Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4383/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1806/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. April 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1967 geborene Kläger hat den Beruf des chemisch-technischen Assistenten erlernt und war in diesem Beruf bis Dezember 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend übte er eine Tätigkeit als freiberuflicher Honorarlehrer im Bereich EDV aus. Diese Tätigkeit beendete er zum Ende des Jahres 2014. Seit November 2014 ist er als Assistent im S. C. (Museum) E. in H. tätig. Diese Tätigkeit übte er zunächst im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung aus; seit April 2016 ist er dort nach seinen eigenen Angaben in Teilzeit versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 28.04.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung seines Rentenantrages gab er folgende Leiden an: Tinnitus, Kniegelenksoperationen, Lendenwirbelsäulenbeschwerden, Hörgeräteversorgung, depressive Entwicklung mit Ängsten und Schlafstörungen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Diese stationäre Maßnahme wurde in der Zeit vom 10.07.2014 bis 14.08.2104 in der Rehaklinik H., Fachklinik für Orthopädie und Psychosomatik, durchgeführt. Im Rehaentlassbericht vom 12.08.2014 wurden folgende Diagnosen gestellt: 1. anhaltende somatoforme Schmerzstörung 2. mittelgradige depressive Episode 3. soziale Phobie 4. spezifische Phobie 5. Belastungs- und Funktionseinschränkungen bei medialer sowie retropatellarer Gonarthrose. Die letzte berufliche Tätigkeit als freiberuflicher Lehrer (EDV) könne der Kläger noch drei bis unter sechs Stunden, leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkung sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 03.09.2014 den Rentenantrag des Klägers ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass nicht alle Erkrankungen ausreichend berücksichtigt worden seien.
Der Kläger wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 30.10.2014 von dem Internisten Dr. B. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom selben Tag folgende Diagnosen: 1. Belastungsabhängige Lumbalgien bei Verschleiß; belastungsabhängige HWS-Beschwerden 2. Mediale Gonarthrose linkes Knie: mäßige Funktionsbeeinträchtigung 3. Migräneneigung 4. leichtgradige somatoforme Schmerzstörung 5. rezidivierende depressive Episoden 6. sonstige Diagnosen: soziale Phobie; Tinnitus beidseits; Hörminderung beidseits, mit Hörgeräten versorgt; familiäre Hypertriglyzeridämie (ohne sonstige kardiovaskuläre Risikofaktoren). Die berufliche Tätigkeit als Lehrer (EDV) sei dem Kläger noch drei bis unter sechs Stunden täglich zumutbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Heben und Tragen von Lasten größer als 15 Kilogramm, ohne häufiges Bücken, ohne längere Gehstrecken und ohne Ersteigen von Leitern und Gerüsten seien dem Kläger aber noch sechs Stunden und mehr täglich zumutbar.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2014 zurück. Unter Berücksichtigung aller beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen (belastungsabhängige Lumbalgien bei Verschleiß, belastungsabhängige Halswirbelsäulenbeschwerden, mediale Gonarthrose linkes Knie mit mäßiger Funktionsbeeinträchtigung, Migräneneigung, leichtgradige somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Episoden, soziale Phobie, Tinnitus beidseits, Hörminderung beidseits, mit Hörgeräten versorgt und familiäre Hypertriglyzeridämie) und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeit seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Es liege daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.
Hiergegen hat der Kläger am 18.12.2014 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt. Der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat am 18.02.2015 erklärt, dass das Leistungsvermögen des Klägers unter drei Stunden betrage. Der Diplompsychologe J. hat am 13.03.2015 erklärt, dass sich der Kläger im Dezember 2014 in psychisch sehr instabilem Zustand zu psychotherapeutischen Gesprächen angemeldet habe. Nach mehreren probatorischen Sitzungen werde inzwischen eine Verhaltenstherapie durchgeführt. Bei der vorliegenden schweren psychischen Störung seien wöchentliche Sitzungen in Langzeittherapie indiziert. Eine berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei bei der vorliegenden Symptomatik nur bis zu vier Stunden pro Tag möglich. Aktuell halte er eine Tätigkeit von zwei bis vier Stunden pro Tag, abhängig von den körperlichen und psychischen Anforderungen und Belastungen, für möglich. Der Orthopäde B. hat mitgeteilt, dass er die Leistungsfähigkeit des Klägers auf unter drei Stunden pro Tag einschätze. Die Probleme lägen überwiegend nicht auf orthopädischem, sondern auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Das SG hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Amts wegen bei Dr. B., M., eingeholt. Dieser hat den Kläger am 17.06.2015 untersucht und in seinem Gutachten vom 07.07.2015 folgende Diagnosen gestellt: 1. sehr vielschichtige und auch ausgeprägte Persönlichkeitsakzentuierung bei gleichzeitig nur niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau, auf dem Boden emotionaler Störfaktoren in der Kindheit von je her bestehend, in der Zusammenschau als kombinierte Persönlichkeitsstörung zu beschreiben 2. unzureichend behandelte funktionelle Schlafstörung 3. Somatisierungsneigung 4. Hinweise für ein blandes bzw. latentes Carpaltunnelsyndrom wie auch Sulcus ulnaris-Syndrom links 5. mit Hörgeräten gut kompensierte Hypakusis 6. sogenannter kompensierter Tinnitus 7. Rückenbeschwerden zum Teil auch lumboischialgieform links berichtet 8. angegebene Kniegelenksbeschwerden 9. angegebene Migräne seit bereits 20 Jahren Körperlich leichte Tätigkeiten könne der Kläger aus nervenärztlicher Sicht vollschichtig verrichten. Es ergäben sich qualitative Leistungseinschränkungen. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten an unmittelbar gefährlichen Maschinen, ebenso Tätigkeiten mit Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht, mit überdurchschnittlicher fordernder sozialer Interaktion oder besonderen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit sowie Tätigkeiten unter regelmäßigem Zeitdruck und besonderer nervöser Anspannung. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien mit diesen Einschränkungen aus nervenärztlicher Sicht möglich. Die erlernte Tätigkeit als chemisch-technischer Assistent, aber auch durchaus Tätigkeiten im EDV-Bereich seien noch möglich. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Zum psychischen Befund gibt Dr. B. unter anderem an, dass ein sofortiger Kontakt, durchaus sofort und auch spontan in beiläufiger Konversation, möglich gewesen sei. Insbesondere zu Beginn sei der Kläger zwar deutlich affektverhalten gewesen, er sei dann aber zunehmend und auch deutlich und anhaltend aufgetaut. Er habe sich dann durchaus unkompliziert und mitteilsam bei zweifellos massivem Gesprächsbedarf gezeigt. Zeitweise sei er wirklich humorvoll, auch durchaus zu munteren Anmerkungen, ja auch zu wirklich lachenden Schilderungen in der Lage gewesen. In der mehrstündigen gutachterlichen Gesamtuntersuchung (von 09:10 Uhr bis 13:15 Uhr) seien Auffassung und vor allem auch Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis und Aufmerksamkeit bis zuletzt völlig ungestört geblieben. In der zwangsläufig für jeden überdurchschnittlich anstrengenden gutachterlichen Untersuchungsprozedur seien auch keinerlei Zeichen von Erschöpfung oder Ermüdung erkennbar gewesen. So sei nach dichter, über zweistündiger Anamneseerhebung eine kurze Pause angeboten worden. Der Kläger habe aber lediglich einen kurzen Schluck aus dem mitgebrachten Getränk nehmen wollen. Danach sei es ausdrücklich nach Wunsch des Klägers gleich weiter gegangen. Der Gutachter gab weiter an, dass eine überdauernde, etwas depressive Neigung nicht zu beschreiben sei. Es ergebe sich kein weitreichendes Vermeidungsverhalten, auch keine eigenständige Antriebsstörung. Der Kläger zeige durchaus eine gut erhaltene inhaltliche und auch affektive Auslenkbarkeit. Gegen eine weitreichende, also etwa quantitative Leistungseinschränkung spreche auch die Abbildung der Teilhabe des Klägers. So habe der Kläger unter anderem angegeben, dass er ganz normal Pkw fahren könne, dass er mit der Bahn fahre, Fitnesstraining mache, regelmäßig Rad fahre, einkaufen gehe im Großmarkt. Er versorge den Haushalt, mache Theaterbesuche und besuche Freilichtbühnenaufführungen. Der Kläger habe von Kurzurlauben berichtet sowie davon, zusammen mit dem Partner zu kochen und auch gemeinsam essen zu gehen. Er habe berichtet fernzusehen, gelegentlich auch zusammen mit seinem Partner Schach zu spielen und sich am PC/Internet zu beschäftigen.
Auf Antrag des Klägers hat das SG zudem ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Auftrag gegeben. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S., H., hat nach ambulanter Untersuchung in seinem Gutachten vom 19.11.2015 folgende Diagnosen gestellt: kombinierte Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, derzeit leicht ausgeprägte Episode, Migräne, Lumboischialgie, Gonarthrose links, Zustand nach Kreuzbandruptur, Tinnitus und Schwerhörigkeit. Aus psychiatrischer Sicht könne der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Die depressive Verstimmung sei zum Zeitpunkt der Begutachtung nur leicht ausgeprägt gewesen, die Belastbarkeit aber als Folge der Antriebsschwäche unter diffusen Ängsten soweit eingeschränkt, dass der Kläger für eine Tätigkeit von sechs Stunden und mehr derzeit nicht ausreichend belastbar sei. Antrieb und Motivation seien durch Selbstsicherheit und Entscheidungsunfähigkeit gehemmt. Auf neurologischem Fachgebiet ergäben sich derzeit keine relevanten Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Als Folge der depressiven Störung und der diffusen Ängste bestünden Einschränkungen bezüglich Flexibilität, Stressbelastbarkeit und Arbeitstempo. Tätigkeiten unter Zeitdruck, Nachtschicht oder Akkordbedingungen seien deshalb nicht zumutbar. Es sei bei der Exploration durchaus eine Verdeutlichungstendenz von Beschwerden erkennbar gewesen. Die Selbstunsicherheit und Ängstlichkeit sei Teil der Primärpersönlichkeit als Folge des wiederholten Scheiterns, z. B. im Jura- und Lehramtsstudium. Als Honorarlehrer hätten sich die Versagensängste und Verunsicherungen noch verstärkt. Depressive Verstimmungszustände seien nachweisbar erstmals im Januar 2014 aufgetreten. Eine Fortsetzung der verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie sei durchaus sinnvoll. Auch ein erneutes stationäres Heilverfahren könne gegebenenfalls dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die therapeutischen Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung der depressiven Verstimmungszustände und Ängste seien bisher auch noch nicht ausgeschöpft. Der Kläger nehme bislang lediglich Trimipramin in sehr niedriger Dosierung. In dieser Dosierung wirke es lediglich als ein leichtes Schlafmittel. Es stünden andere Antidepressiva zur Verfügung, die spezifischer auch gegen die Ängste wirksam sein könnten.
Die Beklagte hat hiergegen mit einer Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes Einwendungen erhoben. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. hat in seiner Stellungnahme insbesondere auf die nur unzureichende Medikation hingewiesen und ausgeführt, dass zu beachten sei, dass sich nach wiederholter Begutachtung ein Lerneffekt seitens des Versicherten abbilde, welche Fragen gestellt und wie sie beantwortet werden müssten. Auch würden die von Dr. S. erhobenen Befunde eher für einen dysthymen Verstimmungsgrad sprechen und die sozialmedizinische Leistungseinschätzung nicht belegen. Insbesondere falle auf, dass keinerlei kognitive Einschränkungen zu verzeichnen gewesen seien. Dass die Persönlichkeitsvariante, sei es nun als Störung oder als Charaktervariante beschrieben, ein Ausmaß habe, dass sie zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögen führen würde, lasse sich aus den vorgetragenen Anamnesen nicht herausdeuten. Der Kläger hat auf diese Stellungnahme erwidert, dass auch Dr. S. nur eine leichte Ausprägung der depressiven Erkrankung gesehen habe und dies die Behandlungsdosis mit dem Medikament Trimipramin erkläre. Die Versagens- und Zukunftsängste, die Selbstunsicherheit und die begrenzte Stressresistenz seien als vordergründig anzusehen. Dr. S. habe zudem ausdrücklich erklärt, dass sich bei der neurologischen und psychiatrischen Untersuchung keine Hinweise für eine Simulation oder Aggravation gefunden hätten. Des Weiteren hat der Kläger einen Bericht des Diplompsychologen Jaiser vom 15.12.2015 nach Abschluss der 25 Therapiesitzungen vorgelegt. Darin werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom, eine generalisierte Angststörung und eine kombinierte Persönlichkeits- und Verhaltensstörung genannt. Es sei aufgrund der Persönlichkeitsentwicklung in der Kindheit und Adoleszenz davon auszugehen, dass die Verhaltensmuster in der Kindheit begonnen hätten und bis ins Erwachsenenalter andauerten. Der Kläger wirke verbittert. Er sei aber nach allen Qualitäten sicher orientiert und es fielen keine Probleme der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit auf. Antriebsmotorik und Psychomotorik seien ungestört. Von der Stimmungslage wirke er gut schwingungsfähig, allenfalls mürrisch, gereizt und ängstlich. Trotz leichter Veränderung der psychischen Symptomatik des Klägers sei ein angemessener Ablauf des täglichen Lebens noch stark behindert. Der Kläger sei davon überzeugt, dass er nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinten Arbeitsmarkt von maximal zwei bis unter sechs Stunden aktuell durchhalten könne. Die Umwandlung in eine Langzeittherapie sei nicht in Betracht gezogen worden. Der Kläger habe die Therapie in leicht gebessertem Zustand beendet.
Das SG hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung vom 04.04.2016 durch Urteil abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Diese ergebe sich im Wesentlichen aus dem im Gerichtsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr. B., wonach der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Während der von 09:10 Uhr bis 13:15 Uhr andauernden Untersuchung seien Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit bis zuletzt ungestört gewesen. Dr. B. habe schlüssig dargelegt, dass sich bei dysthymen Zügen keine depressive Einengung gezeigt habe. Auch habe Dr. B. ein weitreichendes Vermeidungsverhalten wie auch eine eigenständige Antriebsstörung nicht finden können. Dr. B. habe zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Auskunft des behandelnden Nervenarztes die subjektive Beschwerdeschilderung mit dem objektiven Befund vermischt werde und in der Aussage des behandelnden Psychologen der Kläger in seinem psychosozialen und biografischen Kontext nicht wirklich so abgebildet werde, dass eine sozialmedizinische Beurteilung daraus herleitbar sei. Nicht überzeugend für das Gericht sei die Einschätzung des nach § 109 SGG gehörten Nervenarztes Dr. S., welcher den Kläger nur noch für zwischen drei und unter sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet habe. Dieser habe ausgeführt, dass die Selbstunsicherheit, die Antriebsstörung und die diffusen Ängste, insbesondere Ängste und Versagensängste des Klägers hinsichtlich ihrer Auswirkung für die berufliche Leistungsfähigkeit von Dr. B. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Für das Gericht sei bereits nicht nachvollziehbar, weshalb aus diesen Gründen dann dem Kläger eine leidensgerechte Tätigkeit beispielsweise fünf Stunden täglich möglich sein solle, aber nicht eine weitere Stunde. Entweder sei aufgrund der Selbstunsicherheit usw. die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich (rentenrechtlich also Leistungsvermögen unter drei Stunden) oder die Bedingung sei eben nur qualitative Einschränkung. Auch Dr. S. habe bei der Untersuchung keine Störung von Konzentration, Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit gesehen. Er habe auch keine Einschränkung des Durchhaltevermögens und keine relevanten Störungen des Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisses beschrieben.
Gegen das dem Kläger am 12.05.2016 zugestellte Urteil hat dieser am 17.05.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass er nach wie vor der Auffassung sei, dass die Voraussetzungen für die beantragte Rente vorlägen. Das Ergebnis des Gutachtens von Dr. B. sei für den Kläger nicht nachvollziehbar. Er halte unter Hinweis auf die Einschätzungen des Gutachters Dr. S. und seiner behandelnden Ärzte an seinem Begehren fest. Er habe nach wie vor Angstzustände, Konzentrationsstörungen, Erschöpfungszustände schon nach wenig körperlicher und geistiger Anstrengung, Schmerzen in den Knien und Rücken. Auch seine Beschwerden wegen des Tinnitus und der Schwerhörigkeit seien völlig übergangen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. April 2016 sowie den Bescheid vom 3. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. April 2014 eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG und hat ergänzend angegeben, dass sowohl die Schwerhörigkeit als auch der Tinnitus sehr wohl bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigt worden seien.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 11.01.2017 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Dort hat der Kläger u.a. angegeben, dass er seit April 2016 eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Assistent im S. C. (Museum) E. in H. ausübe. Der zeitliche Umfang betrage etwa 20 Stunden in der Woche, also etwa vier Stunden pro Tag. Er betreue hier Schülergruppen während der Workshops in der Ausstellung und bei den Experimenten. Aufgrund der Geräuschkulisse bei den Schülern sei es für ihn aufgrund seiner Hörgeräte oft schwierig, sich zu konzentrieren. Hin und wieder komme es vor, dass er zwei Workshops pro Tag betreue. Ein Kurs dauere etwa 3 bis 3,5 Stunden zuzüglich Zeiten des Auf- und Abbaus. Danach fühle er sich sehr erschöpft, er habe insbesondere im zweiten Kurs dann Konzentrationsprobleme und mache Fehler. Er sei vor solchen Tagen auch immer sehr aufgeregt und schlafe schlecht. Er hat auf Frage zudem mitgeteilt, dass er nach wie vor Medikamente einnehme, diese jedoch keine wesentliche Verbesserung gebracht hätten. Eine Psychotherapie werde derzeit nicht durchgeführt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 04.04.2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 03.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2014 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, da er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig ist.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Ebenfalls zutreffend hat das SG dargestellt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Kläger 1967 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 SGB VI geboren ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen unter Berücksichtigung des Vortrags im Berufungsverfahren nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten herabgesunken ist.
Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. B ... Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht. Er hat insbesondere eine umfassenden Anamnese erhoben (über zwei Stunden), hat verschiedene neurologische Untersuchungen und psychiatrische Tests durchgeführt sowie umfangreich und ausführlich den psychischen Befund aufgeführt. Gestützt wird dieses Ergebnis durch das Gutachten von Dr. B., der den Kläger im Verwaltungsverfahren untersucht hat, sowie den Rehaentlassbericht aus dem Jahr 2014. Auch hier wird jeweils von einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden für zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen.
Nicht folgen vermag der Senat - wie schon das SG - dagegen dem Gutachten von Dr. S ... Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar dargelegt, wie er aus den erhobenen Befunden und gestellten Diagnosen, welche im Wesentlichen nicht von denjenigen abweichen, die von Dr. B. und Dr. B. erhoben wurden, ein auch zeitlich reduziertes Leistungsvermögen ableitet. Insbesondere hat Dr. Starz ebenfalls nur eine leichte depressive Episode diagnostiziert und sogar selbst angegeben, dass diese Erkrankung nicht im Vordergrund stehe. Er schließt zudem Verdeutlichungstendenzen nicht aus. Er hat weiterhin weder Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit, Durchhaltefähigkeit und Aufnahmefähigkeit beschrieben. Hierbei war schon im Gutachten von Dr. B. auffällig, dass der Kläger im Rahmen der durchaus für jeden Probanden anstrengenden und belastenden Gutachtenssituation über einen sehr langen Zeitraum (über vier Stunden) keinerlei Anzeichen für Erschöpfung und Aufmerksamkeitsverlust gezeigt und selbst auf das Angebot des Gutachters nach einer Pause deren Notwendigkeit verneint hat.
Dies sieht der Senat auch nicht durch den Vortrag des Klägers im Erörterungstermin als widerlegt an. Das Ergebnis des maßgeblichen Gutachtens von Dr. B. wird damit vielmehr bestätigt. Der Kläger hat hier angegeben, dass er derzeit regelmäßig an fünf Tagen die Woche etwa vier Stunden als Betreuer im S. C. (Museum) E. in H. arbeite. Es gebe auch Tage, an denen er zwischen sechs und acht Stunden dort tätig sei. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger sich nach einem solchen Arbeitstag erschöpft fühlt. Damit dürfte er sich nicht von einem durchschnittlichen Beschäftigten unterscheiden, der die Besucherbetreuung ohne jede gesundheitliche Einschränkung ausübt. Bei der vom Kläger geschilderten Tätigkeit handelt es sich um eine Beschäftigung, die im Hinblick auf die gesteigerten Anforderungen an das Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen, Flexibilität und Publikumsverkehr den Grad einer leichten Tätigkeit weit überschreitet. Insbesondere ist es durchaus nachvollziehbar, dass für einen Träger von Hörgeräten die Betreuung von vielen Jugendlichen mit entsprechender Geräuschkulisse übermäßig anstrengend und konzentrationsraubend sein kann. Dies alles schließt aber gerade nicht aus, dass der Kläger Tätigkeiten, bei der diese qualitativen Leistungsmerkmale (besondere Anforderungen an das Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen, Publikumsverkehr) nicht gefordert werden, sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann.
Auffällig war für den Senat zudem, dass der Kläger schon seit längerem keine ambulante Psychotherapie mehr durchführt. Hierauf hatte auch der Gutachter Dr. B. hingewiesen, der von völlig unzureichend wahrgenommenen Möglichkeiten der ambulanten Behandlung spricht (vgl. S. 32 d. Gutachtens). Auch Dr. S. weist in seinem Gutachten auf die Möglichkeiten einer ambulanten Psychotherapie, eines stationären Heilverfahrens oder einer anderen Medikation hin. Dies spricht dafür, dass aufgrund der bestehenden Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet doch kein entsprechend gravierender Leidensdruck besteht und damit auch keine entsprechend gravierenden Beeinträchtigungen im alltäglichen Lebensbereich.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit - beeinträchtigt ist, bestehen nicht, zumal der Kläger gegenüber Dr. B. angegeben hat, regelmäßig und auch über längere Strecken seinen eigenen Pkw ohne Einschränkungen zu führen.
Es liegt bei dem Kläger weiterhin keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006, - B 13 RJ 38/05 R - juris Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19.10.2011, - B 13 R 78/09 R - , dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Die beim Kläger bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden. Auch besteht keine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Der Kläger kann mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsbild noch die meisten körperliche Verrichtungen, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, usw.), verrichten. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er wurde 1967 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht geboten. Insbesondere sah sich der Senat nicht dazu veranlasst, ein Gutachten auf dem Gebiet der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde einzuholen bzw. den behandelnden Hals-Nasen-Ohrenarzt zu befragen. Entgegen der Ausführungen des Klägers sind seine Schwerhörigkeit und der Tinnitus im Rahmen der Leistungsbeurteilung von den Gutachtern berücksichtigt worden. Sowohl Dr. B. als auch Dr. S. und Dr. B. haben diese Erkrankungen als Diagnosen angegeben und bei der Anamneseerhebung und der (neurologischen) Befundung berücksichtigt. Der Senat konnte sich insbesondere aufgrund der nachvollziehbaren Angaben von Dr. B. nicht davon überzeugen, dass durch den Tinnitus und die Schwerhörigkeit Einschränkungen bestehen, die das Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten erheblich einschränken. Das Auftreten des Klägers im Erörterungstermin bestätigt diesen Befund. Eine Kommunikation war mit dem Kläger ohne Einschränkungen möglich. Auch Konzentrationsprobleme konnten nicht beobachtet werden.
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1967 geborene Kläger hat den Beruf des chemisch-technischen Assistenten erlernt und war in diesem Beruf bis Dezember 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend übte er eine Tätigkeit als freiberuflicher Honorarlehrer im Bereich EDV aus. Diese Tätigkeit beendete er zum Ende des Jahres 2014. Seit November 2014 ist er als Assistent im S. C. (Museum) E. in H. tätig. Diese Tätigkeit übte er zunächst im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung aus; seit April 2016 ist er dort nach seinen eigenen Angaben in Teilzeit versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 28.04.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung seines Rentenantrages gab er folgende Leiden an: Tinnitus, Kniegelenksoperationen, Lendenwirbelsäulenbeschwerden, Hörgeräteversorgung, depressive Entwicklung mit Ängsten und Schlafstörungen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Diese stationäre Maßnahme wurde in der Zeit vom 10.07.2014 bis 14.08.2104 in der Rehaklinik H., Fachklinik für Orthopädie und Psychosomatik, durchgeführt. Im Rehaentlassbericht vom 12.08.2014 wurden folgende Diagnosen gestellt: 1. anhaltende somatoforme Schmerzstörung 2. mittelgradige depressive Episode 3. soziale Phobie 4. spezifische Phobie 5. Belastungs- und Funktionseinschränkungen bei medialer sowie retropatellarer Gonarthrose. Die letzte berufliche Tätigkeit als freiberuflicher Lehrer (EDV) könne der Kläger noch drei bis unter sechs Stunden, leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkung sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 03.09.2014 den Rentenantrag des Klägers ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass nicht alle Erkrankungen ausreichend berücksichtigt worden seien.
Der Kläger wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 30.10.2014 von dem Internisten Dr. B. untersucht. Dieser stellte in seinem Gutachten vom selben Tag folgende Diagnosen: 1. Belastungsabhängige Lumbalgien bei Verschleiß; belastungsabhängige HWS-Beschwerden 2. Mediale Gonarthrose linkes Knie: mäßige Funktionsbeeinträchtigung 3. Migräneneigung 4. leichtgradige somatoforme Schmerzstörung 5. rezidivierende depressive Episoden 6. sonstige Diagnosen: soziale Phobie; Tinnitus beidseits; Hörminderung beidseits, mit Hörgeräten versorgt; familiäre Hypertriglyzeridämie (ohne sonstige kardiovaskuläre Risikofaktoren). Die berufliche Tätigkeit als Lehrer (EDV) sei dem Kläger noch drei bis unter sechs Stunden täglich zumutbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Heben und Tragen von Lasten größer als 15 Kilogramm, ohne häufiges Bücken, ohne längere Gehstrecken und ohne Ersteigen von Leitern und Gerüsten seien dem Kläger aber noch sechs Stunden und mehr täglich zumutbar.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2014 zurück. Unter Berücksichtigung aller beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen (belastungsabhängige Lumbalgien bei Verschleiß, belastungsabhängige Halswirbelsäulenbeschwerden, mediale Gonarthrose linkes Knie mit mäßiger Funktionsbeeinträchtigung, Migräneneigung, leichtgradige somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Episoden, soziale Phobie, Tinnitus beidseits, Hörminderung beidseits, mit Hörgeräten versorgt und familiäre Hypertriglyzeridämie) und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeit seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Es liege daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.
Hiergegen hat der Kläger am 18.12.2014 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt. Der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat am 18.02.2015 erklärt, dass das Leistungsvermögen des Klägers unter drei Stunden betrage. Der Diplompsychologe J. hat am 13.03.2015 erklärt, dass sich der Kläger im Dezember 2014 in psychisch sehr instabilem Zustand zu psychotherapeutischen Gesprächen angemeldet habe. Nach mehreren probatorischen Sitzungen werde inzwischen eine Verhaltenstherapie durchgeführt. Bei der vorliegenden schweren psychischen Störung seien wöchentliche Sitzungen in Langzeittherapie indiziert. Eine berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei bei der vorliegenden Symptomatik nur bis zu vier Stunden pro Tag möglich. Aktuell halte er eine Tätigkeit von zwei bis vier Stunden pro Tag, abhängig von den körperlichen und psychischen Anforderungen und Belastungen, für möglich. Der Orthopäde B. hat mitgeteilt, dass er die Leistungsfähigkeit des Klägers auf unter drei Stunden pro Tag einschätze. Die Probleme lägen überwiegend nicht auf orthopädischem, sondern auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Das SG hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Amts wegen bei Dr. B., M., eingeholt. Dieser hat den Kläger am 17.06.2015 untersucht und in seinem Gutachten vom 07.07.2015 folgende Diagnosen gestellt: 1. sehr vielschichtige und auch ausgeprägte Persönlichkeitsakzentuierung bei gleichzeitig nur niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau, auf dem Boden emotionaler Störfaktoren in der Kindheit von je her bestehend, in der Zusammenschau als kombinierte Persönlichkeitsstörung zu beschreiben 2. unzureichend behandelte funktionelle Schlafstörung 3. Somatisierungsneigung 4. Hinweise für ein blandes bzw. latentes Carpaltunnelsyndrom wie auch Sulcus ulnaris-Syndrom links 5. mit Hörgeräten gut kompensierte Hypakusis 6. sogenannter kompensierter Tinnitus 7. Rückenbeschwerden zum Teil auch lumboischialgieform links berichtet 8. angegebene Kniegelenksbeschwerden 9. angegebene Migräne seit bereits 20 Jahren Körperlich leichte Tätigkeiten könne der Kläger aus nervenärztlicher Sicht vollschichtig verrichten. Es ergäben sich qualitative Leistungseinschränkungen. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten an unmittelbar gefährlichen Maschinen, ebenso Tätigkeiten mit Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht, mit überdurchschnittlicher fordernder sozialer Interaktion oder besonderen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit sowie Tätigkeiten unter regelmäßigem Zeitdruck und besonderer nervöser Anspannung. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien mit diesen Einschränkungen aus nervenärztlicher Sicht möglich. Die erlernte Tätigkeit als chemisch-technischer Assistent, aber auch durchaus Tätigkeiten im EDV-Bereich seien noch möglich. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Zum psychischen Befund gibt Dr. B. unter anderem an, dass ein sofortiger Kontakt, durchaus sofort und auch spontan in beiläufiger Konversation, möglich gewesen sei. Insbesondere zu Beginn sei der Kläger zwar deutlich affektverhalten gewesen, er sei dann aber zunehmend und auch deutlich und anhaltend aufgetaut. Er habe sich dann durchaus unkompliziert und mitteilsam bei zweifellos massivem Gesprächsbedarf gezeigt. Zeitweise sei er wirklich humorvoll, auch durchaus zu munteren Anmerkungen, ja auch zu wirklich lachenden Schilderungen in der Lage gewesen. In der mehrstündigen gutachterlichen Gesamtuntersuchung (von 09:10 Uhr bis 13:15 Uhr) seien Auffassung und vor allem auch Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis und Aufmerksamkeit bis zuletzt völlig ungestört geblieben. In der zwangsläufig für jeden überdurchschnittlich anstrengenden gutachterlichen Untersuchungsprozedur seien auch keinerlei Zeichen von Erschöpfung oder Ermüdung erkennbar gewesen. So sei nach dichter, über zweistündiger Anamneseerhebung eine kurze Pause angeboten worden. Der Kläger habe aber lediglich einen kurzen Schluck aus dem mitgebrachten Getränk nehmen wollen. Danach sei es ausdrücklich nach Wunsch des Klägers gleich weiter gegangen. Der Gutachter gab weiter an, dass eine überdauernde, etwas depressive Neigung nicht zu beschreiben sei. Es ergebe sich kein weitreichendes Vermeidungsverhalten, auch keine eigenständige Antriebsstörung. Der Kläger zeige durchaus eine gut erhaltene inhaltliche und auch affektive Auslenkbarkeit. Gegen eine weitreichende, also etwa quantitative Leistungseinschränkung spreche auch die Abbildung der Teilhabe des Klägers. So habe der Kläger unter anderem angegeben, dass er ganz normal Pkw fahren könne, dass er mit der Bahn fahre, Fitnesstraining mache, regelmäßig Rad fahre, einkaufen gehe im Großmarkt. Er versorge den Haushalt, mache Theaterbesuche und besuche Freilichtbühnenaufführungen. Der Kläger habe von Kurzurlauben berichtet sowie davon, zusammen mit dem Partner zu kochen und auch gemeinsam essen zu gehen. Er habe berichtet fernzusehen, gelegentlich auch zusammen mit seinem Partner Schach zu spielen und sich am PC/Internet zu beschäftigen.
Auf Antrag des Klägers hat das SG zudem ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Auftrag gegeben. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S., H., hat nach ambulanter Untersuchung in seinem Gutachten vom 19.11.2015 folgende Diagnosen gestellt: kombinierte Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, derzeit leicht ausgeprägte Episode, Migräne, Lumboischialgie, Gonarthrose links, Zustand nach Kreuzbandruptur, Tinnitus und Schwerhörigkeit. Aus psychiatrischer Sicht könne der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Die depressive Verstimmung sei zum Zeitpunkt der Begutachtung nur leicht ausgeprägt gewesen, die Belastbarkeit aber als Folge der Antriebsschwäche unter diffusen Ängsten soweit eingeschränkt, dass der Kläger für eine Tätigkeit von sechs Stunden und mehr derzeit nicht ausreichend belastbar sei. Antrieb und Motivation seien durch Selbstsicherheit und Entscheidungsunfähigkeit gehemmt. Auf neurologischem Fachgebiet ergäben sich derzeit keine relevanten Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Als Folge der depressiven Störung und der diffusen Ängste bestünden Einschränkungen bezüglich Flexibilität, Stressbelastbarkeit und Arbeitstempo. Tätigkeiten unter Zeitdruck, Nachtschicht oder Akkordbedingungen seien deshalb nicht zumutbar. Es sei bei der Exploration durchaus eine Verdeutlichungstendenz von Beschwerden erkennbar gewesen. Die Selbstunsicherheit und Ängstlichkeit sei Teil der Primärpersönlichkeit als Folge des wiederholten Scheiterns, z. B. im Jura- und Lehramtsstudium. Als Honorarlehrer hätten sich die Versagensängste und Verunsicherungen noch verstärkt. Depressive Verstimmungszustände seien nachweisbar erstmals im Januar 2014 aufgetreten. Eine Fortsetzung der verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie sei durchaus sinnvoll. Auch ein erneutes stationäres Heilverfahren könne gegebenenfalls dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die therapeutischen Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung der depressiven Verstimmungszustände und Ängste seien bisher auch noch nicht ausgeschöpft. Der Kläger nehme bislang lediglich Trimipramin in sehr niedriger Dosierung. In dieser Dosierung wirke es lediglich als ein leichtes Schlafmittel. Es stünden andere Antidepressiva zur Verfügung, die spezifischer auch gegen die Ängste wirksam sein könnten.
Die Beklagte hat hiergegen mit einer Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes Einwendungen erhoben. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. hat in seiner Stellungnahme insbesondere auf die nur unzureichende Medikation hingewiesen und ausgeführt, dass zu beachten sei, dass sich nach wiederholter Begutachtung ein Lerneffekt seitens des Versicherten abbilde, welche Fragen gestellt und wie sie beantwortet werden müssten. Auch würden die von Dr. S. erhobenen Befunde eher für einen dysthymen Verstimmungsgrad sprechen und die sozialmedizinische Leistungseinschätzung nicht belegen. Insbesondere falle auf, dass keinerlei kognitive Einschränkungen zu verzeichnen gewesen seien. Dass die Persönlichkeitsvariante, sei es nun als Störung oder als Charaktervariante beschrieben, ein Ausmaß habe, dass sie zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögen führen würde, lasse sich aus den vorgetragenen Anamnesen nicht herausdeuten. Der Kläger hat auf diese Stellungnahme erwidert, dass auch Dr. S. nur eine leichte Ausprägung der depressiven Erkrankung gesehen habe und dies die Behandlungsdosis mit dem Medikament Trimipramin erkläre. Die Versagens- und Zukunftsängste, die Selbstunsicherheit und die begrenzte Stressresistenz seien als vordergründig anzusehen. Dr. S. habe zudem ausdrücklich erklärt, dass sich bei der neurologischen und psychiatrischen Untersuchung keine Hinweise für eine Simulation oder Aggravation gefunden hätten. Des Weiteren hat der Kläger einen Bericht des Diplompsychologen Jaiser vom 15.12.2015 nach Abschluss der 25 Therapiesitzungen vorgelegt. Darin werden als Diagnosen eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom, eine generalisierte Angststörung und eine kombinierte Persönlichkeits- und Verhaltensstörung genannt. Es sei aufgrund der Persönlichkeitsentwicklung in der Kindheit und Adoleszenz davon auszugehen, dass die Verhaltensmuster in der Kindheit begonnen hätten und bis ins Erwachsenenalter andauerten. Der Kläger wirke verbittert. Er sei aber nach allen Qualitäten sicher orientiert und es fielen keine Probleme der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit auf. Antriebsmotorik und Psychomotorik seien ungestört. Von der Stimmungslage wirke er gut schwingungsfähig, allenfalls mürrisch, gereizt und ängstlich. Trotz leichter Veränderung der psychischen Symptomatik des Klägers sei ein angemessener Ablauf des täglichen Lebens noch stark behindert. Der Kläger sei davon überzeugt, dass er nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinten Arbeitsmarkt von maximal zwei bis unter sechs Stunden aktuell durchhalten könne. Die Umwandlung in eine Langzeittherapie sei nicht in Betracht gezogen worden. Der Kläger habe die Therapie in leicht gebessertem Zustand beendet.
Das SG hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung vom 04.04.2016 durch Urteil abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Diese ergebe sich im Wesentlichen aus dem im Gerichtsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr. B., wonach der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Während der von 09:10 Uhr bis 13:15 Uhr andauernden Untersuchung seien Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit bis zuletzt ungestört gewesen. Dr. B. habe schlüssig dargelegt, dass sich bei dysthymen Zügen keine depressive Einengung gezeigt habe. Auch habe Dr. B. ein weitreichendes Vermeidungsverhalten wie auch eine eigenständige Antriebsstörung nicht finden können. Dr. B. habe zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Auskunft des behandelnden Nervenarztes die subjektive Beschwerdeschilderung mit dem objektiven Befund vermischt werde und in der Aussage des behandelnden Psychologen der Kläger in seinem psychosozialen und biografischen Kontext nicht wirklich so abgebildet werde, dass eine sozialmedizinische Beurteilung daraus herleitbar sei. Nicht überzeugend für das Gericht sei die Einschätzung des nach § 109 SGG gehörten Nervenarztes Dr. S., welcher den Kläger nur noch für zwischen drei und unter sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet habe. Dieser habe ausgeführt, dass die Selbstunsicherheit, die Antriebsstörung und die diffusen Ängste, insbesondere Ängste und Versagensängste des Klägers hinsichtlich ihrer Auswirkung für die berufliche Leistungsfähigkeit von Dr. B. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Für das Gericht sei bereits nicht nachvollziehbar, weshalb aus diesen Gründen dann dem Kläger eine leidensgerechte Tätigkeit beispielsweise fünf Stunden täglich möglich sein solle, aber nicht eine weitere Stunde. Entweder sei aufgrund der Selbstunsicherheit usw. die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich (rentenrechtlich also Leistungsvermögen unter drei Stunden) oder die Bedingung sei eben nur qualitative Einschränkung. Auch Dr. S. habe bei der Untersuchung keine Störung von Konzentration, Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit gesehen. Er habe auch keine Einschränkung des Durchhaltevermögens und keine relevanten Störungen des Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisses beschrieben.
Gegen das dem Kläger am 12.05.2016 zugestellte Urteil hat dieser am 17.05.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass er nach wie vor der Auffassung sei, dass die Voraussetzungen für die beantragte Rente vorlägen. Das Ergebnis des Gutachtens von Dr. B. sei für den Kläger nicht nachvollziehbar. Er halte unter Hinweis auf die Einschätzungen des Gutachters Dr. S. und seiner behandelnden Ärzte an seinem Begehren fest. Er habe nach wie vor Angstzustände, Konzentrationsstörungen, Erschöpfungszustände schon nach wenig körperlicher und geistiger Anstrengung, Schmerzen in den Knien und Rücken. Auch seine Beschwerden wegen des Tinnitus und der Schwerhörigkeit seien völlig übergangen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. April 2016 sowie den Bescheid vom 3. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. April 2014 eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG und hat ergänzend angegeben, dass sowohl die Schwerhörigkeit als auch der Tinnitus sehr wohl bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigt worden seien.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 11.01.2017 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Dort hat der Kläger u.a. angegeben, dass er seit April 2016 eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Assistent im S. C. (Museum) E. in H. ausübe. Der zeitliche Umfang betrage etwa 20 Stunden in der Woche, also etwa vier Stunden pro Tag. Er betreue hier Schülergruppen während der Workshops in der Ausstellung und bei den Experimenten. Aufgrund der Geräuschkulisse bei den Schülern sei es für ihn aufgrund seiner Hörgeräte oft schwierig, sich zu konzentrieren. Hin und wieder komme es vor, dass er zwei Workshops pro Tag betreue. Ein Kurs dauere etwa 3 bis 3,5 Stunden zuzüglich Zeiten des Auf- und Abbaus. Danach fühle er sich sehr erschöpft, er habe insbesondere im zweiten Kurs dann Konzentrationsprobleme und mache Fehler. Er sei vor solchen Tagen auch immer sehr aufgeregt und schlafe schlecht. Er hat auf Frage zudem mitgeteilt, dass er nach wie vor Medikamente einnehme, diese jedoch keine wesentliche Verbesserung gebracht hätten. Eine Psychotherapie werde derzeit nicht durchgeführt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 04.04.2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 03.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2014 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, da er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig ist.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Ebenfalls zutreffend hat das SG dargestellt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Kläger 1967 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 SGB VI geboren ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen unter Berücksichtigung des Vortrags im Berufungsverfahren nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten herabgesunken ist.
Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. B ... Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht. Er hat insbesondere eine umfassenden Anamnese erhoben (über zwei Stunden), hat verschiedene neurologische Untersuchungen und psychiatrische Tests durchgeführt sowie umfangreich und ausführlich den psychischen Befund aufgeführt. Gestützt wird dieses Ergebnis durch das Gutachten von Dr. B., der den Kläger im Verwaltungsverfahren untersucht hat, sowie den Rehaentlassbericht aus dem Jahr 2014. Auch hier wird jeweils von einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden für zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen.
Nicht folgen vermag der Senat - wie schon das SG - dagegen dem Gutachten von Dr. S ... Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar dargelegt, wie er aus den erhobenen Befunden und gestellten Diagnosen, welche im Wesentlichen nicht von denjenigen abweichen, die von Dr. B. und Dr. B. erhoben wurden, ein auch zeitlich reduziertes Leistungsvermögen ableitet. Insbesondere hat Dr. Starz ebenfalls nur eine leichte depressive Episode diagnostiziert und sogar selbst angegeben, dass diese Erkrankung nicht im Vordergrund stehe. Er schließt zudem Verdeutlichungstendenzen nicht aus. Er hat weiterhin weder Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit, Durchhaltefähigkeit und Aufnahmefähigkeit beschrieben. Hierbei war schon im Gutachten von Dr. B. auffällig, dass der Kläger im Rahmen der durchaus für jeden Probanden anstrengenden und belastenden Gutachtenssituation über einen sehr langen Zeitraum (über vier Stunden) keinerlei Anzeichen für Erschöpfung und Aufmerksamkeitsverlust gezeigt und selbst auf das Angebot des Gutachters nach einer Pause deren Notwendigkeit verneint hat.
Dies sieht der Senat auch nicht durch den Vortrag des Klägers im Erörterungstermin als widerlegt an. Das Ergebnis des maßgeblichen Gutachtens von Dr. B. wird damit vielmehr bestätigt. Der Kläger hat hier angegeben, dass er derzeit regelmäßig an fünf Tagen die Woche etwa vier Stunden als Betreuer im S. C. (Museum) E. in H. arbeite. Es gebe auch Tage, an denen er zwischen sechs und acht Stunden dort tätig sei. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger sich nach einem solchen Arbeitstag erschöpft fühlt. Damit dürfte er sich nicht von einem durchschnittlichen Beschäftigten unterscheiden, der die Besucherbetreuung ohne jede gesundheitliche Einschränkung ausübt. Bei der vom Kläger geschilderten Tätigkeit handelt es sich um eine Beschäftigung, die im Hinblick auf die gesteigerten Anforderungen an das Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen, Flexibilität und Publikumsverkehr den Grad einer leichten Tätigkeit weit überschreitet. Insbesondere ist es durchaus nachvollziehbar, dass für einen Träger von Hörgeräten die Betreuung von vielen Jugendlichen mit entsprechender Geräuschkulisse übermäßig anstrengend und konzentrationsraubend sein kann. Dies alles schließt aber gerade nicht aus, dass der Kläger Tätigkeiten, bei der diese qualitativen Leistungsmerkmale (besondere Anforderungen an das Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen, Publikumsverkehr) nicht gefordert werden, sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann.
Auffällig war für den Senat zudem, dass der Kläger schon seit längerem keine ambulante Psychotherapie mehr durchführt. Hierauf hatte auch der Gutachter Dr. B. hingewiesen, der von völlig unzureichend wahrgenommenen Möglichkeiten der ambulanten Behandlung spricht (vgl. S. 32 d. Gutachtens). Auch Dr. S. weist in seinem Gutachten auf die Möglichkeiten einer ambulanten Psychotherapie, eines stationären Heilverfahrens oder einer anderen Medikation hin. Dies spricht dafür, dass aufgrund der bestehenden Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet doch kein entsprechend gravierender Leidensdruck besteht und damit auch keine entsprechend gravierenden Beeinträchtigungen im alltäglichen Lebensbereich.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit - beeinträchtigt ist, bestehen nicht, zumal der Kläger gegenüber Dr. B. angegeben hat, regelmäßig und auch über längere Strecken seinen eigenen Pkw ohne Einschränkungen zu führen.
Es liegt bei dem Kläger weiterhin keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006, - B 13 RJ 38/05 R - juris Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19.10.2011, - B 13 R 78/09 R - , dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Die beim Kläger bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden. Auch besteht keine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Der Kläger kann mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsbild noch die meisten körperliche Verrichtungen, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, usw.), verrichten. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er wurde 1967 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht geboten. Insbesondere sah sich der Senat nicht dazu veranlasst, ein Gutachten auf dem Gebiet der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde einzuholen bzw. den behandelnden Hals-Nasen-Ohrenarzt zu befragen. Entgegen der Ausführungen des Klägers sind seine Schwerhörigkeit und der Tinnitus im Rahmen der Leistungsbeurteilung von den Gutachtern berücksichtigt worden. Sowohl Dr. B. als auch Dr. S. und Dr. B. haben diese Erkrankungen als Diagnosen angegeben und bei der Anamneseerhebung und der (neurologischen) Befundung berücksichtigt. Der Senat konnte sich insbesondere aufgrund der nachvollziehbaren Angaben von Dr. B. nicht davon überzeugen, dass durch den Tinnitus und die Schwerhörigkeit Einschränkungen bestehen, die das Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten erheblich einschränken. Das Auftreten des Klägers im Erörterungstermin bestätigt diesen Befund. Eine Kommunikation war mit dem Kläger ohne Einschränkungen möglich. Auch Konzentrationsprobleme konnten nicht beobachtet werden.
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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