L 6 U 409/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3367/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 409/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellungen einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und eines abgelaufenen Herzinfarktes als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 sowie wegen der Folgen dieses Versicherungsfalls die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 50 vom Hundert (v. H.) ab 20. Juli 2010.

Der 1955 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und siedelte 1973 in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist verheiratet, lebt allerdings seit mehreren Jahren von seiner Ehefrau getrennt. Aus der Ehe gingen zwei derweil erwachsene Kinder hervor. Eine berufliche Ausbildung absolvierte er nicht, war jedoch ab 1973 durchgängig als Lastkraftwagen (Lkw)-Fahrer tätig, zuletzt ab Mai 2008 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung (vgl. Bescheid vom 11. Mai 2012 der Deutschen Rentenversicherung Bund nach Prüfung des versicherungsrechtlichen Status) bei der S. + Sch. E. GmbH, einem Tochterunternehmen der S. + Sch. H. GmbH. Die Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung gewährte ihm mit Bescheid vom 17. Oktober 2012 ab 1. April 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wodurch er aktuell einen monatlichen Zahlbetrag von über 860 EUR erhält. Beim Kläger, der Rechtshänder ist, wurden vom Landratsamt L. der Grad der Behinderung mit 100 festgestellt sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt.

Am 20. Januar 2009 fuhr er kurz vor 17 Uhr mit einem Sattelschlepper auf dem Betriebsgelände der M. Schm. P. GmbH in K. rückwärts an die Laderampe heran. Der LKW sollte mit mehreren 1,90 x 1,90 m großen Papierrollen mittels eines Gabelstaplers beladen werden. Hierbei übersah der Staplerfahrer den Kläger, so dass dieser zwischen zwei tonnenschwere Rollen geriet, ohne bewusstlos zu werden. Er wurde vor Ort notärztlich versorgt und anschließend mit dem Notarztwagen in die Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie des Klinikums L. verbracht, wo er sich stationär bis 5. Februar 2009 aufhielt. Der Ärztliche Direktor Prof. Dr. A. stellte am Unfalltag gegen 18 Uhr im Bereich des Beckens eine Schürfung im Bereich des linken Beckenkammes und einen Druckschmerz über den Schambeinästen, aber keine Aufklappbarkeit fest. Beide Beine seien in den großen Gelenken frei beweglich gewesen. In dieser Region seien weder eine Läsion der Haut, eine Fehlstellung oder eine Krepitation noch ein Hämatom erkannt worden. Am Ende des stationären Aufenthaltes diagnostizierte er ein Thoraxtrauma mit einer Serienfraktur der ersten bis vierten Rippe links und der ersten rechts, einen schmalen Pneumothorax links, ein Beckentrauma mit Fraktur des vorderen und hinteren Beckenringes beidseits sowie eine Hämaturie (Entlassungsbericht vom 5. Februar 2009). Eine stattgehabte Luxation der Sternoklavikulargelenke beidseitig sei fraglich.

Während der stationären Anschlussbehandlung in der Abteilung Orthopädie der Klinik F. in Bad H. vom 5. Februar bis 26. März 2009 zeigte sich nach den Ausführungen des Ärztlichen Direktors und Chefarztes Prof. Dr. V. ein normales psychisches Erscheinungsbild. Durch das integrierte therapeutische Bemühen sei eine gute Verbesserung der Beweglichkeit der beiden Hüftgelenke und des Laufens erreicht worden. Der Kläger sei gegen Ende recht flüssig am Rollator beziehungsweise an den Unterarmgehstützen gegangen. Bei der Fortbewegung ohne Unterstützung habe sich noch eine starke Behinderung gezeigt. Passiv sei eine Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken für die Extension und Flexion bis 0-0-90° möglich gewesen.

Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Unfallchirurgischen Klinik der Berufsgenossenschaftlichen (BG)-Unfallklinik T., ging nach der ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers am 28. April 2009 von einer beidseits schmerzbedingt reduzierten Hüftgelenksbeweglichkeit für die Extension und Flexion auf 0-0-100° aus. Die Abduktion und Adduktion sei beidseits bis 30-0-20° sowie die Innen- und Außenrotation, in gebeugter Stellung, beidseits bis 20-0-10° möglich gewesen.

Prof. Dr. K., Chefarzt der Abteilung für Berufsgenossenschaftliche Rehabilitation und Prävention der BG-Unfallklinik T., erkannte nach dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 7. bis 27. Mai 2009 eine reduzierte schmerzbedingte beidseitige Beweglichkeit der Hüftgelenke für die Extension und Flexion auf 0-0-100°. Die Abduktion und Adduktion hätten beidseits bis 30-0-20° sowie die Innen- und Außenrotation, in gebeugter Stellung, beidseits bis 20-0-10° vorgenommen werden können. Gegenüber Prof. Dr. A. berichtete der Kläger bei seiner ambulanten Untersuchung am 7. August 2009, ab 14. August 2009 seine Familie in Italien für drei Wochen besuchen zu wollen. Über die ambulante Untersuchung des Klägers am 16. Februar 2010 äußerte Prof. Dr. W., der Kläger habe die einfachsten Untersuchungsmethoden verweigert. Auf den aktuellen Röntgenaufnahmen zeige sich die Fraktur des Beckens weitgehend fest. Ohne Kooperation des Klägers lasse sich kein zufriedenstellendes Gangbild ohne Hilfsmittel erzielen.

Während des stationären Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik T. vom 25. Februar bis 23. März 2010 wurde der Kläger am 4. März 2010 von Prof. Dr. St., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, untersucht. Nach dessen Ausführungen hätten, wie bereits bei der Untersuchung Mitte Mai 2009, erneut ausgeprägte Ausgestaltungstendenzen und erhebliche Hinweise für eine Simulation bestanden. So seien etwa hochgradige Lähmungen der Arme vorgeführt worden, obwohl dort keine unfallbedingten Verletzungen oder anderweitige Erkrankungen vorlägen. Insbesondere an den Beinen seien klinisch und elektrophysiologisch keine krankhaften Befunde zu erheben gewesen. Hinweise für eine Schädigung des Beinnervengeflechtes hätten sich nicht gezeigt. Die Muskulatur der Beine sei bei der früheren Untersuchung mäßig kräftig ausgeprägt und der passive Bewegungsumfang frei gewesen. Die Kraftentfaltung beim Faustschluss am Dynamometer habe rechts 10 kp und links 8 kp betragen, also beidseits weit unterhalb der erwarteten Werte für einen Rechtshänder gelegen. Würde tatsächlich eine Schwäche solcher Ausprägung bestehen, wäre der Gebrauch von Unterarmgehstützen unmöglich. Der Kläger habe auch sonst bei der Kraftprüfung nur gering, praktisch gar nicht mitgearbeitet. Bei Ablenkung sei zu erkennen gewesen, dass eine normale Kraftentfaltung der Hüftbeuger und -strecker bestanden habe. Der Muskeltonus sei ungestört gewesen. Bei der aktuellen Untersuchung sei die Muskulatur an den Beinen seitengleich und kräftig ausgeprägt gewesen. Der Kläger habe sich im freien Raum sicher auf den Beinen halten können. Die Kraftentfaltung beim Faustschluss am Dynamometer habe rechts 5 kp und links 7 kp betragen, sei damit weit unterhalb der üblichen Werte gewesen. An beiden Händen hätten sich demgegenüber Arbeitsspuren gezeigt. Beide Arme seien hinreichend bemuskelt gewesen. Beide Hände hätten beim Entkleiden eingesetzt werden können. Bei allen Kraftprüfungen, insbesondere der Beine, habe sich eine ausgeprägt wechselnde Innervation und keine Kraftminderung gezeigt. Prof. Dr. K. diagnostizierte am Ende des stationären Aufenthaltes eine ausgeprägte Gangbildstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom des Beckens bei Pseudarthrosen im Bereich des oberen und unteren Schambeinastes beidseits nach einer Schmetterlingsfraktur sowie Restbeschwerden nach einer Serienfraktur der ersten bis vierten Rippe links und der ersten rechts. Unfallunabhängig bestünden eine Adipositas und ein Nikotinabusus.

Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 1. April 2010 berichtete Prof. Dr. A. über einen Klinikaufenthalt Ende März 2010 wegen eines Herzinfarktes. Dr. Ku., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Leitender Oberarzt im Klinikum L., führte in seiner konsiliarischen Stellungnahme vom 20. April 2010 aus, der Kläger habe am 27. März 2010 einen Vorderwandherzinfarkt erlitten.

Prof. Dr. W. erstattete im Auftrag der Beklagten ein so genanntes "Erstes Rentengutachten". Nach der ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 7. Juli 2010 führte er aus, an Unfallfolgen bestünden noch knöchern nicht fest verheilte Brüche des oberen und unteren Schambeinastes beidseits nach konservativ behandelter Beckenverletzung, anhaltende Schmerzen und eine ausgeprägte Gangbildstörung mit der Notwendigkeit, Unterarmgehstützen zu benutzen, sowie folgenlos ausgeheilte Brüche sowohl der ersten bis vierten Rippe links und der ersten rechts als auch der Brustbein-/Schlüsselbeingelenke beidseits. An vom Unfall unabhängigen Erkrankungen leide der Kläger an einer arteriellen Hypertonie, einem Diabetes mellitus Typ 2, einer koronaren Dreigefäßerkrankung, einer bekannten Hyperlipoproteinämie, einem chronischen Nikotinabusus und einem bekannten Aneurysma der Bauchaorta. Er habe sehr zögerlich mit zwei Unterarmgehstützen das Untersuchungszimmer betreten. Auffallend gewesen sei ein Schonhinken beidseits und ein breitbasiger Gang. Das Erheben nach längerem Sitzen sei nur verzögert und unter schmerzverzerrtem Gesicht von statten gegangen. Es seien Konfektionsschuhe ohne Einlagen oder Längenkorrektur getragen worden. An Hilfsmitteln seien zwei Unterarmgehstützen mitgeführt worden. Das Ausziehen bis auf die Unterwäsche sei nur sehr langsam im Sitzen erfolgt. Der wechselnde Einbeinstand habe nicht eingenommen werden können. Die Untersuchung des Klägers sei bei fehlender Balance nur eingeschränkt gelungen. Der Zehenspitzen-, Hacken- und Einbeinstand seien nur mit Hilfe einer an beiden Händen des Klägers haltenden Person möglich gewesen. Das Hüpfen auf einem Bein sei nicht demonstrierbar gewesen. Die tiefe Hocke habe nicht eingenommen werden können. Die weitere Untersuchung sei erfolgt, nachdem sich der Kläger hingelegt habe. Inspektorisch hätten sich unauffällige Haut- und Weichteilverhältnisse im Bereich des Beckens und der unteren Extremität gezeigt. Die Hüftgelenksbeweglichkeit sei entsprechend dem Messblatt beidseits deutlich eingeschränkt, die Umfangmaße indes seitengleich gewesen. Die Messwerte nach der Neutral-0-Methode in diesem Bereich hätten für die Streckung und Beugung 0-0-60° rechts und 0-0-70° links, das Abspreizen und Anführen 20-0-20° beidseits sowie die Drehung aus- und einwärts, bei um 90° gebeugtem Hüftgelenk, 10-0-10° beidseits betragen. Der 1,70 m große Kläger habe bei der Untersuchung ein Körpergewicht von 80 kg gehabt. Vom Tag des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit am 20. Juli 2010 bis zum Zeitpunkt der Untersuchung bewerte er die MdE mit 30 v. H., anschließend nehme er 20 v. H. an.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Priv.-Doz. Dr. J., Ärztlicher Direktor der Urologischen Klinik des Klinikums L. das Gutachten vom 21. Juli 2010. Nach der ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers gab er an, nach den von ihm erhobenen Befunden handele es sich um eine erektile Dysfunktion, welche nach dessen Angaben nach dem Unfall eingetreten sei. Zuvor habe er ein erfülltes Sexualleben gehabt und keinerlei Problematik mit der Erektion. Die farbkodierte Duplexsonographie der beiden Penisarterien zeige eine beidseits deutlich eingeschränkte arterielle Perfusion, was die beklagte erektile Dysfunktion bewirken könne. Die Laborparameter einschließlich des männlichen Geschlechtshormons Testosteron seien normwertig gewesen, so dass eine hormonbedingte Erkrankung habe ausgeschlossen werden können. Weitere mögliche Faktoren für diese Gesundheitsstörung seien eine bestehende Medikation mit opiathaltigen Schmerzmitteln, die bekanntermaßen über eine zentrale Dämpfung auch zu einer Verminderung der Libido und der sexuellen Erregbarkeit führen könne. Zum anderen habe ein metabolisches Syndrom bestanden, also ein mit oralen Antidiabetika behandelter Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und eine koronare Herzkrankheit, welches mit einer erhöhten Inzidenz an erektiler Dysfunktion einhergehe. Hierbei handele es sich um unfallunabhängige Risikofaktoren. Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Durchblutungsstörung in den Arterien der Schwellkörper und des Unfallherganges bestehe jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass es durch die vordere und hintere Beckenringfraktur zu einer Schädigung von Gefäßen und Nerven gekommen sei, welche zu der erektilen Dysfunktion geführt habe. Die MdE wegen dieser Gesundheitsstörung bewerte er mit 10 v. H. Mit einer Verbesserung der erektilen Funktion sei wegen der hochgradig eingeschränkten penilen Durchblutung eher nicht zu rechnen.

Prof. Dr. A. berichtete über die ambulante Untersuchung des Klägers am 28. September 2010, bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit im Stadium II links und asymptomatischem infrarenalen Aneurysma der Aorta erfolge in wenigen Tagen die Anlage eines Femoro-poplitealen Bypasses links bei sonographisch nachgewiesenem Verschleiß der femoralis superficialis links.

Nachdem ihm die Beklagte Verletztengeld vom 20. Januar 2009 bis 19. Juli 2010 bewilligt hatte, erkannte sie mit Bescheid vom 24. November 2010 das Ereignis vom 20. Januar 2009 als Arbeitsunfall an und stellte ein Recht des Klägers auf Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 v. H. ab 20. Juli 2010 fest. Der Arbeitsunfall habe zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung in beiden Hüftgelenken bei unvollständiger knöcherner Durchbauung des vorderen Beckenringes ohne Instabilität sowie einer erektilen Dysfunktion geführt. Unabhängig dieses Versicherungsfalls bestünden ein Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine koronare Gefäßerkrankung mit Zustand nach Herzinfarkt vom 27. März 2010, ein Aneurysma der Bauchaorta, eine Hyperproproteinämie und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit im Stadium II. Hiergegen erhob der Kläger am 23. Dezember 2010 Widerspruch.

Er wurde am 8. April 2011 von Prof. Dr. Scha., Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie des Klinikums L., ambulant untersucht. Nach dessen Beurteilung hätten anhaltende Lumbalgien mit gürtelförmiger Ausstrahlung in die Leistenregion beidseits nach stattgehabter Schmetterlingsfraktur des Beckens mit Bildung von Pseudarthrosen bestanden. Eine typische ischialgiforme Schmerzausstrahlung habe sich nicht erfragen lassen. Bei der neurologischen Befunderhebung hätten sich keine zentralen oder radikulären Ausfälle gezeigt. Trotz hochdosierter schmerztherapeutischer Kombinationstherapie hätten anhaltende Beeinträchtigungen bestanden. Eine dauerhafte Verbesserung der Situation sei nur mit einem intensiven multimodalen Schmerzkonzept zu erreichen. Als Schmerzmedikation sei Mirtazapin, 15 mg am Abend, MST, zweimal täglich 30 mg und Katadolon, 400 mg mittags eingenommen worden.

Im Auftrag der Beklagten erstattete schließlich Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor und Chefarzt der S.klinik S., ein so genanntes "Zweites Rentengutachten". Nach der ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers am 9. November 2011 führte er aus, an Unfallfolgen bestünden knöchern noch nicht fest verheilte Brüche des oberen und unteren Schambeinastes beiderseits mit linksseitiger Fissur in das Acetabulum, aber ohne Hinweis auf eine Gelenkbeteiligung, nach konservativ behandelter Beckenverletzung, anhaltende Schmerzen, eine ausgeprägte Gangbildstörung mit der Notwendigkeit, Unterarmgehstützen zu benutzen, folgenlos ausgeheilte Brüche der ersten bis vierten Rippe links und der ersten rechts, der Zustand nach einer stattgehabten Luxation in den beiderseitigen Sternoklavikulargelenken ohne Residuen sowie eine unfallbedingte erektile Dysfunktion. Unfallunabhängig lägen ein arterieller Hypertonus, ein Diabetes mellitus Typ 2b, eine koronare J-Gefäßerkrankung in Form des Zustandes nach einem STEMI-Vorderwandinfarkt im März 2010 mit perkutaner transluminaler Koronarangioplastie (PTCA) und Stentimplantation, eine bekannte Hyperlipoproteinämie, ein Nikotinabusus sowie ein bekanntes Aneurysma der Bauchaorta vor. Der Kläger sei weiterhin nur an zwei Unterarmgehstützen mobil gewesen und habe einen auffälligen, sehr breitbasigen Schongang demonstriert. Die Füße seien dabei nach außen gestanden. Der Kläger sei deutlich verlangsamt gewesen. Der Barfußgang im Untersuchungsraum sei zunächst nur an Unterarmgehstützen gelungen, unter seiner Zuhilfenahme auch ohne. Dabei sei weiterhin ein breitbasiger Gang aufgefallen. Ein normales Gangbild sei auch unter voller Konzentration des Klägers nicht möglich gewesen. Der Einbeinstand sei rechts kurzzeitig und links nur mit Abstützung an der Liege möglich gewesen. Der Zehenspitzen- und Hackenstand seien nur mit beidhändigem Festhalten dort vorgenommen worden. Hüpfen sei dem Kläger nicht möglich gewesen. Die tiefe Hocke habe er nicht einnehmen können. Das Entkleiden der unteren Extremität sei nur im Sitzen gelungen. Der Wechsel in den Einbeinstand sei nicht möglich gewesen. Die weitere Untersuchung des Klägers sei im Liegen erfolgt. Er habe angeführt, regelmäßig auf ein Morphin wie MST, 30 mg, zweimal täglich, daneben Katadolon long, 400 mg (1-0-1) und Meazepam, 15 mg (0-0-0-1) angewiesen zu sein. Die MdE auf seinem Fachgebiet schätze er auf 30 v. H. Eine multimodale Schmerztherapie sei durchaus sinnvoll, da die langfristige Versorgung mit Opiaten ein hohes Abhängigkeitspotential habe, was wahrscheinlich schon bestehe. Derzeit seien einzig eine entsprechende Schmerztherapie und angeleitete physiotherapeutische Übungen zur Kräftigung der hüftgelenksnahen Muskulatur möglich. Die Teil-MdE von 30 v. H. auf unfallchirurgischem Gebiet erkläre sich aus der deutlichen Störung des Gangbildes, der Notwendigkeit der regelmäßigen Verwendung von Unterarmgehstützen und der eingeschränkten Beweglichkeit der Hüftgelenke beidseits. Die Streckung und Beugung habe bis 0-0-110° rechts und 0-0-100° links, das Abspreizen und Anführen bis 20-0-30° beidseits, die Drehung auswärts und einwärts, bei um 90° gebeugtem Hüftgelenk, bis 30-0-15° rechts und 30-0-10° links sowie die Drehung auswärts und einwärts, bei gestrecktem Hüftgelenk, bis 30-0-10° beidseits vorgenommen werden können.

Dr. Ki., Facharzt für Urologie, begutachtete den Kläger im Auftrag der Beklagten am 9. Dezember 2011. Nach seinen Bekundungen habe dieser seit dem Arbeitsunfall mit der Ehefrau keinen Geschlechtsverkehr mehr ausgeübt. Er habe sich als Krüppel und minderwertig gefühlt, habe Versagensängste geäußert und sei depressiv gewesen. Seine Ehefrau habe sich von ihm trennen wollen, weil er mit ihr nicht mehr intim sein könne. Die bei dem Unfallereignis stattgehabte vordere und hintere Beckenringfraktur habe eine Schädigung der Gefäße und Nerven hervorrufen, damit die Durchblutungsstörung in den Arterien der Schwellkörper bewirken und zu einer erektilen Dysfunktion führen können. Die MdE infolge der erektilen Dysfunktion mit außergewöhnlicher psychischer Beeinträchtigung schätze er dauerhaft auf 20 v. H.

Mit Bescheid vom 11. Januar 2012 gewährte die Beklagte "an Stelle [der] bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung" nach einer MdE von 30 v. H. eine Rente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe. Hierbei seien eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung in beiden Hüftgelenken, eine fehlende knöcherne Durchbauung der Brüche des oberen und unteren Schambeinastes ohne Stabilitätsverlust beidseits sowie eine erektile Dysfunktion berücksichtigt worden. Unabhängig des Versicherungsfalls bestünden Beeinträchtigungen wegen eines Diabetes mellitus, einer arteriellen Hypertonie, einer koronaren Gefäßerkrankung mit Zustand nach Herzinfarkt vom 27. März 2010, eines Aneurysmas der Bauchaorta, einer Hyperproproteinämie und einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Am Ende wurde ausgeführt, dass dieser Verwaltungsakt nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens werde und als mitangefochten gelte.

Ein weiteres Gutachten im Auftrag der Beklagten erstattete Dr. R., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Nach der ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 1. Februar 2013 diagnostizierte sie auf neurologischem Gebiet eine sensible Transversalsymptomatik ab dem Segment Th10 (ICD-10 S24.12), eine Störung der Tiefensensibilität im Bereich der Knöchel (ICD-10 E11.40) und eine erektile Dysfunktion mit Gefühlsstörungen im Genitalbereich (ICD-10 N48.4). Im psychiatrischen Bereich sei eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Infolge der unfallbedingten erektilen Dysfunktion sei es zu partnerschaftlichen Problemen, einer sozialen Isolierung und einer anhaltenden depressiven Verstimmung gekommen, weshalb eine dauerhafte mittelgradige Funktionsstörung bestehe. Unfallunabhängig sei neurologisch der Verdacht auf eine blande beginnende diabetische Neuropathie zu äußern. Auf ihren Fachgebieten betrage die Teil-MdE 20 v. H. Es bestehe jedoch eine Überlagerung mit den Unfallfolgen auf chirurgischem und urologischem Fachgebiet.

Dr. Dipl.-Psych. Fr., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von Anfang Februar 2014 aus, hinsichtlich einer Morton-Metatarsalgie rechts sei lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt worden. Das Transversalsyndrom im Bereich Th10 sei nicht gesichert, weil keine entsprechende Untersuchung vorgenommen worden sei, und auch nicht unfallabhängig, da keine Wirbelsäulenbeeinträchtigung vorhanden sei. Die Störung der Tiefensensibilität am Fuß resultiere überwiegend aus der diabetischen Neuropathie. Eine Anpassungsstörung sei zu berücksichtigen, wenn sie durch körperliche Verletzungsfolgen unterhalten werde. Vorliegend sei dies zwar wegen der glaubhaft fortbestehenden Beschwerden bei nicht vollständig abgeheilten Frakturen und der erektilen Dysfunktion gegeben. Bei einer Anpassungsstörung handele es sich gleichwohl definitionsgemäß um eine leichte Störung. Vorliegend werde sie durch ein Konglomerat von Faktoren unterhalten wie die Verbitterung gegenüber dem Unfallverursacher, das Verhalten einzelner Ärzte und weitere situative Bedingungen, welche unfallfremder Natur seien. Nach seiner Einschätzung sei hinsichtlich der Funktionseinschränkungen, die seine Fachgebiete beträfen, eine MdE von 10 v. H. ausreichend. Unter Berücksichtigung der sonstigen Teil-MdE auf chirurgischem und urologischem Fachgebiet sei hingegen eine Gesamt-MdE von 40 v. H. zu diskutieren.

Daraufhin half die Beklagte dem Widerspruch mit Bescheid vom 12. Mai 2014 teilweise ab und gewährte dem Kläger ab 1. Januar 2012 eine Rente nach einer MdE von 40 v. H. Als weitere Unfallfolge berücksichtigte sie nunmehr eine Anpassungsstörung. Der mit dem Ziel der Bewilligung einer Rente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. aufrechterhaltene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2014 zurückgewiesen. Der Kläger habe gegen den Bescheid vom 24. November 2010 Widerspruch eingelegt, weshalb der Verwaltungsakt vom 11. Januar 2012 Gegenstand dieses Vorverfahrens geworden sei. Eine höhere als die mit Teilabhilfebescheid vom 12. Mai 2014 bewilligte Rente nach einer MdE von 30 v. H. ab 20. Juli 2010 und von 40 v. H. ab 1. Januar 2012 stünde ihm allerdings nicht zu. Die Erhöhung der MdE sei unter Berücksichtigung der Anpassungsstörung wegen der Folgen auf urologischem Fachgebiet nach dem Gutachten von Dr. Ki. angemessen, aber auch ausreichend.

Hiergegen hat der Kläger am 1. Oktober 2014 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und zur Begründung seines Begehrens den Bericht von Prof. Dr. A. über seine ambulante klinische und röntgenologische Untersuchung am 3. August 2014 vorgelegt, wonach sich im Vergleich zur Voruntersuchung im Jahre 2009 ein unveränderter Stellungsbefund der um die hälftige Schaftbreite dislozierten Fraktur des unteren Schambeinastes ohne Zeichen einer knöchernen Durchbauung gezeigt habe. Des Weiteren hätten knöchern überbaute Frakturen des unteren Schambeinastes rechts sowie der oberen Schambeinäste beidseits bestanden. Es habe der Zustand nach einer Fraktur der Massae laterales ossis sacri vorgelegen. Eine frische Fraktur habe nicht festgestellt werden können. Diagnostiziert habe er eine Prellung der Lendenwirbelsäule nach einem Treppensturz am Vortag. Als Schmerztherapie habe der Kläger die Medikamente Ibuprofen, 600 mg (1-1-1), Pantozol, 20 mg (0-0-1) und Tramal, 100 mg (1-0-1) eingenommen.

Das SG hat Dr. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 24. Februar 2015, zu der dieser allein angereist ist, hat er kundgetan, er habe ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden und eine Gefäßsklerose im Sinne einer diabetischen Angiopathie oder vor dem Hintergrund eines langjährigen Nikotinmissbrauches festgestellt. In Bezug auf die Rippen- und Beckenverletzungen, wie auch in der Folge der Luxation des Schlüsselbeines, sei eine Beteiligung neuraler Strukturen weder aktenkundig bekannt noch aktuell feststellbar gewesen. Die bestehende erektile Dysfunktion sei weder im Bereich des Beckens noch der Wirbelsäule auf eine Schädigung nervaler Strukturen zurückzuführen. Die auf seinem Fachgebiet bestehenden oder dieses berührenden Gesundheitsstörungen seien durch das Unfallereignis am 20. Januar 2009 weder verursacht noch verschlimmert worden. Die bestehenden Nacken-Hinterkopf-Schmerzen und die wirbelsäulenassoziierten Beschwerden seien letztlich durch degenerative Veränderungen hervorgerufen worden. Für den aktuellen gesundheitlichen Status des Klägers seien auf seinen Fachgebieten die unfallunabhängigen Störungen in Form eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms und einer Angiopathie bei Nikotinabusus sowie diabetischer Stoffwechsellage verantwortlich. Eine messbare MdE sei insoweit nicht erreicht. Im Hinblick auf Tonus, Trophik und Motilität sei lediglich eine verspannte paravertebrale Muskulatur entlang der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie in der Nacken-Hinterkopf-Region festgestellt worden. Es seien Leistenschmerzen sowie eine massive Bewegungseinschränkung der oberen und unteren Extremitäten vorgebracht worden. Ein Schwindel bei Kopf- und Drehbewegungen, insbesondere beim Blick nach oben, sei beklagt worden. Der Kläger habe angeführt, nur 200 m mit einer Krücke gehen zu können. Das Gangbild sei während der Untersuchung unsicher, langsam und vorsichtig demonstriert worden. Er habe eine massive Schmerzbeeinträchtigung gezeigt. Dabei sei das Muskelkorsett vollkommen unauffällig und die Handbeschwielung seitengleich gewesen. Die Prüfung des Finger-Boden-Abstandes sei vor dem Hintergrund vorgebrachter massiver Beschwerden so gut wie nicht möglich gezeigt worden. Der Kläger habe sich unter Stöhnen nur mühsam entkleidet. Er habe beschwerlich auf der Untersuchungsliege Platz genommen. Der Kläger sei eher einfach strukturiert, wenig flexibel und auf das stattgehabte Unfallereignis als Ursache all seiner Beschwerden fixiert gewesen. Er habe über reduzierte verbale Strategien der Konfliktlösung verfügt. In Situationen, welche er als Belastung und Einengung empfinde, somatisiere er. Mitunter erlebe er körperliche und nur im Ansatz vorhandene Beschwerden verstärkt, wie etwa der neurologische Befund in Bezug auf Tonus, Trophik und Motilität zeige. Die Stimmung sei im Wesentlichen ausgeglichen gewesen. Er habe sich schwingungsfähig gezeigt und habe lachen können. Gleichzeitig habe er aber von schmerzreflektorisch begründeten Schlafstörungen berichtet. Er habe jedoch weder eine Durchschlafstörung noch ein Wachliegen, Grübeln oder Gedankenkreisen angeführt. Ein Antriebsdefizit habe nicht bestanden. Es sei ihm lediglich schwer gefallen, über eigene Schwächen zu sprechen. Die Psychomotorik sei ungebunden gewesen. Aktuell und im letzten Jahr habe er sich nicht in nervenärztlicher Behandlung befunden. Er habe angegeben, acht verschiedene Medikamente regelmäßig einnehmen zu müssen, in erster Linie wegen des Blutdruckes und des Zuckers. Am Abend greife er auf Mirtazapin zurück, um besser schlafen zu können. Wegen der Schmerzen seien ihm MST und Trancolong verordnet worden. Seine Ehefrau habe sich 2012 von ihm getrennt, da sie seine Impotenz und intensive Pflege nicht mehr verkraftet habe. Über seinen Tagesablauf habe der Kläger berichtet, eher später aufzustehen, zu frühstücken und sich danach um die Wohnung zu kümmern. Er kaufe ein, koche und putze. Zur Mittagszeit lege er sich schlafen oder gehe an die frische Luft. Am Abend schaue er fern.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2015 abgewiesen. Zur Feststellung der verbliebenen Erwerbsfähigkeit nach dem Eintritt der maßgeblichen Gesundheitsbeeinträchtigung durch den Unfall am 20. Januar 2009 sei von der individuellen Erwerbsfähigkeit des Klägers vor diesem Ereignis auszugehen. Diese sei seiner vollen Erwerbsfähigkeit vor der eingetretenen Schädigung gleichzusetzen. Es sei durch entsprechende Untersuchungen festzustellen, ob diese Erwerbsfähigkeit durch den Körperschaden auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens eingeschränkt worden sei. Vor diesem Hintergrund seien die Erkrankungen des Klägers mit einer Gesamt-MdE von 40 v. H. ausreichend bewertet. Ausgehend von den Funktionsstörungen auf chirurgischem Fachgebiet, welche eine Teil-MdE von 30 v. H. rechtfertigten, erhöhe die Teil-MdE wegen der erektilen Dysfunktion, die allenfalls 20 v. H. betrage, die Gesamt-MdE auf M.imal 40 v. H. Es seien Überschneidungen zum unfallchirurgischem Fachgebiet zu beachten. Ohnehin schränkten Potenzstörungen bis zur Unfähigkeit, den Geschlechtsverkehr auszuüben, das Leistungsvermögen im Beruf nicht ein. Allenfalls die begleitenden seelischen Störungen beeinflussten die Leistungen im Erwerbsleben.

Gegen die den Bevollmächtigten des Klägers am 30. Dezember 2015 zugestellte Entscheidung hat dieser am 20. Januar 2016 beim SG Berufung eingelegt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ist Prof. Dr. Br., Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, beauftragt worden, ein Gutachten zu erstatten. Nach der ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 4. Oktober 2016 hat er ausgeführt, er habe ihn bereits im Dezember 2012 anlässlich des beim SG geführten Verfahrens des Schwerbehindertenrechts S 15 SB 1342/11 gutachtlich untersucht. Unmittelbar nach dem Unfallereignis am 20. Januar 2009 hätten der Zustand nach einem Polytrauma mit multiplen somatischen Folgen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine chronische Dysthymie und eine erektile Dysfunktion vorgelegen. Bei der Begutachtung des Klägers im Dezember 2012 hätten sich keine Hinweise auf eine klassische posttraumatische Belastungsstörung ergeben, wenngleich er über so genannte "Nachhallerinnerungen" gesprochen habe. Er habe demgegenüber verneint, den damaligen Unfallort oder andere Lokalitäten, welche ihn an das Geschehen erinnerten, zu meiden. Die dafür typischen Flashbacks habe er negiert. Allerdings habe er hervorgehoben, seit dem Unfall sehr grüblerisch geworden zu sein. Der Kläger leide noch heute unter der Symptomatik einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, welche eine chronische Dysthymie generiert habe. Deswegen lägen nicht nur körperliche und seelische Defizite, sondern auch solche sozialer Art vor. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers sei durch diese Erkrankungen wesentlich beeinträchtigt. In diesem Kontext sei die erektile Dysfunktion zu erwähnen. Jeder Mann wisse davon zu berichten, wie erschwert dadurch das Leben werden könne. Unter Berücksichtigung, dass die unfallmedizinische Literatur für einen chronifizierten Schmerzzustand mit schwerwiegender körperlich-funktioneller Einschränkung und erheblich psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine Teil-MdE von 40 v. H. vorsehe, halte er die unfallbedingten Funktionsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet in dieser Höhe als angemessen bewertet. Den Ausführungen im Gutachten von Dr. R. stimme er uneingeschränkt zu, wenngleich er selbst beim Kläger die Symptome einer so bezeichneten "sensiblen Transversalsymptomatik" und sonstige sensible Defizite bei der aktuellen Untersuchung nicht habe feststellen können. Ebenso wenig habe eine Anpassungsstörung vorgelegen, welche nach den Diagnosekriterien ohnehin allenfalls für einen Zeitraum von maximal zwei Jahre nach erlittenem Trauma berücksichtigt werden könnten. Diese Einschränkung habe vorliegend jedoch ohnehin keine Auswirkung auf die Teil-MdE auf nervenärztlichem Gebiet. Dr. Lang habe in seinem Gutachten einen nur kurzen und nicht validen psychiatrischen Befund dokumentiert. Die Einschätzung von Dr. Dipl.-Psych. Fr. mit einer Teil-MdE von 10 v. H. in psychiatrischer Hinsicht sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe ein für ihn sehr schwerwiegendes und folgenschweres Trauma erlitten. Dieses habe sein Leben völlig verändert. Seither sei er beruflich nicht mehr tätig. Inzwischen habe sich seine Ehefrau von ihm getrennt. Er sei nicht mehr in der Lage, den Geschlechtsverkehr auszuüben, lebe zurückgezogen und habe viele Freunde verloren. Er sei noch nicht einmal in der Lage, seinen Haushalt allein zu versorgen.

Wenngleich er sich schriftmäßig in der deutschen Sprache nur mangelhaft habe ausdrücken können, habe der Kläger über relativ gute Deutschkenntnisse verfügt. Im Rahmen der Anamnese habe er angegeben, er könne zu Fuß maximal 200 m gehen und danach nur mit Hilfe von zwei Krücken. Obwohl er nun allein lebe, empfinde er nicht das Gefühl von Einsamkeit. Nach wie vor habe er Freunde, die ihn auch besuchten. Diese seien im Vergleich zu der Zeit vor dem Unfallereignis jedoch wesentlich weniger geworden. Manchmal begleitete ihn sein Sohn in ein Theater oder Kino. Gelegentlich werde er von diesem zu einem Grillabend eingeladen. Mittlerweile fahre er selbst kein Auto mehr, weil er dazu nicht mehr in der Lage sei. Vor dem Unfall habe er gerne getanzt, was mittlerweile in keinster Weise mehr gehe. Wegen seiner Behinderungen gehe er nur noch selten aus dem Haus. Seit dem Unfallereignis habe er keinen sexuellen Kontakt mehr gehabt. Dieser Umstand hänge zum einen damit zusammen, dass er inzwischen von seiner Ehefrau getrennt lebe, aber auch damit, dass er andauernd Schmerzen verspüre. Diese ließen an Intensität nur etwas nach, wenn er sich nicht bewege. Wenn er einmal unterwegs sei, empfinde er Komplexe wegen seiner Behinderungen. Er lebe mittlerweile in einer Wohnung im Erdgeschoss, wozu er sich bereits vor fünf Jahren entschlossen habe. Von seiner Ehefrau lebe er seit 2012 getrennt. Der im März 2010 erlittene Herzinfarkt bereite ihm mittlerweile keine gesundheitlichen Probleme mehr. Seine Blutdruckwerte seien inzwischen gut eingestellt. Nach den bei ihm durchgeführten Operationen habe er auch wegen der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit keine Beschwerden mehr. Aktuell leide er unter Schlafstörungen. Sein Konzentrationsvermögen sei vermindert. Er sei oft erschöpft. Sein sexuelles Interesse habe stark nachgelassen. Er denke häufig an das damalige Unfallereignis, vor allem in den Nachtstunden. Er stehe wegen seiner Schlafstörungen morgens zwischen 5:30 Uhr und 6 Uhr auf. Sein Frühstück bestehe im Allgemeinen aus zwei Tassen Kaffee. Die Haushaltsführung obliege seinen beiden Kindern. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal Urlaub gemacht habe, es sei lange vor dem Unfall im Jahre 2009 gewesen. Bei einer Körpergröße von 1,70 m habe der Kläger bei der Untersuchung 70 kg gewogen. Nach wie vor müsse er täglich verschiedene Medikamente einnehmen, wobei er diese nicht habe benennen können. Bei der Untersuchung sei der Sozialkontakt durch eine gewisse Verkrampftheit geprägt gewesen. Die Psychomotorik sei etwas angespannt gewesen. Der Gesichtsausdruck und die Mimik seien durch seine Traurigkeit und durch seine Besorgtheit geprägt sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit erkennbar eingeschränkt gewesen. Seelisch sei es ihm gar nicht gut gegangen, was sich als bedrückte und besorgte Grundstimmung habe objektivieren lassen. Die Affektivität sei etwas in Richtung des depressiven Pols eingeengt und der Antrieb deutlich vermindert gewesen. Hinweise auf eine Affektlabilität hätten nicht bestanden.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er leide nicht nur an erheblichen Anpassungsstörungen, sondern auch unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sein Leben sei durch den Unfall völlig zerstört worden, seither sei er nicht mehr arbeitsfähig gewesen. Er leide unter ständigen Schmerzen, welche er auch mit Schmerzmitteln nur unvollkommen bekämpfen könne. Seine Ehe sei deswegen in die Brüche gegangen, weswegen er heute allein lebe. Folgen des Arbeitsunfalls seien darüber hinaus eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und ein abgelaufener Herzinfarkt. Wegen des Verschlusses der arteriellen Beingefäße, worunter er seit dem Unfallereignis leide, sei er mehrfach operiert worden. Ihm seien künstliche Gefäße eingesetzt worden. Ein in der Klinik, in der er sich zur stationären Rehabilitation befunden habe, tätiger Oberarzt habe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und dem erlittenen Herzinfarkt gesehen. Entgegen der Darlegung von Dr. Lang, dessen Gutachten ohnehin nicht gefolgt werden könne, erklärten sich seine Wirbelsäulenbeschwerden aus der Beckenfraktur. Ihm sei daher eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 40 v. H. zu gewähren, was durch das aktuelle Gutachten von Prof. Dr. Brecht untermauert werde. Die Wertigkeit einer Expertise sei nicht davon abhängig, ob Tests zur Validierung von Beschwerden im Rahmen der Psychodiagnostik eingesetzt worden seien. Deren Verwendung stelle kein obligates Qualitätsmerkmal psychiatrischer Gutachten dar, worauf die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. hinweise. Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Dezember 2015 aufzuheben sowie den Bescheid vom 24. November 2010 in den Fassungen des Bescheides vom 11. Januar 2012 und des Teil-Abhilfebescheides vom 12. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 teilweise aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und einen abgelaufenen Herzinfarkt als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 festzustellen, und sie zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 vom Hundert ab 20. Juli 2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, die Gesundheitsstörungen, welche der Kläger als Folgen des streitgegenständlichen Versicherungsfalls festgestellt haben wolle, seien nicht hierauf zurückzuführen. Sämtliche unfallbedingten Funktionseinschränkungen rechtfertigten bis Ende 2011 eine MdE von 30 v. H., danach keine höhere als 40 v. H. Prof. Dr. Br. habe es unterlassen, seine Auffassung zur Kausalität unter Berücksichtigung der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweisregularien hinreichend und nachvollziehbar zu begründen. Psychogene Veränderungen seien nicht alleine deshalb als Unfallfolge anzusehen, weil ein zeitlicher Zusammenhang gegeben sei und aus tiefenpsychologischer Sicht ein Unfallereignis als Auslöser seither bestehender psychischer Störungen gedeutet werden könne. Überdies sei in der Vergangenheit der Verdacht einer Aggravation geäußert worden. Eine allgemeine Traurigkeit und ein Pessimismus allein dem Unfall oder seinen Folgen zuzurechnen, zeige, dass von Prof. Dr. Br. keine ausreichende Abgrenzung vorgenommen worden, sondern letztendlich die Bewertung eines Gesamtzustandes erfolgt sei. Sowohl die vom Kläger angegebene Schmerzsymptomatik als auch die erektile Dysfunktion, einschließlich damit einhergehender psychischer Belastungsfaktoren, seien bereits vor der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. Br. bekannt gewesen und durch verschiedene Sachverständige bewertet worden. Durch ihn sei keine ausführliche Psychodiagnostik, einschließlich des Einsatzes von Validierungsverfahren, erfolgt. Die durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hätten darüber hinaus, ungeachtet der Kausalitätsfragen, keineswegs das Bild einer schwersten psychischen Erkrankung gezeigt. Die von Prof. Dr. Br. vermutete Diagnose einer Dysthymie, also definitionsgemäß eine lang anhaltende, allerdings leichtgradige depressive Störung, stehe der Annahme entgegen, es handele sich um eine schwerste emotionale Beeinträchtigung. Die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung stehe nicht in Einklang mit dem Umstand, dass objektiv gesehen keine körperlichen Veränderungen vorlägen, welche ein Schmerzsyndrom begründeten. Prof. Dr. Br. beziehe in seiner Einschätzung der MdE die körperlichen Verletzungsfolgen mit ein, weshalb auch er keine höhere Gesamt-MdE als 40 v. H. zu begründen vermöge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich der SG-Akte S 15 SB 1342/11, und die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist beim SG form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 16. Dezember 2015, mit dem die als jeweils kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 (276)) sowie Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 24. November 2010 in den Fassungen des Bescheides vom 11. Januar 2012 und des Teil-Abhilfebescheides vom 12. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 die Verpflichtung der Beklagten zu den Feststellungen einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und eines abgelaufenen Herzinfarktes als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 und deren Verurteilung zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. ab 20. Juli 2010 wegen dieses Versicherungsfalls begehrt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die vorliegenden Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34).

Die Berufung des Klägers ist bereits mangels Zulässigkeit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unbegründet, soweit mit ihr unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen begehrt worden ist, die Beklagte zu verpflichten, eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2017 F43.1) als Folge des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 festzustellen. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen für dieses Klageziel liegen nicht vor. In Bezug auf die Anfechtungsklage fehlt es an der Klagebefugnis im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Eine negative Feststellung, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 ist, wurde indes weder mit Bescheid vom 24. November 2010 noch mit der weiteren Verwaltungsentscheidung der Ausgangsbehörde vom 11. Januar 2012 getroffen. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht diejenige der mit ihr kombinierten Verpflichtungsklage nach sich.

Soweit der Kläger mit den sonstigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sowie der Anfechtungs- und Leistungsklage die Beseitigung des teilweise ablehnenden Bescheides vom 24. November 2010 in den Fassungen des Bescheides vom 11. Januar 2012 und des Teil-Abhilfebescheides vom 12. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014 die Verurteilung der Beklagten zu den Feststellungen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (ICD-10-GM-2017 I70.2-) und eines abgelaufenen Herzinfarktes (ICD-10-GM-2017 I25.2-) als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 sowie deren Verurteilung zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. ab 20. Juli 2010 wegen dieses Versicherungsfalls verfolgt hat, ist die Berufung ebenfalls unbegründet, hingegen nicht wegen der Unzulässigkeit der Klage. Denn hinsichtlich dieser Begehren liegen gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidungen vor. Weiter ist das erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Der Bescheid vom 11. Januar 2012, mit dem innerhalb des Dreijahreszeitraumes gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) über ein Recht des Klägers auf Rente auf unbestimmte Zeit entschieden worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 16. März 2010 - B 2 U 2/09 R -, BSGE 106, 43 und vom 19. Dezember 2013 - B 2 U 1/13 R -, SozR 4-2700 § 62 Nr. 2), ist gemäß § 86 SGG Gegenstand des aufgrund des Widerspruches vom 23. Dezember 2010 gegen den Bescheid vom 24. November 2010 eingeleiteten Vorverfahrens geworden (vgl. Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 -, juris, Rz. 42 sowie vom 26. März 2015 - L 6 U 3485/13 -, juris, Rz. 25 zur vergleichbaren Konstellation nach § 96, § 153 Abs. 1 SGG), ohne dass erneut ein Rechtsbehelf hiergegen eingelegt werden musste. Die Klage ist insoweit indes unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellungen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und eines abgelaufenen Herzinfarktes als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009.

Rechtsgrundlage für den jeweils geltend gemachten Verpflichtungsanspruch des Klägers zur behördlichen Feststellung dieser Gesundheitsstörungen und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des entsprechenden feststellenden Verwaltungsaktes für die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 102 SGB VII (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 (277)). Der Anspruch besteht, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist. Der Gesundheitsschaden muss sicher, also im Vollbeweis, feststehen und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18, Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 -, juris, Rz. 48 m. w. N. und 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, juris, Rz. 37).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "versicherte Einwirkung" und "Gesundheitsschaden" der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).

Die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).

Voraussetzung für die Zurechnung ist daher zunächst, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-) Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursache sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie etwa auch zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jede einzelne Gesundheitsstörung erfüllt sein. Eine solche ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht worden ist, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 39).

Ein Anspruch auf Feststellung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und eines abgelaufenen Herzinfarktes als Folgen des mit Bescheid vom 24. November 2010 bindend (§ 77 SGG) anerkannten Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 besteht nach diesen Maßstäben nicht. Es steht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es bei dem Verladen der Papierrollen auf dem Betriebsgelände der M. Schm. P. GmbH am 20. Januar 2009 als Ausübung der abhängigen Beschäftigung des Klägers für die S. + Sch. E. GmbH als LKW-Fahrer, was sich nach Prüfung des versicherungsrechtlichen Status durch die Deutsche Rentenversicherung Bund ergab, also bei der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, überhaupt zu einer Einwirkung (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) auf eine der beiden Oberschenkelschlagadern, also der Arteria femoralis, gekommen ist, weshalb nach dem Bericht von Prof. Dr. A. über die ambulante Untersuchung des Klägers Ende September 2010 für den Beginn des Folgemonats die Anlage eines Femoro-poplitealen Bypasses geplant war. Gegen eine stattgehabte Einwirkung spricht der etwa eine Stunde nach dem Unfallereignis von diesem erhobene klinische Befund. Zu diesem Zeitpunkt stellte er ausweislich des Durchgangsarztberichtes im Bereich des Beckens nur eine Schürfung im Bereich des linken Beckenkammes und einen Druckschmerz über den Schambeinästen fest. Eine Aufklappbarkeit lag nicht vor. Beide Beine waren in den großen Gelenken frei beweglich. An der unteren Extremität wurden weder eine Läsion der Haut, eine Fehlstellung oder eine Krepitation noch ein Hämatom erkannt. Die unterbliebene Diagnose einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit am Ende des stationären Aufenthaltes am 5. Februar 2009 könnte zwar noch auf nicht angewandte weitere Untersuchungsmethoden zurückzuführen sein. Prof. Dr. A. ging allerdings nach der ambulanten Untersuchung des Klägers Ende September 2010 insoweit von einem sonographisch nachgewiesenen Verschleiß, also einer degenerativen und nicht traumatisch bedingten Erkrankung, aus. Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. nahmen in ihren jeweils im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) verwerteten Ersten- und Zweiten Rentengutachten ebenfalls keine Unfallfolge an. Der Sachverständige Dr. Lang ging, wenn auch fachfremd, von einer Gefäßsklerose im Sinne einer diabetischen Angiopathie aus beziehungsweise führte die Gesundheitsstörung auf den langjährigen Nikotinabusus des Klägers zurück, also auf vorliegend nicht versicherte Alternativursachen. Eine unfallbedingte Einwirkung auf das Herz des Klägers, welche zu einem Ende März 2010, also mehr als ein Jahr nach dem Unfallereignis, stattgehabten Myokardinfarkt in Form eines STEMI-Vorderwandinfarktes geführt haben soll, steht ebenfalls nicht im Vollbeweis fest. Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. sind daher aus medizinischer Sicht auch insoweit nachvollziehbar nicht von einem auf den Arbeitsunfall am 20. Januar 2009 zurückzuführenden Gesundheitsschaden ausgegangen. Anhaltspunkte für einen Zusammenhang ergeben sich aus der vom Kläger behaupteten mündlichen ärztlichen Einschätzung ohne näher dargelegten Inhalt während eines stationären Klinikaufenthaltes zur Rehabilitation nicht.

Ein Anspruch auf eine höhere als die bereits bewilligte Verletztenrente wegen dieses Versicherungsfalls ab 20. Juli 2010 besteht ebenfalls nicht.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII). Wenn, wie vorliegend, ein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, werden gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem dieser Anspruch endet.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden, wie das SG zutreffend aufgezeigt hat. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63 (65)).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden. Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 (203)) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben haben die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2009 im Zeitraum vom 20. Juli 2010, dem Rentenbeginn (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB VII), bis 31. Dezember 2011 zu keiner höheren MdE als 30 v. H. und in der Folgezeit zu keiner höheren als 40 v. H. geführt. Diese Feststellungen wurden von der Beklagten mit dem Bescheid vom 24. November 2010 in den Fassungen des Bescheides vom 11. Januar 2012 und des Teil-Abhilfebescheides vom 12. Mai 2014 getroffen.

An Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet haben nach den schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. ab 20. Juli 2010 bis aktuell knöchern nicht fest verheilte Brüche des oberen und unteren Schambeinastes beidseits nach einer konservativ behandelten Beckenverletzung mit linksseitiger Fissur in das Acetabulum, aber ohne Hinweis auf eine Gelenkbeteiligung oder Instabilität, bestanden. Diese konkreten Gesundheitsstörungen erkannte die Beklagte mit den Bescheiden vom 24. November 2010 und 11. Januar 2012 bereits bindend (§ 77 SGG) an. Hierdurch ist ab dem 20. Juli 2010 jedoch nur eine endgradig schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit beider Hüftgelenke verblieben, die keine höhere Teil-MdE als 20 v. H. stützt. Im Vordergrund bei Beckenbrüchen stehen die Folgen der Verletzung für Statik und Dynamik der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen in Form der Beeinträchtigung der Wirbelsäule sowie einer Instabilität und Leistungsminderung der unteren Gliedmaßen (Sch.berger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 618 f.). Selbst ein- oder beidseitige vordere Beckenringfrakturen oder instabile Gesundheitsschäden solcher Art ohne Erweiterung der Schoßfuge erreichen danach noch keine MdE in messbarem Grad. Die unfallmedizinische Literatur sieht darüber hinaus hinsichtlich der noch möglichen schmerzfreien Beweglichkeit eines Hüftgelenkes bei der Streckung und Beugung bis 0-10-90° eine MdE von 10 v. H. und bis 0-30-90° von 20 v. H. (Sch.berger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 621) sowie bis 0-0-60° von 20 v. H. und bis 0-0-30° zwischen 25 und 30 v. H. (Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 195) vor.

Durch das integrierte therapeutische Bemühen während der stationären Anschlussbehandlung in der Abteilung Orthopädie der Klinik F. in Bad H. bis Ende März 2009 konnte bereits, wie Prof. Dr. V. nachvollziehbar dargelegt hat, eine gute Verbesserung der Beweglichkeit der beiden Hüftgelenke und des Laufens erreicht werden. Der Kläger war gegen Ende bereits recht flüssig am Rollator beziehungsweise an Unterarmgehstützen, also noch mit Hilfsmitteln, gegangen. Passiv war eine Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken für die Extension und Flexion bis 0-0-90° möglich. Nach der ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers in der BG-Unfallklinik T. einen Monat später zeigte sich, dass sich die Beckenverletzung weiter konsolidiert hatte. Prof. Dr. W. stellte eine beidseits schmerzbedingt reduzierte Hüftgelenksbeweglichkeit für die Streckung und Beugung auf noch 0-0-100° fest. Die diesem gegenüber bei der gutachterlichen Untersuchung im Juli 2010 demonstrierte Bewegungseinschränkung für die Streckung und Beugung mit Werten nach der Neutral-0-Methode von 0-0-60° rechts und 0-0-70° links mit ausgeprägter Gangbildstörung hat sich allerdings nicht objektivieren lassen. Es ließe sich zwar noch erklären, dass die Umfangmaße der unteren Extremität an keiner Stelle um mehr als 1 cm voneinander abwichen, da eine beidseitige Verletzung der Schambeinäste vorgelegen hat. Allerdings stellte Prof. Dr. W. keine Muskelverschmächtigung fest. Der Kläger trug zudem Konfektionsschuhe ohne Einlagen oder Längenkorrektur. Hierzu passt, dass Prof. Dr. St. bei zwei Untersuchungen im Mai 2009 und im März 2010 an den Beinen neurologisch ebenfalls keine unfallbedingten Verletzungen oder anderweitige Erkrankungen erkennen konnte. Klinisch und elektrophysiologisch waren keine krankhaften Befunde zu erheben. Hinweise für eine Schädigung des Beinnervengeflechtes zeigten sich nicht. Die Muskulatur der Beine war bei der früheren Untersuchung mäßig kräftig ausgeprägt und der passive Bewegungsumfang frei. Ohnehin arbeitete der Kläger bei der Kraftprüfung nur gering, praktisch gar nicht mit. Bei Ablenkung war zu erkennen, dass eine normale Kraftentfaltung der Hüftbeuger und -strecker bestand. Der Muskeltonus war ungestört. Bei der späteren Untersuchung im Frühjahr 2010 war die Muskulatur an den Beinen seitengleich und kräftig ausgeprägt. Der Kläger konnte sich im freien Raum sicher auf den Beinen halten. Bei allen Kraftprüfungen, insbesondere der Beine, zeigte sich eine ausgeprägt wechselnde Innervation und keine Kraftminderung. Prof. Dr. B. stellte bei seiner gutachterlichen Untersuchung im November 2011 damit in Einklang stehend Werte für die Streckung und Beugung bis 0-0-110° rechts und 0-0-100° links fest. Für den Senat nicht nachvollziehbar ist daher, dass dieser trotz fehlender Muskelverschmächtigung und Notwendigkeit, spezielle orthopädische Schuhe mit Einlagen oder Längenkorrektur zu tragen, allein aufgrund der Demonstrationen des Klägers ebenfalls eine ausgeprägte Gangbildstörung angenommen hat. Diese hat er weder objektiviert noch sind in der Folgenzeit Befunde erhoben worden, welche diese Annahme stützten. Noch bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. L. im Februar 2015 waren das Muskelkorsett vollkommen unauffällig, die Handbeschwielung seitengleich und in Bezug auf die Beckenverletzung eine Beteiligung neuraler Strukturen weder aktenkundig bekannt noch aktuell feststellbar, weshalb der Senat im Übrigen überzeugt ist, dass der Kläger die Unterarmgehstützen, welche er bereits bei Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. mit sich führte, nicht zum Ausgleich einer Gangbildstörung benötigt hat. Dies wird durch die von Prof. Dr. St. durchgeführten klinischen Untersuchungen bekräftigt. Die Kraftentfaltung beim Faustschluss am Dynamometer betrug bei der früherer Untersuchung 10 kp rechts und 8 kp links, lag damit beidseits weit unterhalb der erwarteten Werte für einen Rechtshänder. Hätte tatsächlich eine Schwäche solcher Ausprägung bestanden, wäre der Gebrauch von Unterarmgehstützen unmöglich gewesen, wie dieser schlüssig aufgezeigt hat. Die Kraftentfaltung beim Faustschluss am Dynamometer betrug bei der späteren Untersuchung 5 kp rechts und 7 kp links, die gemessenen Werte blieben damit wiederum hinter den üblichen zurück. Beide Arme waren hinreichend bemuskelt. An beiden Händen zeigten sich Arbeitsspuren und sie konnten beim Entkleiden eingesetzt werden. Ob dem Kläger bei dieser Sachlage die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" zurecht zuerkannt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1, Rz. 12), ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens; diese eingeräumte Rechtsposition bindet indes weder die beklagte Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung noch den erkennenden Senat. Der Kläger nimmt zwar wegen der Schmerzen im Bereich des Beckens über die nicht-opioidhaltigen Medikamente Katadolon, 400 mg, welches er im Frühjahr 2011 täglich mittags, wie er gegenüber Prof. Dr. Scha. kundtat, sowie zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. B., also etwa ein halbes Jahr später, morgens und abends einnahm, und Trancolong, das ihm verordnet war, als ihn Dr. L. Anfang 2015 gutachterlich untersuchte, welche jeweils den Arzneistoff Flupirtin enthalten, hinaus das Morphin MST, 30 mg, zweimal täglich ein. Damit sind über das übliche Maß hinausgehende Schmerzen erklärbar, welche die schmerzbedingte endgradige beidseitige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke nachvollziehbar machen. Gleichwohl sind sämtliche hierdurch bedingten Funktionsbeeinträchtigungen mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 244) mit einer Teil-MdE von 20 v. H. ab 20. Juli 2010 bis aktuell ausreichend bewertet. Die von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. vorgenommenen medizinischen Einschätzungen sind wegen der von ihnen nicht objektivierten ausgeprägten Gangbildstörung für den Senat demgegenüber nicht nachvollziehbar.

Die Brüche der ersten bis vierten Rippe links und der ersten rechts sind zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. Anfang Juli 2010 bereits folgenlos ausgeheilt gewesen, nachdem Prof. Dr. K. am Ende des stationären Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik T. Ende März 2010 noch Restbeschwerden erkannt hatte. Die stattgehabte Luxation der beiderseitigen Sternoklavikulargelenke, welche Prof. Dr. A. während des sich an den Unfall anschließenden stationären Aufenthaltes des Klägers noch als fraglich bezeichnete, ist zwar durch Prof. Dr. W. und Prof. Dr. B. objektiviert worden. Prof. Dr. W. sah die Verletzung der Brust-/Schlüsselbeingelenke beidseits indes bereits als folgenlos ausgeheilt an. Prof. Dr. B. erkannte keine Residuen, also Restsymptome. Hinsichtlich der Rippenverletzung und der Luxation des Schlüsselbeines konnte Dr. L. im Februar 2015 weder nach Aktenlage noch bei seiner gutachterlichen Untersuchung eine Beteiligung neuraler Strukturen feststellen. Diese Gesundheitsstörungen hinterließen folglich keine Funktionsbeeinträchtigungen.

Die von Dr. R. nach ihrem Verwaltungsgutachten diagnostizierten Erkrankungen in Form einer sensiblen Transversalsymptomatik ab dem Segment Th10 (ICD-10 S24.12) und einer Störung der Tiefensensibilität im Bereich der Knöchel (ICD-10 E11.40) sind zum einen nicht im Vollbeweis nachgewiesen sowie zum anderen nicht auf eine versicherte unfallbedingte Einwirkung zurückzuführen. Bereits Dr. Dipl.-Psych. Fr. hat in seiner beratungsärztliche Stellungnahme darauf hingewiesen, dass das Transversalsyndrom im Bereich Th10 nicht gesichert ist, da es durch eine Untersuchung nicht hat bestätigt werden können, und auch nicht unfallabhängig ist, weil keine insoweit maßgebliche Wirbelsäulenbeeinträchtigung objektiviert worden ist. Dr. Lang hat in Bezug darauf überzeugend ausgeführt, dass zwar ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom bestanden hat, woraus die beim Kläger bestehenden Nacken-Hinterkopf-Schmerzen, die Verspannungszustände und die pseudoradikulären Schmerzen, also ausstrahlende Beschwerden in Richtung der Leiste und Beine, resultieren. Es fanden sich jedoch keine Hinweise für auf- oder absteigende Bahnensysteme, kein Lhermitte-Zeichen, also ein bei der neurologischen Untersuchung prüfbares klinisches Indiz für Missempfindungen, und keine Kompression neuraler Strukturen, insbesondere einzelner Nervenwurzeln, was einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 20. Januar 2009 erklären könnte. Prof. Dr. Br. konnte die Symptome einer solchen Gesundheitsstörung bei seinen gutachterlichen Untersuchungen im Dezember 2012 und Oktober 2016 genauso wenig feststellen wie diejenigen sonstiger sensibler Defizite, etwa einer Störung der Tiefensensibilität am Fuß. Dahinstehen kann somit, ob eine solche gesundheitliche Beeinträchtigung überwiegend aus der vorliegend nicht versicherten Alternativursache in Form einer beim Kläger vorliegenden diabetischen Neuropathie resultiert, wie Dr. Dipl.-Psych. Fr. vermutet hat. Auf eine zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung Anfang Februar 2013 blande Form hat Dr. R. lediglich den Verdacht geäußert.

Die beim Kläger von der Beklagten anerkannte erektile Dysfunktion mit einhergehender psychischer Belastung, wie sie dem Gutachten von Dr. Ki. zu entnehmen ist, hat unter Beachtung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrten/Valentin, a. a. O., S. 278 ff.; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, a. a. O., S. 166), wonach die Beischlafunfähigkeit je nach Alter einen MdE-Rahmen zwischen 20 und 40 eröffnet, und seiner nachvollziehbaren medizinischen Einschätzung entsprechend bereits ab 20. Juli 2010 eine Teil-MdE von 20 v. H. zur Folge. Die seelische Reaktion auf die gestörte Erektion des Penis bei sexueller Erregung mag, je nach Persönlichkeit und Gestaltung der Lebensverhältnisse im Einzelnen, verschieden sein. Auf jeden Fall ist es aber nicht fernliegend, dass ein normal empfindender Mann eine solche Beeinträchtigung und ihre Folgen als einen schweren, ihn immer wieder beschäftigenden und zu inneren Auseinandersetzungen veranlassenden Schicksalsschlag betrachtet (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 22. April 1959 - 11/9 RV 232/57 -, BSGE 9, 291 (294)), was offensichtlich auch Prof. Dr. Brecht mit seiner Anmerkung meint, dass das Leben hierdurch erschwert sein kann (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 279). Solche "innere Konfliktsituationen" beeinflussen in der Regel auch die äußere Lebensführung, insbesondere den Kontakt mit der Umwelt und deren Reaktion. Sie wirken auf das Verhalten der Betroffenen gegenüber Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie Vorgesetzten ein, weshalb sie sich auch auf das Erwerbsleben auswirken. Es handelt sich hierbei um einen "typischen Geschehensablauf", welcher sich im Falle des Klägers dadurch abbildet, dass er, wie er gegenüber Priv.-Doz. Dr. J. und Dr. Ki. kundtat, vor dem Unfallereignis ein erfülltes Sexualleben und keine Probleme mit der Erektion hatte, seither aber mit seiner Ehefrau keinen Geschlechtsverkehr mehr ausüben konnte, die sich schließlich 2012 auch deswegen von ihm trennte. Zudem führte er an, sich aus diesem Grund als Krüppel und minderwertig zu fühlen sowie Versagensängste zu haben. Gegenüber Prof. Dr. Br. ließ er sich zuletzt dahingehend ein, dass sein sexuelles Interesse stark nachgelassen hat. Umstände, welche vorliegend die Möglichkeit eines anderen atypischen Geschehensablaufes begründen, haben sich demgegenüber nicht feststellen lassen. Die urologische Gesundheitsstörung, die im 54. Lebensjahr des Klägers eintrat, mit ihren psychischen Folgen, aber ohne Libidoverlust, sind danach mit einer Teil-MdE von 20 v. H. zu bewerten.

Die Folgen des Ereignisses vom 20. Januar 2009 auf psychiatrischem Fachgebiet haben allenfalls eine Teil-MdE von 10 v. H. zur Folge. Die Beklagte erkannte zwar mit Bescheid vom 12. Mai 2014 eine Anpassungsstörung (ICD-10-GM-2017) als Unfallfolge an. Hieraus folgt indes keine Teil-MdE. Nach Ansicht von Prof. Dr. Br. kann eine solche Gesundheitsstörung nach den Diagnosekriterien allenfalls für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren nach erlittenem Trauma berücksichtigt werden, weshalb wohl bereits die behördliche Feststellung zu Unrecht erfolgte, da sich die Beklagte im Wesentlichen auf die gutachterliche Untersuchung durch Dr. Ki. im Dezember 2011, also fast drei Jahre nach dem Unfall, stützte. Davon abgesehen hat zuletzt Prof. Dr. Br. den dadurch bedingten Einschränkungen keine Relevanz für die MdE beigemessen. Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2017 F43.1), wie der Kläger laienhaft annimmt, liegt bei ihm nicht vor. Niemand von den Ärztinnen und Ärzten, die ihn behandelt oder begutachtet haben, habe diese Diagnose gestellt. Prof. Dr. Br. hat sie nach der gutachterlichen Untersuchung im Dezember 2012 sogar ausdrücklich ausgeschlossen, wobei unerheblich ist, dass ihm wohl nicht geläufig war, dass es sich bei Flashbacks um Nachhallerinnerungen handelt. Er hat widersprüchlich angeführt, dass der Kläger über Letztere gesprochen, jedoch Erstere negiert habe. Prof. Dr. Br. konnte kein Vermeidungsverhalten erkennen (vgl. Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 - L 6 U 1013/15 -, juris, Rz. 75). Die von Prof. Dr. Br. diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10-GM-2017 F45.40) konnte der Senat nicht nachvollziehen. Nach den Diagnosekriterien ist die vorherrschende Beschwerde ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, welcher durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht hinreichend erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auf, denen die Hauptrolle für Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukommt. Die Folge ist meist eine beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Hilfe und Unterstützung. Die beim Kläger vorhandenen Schmerzen lassen sich indes, wie dargelegt, durch die körperliche Störung im Bereich der Hüftgelenke hinreichend erklären. Einzig die dadurch angeblich bedingten Funktionsstörungen ließen sich nicht objektivieren. Eine Dysthymia (ICD-10-GM-2017 F34.0), wie Prof. Dr. Br. ebenfalls diagnostizierte, hat nach der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 169 ff.) allenfalls eine Teil-MdE von 10 v. H. zur Folge. Soweit er eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers im aktuellen Gutachten angenommen hat, stehen dem bereits dessen Angaben bei der Anamnese entgegen, wonach er, obwohl er nun allein lebt, nicht das Gefühl von Einsamkeit empfindet. Er hat nach wie vor Freunde, die ihn auch besuchen, sie sind im Vergleich zu der Zeit vor dem Unfallereignis nur weniger geworden. Er geht mit seinem Sohn noch gelegentlich ins Theater oder Kino. Ab und an wird er von diesem zu einem Grillabend eingeladen. Damit in Einklang stehen seine zuvor gegenüber Dr. L. gemachten Angaben, woraus sich eine noch erhaltene Tagesstruktur und ebenfalls kein sozialer Rückzug ergeben. Dass er nicht mehr Tanzen geht, hat seine Ursache nicht in einem krankheitsbedingten Verzicht aufgrund einer psychischen Erkrankung, sondern ist auf die unfallbedingten orthopädischen Gesundheitsstörungen zurückzuführen. Eine Reise hat er ebenso wenig ob einer Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet, welche auf das Unfallereignis zurückzuführen ist, nicht unternommen. Denn er äußerte gegenüber Prof. Dr. Br., lange vor dem Unfall im Jahre 2009 das letzte Mal überhaupt im Urlaub gewesen zu sein. Zudem äußerte er gegenüber Prof. Dr. A. Anfang August 2009, ab Mitte des Monats seine Familie in Italien für drei Wochen besuchen zu wollen. Die verminderte sexuelle Erregbarkeit ist organisch bedingt. Der von Prof. Dr. Br. erhobene psychopathologische Befund, wonach, die Psychomotorik sich als etwa angespannt darstellte, eine bedrückte und besorgte Grundstimmung vorlag sowie sowohl der Sozialkontakt bei der Untersuchung durch eine gewisse Angespanntheit als auch der Gesichtsausdruck und die Mimik durch eine Traurigkeit und Besorgtheit geprägt, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit erkennbar eingeschränkt, die Affektivität etwas in Richtung des depressiven Pols eingeengt sowie der Antrieb deutlich vermindert waren, aber keine Affektlabilität bestand, unterstreicht, dass beim Kläger leichtgradige Funktionsstörungen eingetreten sind. Entgegen der Darstellung der Beklagten setzte er mit dem Beck-Depressions-Inventar und der Hamilton Depression Scale auch Tests zur Validierung von Beschwerden ein, wobei nach der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. vom 28. Januar 2011 (im Internet unter "www.dgppn. de/presse/stellungnahmen/detailansicht/browse/1/select/stellungnahmen2011/article/141/zur-an- wendun.html") unter Hinweis auf Dreßing/Widder/Foerster, VersMed 2010, S. 163 ff. maßgeblich ist, dass, sofern solche Methoden zur Anwendung kommen, die Standards einer umfassenden fachärztlichen Begutachtung beachtet werden, also die Ergebnisse im Kontext einer gründlichen neurologisch-psychiatrischen Untersuchung zu diskutieren sind. Damit sind vorliegend für den Bereich der psychischen Störungen allerdings keine solchen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen im Erwerbsleben belegt, dass eine höhere Teil-MdE als 10 v. H. gerechtfertigt ist. Die von Prof. Dr. Br. als angemessen erachteten 40 v. H., die er in Anlehnung an einen chronifizierten Schmerzzustand mit schwerwiegender körperlich-funktioneller Einschränkung und erheblich psychisch-emotionaler Beeinträchtigung angenommen hat, entbehren demgegenüber einer hinreichenden Grundlage.

Darüber hinaus hat der Arbeitsunfall vom 20. Januar 2009 keine Folgen hinterlassen, die eine MdE untermauert haben. Mit den insoweit nicht angefochtenen Bescheiden vom 24. November 2010 und 11. Januar 2012 wurde bindend festgestellt, dass ein Diabetes mellitus, eine arteriellen Hypertonie, ein Aneurysmas der Bauchaorta und eine Hyperproproteinämie keine Unfallfolgen sind. Sonstige Gesundheitsstörungen, welche ihre Ursache in dem Unfallereignis haben könnten, sind nicht ersichtlich. Auf eine Morton-Metatarsalgie, also eine schmerzhafte, periphere Nervenerkrankung des Fußes, welche durch Schwellungen an den Interdigitalnerven im Bereich der Köpfe der Mittelfußknochen hervorgerufen werden, ist lediglich der Verdacht geäußert worden, wie Dr. Dipl.-Psych. Fr. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme hervorgehoben hat.

Das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen, die auf das Ereignis vom 20. Januar 2009 zurückzuführen sind, ist nach Auffassung des Senats ab 20. Juli 2010 bis aktuell mit einer Gesamt-MdE von 30 v. H. zu bewerten. Dieses ist im Ganzen zu würdigen, wobei die einzelnen Teil-MdE nicht schematisch zusammengerechnet werden dürfen. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit (vgl. BSG, Urteile vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 -, BSGE 48, 82 und vom 13. Februar 2013 - B 2 U 25/11 R -, juris, Rz. 24 m. w. N.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 131 f.). Danach ergibt sich aus den Teil-MdE von jeweils 20 v. H. wegen der Funktionsstörungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem und urologischem Fachgebiet eine Gesamt-MdE von 30 v. H. Die Teil-MdE wegen der Funktionsbeeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet erhöht die Gesamt-MdE nicht weiter, zumal Überschneidungen mit den Beeinträchtigungen auf urologischem Fachgebiet vorliegen. Die von der Beklagten getroffenen Feststellungen bleiben dahinter nicht zurück.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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