L 4 KR 2632/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3584/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2632/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung von In-Vitro-Fertilisations (IVF)-Behandlungszyklen mit präimplantativer genetischer Diagnostik (Präimplantationsdiagnostik - PID).

Die 1982 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Beschäftigte gesetzlich krankenversichert. Ihr Ehemann (im Folgenden: W.K.) leidet an einem Gendefekt auf dem Chromosom 19. Dieser verursacht bei ihm eine vererbliche zerebrovaskuläre, mikroangiopathische Krankheit, die schon dann zum Ausbruch kommen kann, wenn nur ein Allel den Defekt aufweist (zerebrale autosomal dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukoenzephalopathie (CADASIL)). Die Krankheit weist schwere Verläufe, insbesondere neuropsychologische Auffälligkeiten bis hin zur Demenz bei großer Variabilität der Ausprägung einzelner Symptome auf. W.K. leidet an keiner Fertilitätsstörung. Er und die Klägerin wollen bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches vermeiden, dass das gemeinsame Kind Träger des CADASIL-Gendefekts wird. Deswegen entschlossen sie sich, mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) befruchtete, vom Gendefekt betroffene Eizellen vom Embryonentransfer durch die PID auszuschließen.

Urologe Dr. S. fertigte am 28. Juni 2011 ein Spermiogramm des W.K an. Am 29. Juni 2011 führten die Gynäkologen Dr. P.-K., T. und Dr. S. Beratungsgespräche mit der Klägerin und W.K. durch, am 30. August 2011 wurde bei der Klägerin und am 19. September 2011 bei W.K. eine Infektionsdiagnostik durchgeführt. Außerdem wurde die Klägerin am 8. September 2011 von Dr. P.-K., T. und Dr. S. voruntersucht. Diese Untersuchungen fanden jeweils in Deutschland statt. Insgesamt wurde der Klägerin und W.K. hierfür ein Betrag in Höhe von EUR 478,96 in Rechnung gestellt.

Unter dem 14. September 2011 beantragten die Klägerin und W.K. bei der Beklagten - und am 21. September 2011 bei der Krankenkasse des W.K. - die Übernahme der Kosten für eine künstliche Befruchtung. Sie begehrten einen Zuschuss zur PID, zumindest in der Höhe, die der üblichen Kostenübernahme bei einer künstlichen Befruchtung entspricht. Zur Begründung trugen sie vor, dass diese Behandlung für sie die einzige Möglichkeit sei, ihrem Kind und auch ihnen unnötiges Leid und eine immense psychische Belastung zu ersparen. Da die PID in Deutschland seit dem 7. Juli 2011 zwar zulässig, auf nicht absehbare Zeit aber technisch noch nicht möglich sei, seien sie darauf angewiesen, die Behandlung im Ausland durchführen zu lassen. Nach einer umfassenden Beratung, die auch die medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der PID mit eingeschlossen habe, sei ihnen von ihren Ärzten geraten worden, sich an das "Centrum voor Reproductieve Geneeskunde" der Universitätsklinik B. zu wenden, da dieses über die nötigen technischen Mittel und die nötige praktische Erfahrung verfüge. Sie fügten die ärztliche Bescheinigung des Internisten, Diabetologen und Kardiologen Dr. P. vom 14. September 2011, eine Kostenaufstellung für Selbstzahler für eine IVF des Kinderwunschzentrums H. ohne Datum und einen Kostenvoranschlag des Prof. Dr. L. und Dr. V., Belgien, Version 12/2010 bei.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2011 lehnte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben eine Kostenübernahme unter Hinweis auf die aktuelle Gesetzeslage ab. Dagegen legten die Klägerin und W.K. Widerspruch ein. Unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens wiesen sie ergänzend darauf hin, dass die PID nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der PID (Bundestags-Drucksache 17/5451), das am 7. Juli 2011 im Bundestag bewilligt worden sei und dem der Bundesrat am 23. September 2011 zugestimmt habe, eine Maßnahme darstelle, die bei schwerwiegenden vererbbaren Krankheiten durchaus den Vorgaben innerhalb der Bundesrepublik Deutschland entspreche. Die eigene Übernahme der Kosten für eine PID stelle für sie eine extreme soziale Härte dar, die sie finanziell überfordere. Mit Ausnahme von Blutuntersuchungen im Februar 2012 und in den Monaten Mai bis Juli 2012 setzten sie die weitere Behandlung am 11. Oktober 2011 in Brüssel fort, wo - im Ergebnis ohne Erfolg - am 25. Februar 2012 eine erste und am 18. Juni 2012 eine zweite Behandlung mit vorangehender PID durchgeführt wurde.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit einer sozialmedizinischen Begutachtung. Unter dem 11. Juni 2012 kam Dr. W. vom MDK zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen für ein Kostenübernahme lägen nicht vor. Bei der begehrten Leistung handele es sich nicht um eine Vertragsleistung. Das Präimplantationsdiagnostikgesetz (PräimpG) sei in Deutschland noch nicht anwendbar, weil die notwendige Rechtsverordnung zur Umsetzung fehle. Es bestehe die theoretische Möglichkeit, nach dem Eintreten der Schwangerschaft auf natürlichem Wege die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik zu nutzen und gegebenenfalls an dieser Stelle zu diagnostizieren oder auszuschließen. Allerdings seien Erkrankungen, die erst im Erwachsenenalter aufträten, von der Pränataldiagnostik ausgeschlossen.

Mit weiterem Bescheid vom 27. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Antrag gegenüber der Klägerin erneut unter Bezugnahme auf dem Inhalt des Gutachtens des MDK ab. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zudem teilte sie mit, bei ihr sei im letzten halben Jahr eine Autoimmunerkrankung (Hashimoto-Thyreoiditis) diagnostiziert worden, die unter Umständen ihre Fähigkeit, schwanger zu werden, stark beeinträchtigen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2013 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss die Widersprüche der Klägerin zurück. Auch wenn die PID seit 8. Dezember 2011 unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr strafbar sei, folge daraus keine Kostenerstattungspflicht der Krankenkassen.

Zwischenzeitlich hatte die Krankenkasse des W.K. es abgelehnt, ihm einen Zuschuss zu PID-IVF-Behandlungszyklen in Brüssel zu gewähren (Bescheid vom 28. September 2011, Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2011). Die zuletzt auf Erstattung von EUR 21.578,73 Behandlungskosten und die Übernahme der Kosten für einen dritten und einen vierten Behandlungszyklus als Sachleistung gerichtete Klage hatte das SG abgewiesen (Urteil vom 19. September 2012). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hatte die Berufung des W.K. zurückgewiesen (Urteil vom 19. Juli 2013 - L 4 KR 4624/12 - juris). Ihm stünden für die Finanzierung der bereits durchgeführten und der noch beabsichtigten PID-IVF-Versuche keine Ansprüche gegen die Beklagte zu, weil es sich dabei weder Früherkennungsuntersuchungen nach §§ 25, 26 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch um eine Krankenbehandlung des W.K. nach § 27 SGB V handele noch die Voraussetzungen für den Anspruch auf künstliche Befruchtung nach § 27a SGB V vorlägen. Die Grundsätze über das Systemversagen kämen mangels einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen nicht zum Tragen. Der Leistungsausschluss verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. W.K. habe im Übrigen keinen Anspruch auf Erstattung von EUR 478,96, weil er die ärztlichen Leistungen, die nicht unaufschiebbar gewesen seien, in Anspruch genommen habe, ohne zuvor eine Entscheidung der Beklagen abzuwarten. Die Revision des W.K. wies das Bundessozialgericht (BSG) zurück (Urteil vom 18. November 2014 - B 1 KR 19/13 R - juris). Die PID gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die das primäre Gemeinschaftsrecht umsetzenden Regelungen des SGB V sähen keine weitergehenden Leistungsansprüche vor, die von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3a Embryonenschutzgesetz (ESchG) und der §§ 27, 27a SGB V entbänden. Die diskriminierungsfreie Anforderung der Einschaltung einer Ethikkommission stehe in Einklang mit EU-Gemeinschaftsrecht.

Nach Durchführung zweier Behandlungszyklen (31. Januar 2011 bis 25. Februar 2012 und 18. Mai bis 2. Juli 2012) beantragte die Klägerin unter dem 14. Oktober 2013 die Kostenübernahme für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung plus PID Anfang des Jahres 2014. Die Beklagte stellte die Bescheidung dieses Antrages im Hinblick auf Klageverfahren zurück.

Die Klägerin erhob am 16. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Beklagte sei zur hälftigen Kostenerstattung für den IVF-Behandlungsteil der drei bislang durchgeführten kombinierten IVF/PID-Behandlungen, die aus männlicher, genetischer Indikation heraus veranlasst und notwendig seien, verpflichtet. Autoimmunerkrankungen führten im unbehandelten Zustand zur einer Implantationsproblematik, das bedeute, dass eine Einnistung nach spontaner Konzeption krankhaft beeinträchtigt sei oder nicht stattfinde sowie zu einem gesteigerten, ebenfalls als krankhaft zu bezeichnenden Abortrisiko führe. Diese Beeinträchtigungen seien ihr zuzurechnen. Daher sei allein aufgrund der weiblichen Befundlage eine IVF Behandlung indiziert und notwendig.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG befragte die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Internistin Dr. S. teilte am 3. April 2014 mit, die Klägerin leide an einer Autoimmunthyreoiditis. Bei ihr (der Klägerin) sei keine Erkrankung gesichert, die Empfängnisunfähigkeit nach sich ziehe. Wohl aber sei die Empfängnis oft erschwert und es bestehe eine erhöhte Abortrate. Transfusionsmedizinerin Dr. R.-F. legte unter dem 7. Mai 2014 dar, die Klägerin von September 2012 bis Juni 2013 behandelt zu haben. Insbesondere im Hinblick auf die autoimmune Schilddrüsenerkrankung sei die Empfängnisfähigkeit der Klägerin verringert. Gleichwohl steige bei Autoimmunerkrankungen das Abortrisiko an. Hinzu komme bei der Klägerin ein Immundefekt für die Abwehr von Bakterien und Pilzen aufgrund des nicht vorhandenen Mannose-Bindig-Lectins. Dies sei durch eine genetische Variante begründet und nicht ursächlich behandelbar. Allerdings ergebe sich für Schwangerschaften durchaus eine Risikosituation, indem die Gefahr für gravierende Infektionen und den Verlust der Schwangerschaft erhöht sei. Eine gezielte Diagnostik zur Erkennung weiterer Risikofaktoren sei unbedingt indiziert gewesen, nachdem beim Ehepartner eine Mutation nachgewiesen worden sei.

Zu den sachverständigen Zeugenaussagen legte die Beklagte das sozialmedizinische Gutachten des Dr. S.-G., MDK, vom 27. August 2014 vor. Dieser führte aus, die bei der Klägerin festgestellten Autoantikörper begründeten ebenso wenig wie der Vitamin D-Mangel und die Mannose-Bindig-Lectins-Defizienz bei genetischem Polymorphismus Empfängnisunfähigkeit und auch nicht die von der Klägerin und W.K. geplante PID mit notwendiger Voraussetzung zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung.

Mit Urteil vom 27. Mai 2015 wies das SG die Klage ab. Ein Anspruch auf Kostenerstattung der IVF-Behandlungen bestehe nicht. Nach § 27a Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB V gehörten medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft zu den Sachleistungen der Krankenbehandlung, wenn u.a. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich seien und nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht bestehe, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt werde. Die Voraussetzungen habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in § 27a Abs. 4 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 und i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V erlassenen Richtlinie über ärztliche Maßnahmen zur künstliche Befruchtung (Richtlinie über künstliche Befruchtung) vom 14. August 1990, zuletzt geändert am 21. August 2014, näher definiert. Nach Nr. 11.3 der Richtlinie gelte als medizinische Indikationen zur Durchführung einer IVF - teilweise unter Vorliegen weiterer Voraussetzungen - eine Tubenamputation, ein Tubenverschluss, ein tubarer Funktionsverlust, eine unerklärbare Sterilität, sofern alle diagnostischen und sonstigen therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft seien, eine Subfertilität des Mannes sowie eine immunologisch bedingte Sterilität, sofern alle Behandlungsversuche in Form einer Insemination nach hormoneller Stimulation keinen Erfolg versprächen oder erfolglos geblieben seien. Diese Indikationen für die Durchführung einer IVF-Behandlung lägen bei der Klägerin nicht vor. Die künstliche Befruchtung mit PID solle auch nach ihrem eigenen Vortrag nicht deshalb erfolgen, weil nur auf diesem Weg bei ihr eine Schwangerschaft herbeizuführen sei, sondern weil die Möglichkeit der IVF in Kombination mit der PID die Chance biete, durch eine mögliche Selektion erbgesunder Zellen und die nachfolgende Implantation die Chance der Klägerin und W.K. auf die Geburt eines gesunden Kindes zu erhöhen. Im Hinblick auf die Gefahr der Vererbung der Erkrankung hätten die Klägerin und W.K. offenbar auch bislang überhaupt nicht versucht, eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg herbeizuführen. Eine Indikation für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung mittels IVF liege deshalb insoweit nicht vor. Ferner stelle die bei der Klägerin bestehende Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis keine Indikation für eine IVF dar. Dies ergebe sich aus den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. R.-F. sowie der Stellungnahme des Dr. S.-G ... Denn zwar verringere diese Erkrankung die Empfängnisfähigkeit, eine Sterilität begründet sie allerdings nach Aussagen der sachverständigen Zeugen nicht. Darüber wäre im Falle einer immunologisch bedingten Sterilität auch eine Insemination nach hormoneller Stimulation die vorrangige Behandlungsmethode. Eine Rechtsgrundlage für die Durchführung einer IVF fehle, wenn keine Infertilität vorliege. Die Beklagte schulde keine Maßnahmen, die sich auf die Geburt eines gesunden Kindes richteten. Etwas anderes lasse sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte gegebenenfalls eine Abtreibung gewähren würde und die Kosten für die Behandlung eines behinderten und kranken Kindes zu übernehmen hätte. Abtreibung und Behandlung des Kindes seien im Gegensatz zur IVF für den Fall, dass das Risiko bestehe, ein erbkrankes Kind zu zeugen, im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten. Die Frage, ob dies hinsichtlich der Abtreibung rechtsethisch vertretbar sei, habe der Gesetzgeber zu entscheiden.

Gegen das ihr am 5. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Juni 2015 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, Nr. 11.3 Richtlinie über künstliche Befruchtung nenne als medizinische Indikation für eine IVF-Behandlung ausdrücklich die immunologisch bedingte Sterilität. Eine Insemination erscheine bei ihr von Anfang an nicht erfolgversprechend, wie die sachverständige Zeuge Dr. R.-F. dargelegt habe. Die Beklagte könne sich nicht auf das gegen den W.K. ergangene Urteil des BSG berufen, denn inhaltlich gehe es darüber hinaus nicht lediglich um eine auf männlicher Seite vorliegende genetische Erkrankung, sondern zusätzlich um eine weitere fertilitätsrelevante Beeinträchtigung auf weiblicher Seite. Dies sei nicht Gegenstand des dortigen Verfahrens gewesen. Zur - vom BSG selbst - verlangten Fiktion und Gleichsetzung einer Schädigung der Leibesfrucht mit einer Erkrankung der Mutter habe sich das Urteil des BSG im Verfahren des W.K. nicht geäußert. Wenn eine Krankheit des Kindes (aus ererbtem männlichen Gendefekt) einer Erkrankung der Mutter gleichzusetzen sei, so diene die PID auch ihrer Heilbehandlung. Der rechtliche Ausgangspunkt des SG, dass eine IVF-Behandlung nur bei Infertilität vorliege, nicht aber bei Subfertilität, sei rechtlich falsch. Der Weg einer spontanen Schwangerschaft sei ihr und W.K. nicht zuzumuten. Im Übrigen sei die IVF/PID-Behandlung in zwei Abschnitte zu trennen, so dass eine Kostenerstattung alleine für die IVF-Behandlung in Betracht komme. Sie habe die Übernahme der Kosten für künstliche Befruchtung beantragt, ohne dies auf eine bestimmte Zahl von Behandlungszyklen zu beschränken sowie am 14. Oktober 2013 beantragt. Sie hat Rechnungen über die bisher erfolgten Voruntersuchungen i.H.v. EUR 478,96 (bereits von W.-K. in seinem Rechtsstreit geltend gemachter Betrag), den ersten Behandlungszyklus (31. Januar 2011 bis 25. Februar 2012) i.H.v. EUR 6.294,82 (Anteil für ICSI: EUR 4.350,00), den zweiten Behandlungszyklus (18. Mai bis 2. Juli 2012) i.H.v. EUR 6.005,07 (Anteil für ICSI: EUR 4.650,00) sowie den dritten Behandlungszyklus (30. Januar bis 11. November 2014) i.H.v. EUR 5.771,62 (Anteil für ICSI: EUR 4.500,00) vorgelegt sowie zu den Voruntersuchungen Kosten von EUR 75,00 für eine "telefonische Beratung in Brüssel" ohne Vorlage einer Rechnung geltend gemacht.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2015 und die Bescheide der Beklagten vom 20. Oktober 2011 und 27. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr bislang entstandene Kosten für Voruntersuchungen i.H.v. EUR 553,96, den ersten Behandlungszyklus i.H.v. EUR 6.294,82, den zweiten Behandlungszyklus i.H.v. EUR 6.005,07 sowie den dritten Behandlungszyklus i.H.v. EUR 5.771,62 zu erstatten, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und beruft sich ergänzend auf die Ausführungen des BSG im Verfahren des W.K. Im Übrigen sei die natürliche Empfängnisfähigkeit nicht komplett aufgehoben. Auch sei die IVF- nicht von der PID-Behandlung trennbar. Der Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich des dritten Behandlungszyklus scheitere auch daran, dass dieser Versuch am 11. November 2014 ohne Antrag bei ihr (der Beklagten) durchgeführt worden sei sowie in keinem zeitlichen Zusammenhang mit den beiden ersten Behandlungszyklen im Jahr 2012 stehe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von EUR 750,00 ist überschritten. Der Erstattungsanspruch, den die Klägerin geltend macht, beläuft sich auf EUR 18.625,47.

Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 20. Oktober 2011 und 27. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Erstattung der Kosten für die bereits durchgeführten drei Behandlungszyklen der künstlichen Befruchtung zu.

Dem Anspruch auf Erstattung der in der Zeit vom 28. Juni bis 19. September 2011 angefallenen Kosten in Höhe von EUR 478,96 - denselben Betrag machte bereits W.-K. in seinem Rechtsstreit gegenüber seiner Krankenkasse geltend - steht bereits entgegen, dass der Klägerin insoweit nicht dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat (hierzu 1. a). Dem Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine am 17. Dezember 2011 erfolgte "telefonische Beratung Brüssel" i.H.v. EUR 75,00 steht entgegen, dass ein entsprechender Nachweis in den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht enthalten ist (hierzu 1. b). Darüber hinaus besteht aber auch insgesamt kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die (angeblich) durchgeführte IVF (hierzu 1. c). Dies gilt auch für den dritten Behandlungszyklus (hierzu 1. d). Nachdem die Leistungen zu Lasten der Beklagten in Deutschland nicht in Anspruch genommen werden können, kommt auch die Erstattung bzw. Übernahme der Kosten für in Belgien erbrachte Leistungen nicht in Betracht (hierzu 2.).

1. a) Dem Anspruch auf Erstattung der in der Zeit vom 28. Juni bis 19. September 2011 angefallenen Kosten in Höhe von EUR 478,96 steht bereits entgegen, dass der Klägerin insoweit nicht dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Denn diese Kosten sind entstanden, bevor die Beklagte über den Antrag der Klägerin vom 14. September 2011 entschieden hatte. Insoweit hatte der Senat bereits im vom BSG (Urteil vom 18. November 2014 - B 1 KR 19/13 R - juris) bestätigten Urteil vom 19. Juli 2013 (L 4 KR 4624/12 - juris, Rn. 27ff) im Verfahren des W.K. gegenüber seiner Krankenkasse zu den angefallenen Kosten i.H.v. EUR 478,96 zutreffend ausgeführt:

"Der Kläger hat nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt. Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch scheidet § 13 Abs. 2 SGB V deshalb aus.

Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt damit nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind einem Versicherten von der Krankenkasse Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte, oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war.

a) Bezüglich der in der Zeit vom 28. Juni bis 19. September 2011 angefallenen Kosten fehlt es schon an der Voraussetzung, dass dem Kläger dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V).

Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 15. April 1997 - 1 BK 31/96 -; Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 5/05 R -; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R -, jeweils in juris). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Andeutung (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 1993 - 1 RK 37/92 -, in juris) auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. eingehend BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 B 1 KR 8/06 R -, in juris). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und ggf. aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen. Dem kann nicht der Einwand der "Förmelei" entgegengehalten werden, weil der Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unmissverständlich einen Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Ablehnung und Kostenlast verlangt (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 2006 B 1 KR 8/06 R - aaO und 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -, in juris).

Der Kläger hat seinen Antrag auf Kostenerstattung bzw. Übernahme der Kosten erst am 21. September 2011 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wegen des Kinderwunsches bereits vom 28. Juni bis 19. September 2011 Behandlungen stattgefunden, für die dem Kläger und M.K. insgesamt EUR 478,96 in Rechnung gestellt worden sind. Die insoweit geltend gemachte Kostenerstattung, wobei der Senat offen lässt, ob der Kläger überhaupt die Erstattung der Kosten für Behandlungen bei M.K. geltend machen kann, betrifft damit einen Zeitraum, der bereits bei Antragstellung vollständig in der Vergangenheit lag. In der Zeit vor und während dieser Behandlung hatte der Kläger keinerlei Kontakt mit der Beklagten aufgenommen, um sie über die begonnene Kinderwunschbehandlung mit dem Ziel der PID und IVF zu unterrichten. Dadurch hat er der Beklagten die Möglichkeit genommen, die Notwendigkeit und Übernahmefähigkeit der Behandlung sowie die gestellte Diagnose zu überprüfen und gegebenenfalls andere Behandlungsmethoden vorzuschlagen bzw. darauf hinzuweisen, dass eine Übernahme dieser Kosten nicht möglich ist. Der Kläger hat sich eine Leistung besorgt, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. Zumindest für diese Kosten war der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28. September 2011 deshalb nicht ursächlich.

Die Behandlungen zwischen dem 28. Juni und 19. September 2011 waren auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn neben der Unaufschiebbarkeit wird vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R -; Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -, jeweils in juris). Grund hierfür ist wiederum, dass nur bei einer Vorabprüfung die Krankenkassen ihre Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden Beratungsaufgaben erfüllen können, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und gegebenenfalls aufzeigen, welche Leistungen an Stelle der begehrten in Betracht kommen.

Eine solche medizinische Unaufschiebbarkeit oder Dringlichkeit hat mit Blick auf die zwischen dem 28. Juni und 19. September 2011 durchgeführten Behandlungen nicht vorgelegen. Die Behandlungen mussten nicht derart kurzfristig erbracht werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger schon im August 2010 ein erstes humangenetisches Beratungsgespräch führte. Auch waren der 1976 geborene Kläger und die 1982 geborene M.K. im Jahr 2011 erst 35 bzw. 29 Jahre alt und weitere Behandlungszyklen sind geplant. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass die im Juni 2011 begonnene Behandlung nicht unaufschiebbar war."

Die vorstehenden Ausführungen macht sich der Senat nach sorgfältiger Prüfung zu eigen. Sie sind auf den vorliegenden Fall übertragbar, auch wenn die Klägerin - anders als W.K. im o.g. Verfahren - den Antrag auf Kostenerstattung bei der Beklagten bereits am 14. September 2011 gestellt und die Beklagte diesen mit Bescheid vom 20. Oktober 2011 abgelehnt hatte.

b) Ein Kostenerstattung für eine "telefonische Beratung Brüssel" beider Ehepartner i.H.v. EUR 75,00 scheitert an der Vorlage einer entsprechenden Rechnung.

c) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte künstliche Befruchtung.

Als Anspruchsgrundlage für die künstliche Befruchtung in Form der IVF kommt allein § 27a SGB V in Betracht. § 27a SGB V ist mit Blick auf die künstliche Befruchtung lex specialis zu § 27 SGB V (Urteil des Senats vom 19. Juli 2013 - L 4 KR 4624/12 - juris Rn. 41). Das SGB V regelt in § 27a Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB V, dass medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft zu den Sachleistungen der Krankenbehandlung gehören, wenn u.a. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind und nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird. Die Voraussetzungen hat der GBA in der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in § 27a Abs. 4 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 und i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V erlassenen Richtlinie über künstliche Befruchtung, die - nach Erlass des Urteils des SG den W.K. betreffend - mit Blick auf die Zählweise der Behandlungsversuche am 18. Oktober 2012 (Bundesanzeiger AT 17. Dezember 2012 B2) sowie auf die erforderlichen Laboruntersuchungen und Gültigkeit der Testergebnisse am 21. August 2014 (Bundesanzeiger AT 17.10.2014 B3) erneut geändert wurde, näher definiert.

Nach Nr. 8 Satz 1 der Richtlinie dürfen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nur durchgeführt werden, wenn hinreichende Aussicht besteht, dass durch die gewählte Behandlungsmethode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht für die jeweiligen Behandlungsmaßnahmen dann nicht, wenn sie - bei der Insemination im Spontanzyklus (Nr. 10.1) bis zu achtmal, - bei der Insemination nach hormoneller Stimulation (Nr. 10.2) bis zu dreimal, - bei der IVF (Nr. 10.3) bis zu dreimal, - beim intratubaren Gameten-Transfer (Nr. 10.4) bis zu zweimal, - bei der ICSI (Nr. 10.5) bis zu dreimal vollständig durchgeführt wurden, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist.

IVF und ICSI dürfen nach Nr. 8 der Richtlinie aufgrund der differenzierten Indikationsstellung nur alternativ angewandt werden (Satz 6). Einzige Ausnahme ist die Fallkonstellation eines totalen Fertilisationsversagens nach dem ersten Versuch einer In-Vitro-Fertilisation (Satz 7). In diesem Fall kann in maximal zwei darauffolgenden Zyklen die ICSI (Nummer 10.5) zur Anwendung kommen, auch wenn die Voraussetzungen nach Nummer 11.5 nicht vorliegen (Satz 8). Ein Methodenwechsel innerhalb eines IVF-Zyklus (sog. Rescue-ICSI) ist ausgeschlossen (Satz 9).

Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Der Behandlungsplan umfasst maximal drei in Folge geplante Zyklen. Die Krankenkassen erteilen die Genehmigung für den 3. IVF- oder ICSI-Zyklus nur unter dem Vorbehalt, dass in einem von zwei Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat (Nr. 9.2 Satz 1, 3 und 4 der Richtlinie). Bei Änderung der Behandlungsmethode gemäß Nrn. 10.1 bis 10.5 der Richtlinie oder einem Methodenwechsel nach Nr. 8 Absatz 3 der Richtlinie sowie spätestens nach Ablauf eines Jahres seit der Genehmigung ist ein Folge-Behandlungsplan vorzulegen (Nr. 9.2 Satz 8 der Richtlinie).

Als medizinische Indikation gelten nach Nr. 11.3 der Richtlinie für IVF mit - gegebenenfalls intratubarem - Embryo-Transfer (ET beziehungsweise EIFT): - Zustand nach Tubenamputation, - anders (auch mikrochirurgisch) nicht behandelbarer Tubenverschluss, - anders nicht behandelbarer tubarer Funktionsverlust, auch bei Endometriose, - idiopathische (unerklärbare) Sterilität, sofern - einschließlich einer psychologischen Exploration - alle diagnostischen und sonstigen therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft sind, - Subfertilität des Mannes, sofern Behandlungsversuche nach Nr. 10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos geblieben sind, - immunologisch bedingte Sterilität, sofern Behandlungsversuche nach Nr. 10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos geblieben sind.

Für die ICSI mit - gegebenenfalls intratubarem Embryo-Transfer (ET bzw. EIFT) gilt nach Nr. 11.5 der Richtlinie als Indikation eine männliche Fertilitätsstörung, nachgewiesen durch zwei aktuelle Spermiogramme im Abstand von mindestens 12 Wochen, welche unabhängig von der Gewinnung des Spermas genau definierte Grenzwerte unterschreiten.

Die anwaltlich vertretene Klägerin hat im Verfahren vor dem SG nur noch die Kostenerstattung für eine IVF geltend gemacht. Ausweislich der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Kostenaufstellung und Rechnungen des Krankenhauses in Brüssel wurde eine solche jedoch nicht durchgeführt. Vielmehr ergibt sich aus den im Berufungsverfahren erstmals vorgelegten Unterlagen und der Kostenaufstellung der bisher erfolgten Behandlungszyklen, dass bei der Klägerin ICSI-Behandlungen stattgefunden haben. Hierbei handelt es sich um eine gänzlich andere Maßnahme zur künstlichen Befruchtung. Über diese hat die Beklagte bislang nicht entschieden. Im Übrigen liegt die hierfür nach Nr. 11.5 oben genannten Richtlinien erforderliche Indikation, eine männliche Fertilitätsstörung, nachgewiesen durch zwei aktuelle Spermiogramme im Abstand von mindestens 12 Wochen, welche unabhängig von der Gewinnung des Spermas genau definierte Grenzwerte unterschreiten, bei W.K. nicht vor. Dies ergibt sich aus den vom Senat im Verfahren des W.K. (L 4 KR 4624/12) getroffenen, von der Klägerin nicht widersprochenen Feststellungen.

d) Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für den in der Zeit vom 30. Januar bis 11. November 2014 durchgeführten dritten Behandlungsversuch besteht ebenfalls nicht. Zwar hat die Klägerin unter dem 14. Oktober 2013 einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung gestellt; allerdings hat sie weder - wie in Nr. 9.2 der o.g. Richtlinie gefordert - der Beklagten vor Beginn der Behandlung einen Behandlungsplan zur Genehmigung vorgelegt, noch hat die Beklagte über diesen Antrag bislang entschieden. Zudem erfolgte auch in diesem Behandlungszyklus eine ICSI-Behandlung.

2. Nachdem die Leistungen zu Lasten der Beklagten in Deutschland nicht in Anspruch genommen werden können, kommt auch die Erstattung bzw. Übernahme der Kosten für in Belgien erbrachte Leistungen nicht in Betracht. Insoweit hat das BSG (Urteil vom 18. November 2014 - B 1 KR 19/13 R - juris, Rn. 28ff.) Folgendes ausgeführt, was sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht:

"Auch die Regelungen des deutschen Rechts, die in Umsetzung des EU-Primärrechts (vgl grundlegend zur europarechtskonformen Auslegung BSGE 104, 1 = SozR 4-2500 § 13 Nr 23) einen Kostenerstattungsanspruch bei grenzüberschreitender Leistungserbringung eröffnen, beschränken die Ansprüche auf die Gegenstände des GKV-Leistungskatalogs. Einschlägig sind § 13 Abs 4 und 5 SGB V (idF durch Art 4 Nr 3 Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, BGBl I 1202, mWv 29.6.2011). Versicherte sind nach § 13 Abs 4 SGB V berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die KK bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die KK die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen. Gemäß § 13 Abs 5 SGB V können abweichend von Abs 4 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWiR oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V nur nach vorheriger Zustimmung durch die KKn in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der KK im Inland erlangt werden kann.

Die Regelung eröffnet Kostenerstattungsansprüche ohne sachliche Leistungsausweitung im Umfang des deutschen Leistungsrechts der GKV (vgl E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung SGB V, 19. Aufl, Stand: 1.7.2014, § 13 RdNr 328). Dies ergibt sich schon aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in § 13 Abs 4 S 1 SGB V. Sie entspricht unter diesem Aspekt den Bestimmungen über gewillkürte und sachleistungsersetzende Kostenerstattung wegen Systemversagens (§ 13 Abs 2 und 3 SGB V, vgl dazu stRspr, zB zuletzt BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - RdNr 8 mwN, für BSGE und SozR vorgesehen) und entpflichtet nicht von der Beachtung des nationalen Leistungsrechts des SGB V im Übrigen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3 RdNr 14; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung SGB V, 19. Aufl, Stand: 1.7.2014, § 13 RdNr 333)."

Hiernach hat die Klägerin mangels Kostenerstattungsanspruchs nach dem SGB V (hierzu 1.) weder nach sekundärem Gemeinschaftsrecht noch nach § 13 Abs. 4 und 5 SGB V Anspruch auf Kostenerstattung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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