Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 357/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 778/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1958 geborene Kläger war im Jahre 2014 als Zusteller bei der D. P. AG beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei einer Rechtsvorgängerin der beklagten Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert.
Am 24. Januar 2014 rutschte er während seiner Arbeit auf dem Rückweg zu einem Zustellstützpunkt mit seinem Dienstfahrrad auf Glatteis aus und stürzte.
Er arbeitete zunächst weiter, stellte sich dann aber wegen anhaltender Schmerzen im linken Knie am 27. Januar 2014 bei Dr. P. vor. Dieser beschrieb in einem H-Arzt-Bericht vom selben Tage einen Druckschmerz am linken Knie medial und einen endgradigen Beuge- und Streckschmerz. Ein Erguss konnte nicht festgestellt werden. Meniskuszeichen bestanden nicht, die Bänder waren stabil. Diagnostiziert wurde eine Knieprellung links. In der Folgezeit bestanden die Beschwerden fort. Dr. P. äußerte Ende Januar den Verdacht einer Meniskusverletzung und überwies den Kläger in die Sportklinik Stuttgart. Dr. B., Leitender Arzt dieser Klinik, äußerte in dem Befundbericht vom 3. Februar 2014 einen entsprechenden Verdacht. Er teilte mit, der Kläger habe angegeben, bereits seit November 2012 Schmerzen im linken Knie zu haben; er sei damals aus der Hocke hochgekommen. Der Sturz vom Fahrrad am 24. Januar 2014 habe die Schmerzen verstärkt. Die MRT-Bilder des linken Knies vom 16. November 2012, die der Kläger dabei gehabt habe, zeigten nach Dr. B.s Einschätzung einen Innenmeniskushinter¬horn¬einriss sowie eine Stressreaktion am medialen Tibiakopf. Ferner begründeten sie einen "enchodrom verdächtigen Befund im distalen Oberschenkeldrittel" (gutartiger knorpeliger Tumor). Auf Dr. B.s Empfehlung hin fertigte Dr. Sch. am 4. Februar 2014 neue MRT-Bilder an. Er gab dazu als Kurzbefunde an: "Enchodrom femur mit Varikose, Degeneration II. Grades des Innenmeniskushinterhorns mit Ausschluss "flap" [Lappenriss], Ausschluss Chondromalazie oder Osteochondrosis dissecans [Knochenläsion unterhalb des Gelenkknorpels]". Arbeitsunfähigkeit bescheinigten die behandelnden Ärzte zunächst bis zum 23. Februar 2014.
Am 20. März 2014 wurde der Kläger in der Sportklinik Stuttgart operiert. Nach dem Operationsbericht vom folgenden Tag bestanden präoperativ ein Innenmeniskushinterhornkomplexriss, eine Chondromalazie Grad II an der medialen Femurkondyle (innerer Knochenfortsatz des Oberschenkelknochens zum Kniegelenk) und am Tibiaplateau (Schienbeinkopf) sowie eine Plica mediopetellaris (Hautfalte im Kniegelenk). Es wurde eine Innenmeniskusteilresektion durchgeführt. Der Kläger wurde am 21. März 2014 entlassen. Nach dem Entlassungsbericht hatte sich der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltet. Der Kläger war nach der Operation bis zum 5. Mai 2014 - erneut - arbeitsunfähig. Hierzu teilte Dr. P. am 8. August 2014 ergänzend mit, der postoperative Verlauf habe sich etwas schwierig gestaltet und sei verlängert gewesen.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers bei. Dieses enthielt unter anderem Arbeitsunfähigkeitszeiten am 16. November 2012 wegen "sonstiger Meniskusschädigung" und am 21. Februar 2013 wegen "primärer Arthrose sonstiger Gelenke".
Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. V., meinte in seiner Stellungnahme, der Unfall vom 24. Januar 2014 habe - nur - eine Distorsion des linken Kniegelenks verursacht, sodass "mit äußerstem Wohlwollen" die Arbeitsunfähigkeit bis zum 23. Februar 2014 als unfallbedingt eingestuft werden könne. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der festgestellten Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns lasse sich auf Grund des Hergangs, des blanden klinischen Erstbefunds und der Art der Läsion nicht herleiten, es handle sich um Veränderungen auf degenerativer Grundlage bei entsprechenden Knorpelschäden des medialen Kompartiments.
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 28. Oktober 2014 erkannte die Beklagte den Unfall vom 24. Januar 2014 als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Anerkennung einer "Komplexläsion des Innen¬meniskushinterhorns links" als Unfallfolge ab. Den Widerspruch des Klägers, dem dieser Kopien der Röntgenbilder aus der Sportklinik vom 20. März 2014 beifügte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4. Februar 2015 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, der Unfall habe den Riss im Meniskus verursacht. Zu den MRT-Bildern vom 16. November 2012 hat er angegeben, damals habe der Verdacht eines Tumors über dem Knie bestanden, der Meniskus sei nicht gerissen gewesen.
Das SG hat bei der Sportklinik Stuttgart die genannten Berichte und die Röntgenbilder vom 3. Februar 2014 eingeholt und erneut die Krankenkasse des Klägers befragt. Dr. P., als sachverständiger Zeuge vernommen, hat bekundet, der Klägers sei seit 2002 sein Patient. Er habe sich am 16. November 2012 mit Beschwerden im linken Kniegelenk vorgestellt, es sei dann eine MRT dieses Knies durchgeführt worden, allerdings sei der zurückgekommene Befund mit der Seitenbezeichnung rechts versehen gewesen. Der Kläger sei dann am 19. November 2012 unter dem Verdacht eines Ganglions (gutartige Geschwulst, "Weichteiltumor") im linken Knie in ein Krankenhaus überwiesen worden, haben sich aber nach Aktenlage dort nie vorgestellt.
Das SG hat den Kläger am 3. Dezember 2015 persönlich angehört. Sodann hat es die Klage mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2016 abgewiesen. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Unfall vom 24. Januar 2014 wesentliche Ursache der Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns sei. Diese Verletzung habe bereits zuvor bestanden. Dies ergebe sich unter anderem aus dem MRT vom 16. November 2012. Hierzu habe Dr. P. mitgeteilt, er habe das MRT damals wegen des Verdachts einer Innenmeniskushinterhornläsion am linken Knie veranlasst. Der Kläger habe damals auch bereits Schmerzen im linken Knie gehabt.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Februar 2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er hält an seiner Einschätzung fest, der Riss im Innenmeniskushinterhorn sei durch den Unfall verursacht worden und habe vorher nicht bestanden.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Februar 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2015 abzuändern und festzustellen, dass die Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns links Folge des Arbeitsunfalls vom 24. Januar 2014 ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben. Der Kläger hat unter dem 26. Juli 2016, die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung(§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung des Klägers ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger kann nicht verlangen, die Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns an seinem linken Knie als Folge des Unfalls vom 24. Januar 2014 festzustellen.
Für die Feststellung, dass bestimmte Gesundheitsschäden Folge eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind, gelten folgende Beweismaßstäbe: Die Anspruchsvoraussetzungen "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" sind im Grad des Vollbeweises festzustellen, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Dagegen genügt für den Nachweis des Ursachenzusammenhanges zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der hin¬rei¬chenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15 –, juris, Rz. 63). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Zusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (Urteil des Senats vom 25. September 2014 – L 6 U 1827/12 –, juris, Rz. 27). In diesem Rahmen setzt die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Urteil des Senats vom 28. Juli 2016, a.a.O., Rz. 65).
Auf dieser Grundlage kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der - feststehende und unstreitige - Gesundheitsschaden des Klägers, die Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns links, mit Wahrscheinlichkeit auf den - anerkannten - Arbeitsunfall vom 24. Januar 2014 zurückzuführen ist. Es sprechen mehr Indizien gegen einen solchen Zusammenhang als dafür.
Hierbei kann der Senat den Hergang des Unfalls weder in die eine noch in die andere Richtung berücksichtigen, da insoweit der konkrete Ablauf nicht geschildert worden ist. Die Angaben des Klägers und die Feststellungen der Beklagte dazu, er sei mit dem Fahrrad ausgerutscht und gestürzt, reichen dazu nicht aus.
Auch der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und der Diagnose der hier angeschuldigten Läsion ist nicht kurz genug, um als Indiz für einen Zusammenhang gewertet zu werden, aber auch nicht so lang, dass er dagegen spreche. Bei dem allerersten Arztkontakt nach dem Unfall, am 27. Januar 2014, konnte Dr. P. keine Befunde erheben, die auf eine akute Meniskusschädigung hindeuteten. Er und dann auch Dr. B. hatten zwar Anfang Februar 2014 den Verdacht einer solchen Läsion geäußert, allerdings konnte dann auch das MRT bei Dr. Sch. am 4. Februar 2014 diese Diagnose noch nicht sichern, dort wurden vielmehr mehrere denkbare Läsionen ausgeschlossen und im Wesentlichen nur degenerative Veränderungen des Meniskus beschrieben. Eine gesicherte Erstdiagnose der Läsion ergibt sich erst aus dem Operationsbericht von Dr. B. vom 20. März 2014 zwei Monate nach dem Unfall.
Deutlich gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen die Vorbefunde. Im Verlauf des Verfahrens hat sich herausgestellt, dass eine Innenmeniskusläsion, wie sie der Kläger jetzt als Unfallfolge geltend macht, bereits vor dem Unfall bestanden hatte. Dies ergibt sich aus den MRT-Bildern vom 16. November 2012, die sowohl zeitnah von dem Radiologen als auch von Dr. B. befundet worden sind und eine entsprechende Schädigung zeigen. Dass der damalige Befund des Radiologen eine falsche Seitenangabe enthielt, entwertet diese Feststellungen nicht, weil es sich offenkundig um einen Schreibfehler handelte. Dr. P. als sachverständiger Zeuge hat hierzu bekundet, dass der Kläger damals Beschwerden im linken Knie hatte und deshalb die Bilder angefertigt worden waren. Er hatte ihn damals, was auch die Krankenkasse des Klägers bestätigt hat, wegen einer Schädigung des Meniskus arbeitsunfähig geschrieben, nicht etwa wegen einer Tumorerkrankung, wie der Kläger meint. Letztlich hat der Kläger bei seiner ersten Untersuchung in der Sportklinik sogar selbst eingeräumt, er habe die Schmerzen bereits seit November 2012. Dies ergibt sich aus den anamnestischen Angaben des Berichts von Dr. B. zu jener Untersuchung. Der Kläger hat dort sogar einen konkreten Hergang geschildert (Aufstehen aus der Hocke), den er mit dem Beginn der Schmerzen in Zusammenhang bringt. Diese detailreiche Schilderung lässt annehmen, dass seine damaligen, zeitnahen Angaben zutreffen, jedenfalls eher als seine späteren Angaben in diesem Verfahren, er habe vor Januar 2014 keine Beschwerden im linken Knie gehabt.
Letztlich sprechen auch die begleitenden Befunde dafür, dass die Schädigung bereits vor dem Unfall bestand. So hat sich auch bei der MRT-Untersuchung bei Dr. Sch. eine bereits relativ weit fortgeschrittene (zweitgradige) Chondromalazie, also eine Knorpelschädigung, gezeigt. Ob diese überhaupt Folge oder Ursache eines Meniskusschadens war, kann dabei offen bleiben. Selbst wenn sie traumatisch auf Grund einer Meniskusverletzung entstanden wäre, so kann sie vorliegend jedenfalls nicht eine Woche nach dem Unfall ein Ausmaß erreicht haben wie es festgestellt worden ist.
Indizien, die für einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und der Schädigung sprechen, konnte der Senat nicht feststellen.
Vor diesem Hintergrund ist es zwar nicht auszuschließen, dass der Unfall am 24. Januar 2014 die - vorbestehenden - Beschwerden des Klägers verschlimmert hat. Aber selbst in diesem Falle wäre der Unfall nicht einmal ein Auslöser des Schadens gewesen, und noch weniger kann er als wesentliche Ursache für den Meniskusriss angesehen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1958 geborene Kläger war im Jahre 2014 als Zusteller bei der D. P. AG beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei einer Rechtsvorgängerin der beklagten Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert.
Am 24. Januar 2014 rutschte er während seiner Arbeit auf dem Rückweg zu einem Zustellstützpunkt mit seinem Dienstfahrrad auf Glatteis aus und stürzte.
Er arbeitete zunächst weiter, stellte sich dann aber wegen anhaltender Schmerzen im linken Knie am 27. Januar 2014 bei Dr. P. vor. Dieser beschrieb in einem H-Arzt-Bericht vom selben Tage einen Druckschmerz am linken Knie medial und einen endgradigen Beuge- und Streckschmerz. Ein Erguss konnte nicht festgestellt werden. Meniskuszeichen bestanden nicht, die Bänder waren stabil. Diagnostiziert wurde eine Knieprellung links. In der Folgezeit bestanden die Beschwerden fort. Dr. P. äußerte Ende Januar den Verdacht einer Meniskusverletzung und überwies den Kläger in die Sportklinik Stuttgart. Dr. B., Leitender Arzt dieser Klinik, äußerte in dem Befundbericht vom 3. Februar 2014 einen entsprechenden Verdacht. Er teilte mit, der Kläger habe angegeben, bereits seit November 2012 Schmerzen im linken Knie zu haben; er sei damals aus der Hocke hochgekommen. Der Sturz vom Fahrrad am 24. Januar 2014 habe die Schmerzen verstärkt. Die MRT-Bilder des linken Knies vom 16. November 2012, die der Kläger dabei gehabt habe, zeigten nach Dr. B.s Einschätzung einen Innenmeniskushinter¬horn¬einriss sowie eine Stressreaktion am medialen Tibiakopf. Ferner begründeten sie einen "enchodrom verdächtigen Befund im distalen Oberschenkeldrittel" (gutartiger knorpeliger Tumor). Auf Dr. B.s Empfehlung hin fertigte Dr. Sch. am 4. Februar 2014 neue MRT-Bilder an. Er gab dazu als Kurzbefunde an: "Enchodrom femur mit Varikose, Degeneration II. Grades des Innenmeniskushinterhorns mit Ausschluss "flap" [Lappenriss], Ausschluss Chondromalazie oder Osteochondrosis dissecans [Knochenläsion unterhalb des Gelenkknorpels]". Arbeitsunfähigkeit bescheinigten die behandelnden Ärzte zunächst bis zum 23. Februar 2014.
Am 20. März 2014 wurde der Kläger in der Sportklinik Stuttgart operiert. Nach dem Operationsbericht vom folgenden Tag bestanden präoperativ ein Innenmeniskushinterhornkomplexriss, eine Chondromalazie Grad II an der medialen Femurkondyle (innerer Knochenfortsatz des Oberschenkelknochens zum Kniegelenk) und am Tibiaplateau (Schienbeinkopf) sowie eine Plica mediopetellaris (Hautfalte im Kniegelenk). Es wurde eine Innenmeniskusteilresektion durchgeführt. Der Kläger wurde am 21. März 2014 entlassen. Nach dem Entlassungsbericht hatte sich der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltet. Der Kläger war nach der Operation bis zum 5. Mai 2014 - erneut - arbeitsunfähig. Hierzu teilte Dr. P. am 8. August 2014 ergänzend mit, der postoperative Verlauf habe sich etwas schwierig gestaltet und sei verlängert gewesen.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers bei. Dieses enthielt unter anderem Arbeitsunfähigkeitszeiten am 16. November 2012 wegen "sonstiger Meniskusschädigung" und am 21. Februar 2013 wegen "primärer Arthrose sonstiger Gelenke".
Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. V., meinte in seiner Stellungnahme, der Unfall vom 24. Januar 2014 habe - nur - eine Distorsion des linken Kniegelenks verursacht, sodass "mit äußerstem Wohlwollen" die Arbeitsunfähigkeit bis zum 23. Februar 2014 als unfallbedingt eingestuft werden könne. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der festgestellten Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns lasse sich auf Grund des Hergangs, des blanden klinischen Erstbefunds und der Art der Läsion nicht herleiten, es handle sich um Veränderungen auf degenerativer Grundlage bei entsprechenden Knorpelschäden des medialen Kompartiments.
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 28. Oktober 2014 erkannte die Beklagte den Unfall vom 24. Januar 2014 als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Anerkennung einer "Komplexläsion des Innen¬meniskushinterhorns links" als Unfallfolge ab. Den Widerspruch des Klägers, dem dieser Kopien der Röntgenbilder aus der Sportklinik vom 20. März 2014 beifügte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4. Februar 2015 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, der Unfall habe den Riss im Meniskus verursacht. Zu den MRT-Bildern vom 16. November 2012 hat er angegeben, damals habe der Verdacht eines Tumors über dem Knie bestanden, der Meniskus sei nicht gerissen gewesen.
Das SG hat bei der Sportklinik Stuttgart die genannten Berichte und die Röntgenbilder vom 3. Februar 2014 eingeholt und erneut die Krankenkasse des Klägers befragt. Dr. P., als sachverständiger Zeuge vernommen, hat bekundet, der Klägers sei seit 2002 sein Patient. Er habe sich am 16. November 2012 mit Beschwerden im linken Kniegelenk vorgestellt, es sei dann eine MRT dieses Knies durchgeführt worden, allerdings sei der zurückgekommene Befund mit der Seitenbezeichnung rechts versehen gewesen. Der Kläger sei dann am 19. November 2012 unter dem Verdacht eines Ganglions (gutartige Geschwulst, "Weichteiltumor") im linken Knie in ein Krankenhaus überwiesen worden, haben sich aber nach Aktenlage dort nie vorgestellt.
Das SG hat den Kläger am 3. Dezember 2015 persönlich angehört. Sodann hat es die Klage mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2016 abgewiesen. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Unfall vom 24. Januar 2014 wesentliche Ursache der Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns sei. Diese Verletzung habe bereits zuvor bestanden. Dies ergebe sich unter anderem aus dem MRT vom 16. November 2012. Hierzu habe Dr. P. mitgeteilt, er habe das MRT damals wegen des Verdachts einer Innenmeniskushinterhornläsion am linken Knie veranlasst. Der Kläger habe damals auch bereits Schmerzen im linken Knie gehabt.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Februar 2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er hält an seiner Einschätzung fest, der Riss im Innenmeniskushinterhorn sei durch den Unfall verursacht worden und habe vorher nicht bestanden.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Februar 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2015 abzuändern und festzustellen, dass die Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns links Folge des Arbeitsunfalls vom 24. Januar 2014 ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben. Der Kläger hat unter dem 26. Juli 2016, die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung(§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung des Klägers ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger kann nicht verlangen, die Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns an seinem linken Knie als Folge des Unfalls vom 24. Januar 2014 festzustellen.
Für die Feststellung, dass bestimmte Gesundheitsschäden Folge eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind, gelten folgende Beweismaßstäbe: Die Anspruchsvoraussetzungen "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" sind im Grad des Vollbeweises festzustellen, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Dagegen genügt für den Nachweis des Ursachenzusammenhanges zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der hin¬rei¬chenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15 –, juris, Rz. 63). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Zusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (Urteil des Senats vom 25. September 2014 – L 6 U 1827/12 –, juris, Rz. 27). In diesem Rahmen setzt die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Urteil des Senats vom 28. Juli 2016, a.a.O., Rz. 65).
Auf dieser Grundlage kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der - feststehende und unstreitige - Gesundheitsschaden des Klägers, die Komplexläsion des Innenmeniskushinterhorns links, mit Wahrscheinlichkeit auf den - anerkannten - Arbeitsunfall vom 24. Januar 2014 zurückzuführen ist. Es sprechen mehr Indizien gegen einen solchen Zusammenhang als dafür.
Hierbei kann der Senat den Hergang des Unfalls weder in die eine noch in die andere Richtung berücksichtigen, da insoweit der konkrete Ablauf nicht geschildert worden ist. Die Angaben des Klägers und die Feststellungen der Beklagte dazu, er sei mit dem Fahrrad ausgerutscht und gestürzt, reichen dazu nicht aus.
Auch der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und der Diagnose der hier angeschuldigten Läsion ist nicht kurz genug, um als Indiz für einen Zusammenhang gewertet zu werden, aber auch nicht so lang, dass er dagegen spreche. Bei dem allerersten Arztkontakt nach dem Unfall, am 27. Januar 2014, konnte Dr. P. keine Befunde erheben, die auf eine akute Meniskusschädigung hindeuteten. Er und dann auch Dr. B. hatten zwar Anfang Februar 2014 den Verdacht einer solchen Läsion geäußert, allerdings konnte dann auch das MRT bei Dr. Sch. am 4. Februar 2014 diese Diagnose noch nicht sichern, dort wurden vielmehr mehrere denkbare Läsionen ausgeschlossen und im Wesentlichen nur degenerative Veränderungen des Meniskus beschrieben. Eine gesicherte Erstdiagnose der Läsion ergibt sich erst aus dem Operationsbericht von Dr. B. vom 20. März 2014 zwei Monate nach dem Unfall.
Deutlich gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen die Vorbefunde. Im Verlauf des Verfahrens hat sich herausgestellt, dass eine Innenmeniskusläsion, wie sie der Kläger jetzt als Unfallfolge geltend macht, bereits vor dem Unfall bestanden hatte. Dies ergibt sich aus den MRT-Bildern vom 16. November 2012, die sowohl zeitnah von dem Radiologen als auch von Dr. B. befundet worden sind und eine entsprechende Schädigung zeigen. Dass der damalige Befund des Radiologen eine falsche Seitenangabe enthielt, entwertet diese Feststellungen nicht, weil es sich offenkundig um einen Schreibfehler handelte. Dr. P. als sachverständiger Zeuge hat hierzu bekundet, dass der Kläger damals Beschwerden im linken Knie hatte und deshalb die Bilder angefertigt worden waren. Er hatte ihn damals, was auch die Krankenkasse des Klägers bestätigt hat, wegen einer Schädigung des Meniskus arbeitsunfähig geschrieben, nicht etwa wegen einer Tumorerkrankung, wie der Kläger meint. Letztlich hat der Kläger bei seiner ersten Untersuchung in der Sportklinik sogar selbst eingeräumt, er habe die Schmerzen bereits seit November 2012. Dies ergibt sich aus den anamnestischen Angaben des Berichts von Dr. B. zu jener Untersuchung. Der Kläger hat dort sogar einen konkreten Hergang geschildert (Aufstehen aus der Hocke), den er mit dem Beginn der Schmerzen in Zusammenhang bringt. Diese detailreiche Schilderung lässt annehmen, dass seine damaligen, zeitnahen Angaben zutreffen, jedenfalls eher als seine späteren Angaben in diesem Verfahren, er habe vor Januar 2014 keine Beschwerden im linken Knie gehabt.
Letztlich sprechen auch die begleitenden Befunde dafür, dass die Schädigung bereits vor dem Unfall bestand. So hat sich auch bei der MRT-Untersuchung bei Dr. Sch. eine bereits relativ weit fortgeschrittene (zweitgradige) Chondromalazie, also eine Knorpelschädigung, gezeigt. Ob diese überhaupt Folge oder Ursache eines Meniskusschadens war, kann dabei offen bleiben. Selbst wenn sie traumatisch auf Grund einer Meniskusverletzung entstanden wäre, so kann sie vorliegend jedenfalls nicht eine Woche nach dem Unfall ein Ausmaß erreicht haben wie es festgestellt worden ist.
Indizien, die für einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und der Schädigung sprechen, konnte der Senat nicht feststellen.
Vor diesem Hintergrund ist es zwar nicht auszuschließen, dass der Unfall am 24. Januar 2014 die - vorbestehenden - Beschwerden des Klägers verschlimmert hat. Aber selbst in diesem Falle wäre der Unfall nicht einmal ein Auslöser des Schadens gewesen, und noch weniger kann er als wesentliche Ursache für den Meniskusriss angesehen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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