amts wegen das orthopädische Gutachten bei Dr. K. vom 25. September 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin handle es sich um ein Postdiskotomie-Syndrom nach operativ behandeltem BS-Vorfall und um ein chroni¬fi¬zier¬tes Schmerzsyndrom der LWS mit Lumboischialgie links bei bildgebendem (MRT) Nachweis von Narbengewebe in Höhe der Nervenwurzel S1 links sowie um eine ausgeprägte Osteochondrose L5/S1 und eine leichte Form in L4/5. Dr. K. hat gemeint, das zwar der Vorfall am 5. Januar 2011 das "scha¬densbringende Ereignis" gewesen sei, jedoch nicht den hier streitigen BS-Vorfall L5/S1 recht¬lich wesentlich verursacht habe. Es sei zwar nicht von einer vorbestehenden bandscheibenbedingten Erkrankung auszugehen, jedoch von einer klinisch stummen Veränderung im Sinne einer Schadensanlage. Zwar sei nach dem angeschuldigten Ereignis eine links betonte Lumboischialgie vorhanden gewesen. Es sei jedoch nicht statthaft, von dem zeitlichen Ablauf (Auftreten der Beschwerden nach dem Vorfall) auf einen Kausalzusammenhang zu schließen, nur der umgekehrte Ablauf schließe einen Zusammenhang aus. Das Abstützen des Patienten habe nur gering an dem BS-Vorfall mitgewirkt und keinen wesentlichen Beitrag geleistet. In der medizinischen Literatur werde – nicht einmal – ein (willentlich eingeleitetes, eigentätiges) schweres Heben als Ursache für plötzlich einsetzende Rückenschmerzen beschrieben, woran es hier fehle. Umgekehrt sei eine Chondrosis disci (degenerative BS-Ver¬än¬de¬rung), wie hier, sehr häufig der Grund für einen Hexenschuss. Geeignete Unfallereignisse seien – nur – Scher- und Rotationsbewegungen, Überbeugungen und Überstreckungen sowie Zugbelastungen, die mit einer plötzlichen Einwirkung ein¬hergingen. Auch würden begleitende, ggfs. nur minimale knöcherne oder Bandverletzungen gefordert, die hier nach den Ergebnissen der CT-Untersuchung am 16. März 2011 und der MRT-Untersuchung am 27. Mai 2011 fehlten. Nach einer Zusammenschau sprächen hier mehr Indizien gegen eine Verursachung als dafür.

Nach Eingang des Gutachtens übersandte die Klägerin Röntgenbilder vom 24. Oktober 2012 an den Sachverständigen. Hierzu hat Dr. K. am 16. Oktober 2013 ergänzend dargelegt, die Bilder passten zu dem Befund aus dem CT vom 26. März 2011, nämlich einer Osteochondrose L5/S1 und einer LWS-Fehlstatik.

Die Klägerin hat mit Eingang bei dem SG am 4. November 2013 Prof. Dr. K. als befangen abgelehnt, weil sich dieser bei der Untersuchung geweigert habe, die fraglichen Röntgenbilder bei Dr. H. anzufordern oder selbst neue Bilder zu erstellen. In der Sache hat sie unter anderem eingewandt, bei dem Ereignis sei es sehr wohl zu Scherbewegungen mit Überbeugung, Überstreckung sowie Zugbelastungen gekommen. Auch das Fehlen von Begleitverletzungen spreche entgegen der Ansicht des Sachverständigen nicht gegen einen Ursachenzusammenhang.

Dr. K. hat mit Schreiben vom 25. November 2013 zu dem Befangenheitsgesuch und in der Sache ergänzend Stellung genommen. Insbesondere hat er ausgeführt, es hätte seine Pflichten als Gerichtssachverständiger verletzt, wenn er selbst direkt neue Beweismittel bei Voruntersuchern angefordert hätte.

Am 15. Januar 2014 hat die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch auch darauf gestützt, der Sachverständige habe sich nicht auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt. Ferner hat sie die Frage in den Raum gestellt, ob ein "gewisses Näheverhältnis" zwischen Dr. K. und der Beklagten bestehe, das sich daraus ergebe, dass der Sachverständige die Ausführungen des Behördengutachters Dr. N. ungeprüft übernommen habe.

In der Folgezeit ist keine Entscheidung über das Befangenheitsgesuch ergangen. Vielmehr hat die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016 zurückgezogen.

Auf eine entsprechende Aufforderung durch das SG hat die Klägerin in dem Schriftsatz vom 16. Mai 2014 detaillierte Angaben zum Hergang gemacht: Sie habe an der (wohl aus ihrer Sicht) rechten Seite der Liege gestanden. Als der Patient plötzlich zurückgefallen sei, habe sie versucht, seinen Oberkörper mit beiden Armen zu umfassen. Sie habe sich dabei in einer nach vorn unten gebeugten und nach links gedrehten Körperhaltung befunden. Sie habe ihn so lange gehalten und nach vorn gezogen, bis er sich selbst wieder habe aufrichten können. Sofort habe sich ein heftiger stechender Rückenschmerz im Bereich der unteren LWS eingestellt. Sie sei nach diesem Ereignis nicht mehr in der Lage gewesen, weitere Patienten zu behandeln. Der Schmerz habe dann in den folgende Stunden zunehmend ins linke Bein ausgestrahlt und es seien Kribbelparästhesien an der Außenseite des Beins und am linken Fußaußenrand aufgetreten.

Nachdem die Beklagte mitgeteilt hat, dass ihr Präventionsdienst auf der Basis dieser Angaben keine Berechnungen zur Krafteinwirkung anstellen könne, hat die Klägerin angeregt, vor der notwendigen weiteren neuroorthopädischen Begutachtung ein biomechanisches Gutachten zu erheben. Das SG hat am 10. Dezember 2014 mit Begründung dazu ausgeführt, dass eine solche Begutachtung von Amts wegen nicht veranlasst sei.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG den Neurologen Dr. Sch. mit einer Begutachtung beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 17. August 2015 ausgeführt, bei ihr beständen ein Z.n. Operation des BS-Vorfalls mit rezidivierenden Lumbalgien und Lumboischialgien mit Postnukleotomie-Syndrom, anhaltender somatoformer Schmerzstörung und sensibler Radiokulopathie S1 mit leichtgradigen Funktionsstörungen. Die akute linksseitige Lumboischialgie sei mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 5. Januar 2011, einer plötzlichen Rotations-/Flexions- bzw. Scherbewegung, zurückzuführen, wobei allerdings auch andere wesentliche Bedingungen und Faktoren hätten zusammenkommen müssen, um zu der akuten Symptomatik zu führen. Der plötzlich durchgeführte Haltevorgang sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die alleinige, traumatische Ursache, da der BS-Prolaps nicht ohne vorbestehende degenerative Veränderungen erklärt werden könne. Diese anderen Umstände seien in ihrer Bedeutung und Tragweite für das Syndrom annähernd gleichwertig gewesen. Es werde der Situation wahrscheinlich nicht gerecht, nur von einer Gelegenheitsursache zu sprechen. Vielmehr komme beiden Umständen im Sinne eines multifunktionalen Konditionsgefüges annähernd gleichwertige Bedeutung zu, keinem von ihnen eine überragende. Im Folgenden ist der Sachverständige auf wissenschaftliche Aussagen eingegangen, wonach BS-Schäden kaum je ohne Begleitverletzungen aufträten und dass regelmäßig auch erhebliche Vorschäden vorliegen müssten. Dr. Sch. hat noch auf ein Knochenödem (bone bruise) bei der Klägerin hingewiesen, das mehr als ein Jahr nach dem Vorfall (2012) beschrieben worden sei und auf eine aktivierte Osteochondrose bei degenerativem Umbau hindeute. Insgesamt schließe er sich der Einschätzung von Dr. N. und Dr. K. an, dass das Ereignis keine überragende Bedeutung habe. Anders als jene Gutachter ging er sei jedoch von einer Gleichwertigkeit aus.

Die Beklagte ist dem Gutachten von Dr. Sch. entgegengetreten. Sie hat die fachärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 26. September 2015 vorgelegt, wonach – weitergehend als es Dr. Sch. angenommen habe – bereits die Verursachung des BS-Vorfalls durch das Ereignis auszuschließen sei, vor allem wegen ungeeigneten Hergangs.

Die Klägerin hat das Gutachten von Dr. Sch. im Wesentlichen verteidigt und ergänzend ausgeführt, das 2012 diagnostizierte Knochenödem sei als Begleitverletzung und daher als weiteres Indiz für einen Ursachenzusammenhang zu werten. Sie hat ferner – gestützt auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg (L 10 U 3840/10) – ausgeführt, es dürfe nicht gefordert werden, dass ein traumatischer BS-Vorfall mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe.

Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 10. Februar 2016 hat das SG auf die entsprechenden Anträge der Klägerin hin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2013 verurteilt, den "Vorfall vom 5. Januar 2011 als Arbeitsunfall mit der Folge eines Bandscheibenschadens im Segment L5/S1 mit Folgeschäden" anzuerkennen sowie "die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren".

In der Hauptsache hat das SG ausgeführt, es stütze sich bei seiner Entscheidung auf das Gutachten von Dr. Sch. und den Bericht des Dr. N., während die Gutachten von Dr. K. und Prof. Dr. H. nicht überzeugt hätten. Der Hergang, wie ihn die Klägerin zuletzt detailliert geschildert habe, sei geeignet gewesen, einen isolierten BS-Schaden zu verursachen. Wie Dr. Sch. ausgeführt habe, habe eine plötzliche Rotations-/Flexions- bzw. Scherbewegung vorgelegen, die zu einem unkontrollierten Verdrehen der Wirbelsäule geführt habe. Vergleichsweise sei in der medizinischen Literatur ein Beinahesturz mit schwerer Last grundsätzlich als geeigneter Schädigungsmechanismus anerkannt. Es sei nachgewiesenermaßen ein BS-Vorfall bei dem Vorfall eingetreten. Die Klägerin habe zuletzt glaubhaft angegeben, sofort Schmerzen an der LWS verspürt zu haben und nicht weitergearbeitet zu haben. Der weitere Beschwerdeverlauf mit Erstbehandlung durch den Hausarzt (wohl Dr. K.) und Krankschreibung ab dem 11. Januar 2011 sei nachvollziehbar geschildert worden. Die Klägerin habe bei Prof. Dr. H. angegeben, Schmerzen nach 30 min verspürt zu haben. Nach dem Bericht von Dr. N. vom 17. März 2011 seien die Schmerzen erst Tags darauf im Bein aufgetreten. Das SG hat – jedoch – die spätere Schilderung der Klägerin u.a. bei Dr. K. und Dr. Sch. für glaubhaft gehalten. Zur Frage der wesentlichen Ursache hat es ausgeführt, auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch niedriger zu bewertende Ursache könne rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung habe. Vorbestehende Schädigungen seien – nur – dann als wesentliche Ursache einzustufen, wenn die Krankheitslage so stark oder leicht ansprechbar sei, dass die Auslösung der akuten Erscheinung keines besonderen, in seiner Art unersetzbaren äußeren Ereignisses bedürfe, sondern jedes andere alltägliche Ereignis zu der selben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Vor diesem Hintergrund sei Dr. Sch. darin zu folgen, dass dem Unfall neben der vorbestehenden degenerativen Veränderung rechtlich wesentliche Bedeutung zukomme. Vor dem Unfall hätten keine Beschwerden vorgelegen, lediglich kurzfristige Rückenschmerzen drei Jahre zuvor. Zwar seien keine knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen aufgetreten, aber dies schließe eine traumatische – isolierte – BS-Verletzung nicht völlig aus.

Zu dem entsprechenden Hilfsantrag der Klägerin hat das SG ausgeführt, ein biomechanisches Gutachtens müsse nicht erhoben werden, weil die einzelnen Umstände des Hergangs nicht mehr aufzuklären seien und eine ausführliche Beschreibung des Unfallhergangs vorliege.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 7. März 2016 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 21. März 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Sie trägt vor, selbst nach der Einschätzung von Dr. Sch., der im Gegensatz zu den anderen Gutachtern von zwei annähernd gleichwertigen Wirkursachen ausgehe, komme nicht dem "Verheben" die überragende Bedeutung zu. Im Übrigen sei Dr. Sch. neurologisch tätig, während die orthopädischen Gutachter Prof. Dr. H. und Dr. K. den Vorschaden in den Vordergrund gestellt hätten. Das SG habe sich allein mit der Ansprechbarkeit der Vorschädigung befasst, dabei aber verkannt, dass auf der ersten Stufe des Ursachenzusammenhangs feststehen müsse, dass das Verheben überhaupt einen geeigneten Mechanismus darstelle. Zu diesen Punkten, insbesondere zur Eignung des von der Klägerin geschilderten Hergangs, hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. T. vom 22. März 2016 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Februar 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, ein biomechanisches Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass das Unfallereignis den Bandscheibenvorfall verursacht hat.

Auf einen Hinweis des Senats, dass der bislang gestellte und auch austenorierte Leistungsantrag der Klägerin zu unbestimmt sein dürfte, hat sie mitgeteilt, es gehe ihr um Heilbehandlung bzw. Heilbehandlungskosten für die Zukunft sowie um die Erstattung in der Vergangenheit angefallener Fahrtkosten und Eigenbeteiligungen (Schriftsatz vom 19. August 2016).

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und der weiteren Feststellungen aus dem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Beklagte nicht - nur - zur Leistungsgewährung, sondern in erster Linie zu Feststellungen verurteilt worden ist. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.

Die Berufung ist auch begründet. Anders als das SG kommt der Senat zu der Ansicht, dass die Anträge der Klägerin abzuweisen sind.

Zunächst sind die Gesuche auf Anerkennung von "Folgeschäden" und auf Gewährung von Leistungen bereits unzulässig.

Der Leistungsantrag der Klägerin, dem das SG stattgegeben hat, ist zu unbestimmt (§ 92 Abs. 1 Satz 3 SGG). Insoweit begehrt die Klägerin ein Grundurteil (§ 130 Abs. 1 SGG) über Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach §§ 26 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Ein solcher Klageantrag ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 35/03 R, juris, Rz. 12) unzulässig. Denn einem Grundurteil (§ 130 Abs. 1 SGG) sind nur die in Betracht kommenden Geldleistungen zugänglich, während z.B. eine Heilbehandlung, da es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung der Beklagten handelt, mit einem Verpflichtungsantrag (Bescheidungsklage) begehrt werden muss (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2015 – L 8 U 1345/14 –, juris, Rz. 37, vgl. auch Urteil des Senats vom 20. Oktober 2016 - L 6 U 1763/14 -, juris, Rz. 44). Sofern - wie hier - noch die Anerkennung eines Arbeitsunfalls in Streit steht, ist ein Leistungsantrag ohnehin in aller Regel nicht notwendig. Für einen Versicherten reicht es aus, zunächst die Feststellung des Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) und darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen zu begehren und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente zu beantragen (Urteil des Senats vom 24. November 2011 – L 6 U 5773/09 –, juris, Rz. 27; vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 17/14 R-, SozR 4-1500 § 54 Nr. 41, Rz. 13).

Das Gleiche gilt, soweit die Klägerin über die Anerkennung des Arbeitsunfalls, einschließlich des BS-Vorfalls als Gesundheitserstschaden die Feststellung weiterer, nicht näher benannter "Folgeschäden" geltend macht. Auch dieses Begehren ist zu unbestimmt. Außerdem waren Gesundheitsfolgeschäden nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens; der BS-Vorfall wurde nur im Rahmen der Prüfung des Versicherungsfalls als Gesundheitserstschaden diskutiert.

Nur soweit die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Feststellung eines Arbeitsunfalls zu verpflichten, ist ihre Klage zulässig.

Insbesondere kann die Klägerin eine Verurteilung zu einer behördlichen Feststellung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 SGG begehren. Auch für einen solchen Antrag besteht ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Ein Versicherter ist nicht auf eine gerichtliche Feststellung nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nrn. 1 und 2 SGG beschränkt. Er kann zwischen beiden Klagearten wählen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1; Beschluss des Senats vom 17. Februar 2016 – L 6 U 4089/15 –, juris, Rz. 28). Einer solchen Verpflichtungsklage auf eine behördliche Feststellung liegt auch eine ausreichende Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zu Grunde (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R -, juris, Rz. 9), weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 SGB VII (i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) eine Anspruchsgrundlage für derartige Feststellungen der Versicherungsträger bereithält (Urteil des Senats vom 17. März 2016 – L 6 U 4796/13 –, juris, Rz. 29).

Hinsichtlich der Feststellung eines Arbeitsunfalls mit einem Gesundheitserstschaden liegt auch ein angreifbarer Verwaltungsakt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) vor, ferner war sie Gegenstand des nach § 78 Abs. 1 SGG notwendigen Vorverfahrens.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung zu, dass das Ereignis am 5. Januar 2011 ein Arbeitsunfall ist, weil es nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass der geltend gemachte BS-Vorfall rechtlich wesentlich auf diesen Vorfall zurückzuführen ist und weil andere Beeinträchtigungen, die als Gesundheitserstschaden angesehen werden könnten, nicht vorliegen.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Dabei müssen die versicherte Verrichtung zur Zeit des Unfalls, das Unfallereignis selbst sowie der Gesundheitserstschaden im Überzeugungsgrad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Für die Nachweise der Ursachenzusammenhänge zwischen Verrichtung und Unfallereignis sowie zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden gilt der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit; die bloße Möglichkeit genügt nicht (vgl. Urteil des Senats vom 21. Mai 2015 – L 6 U 1053/15 –, juris, Rz. 27).

Der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund von Spezialvorschriften wie § 11 Abs. 1 SGB VII zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Der Gesundheitserstschaden setzt keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. "blauer Fleck") sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Maßgebend ist aber eine substantielle somatische oder psychische Verletzung im Sinne einer Regelwidrigkeit, die einen pathologischen Zustand herbeiführt, was nicht gleichzusetzen ist mit regelhaft ablaufenden physiologisch-biologischen belastenden körperlich oder seelischen Prozessen. Aufgetretene Schmerzen allein rechtfertigen daher nach Meinung des Senats die Anerkennung eines Arbeitsunfalles noch nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2016 – L 8 U 977/15 –, juris, Rz. 28).

Der Senat lässt offen, ob am 5. Januar 2011 der geltend gemachte Vorfall, der ein von außen auf den Körper der Klägerin einwirkendes Ereignis und damit ein Unfall wäre, stattgefunden hat.

Nach Ansicht des Senats bestehen Zweifel, dass dieser Vorfall mit dem gebotenen Grade im Vollbeweis gesichert ist. Zeitnahe beweiskräftige Feststellungen wurden nicht getroffen, worauf schon Prof. Dr. H. zutreffend hingewiesen hat. Die Arbeitgeberin hat erst drei Monate später Unfallanzeige erstattet und dabei mitgeteilt, die Angaben beruhten allein auf den Aussagen der Klägerin. Ein Vorfall am 5. Januar 2011 wurde weder von der Arbeitgeberin noch durch einen Arzt zeitnah dokumentiert. Zwar hat der Hausarzt die Klägerin ab dem 11. Januar 2011 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Aber er hat keine Unfallmeldung und keinen D-Arzt-Bericht erstattet, obwohl davon auszugehen ist, dass die Klägerin ihm gegenüber mitgeteilt hätte, dass der Vorfall plötzlich nach einer beruflichen Verrichtung aufgetreten war. Ferner hat Dr. K. als Diagnose "Ischialgie" (M54.3 nach der ICD-10 GM 2016) angegeben, aber keinen BS-Schaden (M51.1, M51.2). Zeugen für den beschriebenen Vorfall sind anscheinend nicht vorhanden.

Auch auf rechtlicher Ebene ist der Vorfall selbst zwischen den Beteiligten nicht bindend (§ 77 SGG) festgestellt. Die Beklagte hat mit dem angegriffenen Bescheid vom 27. November 2012 die Feststellung eines Arbeitsunfalls insgesamt abgelehnt. Wenn sie im Weiteren ausgeführt hat, der Vorfall am 5. Januar 2011 habe in der beschriebenen Weise stattgefunden, dann ist dies nur ein Teil der Begründung des Bescheids, die selbst keine Bindungswirkung entfaltet. Bereits der Arbeitsunfall insgesamt ist nur Element für etwaige Leitungsansprüche gegen die Beklagte. Eine Elementenfeststellung ist nur in den in § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 SGG genannten Ausnahmen zulässig. Die Feststellung eines Teils eines solchen Elements - hier des Vorfalls selbst - in einem Bescheid hätte daher in jedem Falle keine Bindungswirkung.

Bewiesen ist dagegen der von der Klägerin als Erstschaden geltend gemachte BS-Vorfall bei dem Wirbelsäulensegment L5/S1. Dieser Gesundheitsschaden wurde erstmals - klinisch und durch ein CT bildgebend - bei der Untersuchung am 16. März 2011 bei Dr. N. diagnostiziert und durch das MRT bei Dr. M. am 26. Mai 2011 bestätigt.

Es ist jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass dieser Gesundheitsschaden die wesentliche Ursache in dem angeschuldigten Vorfall am 5. Januar 2011 hat. Anders als das SG kommt der Senat nach einer umfassenden Würdigung der Ergebnisse der Verhandlung und der Beweisaufnahme (vgl. § 128 Abs. 1 SGG) zu der Einschätzung, dass nicht mehr Umstände für einen solchen Zusammenhang sprechen als dagegen.

Bei der Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zunächst geht es ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war. Hierbei geht es um die Verursachung im natürlichen Sinne. Erst wenn feststeht, dass der Erstschaden - auch - durch die versicherte Verrichtung (mit)bewirkt worden ist, ist im Rahmen einer wertenden Entscheidung festzustellen, ob er - auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen - als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten ist. Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Frage, ob die Mitverursachung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-) Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden. Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R -, juris Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, juris, Rz. 37; vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 – L 6 U 124/14 –, juris, Rz. 43).

Hinzuweisen ist noch darauf, dass die Umstände bzw. Indizien, die in die Wahrscheinlichkeitsbewertung eingestellt werden, im Vollbeweis gesichert sein müssen. Sofern im Bereich eines der üblicherweise herangezogenen Indizien nicht feststeht, ob es vorliegt oder nicht, fällt dieses Indiz aus. Es verbleibt - insoweit - ein nullum bzw. non liquet (Urteil des Senats vom 17. März 2016 – L 6 U 4796/13 –, juris, Rz. 44). Zum Beispiel führt das Fehlen eines Umstandes, der für einen Ursachenzusammenhang spräche, nicht zu einem Contra-Indiz. Bei der Entscheidung über den Zusammenhang sind nur jene Umstände zu berücksichtigen, die feststehen. Diese Umstände sind, auch schon auf der erste Stufe der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, zu gewichten, weil mache Indizien eine stärkere Wirkung in die eine oder andere Richtung haben als andere. Wenn dann am Ende die Indizien, die für einen Ursachenzusammenhang sprechen, jene dagegen nicht überwiegen, geht dies nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten. Ein Ursachenzusammenhang ist nur dann wahrscheinlich, wenn mehr - gewichtete - Umstände für ihn sprechen als dagegen.

Der Senat sieht ein solches Überwiegen von Indizien für einen Ursachenzusammenhang schon auf der ersten Ebene der Prüfung nicht. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Vorfall am 5. Januar 2011, wenn er so stattgefunden hat wie ihn die Klägerin schildert, den am 16. März 2011 diagnostizierten BS-Vorfall im natürlichen Sinne verursacht hat.

Hiergegen spricht nach Ansicht des Senats bereits der zeitliche Ablauf. Der BS-Vorfall wurde, wie ausgeführt, erst am 16. März 2011 diagnostiziert. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein isolierter BS-Vorfall, insbesondere wenn nicht zugleich zumindest minimale knöcherne oder ligamentäre Verletzungen vorliegen, nur angenommen werden kann, wenn unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis eine entsprechende klinische Symptomatik vorliegt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2015 – L 10 U 221/13 ZVW –, juris, Rz. 22). Hierbei handelt es sich um eine medizinisch geprägte Tatsache, die in aller Regel nur durch die Angaben eines Arztes als sachverständigen Zeugen (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 414 Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere durch eine zeitnahe ärztliche Dokumentation (§ 418 Abs. 1 ZPO), gesichert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1967 – 11 RA 152/67 –, juris, Rz. 14; im Einzelnen auch Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 – L 6 VH 4633/14 –, juris, Rz. 48). Für einen BS-Vorfall mit Tangierung einer Nervenwurzel sind hierbei unmittelbar nach dem Vorfall erhebliche, reißende und ziehende Schmerzen zu fordern. Eine Weiterarbeit nach dem Unfallereignis oder das Unterlassen einer unfallnahen Inanspruchnahme medizinischer Hilfe sprechen hierbei gegen eine solche Verletzung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 461). Die Klägerin hat jedoch nach dem Vorfall - auch noch nach ihren zuletzt gemachten Angaben - am 5. Januar weitergearbeitet, wenn auch womöglich ohne weitere Behandlung von Patienten. Außerdem war sie auch nach dem Feiertag, am 7. Januar 2011, bei der Arbeit. Erst am 10 bzw. wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat 11. Januar 2011 hat Dr. K. sie krankgeschrieben, allerdings nur mit der allgemeinen Diagnose "Ischialgie", aus der sich nicht ergibt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits der später festgestellte BS-Vorfall vorlag. Eine Entstehung zeitnah zu dem angeschuldigten Vorfall am 5. Januar 2011, die ein Indiz für einen Ursachenzusammenhang wäre, kann der Senat vor diesem Hintergrund nicht als im Vollbeweis gesichert annehmen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben der Klägerin. Anfangs, während der stationären Behandlung in Ü., hatte sie noch angegeben, die Schmerzen seien - erst - am nächsten Tag entstanden. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. H. teilte sie dann mit, der Abstand habe etwa 30 min betragen. Auf diese Diskrepanz hatte schon Prof. Dr. H. hingewiesen. Erst im weiteren Verlauf, während des Verfahrens vor dem SG und insbesondere bei der Begutachtung durch Dr. Sch., hat sie dann bekundet, die Schmerzen hätten sofort eingesetzt und sie habe daher an jenem Tage nicht mehr mit Patienten arbeiten können. Weder nach dem SGG noch nach der ZPO gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (Urteil des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144; Urteil des Senats vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34). Gerade bei der Feststellung medizinisch relevanter Symptome misst der Senat in ständiger Rechtsprechung den frühen Angaben eines Verletzten oder Geschädigten auch deswegen einen hohen Beweiswert zu, weil es dem Betroffenen um eine richtige ärztliche Behandlung geht (Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VG 4400/15 -, juris, Rz. 50). Wenn aber, den anfänglichen Angaben der Klägerin folgend, die Schmerzen erst am nächsten Tag aufgetreten sind, so spricht dies nach den bereits genannten medizinischen Erfahrungssätzen nicht für eine Entstehung des BS-Vorfalls bei dem angeschuldigten Vorfall. Dies gilt auch, wenn vorgeschädigte Bandscheiben betroffen sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 460).

Gegen eine Entstehung bei dem angeschuldigten Vorfall sprechen nach Ansicht des Senats auch der geschilderte Ablauf und das Schadensbild. Es erscheint nicht gesichert, dass der Hergang geeignet war, einen isolierten BS-Schaden ohne knöcherne oder ligamentäre Begleitverletzungen, wie er bei der Klägerin vorlag, zu verursachen.

Hinsichtlich beider Indizien folgt der Senat nicht dem Einwand der Klägerin, die entsprechenden medizinischen Erfahrungssätze könnten hier nicht angewandt werden, weil sie unzulässigerweise die beiden Stufen der Kausalitätsprüfung vermengten, indem sie allein von einem gesunden Versicherten ausgingen, während aber nach den unfallversicherungsrechtlichen Wertungen ein Versicherter mit seinem tatsächlichen Gesundheitszustand zu bewerten sei und daher die Fragen nach der Eignung des Hergangs im konkreten Fall und nach der Mitverursachung durch vorbestehende Erkrankungen erst auf zweiter Ebene des Ursachenzusammenhangs zu klären seien. Diese Ansicht hat auch das LSG Baden-Württemberg in dem von der Klägerin genannten Urteil vom 22. Dezember 2010 (L 10 U 3840/10, juris, Rz. 30 ff.) vertreten. Dieses Urteil ist jedoch vom BSG aufgehoben worden, weil das LSG von den bekannten medizinischen Erfahrungssätzen abgewichen war, ohne dies ausreichend zu begründen (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, juris, Rz. 74). Das LSG hat sodann in dem wieder eröffneten Verfahren festgestellt, dass isolierte BS-Vorfälle ohne jegliche knöcherne oder ligamentäre Bandverletzungen allenfalls dann vorkommen können, wenn unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis eine entsprechende klinische Symptomatik vorliegt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2015 – L 10 U 221/13 ZVW –, juris, Rz. 22).

Vor diesem Hintergrund hat auch die jüngste medizinische Literatur an dem bislang bekannten Erfahrungssatz festgehalten und sogar noch deutlicher als bislang herausgearbeitet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 461), dass es keine vorstellbare äußere Krafteinwirkung gibt, die eine BS im Bereich der LWS isoliert schädigen könnte, und dass es konkret bei Überstreckungen, Überbeugungen, Rotationen oder Kombinationsbewegungen dieser Art erst dann zu einer Schädigung der BS im Bereich kommen kann, wenn die ligamentären Strukturen oder die Wirbelgelenke beseitigt worden sind. Dieser Erfahrungssatz ist wissenschaftlich abgesichert. Er beruht darauf, dass segmentale Scher-, Torsions- und Kippbewegungen durch Bandapparat und Gelenke auf etwa die Hälfte des möglichen Bewegungsumfangs einer Bandscheibe beschränkt werden, sodass, bevor die Bandscheibe geschädigt wird, erst die Begrenzung dieser limitierenden Strukturen überwunden werden muss, was nicht ohne Begleitverletzung möglich ist. Dies wurde auch experimentell nachgewiesen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 460).

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungssätze war der Unfallhergang nicht geeignet, bei der Klägerin einen isolierten BS-Vorfall zu verursachen.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Gutachten von Prof. Dr. H ... Dieser hat als notwendige Krafteinwirkungen - im Einklang mit der medizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬lentin, a.a.O., S. 460 f.) - eine hohe axial einwirkende Kraft wie bei einem Sturz aus großer Höhe auf Beine oder Gesäß, eine starke Überstreckung oder Überbeugung bzw. Zugbelastung (Distraktion) beschrieben. Bei der Klägerin kommt eine Bewegung mit Scher- oder Rotationswirkung, mit einer Überbeugung oder einer Überstreckung sowie eine Zugbelastung (Distraktion) in Frage. Eine axiale Stauchung ist beim Halten eines zurückfallenden Patienten im vorgebeugten Stehen, wie es die Klägerin geschildert hat, nicht vorstellbar. Im Einzelnen ist bei ihr allenfalls von einer Überbeugung auszugehen. Ferner kann es sein, dass ihre Wirbelsäule leicht verdreht war, weil sie neben der Liege stand, also vertikal oder horizontal zum Liegenrand. Insofern wäre von einer Kombinationsbewegung aus Beugung und Rotation auszugehen. Aber eine plötzliche Überbeugung über das physiologisch vertretbare Maß wäre nur dann denkbar, wenn der zurückfallende Patient die Klägerin weiter mitgerissen hätte. Dann aber hätte der Patient vollständig zurückfallen müssen. Davon ist nichts berichtet. Wenn aber die Klägerin den Patienten hat festhalten können, wurde ihre Wirbelsäule nicht weiter gebeugt als sie es beim Vorbeugen aktiv selbst getan hat. Für diese Einschätzung eines nicht geeigneten Hergangs spricht auch die medizinische Lehrmeinung, dass es bei einem willentlich eingeleiteten, eigentätigen Heben - das dem hier geschilderten Vorfall sehr ähnlich ist - keinen geeigneten Unfallmechanismus gibt (Schönberger/Mehrtens/Va¬len¬tin, a.a.O., S. 463 f.). Auf diese Punkte hat auch Prof. Dr. H. hingewiesen. Er hat ausgeführt, es sei - vor allem wegen der erst später aufgetretenen Schmerzen davon auszugehen, dass die Bandscheibe erst später zerrissen ist. Entsprechend hat er in seinem Gutachten die Frage der Zurechnung als wesentlicher Ursache neben Mitursachen nur hilfsweise behandelt, aber daran festgehalten, dass schon die Entstehung bei dem Vorfall "nicht bewiesen" ist (S. 14 Gutachten).

Gegen diese Einschätzung von Prof. Dr. H. sprechen auch nicht die Ausführungen der anderen Sachverständigen. Dr. K. hat seine - im Ergebnis mit Prof. Dr. H. übereinstimmende - Einschätzung, es liege kein Ursachenzusammenhang vor, zwar im Wesentlichen auf die zweite Ebene der Prüfung gestützt, weil er angenommen hat, die degenerativen Vorschäden bei der Klägerin hätten den wesentlichen Ursachenanteil gesetzt. Aber er hat auf die Einwände der Klägerin in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. November 2013 (S. 6) auch darauf hingewiesen, dass, wie bereits Prof. Dr. H. ausgeführt habe, der Ablauf "biomechanisch" nicht geeignet gewesen ist. Den Ausführungen von Dr. Sch., es sei ein Ursachenzusammenhang anzunehmen, kann der Senat dagegen nicht folgen. Dieses Gutachten erscheint weniger überzeugend als die anderen. So geht Dr. Sch. allein von den neuen Angaben der Klägerin aus (S. 18), sie habe sofort einen stechenden Schmerz erlitten, die aber - wie ausgeführt - nicht zu Grunde gelegt werden können. Auch legt Dr. Sch. eine "Rotations-, Flexions- und Scherbewegung" zu Grunde, ohne diese genauer zu spezifizieren. Hinzu kommt, dass auch Dr. Sch. die "Biomechanik" des Hergangs nur deshalb für (mit)ursächlich hält, weil eine Vorschädigung vorgelegen habe (S. 32).

Dass bei der Klägerin keine knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorlagen, haben die gehörten Gutachter übereinstimmend bekundet.

Da nach Ansicht des Senats bereits auf der ersten Ebene kein natürlicher Ursachenzusammenhang bestand, ist nur darauf hinzuweisen, dass auch auf der zweiten Ebene der Prüfung das Trauma am 5. Januar 2011 nicht als wesentliche Ursache des BS-Vorfalls eingestuft werden kann. In dieser Bewertung liegen alle drei Gutachter nahe beieinander. Prof. Dr. H., Dr. K. und auch Dr. Sch. haben auf die radiologisch nachgewiesenen erheblichen degenerativen Vorschäden hingewiesen, die ebenfalls eine Ursache für den Riss der Bandscheibe gewesen seien. Bei der wertenden Gewichtung dieses Ursachenbeitrags gegenüber der - angenommenen - Entstehung bei dem Halten des Patienten haben die beiden ersten Gutachter ein Überwiegen der degenerativen Schäden angenommen. Dem folgt auch der Senat, vor allem unter Hinweis auf den Unfallhergang, bei dem keine überaus starken Kräfte auf die Wirbelsäule eingewirkt haben. Auch der Wahlgutachter Dr. Sch. ist in seinem Gutachten nicht zu dem Ergebnis gelangt, die mögliche traumatische Einwirkung übersteige den Ursachenbeitrag der Vorschäden. Er hat nur dargelegt, beide Ursachenbeiträge seien "annähernd gleichwertig". In diesem Falle aber folgt der Senat nicht der Einschätzung des SG, dass gleichwohl das Trauma als wesentliche Ursache einzustufen ist. Zwar hat das BSG in dem auch vom SG zitierten Urteil vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R –, juris, Rz. 15) ausgeführt, dass eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache für den Erfolg rechtlich wesentlich sein kann, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat oder haben. Gerade auch im Hinblick auf Situationen mit mehreren, annähernd gleichwertigen Ursachenbeiträgen hat das BSG allerdings darauf hingewiesen, dass in jedem Fall gesichert sein muss, dass das angeschuldigte - konkrete - Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (a.a.O., Rz. 17) und dass auch ein gravierendes, nicht alltägliches Unfallgeschehen eine "Gelegenheitsursache" sein kann, die in der Abwägung mit den anderen Ursachenbeiträgen zurücktritt (a.a.O., Rz. 15). Vor diesem Hintergrund stuft der Senat die - von allen Gutachtern festgestellten - erhebliche Osteochondrose an dem betroffenen Segment L5/S1, die vorbestehend war, als wesentliche Ursache ein. Denn die Bandscheibe L5/S1 war im Frühjahr 2011 bildgebend so deutlich höhen- und signalgemindert, dass sich dieser Prozess nicht erst in der kurzen Zeit ab Januar 2011 entwickeln konnte. Insoweit ist es rechtlich nicht relevant, dass der Vorschaden als Schadensanlage stumm war, d. h. die Klägerin bis auf eine kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit vor einigen Jahren keine Einschränkungen aufgewiesen hatte, insbesondere ihrer schweren Tätigkeit nachgehen konnte. Ferner ist es für das vorliegende Verfahren, das allein einen angeschuldigten Arbeitsunfall betrifft, nicht erheblich, ob die Schädigungen an der BS L5/S1 der Klägerin womöglich auf eine Berufskrankheit hindeuten.

Der Senat hat, wie geschehen, in der Sache entschieden, ohne von Amts wegen ein biomechanisches Gutachten einzuholen. Der diesbezügliche Hilfsbeweisantrag der Klägerin ist abzulehnen, was - im Gegensatz zu § 86 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) - auch erst im Urteil geschehen kann (BSG, Beschluss vom 6. März 2003 – B 11 AL 129/02 B –, juris, Rz. 13; Urteil des Senats vom 26. Juni 2014 – L 6 VU 2236/13 ZVW –, juris, Rz. 123). Der Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn das benannte Beweismittel ungeeignet und untauglich ist, die unter Beweis gestellte Tatsache zu beweisen oder wenn es auf die behauptete Tatsache nicht ankommt (Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 6 VG 1927/15 –, juris Rz. 62; vgl. auch Leitherer, in: Meyer-Lade¬wig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103 Rz. 8 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Ein biomechanisches Gutachten kann keinen abschließenden Beweis über die Ursächlichkeit erbringen. Selbst die naturwissenschaftliche Kausalität, also die erste Ebene des Ursachenzusammenhangs, lässt sich nicht allein damit feststellen; hinzu kommt, dass die Ursächlichkeit im Rechtssinne - wie ausgeführt - zumindest auf der zweiten Ebene auch wertende Elemente umfasst, sodass sie einem Beweis gar nicht zugänglich ist. Und sofern die Klägerin gemeint hat, es solle bewiesen werden, dass bei dem Unfallereignis Kräfte in bestimmtem Ausmaß auf ihre LWS eingewirkt haben, so würde dies ebenfalls nicht reichen. Denn dadurch wäre nicht einmal erschüttert, dass nach wissenschaftlicher medizinischer Erfahrung keine Krafteinwirkung geeignet ist, eine isolierte BS-Verletzung zu verursachen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved