L 6 U 869/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 479/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 869/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach dem Arbeitsunfall vom 15. Oktober 2009 um die Gewährung einer Verletztenrente.

Bei der im Jahr 1966 geborenen Klägerin ist von der Beklagten eine Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) als Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung mit genommenen Eintritt des Versicherungsfalls am 3. Juni 2009 anerkannt (Bescheid vom 14. Oktober 2010). In einem parallel beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 6 U 4142/15 (Vorinstanz: Sozialgericht Reutlingen - SG - S 4 U 673/14) anhängigen Verfahren streiten die Beteiligten um die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit wegen dieser Berufskrankheit.

Die Klägerin erlitt am 15. Oktober 2009 bei ihrer bei der Beklagten versicherten landwirtschaftlichen Tätigkeit als Schäferin einen Arbeitsunfall. Ein Schaf rannte gegen ihr rechtes Kniegelenk. Sie brach ihre Arbeit darauf ab und stellte sich in einer unfallchirurgischen Ambulanz vor. Der Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. W. erbrachte eine Patellaluxation. Röntgenologisch habe sich keine Fraktur feststellen lassen. Die Klägerin wurde arbeitsfähig entlassen. Die am 10. November 2009 durchgeführte Kernspintomographie des rechten Kniegelenks ergab dann das Bild einer Tibiakopffraktur bei Kontusion mit zarten Frakturlinien. Die Behandlung erfolgte bis zum Wiedereintritt der vollschichtigen Arbeitsfähigkeit am 22. Februar 2010 u.a. in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen (BG-Klinik). Nach dem Zwischenbericht der BG-Klinik vom 11. Februar 2010 habe die Untersuchung ein hinkfreies Gangbild gezeigt, die Beweglichkeit des Kniegelenks sei mit Extension/Flexion 0-5-130° gut. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenrelevantem Ausmaß bestehe nicht.

Zeitnah zum Unfallereignis trat bei der Klägerin auch eine tiefe Unterschenkelvenenthrombose rechts auf. Deswegen wurde sie in der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen behandelt. Im März 2010 wurde dort eine vollständige Rekanalisation objektiviert und die vorübergehende Behandlung mit Marcumar ausgeschlichen. Im abschließenden Bericht der Universitätsklinik vom 17. März 2010 wurde angeführt, dass die Klägerin erstmals im Rahmen eines Traumas eine tiefe Beinvenenthrombose erlitten hätte, so dass die Ursache der Thrombose hinreichend geklärt sei. Nach intensiver krankengymnastischer Therapie hätten nach Angaben der Klägerin keine wesentliche Bewegungseinschränkung des Beines mehr bestanden. In der Duplexsonographie sei keine Restthrombosierung mehr nachweisbar gewesen und Marcumar könne nun ausgeschlichen werden (Bl. 164 der Verwaltungsakte).

Im zeitlichen Zusammenhang mit einer von der Klägerin gegen die BG-Klinik geführten zivilen Schadensersatzklage, bei der der Beklagten der Streit verkündet wurde, nahm diese Ermittlungen im Hinblick auf die Gewährung einer Rente aus dem Ereignis vom 15. Oktober 2009 auf. Hierzu holte sie das Erste Rentengutachten des Orthopäden Dr. S. ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 6. Mai 2013 aus, dass Stabilitätstests des Kniegelenkes rechtsseitig ohne pathologischen Befund sowie Innen- und Kreuzbänder stabil gewesen seien. Der Gang auf ebener Erde ohne Schuhwerk sei sicher, rechtsseitig bestünde leichtes Hinken. Die Schrittgröße sei seitengleich. Die Beweglichkeit der Kniegelenke (Streckung/Beugung) hätte rechts 0-0-130° und links 5-0-150° betragen. Der Gutachter sah als wesentliche Unfallfolgen eine knöchern konsolidierte Tibiakopffraktur ohne wesentliche Deformität bei röntgenologisch nahezu seitengleicher Gelenkspaltweite, eine posttraumatisch aufgetretene tiefe Beinvenenthrombose mit vollständiger Rekanalisation, Ruhe- und Belastungsschmerzen des rechten Beines sowie ein eingeschränktes Gangbild. Ferner äußerte er den Verdacht auf das Bestehen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und regte eine psychiatrische Zusatzbegutachtung an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 10 vom Hundert (v. H.) ein.

Der beratende Facharzt für Neurologie und Psychiatrie der Beklagten Dr. O. stellte am 2. Juni 2013 fest, dass über Todesangst bzw. eine außerordentliche Belastung durch das Unfallereignis auf psychischem Gebiet nichts berichtet worden sei. Er verwies auf sein nervenärztliches Gutachten vom 19. Dezember 2012, das er für die Beklagte im Rahmen einer MdE-Feststellung bzgl. der Berufskrankheit wegen FSME erstellt hätte, und worin er im ursächlichen Zusammenhang mit der Berufskrankheit alleine eine Anpassungsstörung (Angst und Depression gemischt), eine distale Armparese rechts mit Feinmotorikstörung und FSME diagnostiziert habe. Hinsichtlich der Tibiakopffraktur und Thrombose seien bei der damaligen Untersuchung keine Schmerzen angegeben worden. Gleiches gelte für die emotionale und psychische Situation. Diesbezüglich seien keine Symptome einer posttraumatischen Belastungssituation angegeben worden. Es hätten sich lediglich depressive Symptome gefunden, die als Prozess einer insuffizienten Krankheitsverarbeitung interpretiert worden seien. Dr. O. schloss das Vorliegen einer PTBS aus und hielt eine weitere Begutachtung auf dem psychiatrischen Fachgebiet für nicht erforderlich.

Nachdem der beratende Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie der Beklagten Dr. Sp. anhand der von Dr. S. erhobenen Befunde unter Verweis auf die unfallmedizinische Literatur lediglich eine MdE von unter 10 v.H. (Stellungnahme vom 4. Juni 2013) eingeschätzt hatte, anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2013 das Ereignis vom 15. Oktober 2009 zwar als Arbeitsunfall, lehnte die Gewährung einer Verletztenrente jedoch ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 v. H. gemindert sei.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Begutachtung sei nicht durch Dr. S. persönlich und zudem nur sehr oberflächlich erfolgt. Die Beklagte veranlasste darauf eine erneute Begutachtung. Der Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums am Gesundbrunnen Heilbronn Dr. L. gab in seinem Gutachten vom 22. November 2013 an, dass die Klägerin ein weitgehend flüssiges Gangbild gezeigt habe. Bei den Kniegelenken hätte sich eine freie Beweglichkeit im Bewegungsausmaß von 0-0-130° gefunden. Die Meniskuszeichen hätten sich nicht provozieren lassen. Der Bandapparat sei fest gewesen, insbesondere die Seitenbandführung und der Zentralkomplex beidseits. Auch die zuletzt im April 2013 gefertigten Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenks hätten keinen Hinweis für eine knöcherne Verletzung erkennen lassen. Es hätte sich ein konstant unveränderter Befund über 3 ½ Jahre mit regelrechter Darstellung des kniegelenksbildenden Skelettanteile bei leichter Verschmälerung des inneren Hauptgelenkspalts gezeigt. Retrospektiv sei von einer schweren Prellung des Schienbeinkopfes mit Haarrisslinienbildung im vorderen äußeren Anteil des äußeren Hauptgelenks des rechten Kniegelenks am Schienbeinkopf auszugehen. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, dass die jetzt noch geklagten wiederkehrenden Schmerzen im Kniegelenk, eine schmerzbedingte Einklemmungssymptomatik und eine gewisse Instabilität auf einem schicksalhaften Leidensbild in Form von Knorpelaufbraucherscheinungen beruhten. Aus dem Unfallereignis vom 15. Oktober 2009 ließen sich weder klinisch, röntgenologisch noch kernspintomographisch Unfallfolgen im Bereich des rechten Kniegelenkes herleiten. Auch Zeichen eines postthrombotischen Syndroms hätten sich nicht gefunden. Damit liege keine unfallbedingte MdE vor.

Darauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2014 zurück.

Deswegen hat die Klägerin am 27. Februar 2014 beim SG Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Thrombose sei nicht vollkommen ausgeheilt. Dies ergebe sich aus einer Dokumentation des W.-Medicums vom 2. August 2013. Darin ist unter "Besonderheiten" vermerkt: "Z. n. posttraumat. TVT im Bein OP ggf. ohne Blutsperre!!" (Bl. 10 SG-Akte).

Das SG hat den behandelnden Internisten der Klägerin, Dr. H., schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat im Juli 2014 ausgeführt, Folgen der Thrombose im Jahr 2009 hätten bei seiner Behandlung eine untergeordnete Rolle gespielt. Aus den von Dr. H. vorgelegten medizinischen Unterlagen geht hervor, dass die Klägerin im Jahr 2011 eine Thrombose auch am linken Bein erlitten hat (Arztbrief von Dr. P. vom 11. April 2011). Anlässlich einer fachärztlichen Behandlung im Januar 2014 wurde die Notwendigkeit einer Antikoagulation thematisiert, die die Klägerin jedoch nicht wünschte (Arztbrief von Dr. St. vom 28. Januar 2014).

Mit Urteil vom 25. Februar 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Gesundheitsstörungen, die die Erwerbsfähigkeit der Klägerin messbar beeinträchtigten und auf den Arbeitsunfall vom 15. Oktober 2009 zurückzuführen seien, würden nicht mehr vorliegen. Das SG hat sich dabei insbesondere auf das Gutachten von Dr. L. gestützt. Die von der Klägerin jetzt noch geschilderten Beschwerden am Kniegelenk seien Folge eines schicksalhaften anlagebedingten Leidensbildes in Form einer sich manifestierenden Knorpelaufbraucherscheinung. Damit komme die Feststellung einer MdE aufgrund unfallbedingter Gesundheitsstörungen nicht in Betracht. Weiter gingen die Ärzte des W.-Medicum im Hinblick auf die Beinvenenthrombose rechts von einem abgeschlossenen Sachverhalt aus, da in der Patientendokumentation die Formulierung "Zustand nach" verwandt worden sei. Der Vermerk sei nur deswegen erfolgt, um bei einem zukünftigen operativen Eingriff über besondere Maßnahmen (Operation ggf. ohne Blutsperre) nachzudenken. Weiter lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Thromboseneigung der Klägerin auf den streitgegenständlichen Unfall zurückgeführt werden könnte. Wesentliche Risikofaktoren hierfür seien bei der Klägerin Rauchen und Adipositas.

Am 6. März 2015 hat die Klägerin beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie führt an, dass sie weiterhin als Schäferin arbeite, im Winter 4-5 Stunden, sonst 9-10 Stunden. Daneben betreibe sie noch eine Landwirtschaft. Schmerzmittel nehme sie nach Bedarf. Sie leide noch heute in erheblicher Weise unter den Folgen der Tibiakopffraktur sowie der Thrombose. Beide seien mit einer Funktionseinschränkung des Beines verbunden. Durch die Behandlung in der BG-Klinik sei zudem eine Thromboseanfälligkeit entstanden. Schließlich habe sie sich in Psychotherapie begeben, wo die aufgrund des Unfalls entstandene PTBS behandelt werde. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2016 verweist sie zudem auf ein Herausschnappen ihres Unterschenkels.

In einem weiteren nervenärztlichen Gutachten von Dr. M. vom 23. März 2015, das im parallelen Gerichtsverfahren vom SG im Hinblick auf die Höhe der MdE wegen der festgestellten Berufskrankheit eingeholt worden war, ist angeführt worden, dass sich psychiatrisch kein Stimmungstief habe feststellen lassen. Die Klägerin habe konflikthafte Situationen innerfamiliär angedeutet. Dem Behandlungsverlauf entsprechend sei von einer eher leichten Störung auszugehen. Psychiatrisch-medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlungen würden nicht in Anspruch genommen. In einem weiteren - auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Parallelverfahren wegen der Berufskrankheit eingeholten - nervenärztlichen Gutachten von Dr. N. vom 27. Juni 2016 sind als psychischer Befund generalisierte und situationsbezogene Ängste beim Autofahren vor Unwetter wegen eines früheren Hagelschadens und beim schnellen Entgegenkommen von Schafen wegen ihres Unfalls mit Knieverletzung im Jahr 2009 erhoben worden. Stimmungsmäßig sei die Klägerin leicht depressiv gewesen. Insgesamt ist der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass leichte Ängste und depressive Stimmungszustände, aber keine gravierende psychische Störung vorliegen würden. Die ängstlich-depressive Anpassungsstörung bestehe wegen der Funktionsstörungen durch die FSME.

Am 18. September 2015 wurde bei der Klägerin am rechten Knie eine arthroskopische Operation durchgeführt. Es wurden im Operationsbericht eine geringe vordere Kreuzbandinsuffizienz rechts und Chrondromalazie (Knorpelschädigung) ICRS (innere Oberschenkelrolle) Grad 3 diagnostiziert. Der Senat hat deswegen Dr. F. als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 1. Juli 2016 mitgeteilt, dass die in der Arthroskopie festgestellten Knorpelschädigungen degenerativ zu bewerten seien. Sie lägen insbesondere außerhalb der damals verletzten Region am lateralen Schienbeinkopf. Es sei keine dauerhafte MdE aufgrund des Unfalls vom 15. Oktober 2009 verblieben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Februar 2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2014 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr, aufgrund des Arbeitsunfalls vom 15. Oktober 2009 eine Verletztenrente gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren, hilfsweise Herrn Dr. med. J. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in Reutlingen, nach § 109 Sozialgerichtsgesetz gutachterlich zu hören zu der Frage, ob der Zustand ihres rechten Beines Folge des am 15. Oktober 2009 erlittenen Arbeitsunfalls ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt an, dass eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß selbst bei Anerkennung der im Arthroskopiebericht festgestellten leichten Lockerung des vorderen Kreuzbandes, die im Hinblick auf die klinischen Befunde nicht von relevanter Bedeutung sei, nicht resultieren würde. Sie verweist auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Orthopäden und Traumatologen Dr. T. vom 23. März 2016, wonach es plausibel erscheine, dass man die leichte Insuffizienz bzw. Dehnung des vorderen Kreuzbandes als Unfallfolge ansehe. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß könne daraus aber nicht resultieren. Dies wäre nur bei ausgeprägten komplexen Bandinstabilitäten berechtigt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, der Gerichts- und Verwaltungsakten über das parallele Verfahren S 1 U 673/14 und L 6 U 4142/15 sowie der Prozessakten aus erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG fristgerecht eingelegt worden und im Übrigen statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2014 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verletztenrente.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässig. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2014, mit welchem die Beklagte bei der Klägerin zwar den Unfall vom 15. Oktober 2009 als Arbeitsunfall anerkannt, die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls aber abgelehnt hat. Nachdem die Klägerin die streitbefangenen Bescheide nur teilweise, soweit die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt hat, angefochten hat, ist allein dies Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Nach § 80a Abs. 1, § 221 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben landwirtschaftliche Unternehmer - wie die Klägerin -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 80a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamt-gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, juris, Rz. 12): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Weiter müssen der Gesundheitsschaden und insbesondere der Funktionsverlust, aus dem sich die MdE ableitet, durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht worden sein. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Er-folg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 &8722; B 2 U 27/04 R -, juris, Rz. 16). Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger W. die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rz. 25 ff.).

Hiervon ausgehend bedingen die verbliebenen Folgen des Arbeitsunfalles vom 15. Oktober 2009 keine messbare MdE.

Bei der Klägerin kam es bei dem Unfall zu einer Schienbeinkopfprellung mit Haarissbildung in der vorderen äußeren Schienbeinkopfgelenkfläche. Diese Verletzung ist nach fünf Monaten folgenlos abgeheilt und hat auch keine präarthrotische Deformität hervorgerufen. Der Senat folgt dabei dem ausführlichen Gutachten des Dr. L., das in Form und Inhalt den Anforderungen entspricht, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind. Derartige Gutachten, die vom Versicherungsträger im Rahmen der Amtsermittlungspflicht eingeholt werden, sind keine Parteigutachten und können im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden und – wenn sie überzeugend begründet sind wie hier –, ggf. auch maßgebliche medizinische Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 – 2/9b RU 66/87 –, juris, Rz. 17). Dr. L. hat nachvollziehbar herausgearbeitet, dass die bei der Klägerin geltend gemachten Aufbraucherscheinungen bzw. die Knorpelschädigung im rechten Knie mit konsekutiver Beschwerdesymptomatik unfallunabhängig sind. Die am Unfalltag gefertigten Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenks haben keinerlei Hinweis für knöcherne Verletzungen gezeigt (vgl. D-Arztbericht vom 16. Oktober 2009). Auch die im Verlauf gefertigten Röntgenaufnahmen vom 21. Oktober 2009 und vom 29. April 2013 ließen solche knöcherne Verletzungen nicht erkennen, so dass die Ausführungen von Dr. L. überzeugen, dass insoweit bei der Klägerin ein konstant unveränderter Befund mit regelgerechter Darstellung der kniegelenksbildenden Skelettanteile bei leichter Verschmälerung des inneren Hauptgelenkspalts besteht. Die etwa vier Wochen nach dem Unfallereignis angefertigte MRT-Aufnahme vom 10. November 2009 mit der zusätzlichen CT-Untersuchung hat dann schließlich die Kontusion (Prellung) des rechten Knies mit Haarrisslinienbildung im vorderen äußeren Anteil des äußeren Hauptgelenks des rechten Kniegelenks am Schienbeinkopf zur Darstellung gebracht. Nachdem sich in Folge der Heilbehandlung über die nächsten Monate die Bewegungseinschränkung des Knies deutlich verbessert hatte (Strecken/Beugen 0-5-130°, vgl. Zwischenbericht der BG-Klinik vom 11. Februar 2010), die Klägerin selbst angegeben hatte, dass nach intensiver krankengymnastischer Therapie keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen des rechten Beines mehr bestünden (vgl. Bericht der Universitätsklinik Tübingen vom 17. März 2010) und die Arbeitsunfähigkeit zum 22. Februar 2010 dementsprechend beendet worden war, ist mit Dr. L. davon auszugehen, dass die schwere Prellung ausbehandelt und abgeheilt war. Dies findet Bestätigung im von Dr. L. zitierten MRT-Bericht vom 25. Juli 2013, wonach kein bone bruise (Knochenprellung) mehr nachweisbar war. Bezüglich der in dem dortigen Bericht auch festgestellten Knorpelerweichung (Chondromalazie) im rechten Kniegelenk hat Dr. L. nachvollziehbar und überzeugend herausgearbeitet, dass diese unfallunabhängig bestand. Bereits im MRT-Befund vom November 2009 ist eine solche Chondromalazie in einem geringeren Grade bereits aufgefallen, so dass sie - wegen ihres langsamen Voranschreitens - schon zum Unfallzeitpunkt vorgelegen haben muss. Außerdem besteht sie in einem anderen Teil des Knies, nämlich in der inneren Oberschenkelrolle und des Kniescheibengleitlagers der äußeren Oberschenkelrolle und nicht am Kontusionsherd der äußeren vorderen Schienbeinkopfgelenkfläche. Bei der Klägerin hat insoweit ein Symptomwechsel von den Prellungsbeschwerden nach dem Unfall zu den später im Vordergrund stehenden Chondropathia patellae-Beschwerden stattgefunden. Dass die Knorpelschädigung, wegen der sich die Klägerin einer Arthroskopie unterzog, in keinem Zusammenhang mit dem hier streitigen Unfallereignis steht, wird schließlich auch von dem behandelnden Arzt der Klägerin, Dr. F., ausdrücklich bestätigt (vgl. Stellungnahme vom 1. Juli 2016).

Unabhängig davon kommt für die bestehenden Kniegelenksbeschwerden auch keine MdE in Betracht, da vor allem die Beweglichkeit nahezu frei ist. Grundsätzlich ist der Grad der MdE aus den festgestellten Funktionsbehinderungen abzuleiten, wobei als Maßstab Einschränkungen der Bewegungsmaße und durch neurologische Ausfalle bedingte funktionelle Beeinträchtigungen in Betracht kommen. Vorliegend konnten Dr. L., wie auch zuvor schon Dr. S., lediglich eine geringe Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks feststellen (jeweils 0-0-130°). Meniskuszeichen konnte Dr. L. nicht provozieren und der Bandapparat war fest. Zehen- und Hackenstand konnte die Klägerin durchführen. Auch das besonders kniebeanspruchende Einnehmen der Hocke und das Aufstehen aus der Hocke ohne Hilfestellung gelangen der Klägerin.

Da in der unfallmedizinischen Literatur die Bewegungseinschränkung eines Kniegelenks erst für Streckungs-/Beugungsfähigkeit bis 0-0-120° mit einer MdE um 10 v.H. eingeschätzt wird (vgl. dazu Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 654), kommt bei der Klägerin – anders als Dr. S. annimmt - keine MdE in Betracht. Daran ändert auch die im Operationsbericht vom 18. September 2015 erkannte geringe vordere Kreuzbandinsuffizienz rechts, die nach Meinung des Beratungsarztes der Beklagten Dr. T. wohl auf den Unfall zurückgeführt werden kann, nichts. Der von Dr. L. vorgenommene Lachmann-Test über die Festigkeit des Kreuzbandes erbrachte einen festen Anschlag und ein beidseits negatives Schubladenzeichen. Da der sonstige Bandapparat, insbesondere die Seitenbänder, von ihm und auch Dr. S. als fest beurteilt wurde, kommt aufgrund der allein arthroskopisch festgestellten geringen Kreuzbandinsuffizienz ohne klinisch relevante Instabilität keine MdE in Betracht. Derartiges wäre erst bei einem Wackelknie berechtigt (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a. a. O., S. 654 f.). Hiervon ist die Klägerin aber entfernt.

Die sich zeitnah zum Unfallereignis entwickelnde und wohl darauf zurückzuführende (vgl. Bericht der Universitätsklinik Tübingen vom 17. März 2010) tiefe Unterschenkelvenenthrombose besteht nicht mehr und führt daher zu keiner MdE. Unter Marcumarsierung konnte die Vene ohne Nachweis von Thromben rekanalisiert werden und die Marcumar-Behandlung schließlich wieder ausgeschlichen werden (vgl. Bericht der Universitätsklinik Tübingen vom 17. März 2010). Folgen, insbesondere Zeichen eines postthrombotischen Syndroms, sind bei der Klägerin nicht verblieben, worauf auch der Gutachter Dr. L. hinweist und was in der vom SG eingeholten Zeugenauskunft beim Internisten Dr. H. Bestätigung findet, wonach die Thrombose bei seinen Behandlungen eine nur untergeordnete Rolle spielte. Dementsprechend wird von dem W.-Medicums ein "Zustand nach" posttraumatischer Beinvenenthrombose vermerkt, was nichts anderes bedeutet, als dass die Erkrankung nicht mehr vorliegt.

Anhaltspunkte für eine unfallbedingte erhöhte Thromboseneigung bestehen nicht. Die im Jahr 2011 aufgetretene Venenthrombose betraf das nicht unfallbetroffene linke Bein. Bei einer akuten Thromboseneigung wäre zudem eine längerfristige Marcumarbehandlung zu erwarten gewesen. Eine solche Behandlung wurde bei der Klägerin aber beendet. Ärztliche Äußerungen oder sonstige Hinweise, dass nun durch den Unfall mit dem Schaf eine erhöhte Thrombosegefahr in der Zukunft besteht sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist die bei der Klägerin bestehende Thrombosegefahr – worauf das SG zutreffend hinweist - maßgeblich durch ihr Übergewicht, die Einnahme der Antibabypille und das Rauchen bedingt (vgl. Bericht der Universitätsklinik Tübingen vom 17. März 2010). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Rentenbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung im Kern eine Funktionsbegutachtung ist. Bei der MdE-Bewertung sind also grundsätzlich nur bestehende funktionelle Einschränkungen zu berücksichtigen. Solche Einschränkungen sind bei der Klägerin im Hinblick auf die vergangene tiefe Unterschenkelvenenthrombose links aktuell jedoch nicht erkennbar oder vorgetragen.

Eine PTBS, auf welche die Klägerin weiter in ihrer Berufungsbegründung abstellt, liegt nicht vor. Bei ihr fehlen bereits - worauf u.a. Dr. O. zutreffend hinweist (Stellungnahme vom 1. Juli 2013) – Todesangst bzw. eine außerordentliche Belastung durch das Unfallereignis auf psychischem Gebiet. Es existieren auch keine Befundberichte oder andere ärztliche Stellungnahmen vor, in denen einen PTBS diagnostiziert wird.

Der Senat hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine solche Störung vorliegt, in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 28. Juli 2016 - L 6 U 124/14 -, juris, Rz. 50) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der International Classification of Diseases (ICD-10) oder dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) orientiert. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (so auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Die PTBS wird als Gesundheitsstörung nach ICD-10 F43.1 erfasst. Hiernach entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte, können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind u.a. das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Derartiges wurde von den behandelnden Ärzten oder in den zuletzt im Parallelverfahren erstellten nervenärztlichen Gutachten jedoch übereinstimmend bei der Klägerin nicht berichtet, so dass eine PTBS – wie Dr. O. überzeugend ausführt - ausscheidet. Der Zusammenstoß mit dem Schaf im Kniebereich am 15. Oktober 2009 wird gegenüber der Gutachterin Dr. M. gar nicht und gegenüber Dr. N. nur am Rande erwähnt. Überdies erfüllt der Zusammenstoß nicht das A-Kriterium (Todesnäheereignis).

Die von den Gutachtern Dr. O. und Dr. N. festgestellte leichte psychische Störung in Form von leichten Ängsten und depressiven Stimmungszuständen wird von ihnen nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem hier streitigen Unfallereignis gesehen, sondern allenfalls mit der Verarbeitung der FSME-Erkrankung, so dass nach alledem bei der Klägerin keine MdE messbaren Ausmaßes aufgrund des Unfalles vom 15. Oktober 2009 vorliegt. Ein Verletztenrentenanspruch, auch als Stützrente, besteht somit nicht.

Dem hilfweisen Antrag auf Einholung eines Gutachtens beim Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. K. nach § 109 SGG war nicht stattzugeben. Das Gericht kann ein solches Gesuch gemäß § 109 Abs. 2 SGG ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Eine Verzögerung in diesem Sinne tritt ein, wenn sich wegen der Beweisaufnahme nach § 109 SGG der durch eine erfolgte oder bevorstehende Terminierung bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung verschieben würde (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rz. 11). Dies wäre vorliegend der Fall gewesen, denn der Antrag wurde erst gestellt, nachdem die mündliche Verhandlung am 20. Oktober 2016 anberaumt worden war. Zudem handelte die Klägerin, welcher das Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten zuzurechnen ist, aus grober Nachlässigkeit. Diese liegt beim Verabsäumen jeglicher prozessualer Sorgfalt vor (BSG, Urteil vom 10. Juni 1958 - 9 RV 836/55 -, BSGE 7, 218). Daher müssen Beteiligte den Antrag spätestens innerhalb einer angemessenen Frist stellen, wenn sie erkennen müssen, dass das Gericht keine - weiteren - Erhebungen von Amts wegen durchführt (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2015 - L 13 SB 348/11 -, juris, Rz. 32; Keller, a. a. O.). Dies hat die Klägerin versäumt. Das Gesuch ist erst mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 - d.h. weniger als eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung - gestellt worden, obwohl bereits mit der gerichtlichen Anfrage vom 4. August 2016 bzgl. eines Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und schließlich mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 20. September 2016, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am nächsten Tag zugestellt, deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen mehr durchzuführen.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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