Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2008/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2636/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. März 2014.
Die am 1961 geborene Klägerin absolvierte nach abgebrochenem Studium eine am 5. Dezember 1995 erfolgreich abgeschlossene Umschulung zur Werbekauffrau. Anschließend war sie mit Unterbrechungen in verschiedenen Tätigkeit beschäftigt, zuletzt in einem Umfang von vier Stunden täglich als Callcenter-Agentin bis zum 15. Oktober 2011. Sie bezog Krankengeld bis zur Aussteuerung am 6. März 2013, anschließend Arbeitslosengeld bis zum 7. Juli 2013 und nach zwischenzeitlichem Übergangsgeldbezug wieder vom 26. Juli 2014 bis zum 22. März 2014.
In der Zeit vom 8. bis 24. Juli 2013 befand sich die Klägerin in stationärer Rehabilitation in der Rehaklinik G ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 31. Juli 2013 diagnostizierte Dr. Ge. eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradige Episode, eine leichtgradige Anämie, eine Omalgie links sowie einen Zustand nach (Z.n.) Scaphoidfraktur 2009. Die Klägerin könne ihre letzte Tätigkeit als Callcenter-Agentin und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Stehen oder Gehen oder ständig im Sitzen noch sechs Stunden und mehr verrichten. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit besonderem Stress, unter erheblichem Zeitdruck (z.B. Akkord), im Schichtdienst, mit besonderen Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen oder das Konfliktverhalten sowie regelmäßige Überkopfarbeiten.
Am 10. März 2014 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und verwies zur Begründung auf massive Schlafstörungen, Traurigkeit mit Weinerlichkeit, Antriebslosigkeit, geringe Belastbarkeit, Druck im Kopf, Vergesslichkeit, Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Rückzug, Angst, Zittern, Schmerzen am rechten Handgelenk bei längerer Tätigkeit am Computer sowie Schmerzen in der linken Schulter.
Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen beauftragte die Beklagte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens, das diese aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 7. Mai 2014 unter dem 8. August 2014 erstattete. Darin diagnostizierte sie eine funktionell leichtgradige Dysthymie, einen Verdacht auf funktionell leichtgradig kombinierte Persönlichkeit, eine Omalgie links sowie einen Z.n. Scaphoidfraktur 2009. Eine Tätigkeit als Callcenter-Agentin komme nur noch unter drei Stunden täglich in Betracht. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend gehend, stehend, sitzend seien der Klägerin sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten in Nacht- oder häufigen Wechselschichten, mit Verantwortung für Mensch oder Maschine, im sicherheitsrelevanten Bereich sowie mit permanentem und forderndem Publikumsverkehr.
Mit Bescheid vom 20. August 2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mangels Erwerbsminderung ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches legte die Klägerin ein Attest des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 13. November 2014 sowie ein Attest der Psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. E. vom 19. März 2014 vor. In einer daraufhin eingeholten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11. März 2015 hielt Dr. H. an der von ihr vertretenen Leistungseinschätzung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2015 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Auch nach erneuter Prüfung bestehe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Danach liege weder teilweise noch volle Erwerbsminderung vor. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30. April 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte unter Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen aus, entgegen der Auffassung der Beklagten sei ihre Leistungsfähigkeit auf höchstens vier Stunden täglich einzustufen. Die Beklagte habe die vorgelegten ärztlichen Berichten nicht ausreichend berücksichtigt. Die Feststellungen von Dr. H. seien teilweise unzutreffend, so habe ihre Hausärztin zum Rentenantrag geraten. Das Rehaverfahren in der Rehaklinik G. habe sie abgebrochen, weil ihre Katze todkrank gewesen sei und die private Pflegeperson die Verantwortung für diese nicht habe übernehmen wollen. Die Leistungseinschränkung im Reha-Entlassungsbericht sei aufgrund der Kürze des Rehaverfahrens nicht aussagekräftig und in sich widersprüchlich. Einerseits sei eine chronische Depression, aktuell mittelschweren Ausmaßes, diagnostiziert und eine weitere psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung für dringend erforderlich gehalten worden, andererseits sei sie arbeitsfähig ohne quantitative Einschränkungen entlassen worden. Den von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. auf 9:00 Uhr morgens anberaumten Termin zur Begutachtung (dazu unten) habe sie nicht wahrgenommen, weil es sie aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht möglich gewesen sei, zu diesem frühen Termin in Kehl zu erscheinen, und eine Verlegung abgelehnt worden sei. Die von Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Psychotherapie und Innere Medizin Dr. Dr. N., Ärztlicher Leiter einer Klinik am Wohnort der Klägerin, zur Begutachtung (dazu unten) anberaumten Termine seien jeweils viel zu kurzfristig erfolgt, so dass sie sie nicht habe wahrnehmen können.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der Leitenden Medizinaldirektorin Dr. Kü. vom 10. August 2015 entgegen. Auch unter Berücksichtigung der vom SG durchgeführten Ermittlungen (dazu unten) sei von der bisherigen Leistungseinschätzung eines quantitativ uneingeschränkten Leistungsvermögens für entsprechende körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festzuhalten.
Das SG holte schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Die hausärztlich behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin D. berichtete in ihrer schriftlichen Auskunft vom 13. Juli 2015 über Behandlungen der Klägerin im Februar, März und April 2014 sowie eine einmalige Vorstellung bei ihrem Vertreter im Oktober 2014. Im Februar 2014 habe eine Schulterteilsteife links bei vordiagnostizierter Tendinosis calcarea links und stattgehabtem Schultertrauma 1992 und 2009 und eine akute Erkältung bestanden. Es bestünden glaubhaft schmerzhafte Einschränkungen bei allen Überkopfarbeiten über 90° und längerer Belastung des Schultergürtels, z.B. durch PC-Tätigkeit. Schwerpunkt der Erkrankung seien die chronischen psychische Einschränkungen. Die Klägerin sei weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig. Beigelegt wurden unter anderem ein Arztbrief der Dres. N., L. und Ko. über eine MRT der linken Schulter vom 17. Januar 2014 sowie ein Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. Er. vom 19. März 2014 (Diagnosen: Cervicobrachialgie links, Dorsolumbalgie rechts, Blockade TH 12 rechts, Rotatorenmanchetensyndrom links, Tendinosis calcarea links). Dr. S. sah die Klägerin aufgrund einer bestehenden Persönlichkeitsstörung sowie Dysthymie mit rezidivierenden depressiven Episoden nicht mehr in der Lage, drei Stunden oder mehr zu arbeiten. Das SG beauftragte am 18. August 2015 zunächst Dr. B. sowie am 14. Dezember 2015 Dr. Dr. N. mit der Erstellung eines Gutachtens. Nachdem die Klägerin die Begutachtungstermine nicht wahrgenommen hatte, sah das SG von einer weiteren Begutachtung ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2016 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den überzeugenden Einschätzungen von Dr. H. und Dr. Ge. folgend stehe nicht fest, dass die Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt sei. Die abweichenden Beurteilungen der als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte seien nicht hinreichend begründet. Es (das SG) sehe sich zu weiteren Ermittlungen des Sachverhaltes nicht veranlasst. Zum einen weise das im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten keine erheblichen Widersprüche auf, die durch ein zusätzliches Gutachten im Gerichtsverfahren aufgeklärt werden müssten. Zum anderen habe es zweimal erfolglos versucht, die Klägerin im Gerichtsverfahren begutachten zu lassen. Die für die Absage des Begutachtungstermins bei Dr. B. vorgetragene Begründung der in Lahr wohnenden Klägerin, es sei ihr aufgrund ihres Krankheitsbildes unzumutbar, zu einem Termin am frühen Vormittag in Kehl zu erscheinen, sei vor dem Hintergrund, dass es der Klägerin im Verwaltungsverfahren ohne weiteres möglich gewesen sei, mit eigenem Kraftfahrzeug eine Entfernung von 100 km zum Begutachtung zu bewältigen, nicht nachvollziehbar. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.
Gegen diesen ihr am 16. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zu deren Begründung auf die von ihrer Hausärztin D. sowie von Dr. S. genannte Leistungseinschränkung verwiesen. Das ihren Anspruch stützende Attest der Psychologischen Psychotherapeutin E. vom 19. März 2014 habe das SG nicht einmal erwähnt. Wegen der Erkrankung ihrer Hausärztin sei sie nur noch bei Dr. S. in Behandlung gewesen. Dass es im sozialgerichtlichen Verfahren zu keiner weiteren Begutachtung gekommen sei, habe sie nicht verschuldet. Den vom SG angeführten Termin zur Begutachtung im Verwaltungsverfahren habe sie wahrnehmen können, da der ursprünglich auf 9:00 Uhr angesetzte Termin auf 14:00 Uhr verschoben worden sei.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2015 zu verurteilen, ihr ab dem 1. März 2014 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweise Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. S. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat unter dem 9. Oktober 2016 mitgeteilt, die Klägerin habe sich von Juli bis November 2015 monatlich sowie am 6. April und 4. Oktober 2016 bei ihm vorgestellt. Bei den Besuchen habe die Klägerin ruhig und in sich gekehrt gewirkt, die affektive Schwingungsfähigkeit sei reduziert, die Eigenwahrnehmung in Richtung Niedergestimmtheit und Insuffizienzgefühlen verschoben gewesen. Unter Einnahme eines im April 2014 verordneten Antidepressivums habe sie ein psychosenahes Erlebnis geschildert. Anschließende Behandlungen mit Johanneskraut, Lavendelöl und Neurexan, einem homöopathischen Mittel zur Behandlung von Unruhe, hätten keine Befundänderung erbracht. Dies sei angesichts der Diagnose einer Dysthymie nicht unerwartet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn die Klägerin begehrt laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr.
2. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. März 2014 (vgl. § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihr gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.
(1) Bei der Klägerin bestehen auf nervenärztlichem Fachgebiet eine funktionell leichtgradige Dysthymie und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeit, ebenfalls funktionell leichtgradig. Dies entnimmt der Senat dem bereits im Verwaltungsverfahren von Dr. H. erstatteten Gutachten, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Dr. H. hat die von ihr ausführlich erhobenen Befunde im Einzelnen dargestellt und hieraus schlüssig die diagnostizierten Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen abgeleitet. Die Klägerin zeigte bei der dortigen Untersuchung keine Antriebsminderung. Das formale Denken war, wenn auch inhaltlich thematisch fixiert mit Auslenkung zum Hypochondrischen, ungestört, ebenso Gedächtnis und Merkfähigkeit. Die Stimmung zeigte sich weitgehend ausgeglichen bis leicht gereizt, die Affektivität nüchtern, Empfindung und Wahrnehmung ungestört. Die Psychomotorik war angespannt. Die Klägerin erschien sehr gepflegt. Der von Dr. H. erhobene Tagesablauf zeigte eine erhaltene Tagesstruktur und die Fähigkeit der Klägerin, ihren Haushalt einschließlich ihrer zwei Katzen zu versorgen, Einkäufe zu erledigen und Interessen wahrzunehmen (z.B. Rad- und Motorradfahren). Die Klägerin gab an, einen Freund zu haben. Damit ist auch eine soziale Teilhabe zu erkennen. Damit stellte sich die psychische Situation bei Dr. H. besser dar als während des Rehabilitationsverfahrens. Dort wurde noch eine deutlich gedrückte Stimmung bei eingeschränkter Auslenkbarkeit beschrieben. Teilweise kam es themenabhängig (Trennungserfahrungen) zu Tränenausbrüchen. Beschrieben wurde aber trotz der kurzen Dauer eine leichte Stimmungs- und Antriebsbesserung bei Entlassung. Dr. S. hat die Diagnose einer Dysthymie ausdrücklich bestätigt (Attest vom 13. November 2014, Auskünfte als sachverständiger Zeuge vom 12. Juli 2015 und 9. Oktober 2016) und eine neurotische Persönlichkeit attestiert. Die im Attest vom 19. März 2014 von Dipl.-Psych. E. gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, mittelgradig bis schwer ausgeprägt, ist für den hier streitigen Zeitraum nicht mehr relevant. Denn sie fußt nach dem Inhalt des Attest auf der dortigen Behandlung von Mai 2012 bis März 2013, die mithin ein Jahr vor dem Rentenantrag und noch vor Durchführung des Rehaverfahrens abgeschlossen wurde.
Auf orthopädischem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine Omalgie (Schulterschmerz) sowie ein Z.n. Scaphoidfraktur (Kahnbein der Handwurzel) 2009. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. H. sowie dem Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ... Auch dem Arztbrief von Dr. Er. vom 19. März 2014 sind Schulterbeschwerden zu entnehmen. Dieser stellt die Diagnosen eines Rotatorenmanschettensyndroms und einer Tendinosis calcerea links. In den bildgebenden Verfahren zeigte sich aber eine intakte Rotatorenmanschette; bestätigt wurde eine geringe Reizung des Schultereckgelenks und ein Anzeichen für Impingement mit einer Verkalkungsstruktur ansatznah in der dorsalen Supraspinatussehne. Klinisch zeigte sich allenfalls endgradig ein Elevations- und Abduktionsschmerz. Ein painful arc (schmerzhafter Bogen) trat nicht auf. Die Sulcusregion war ohne Druckschmerz. Damit entsprechen die klinischen Befunde insoweit weitgehend den auch später von Dr. H. erhobenen, wo sich sogar eine freie aktive und passive Beweglichkeit der Schultern fand. Die im Arztbrief von Dr. Er. weiter beschriebenen Gesundheitsstörungen (Cervikobrachialgie links, Dorsolumbalgie rechts, Blockade TH 12 rechts) haben sich bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht bestätigt. Der von Dr. Er. hierzu wiedergegebene objektive Befund beschränkt sich auf eine Einschränkung der Halswirbelsäulenrotation rechts gegenüber links um lediglich 10° (80/0/70), einen Druckschmerz dorsolumbal rechts, ca. TH 12. Ansonsten zeigte sich an der Wirbelsäule kein pathologischer Befund, insbesondere wurden keine Einschränkungen der Entfaltbarkeit oder der Beweglichkeit angegeben. Wie bei der späteren Untersuchung durch Dr. H. fanden sich Sensibilität, grobe Kraft und Durchblutung regelgerecht. Pathologische Reflexe wurden ebenso wenig erhoben wie motorische Defizite. Das Zeichen nach Lasègue war negativ. Bei Dr. H. erreichte die Klägerin einen Finger-Boden-Abstand von 0 cm. Bewegungseinschränkungen der oberen und unteren Gliedmaßen bestanden nicht. Auch die Beweglichkeit der Handgelenke war nicht eingeschränkt, die Feinmotorik erhalten.
(2) Aus den bei der Klägerin als relevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Einschränkungen. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten von Dr. He. und den Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ... Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sind wegen der Gesundheitsstörung an der Schulter regelmäßige Überkopfarbeiten ausgeschlossen. Weitergehende Einschränkungen ergeben sich unter orthopädischen Gesichtspunkten bezogen auf die hier allein in Rede stehenden körperlich leichten Tätigkeiten nicht. Angesichts der oben beschriebenen klinischen Befunde ist diese Einschätzung von Dr. H. und Dr. Ge. schlüssig. Auf die von Dr. Er. darüber hinaus genannten Diagnosen kommt es wegen der fehlenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht entscheidend an.
Wegen der psychischen Gesundheitsstörungen sind Tätigkeiten in Nacht- oder häufigen Wechselschichten, mit besonderem Stress, unter erheblichem Zeitdruck (z.B. Akkord), mit Verantwortung für Mensch oder Maschine, in sicherheitsrelevanten Bereich sowie mit permanentem und fordernden Publikumsverkehr sowie mit besonderen Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen ausgeschlossen. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. He. und dem Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ...
(3) Die bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; die Klägerin ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf das Gutachten von Dr. He. und den Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ... Entgegen der Ansicht der Klägerin weist letzterer keinen inneren Widerspruch auf. Die Annahme von – auch dringender – Behandlungsbedürftigkeit zieht nicht automatisch eine Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung nach sich. Die orthopädischen Gesundheitsstörungen bedingen danach bezogen auf leichte Tätigkeiten keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen. Insbesondere hat Ärztin D. ausdrücklich bestätigt, dass der Schwerpunkt der relevanten Leiden auf psychischem Gebiet liegt. Die psychischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen - auch in der Zusammenschau mit den orthopädischen - aber ebenfalls keine Einschränkung auf ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen. Trotz der psychischen Symptomatik ist die Klägerin in der Lage, ihren Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren. Weder aus der Aktenlage, der Anamnese noch dem Untersuchungsbefund ergab sich bei Dr. H. ein ausreichender Grund für die Annahme einer Einschränkung des Durchhaltevermögens. Eine weitgehende, objektivierbare oder ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens (z.B. in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Konzentrationsfähigkeit, Antrieb, Interesse und Aufmerksamkeit) liegen nach schlüssiger Darstellung von Dr. H. nicht vor. Dies ist den von ihr erhobenen, oben bereits dargestellten psychischen Befunden und dem festgestellten Tagesablauf zu entnehmen. Zu Recht weisen Dr. H. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11. März 2015 und Dr. Kü. in ihrer Stellungnahme vom 10. August 2015 darauf hin, dass sich angesichts der beschriebenen erhaltenen alltäglichen Mobilität, vorhandenen Interessen und Hobbies, des eigenen Pflegezustandes und der möglichen Haushaltsführung bei vorhandenem, aber nicht vollständigem sozialen Rückzug eine quantitative Leistungsminderung nicht angenommen werden kann. Der Umgang mit und die Versorgung ihrer zwei Katzen stellen eine weitere – auch schon von Dr. Ge. ausdrücklich erwähnte – psychische Ressource dar.
Der abweichenden Einschätzung der behandelnden Ärzte vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. S. gibt in seinen Auskünften als sachverständige Zeuge überwiegend subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin wieder. Als Befund wird – wie bereits im Attest vom 29. April 2014 – ein herabgesetzte affektive Schwingungsfähigkeit angegeben; die Eigenwahrnehmung sei in Richtung Niedergestimmtheit und Insuffizienzgefühlen verschoben. Arztbesuche würden verschoben oder aufgrund einer "empfundenen Kraftlosigkeit" nicht eingehalten. Eine Konsistenzprüfung durch Abgleich mit den tatsächlichen Einschränkungen im Alltag und den verbliebenen Ressourcen erfolgte im Gegensatz zu Dr. H. durch Dr. S. nicht. Gleiches gilt für die Stellungnahme der Ärztin D ... Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen bestand daher kein Anlass.
(4) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
(6) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen. Im Übrigen ist sie im Alltag mit Fahrrad, Motorrad und Pkw uneingeschränkt mobil. Dies ergibt sich aus ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. H ... Den Weg von ca. 100 km zur dortigen Begutachtung hatte sie alleine im Pkw zurückgelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. März 2014.
Die am 1961 geborene Klägerin absolvierte nach abgebrochenem Studium eine am 5. Dezember 1995 erfolgreich abgeschlossene Umschulung zur Werbekauffrau. Anschließend war sie mit Unterbrechungen in verschiedenen Tätigkeit beschäftigt, zuletzt in einem Umfang von vier Stunden täglich als Callcenter-Agentin bis zum 15. Oktober 2011. Sie bezog Krankengeld bis zur Aussteuerung am 6. März 2013, anschließend Arbeitslosengeld bis zum 7. Juli 2013 und nach zwischenzeitlichem Übergangsgeldbezug wieder vom 26. Juli 2014 bis zum 22. März 2014.
In der Zeit vom 8. bis 24. Juli 2013 befand sich die Klägerin in stationärer Rehabilitation in der Rehaklinik G ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 31. Juli 2013 diagnostizierte Dr. Ge. eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradige Episode, eine leichtgradige Anämie, eine Omalgie links sowie einen Zustand nach (Z.n.) Scaphoidfraktur 2009. Die Klägerin könne ihre letzte Tätigkeit als Callcenter-Agentin und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Stehen oder Gehen oder ständig im Sitzen noch sechs Stunden und mehr verrichten. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit besonderem Stress, unter erheblichem Zeitdruck (z.B. Akkord), im Schichtdienst, mit besonderen Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen oder das Konfliktverhalten sowie regelmäßige Überkopfarbeiten.
Am 10. März 2014 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und verwies zur Begründung auf massive Schlafstörungen, Traurigkeit mit Weinerlichkeit, Antriebslosigkeit, geringe Belastbarkeit, Druck im Kopf, Vergesslichkeit, Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Rückzug, Angst, Zittern, Schmerzen am rechten Handgelenk bei längerer Tätigkeit am Computer sowie Schmerzen in der linken Schulter.
Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen beauftragte die Beklagte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens, das diese aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 7. Mai 2014 unter dem 8. August 2014 erstattete. Darin diagnostizierte sie eine funktionell leichtgradige Dysthymie, einen Verdacht auf funktionell leichtgradig kombinierte Persönlichkeit, eine Omalgie links sowie einen Z.n. Scaphoidfraktur 2009. Eine Tätigkeit als Callcenter-Agentin komme nur noch unter drei Stunden täglich in Betracht. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend gehend, stehend, sitzend seien der Klägerin sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten in Nacht- oder häufigen Wechselschichten, mit Verantwortung für Mensch oder Maschine, im sicherheitsrelevanten Bereich sowie mit permanentem und forderndem Publikumsverkehr.
Mit Bescheid vom 20. August 2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mangels Erwerbsminderung ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches legte die Klägerin ein Attest des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 13. November 2014 sowie ein Attest der Psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. E. vom 19. März 2014 vor. In einer daraufhin eingeholten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11. März 2015 hielt Dr. H. an der von ihr vertretenen Leistungseinschätzung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2015 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Auch nach erneuter Prüfung bestehe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Danach liege weder teilweise noch volle Erwerbsminderung vor. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30. April 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte unter Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen aus, entgegen der Auffassung der Beklagten sei ihre Leistungsfähigkeit auf höchstens vier Stunden täglich einzustufen. Die Beklagte habe die vorgelegten ärztlichen Berichten nicht ausreichend berücksichtigt. Die Feststellungen von Dr. H. seien teilweise unzutreffend, so habe ihre Hausärztin zum Rentenantrag geraten. Das Rehaverfahren in der Rehaklinik G. habe sie abgebrochen, weil ihre Katze todkrank gewesen sei und die private Pflegeperson die Verantwortung für diese nicht habe übernehmen wollen. Die Leistungseinschränkung im Reha-Entlassungsbericht sei aufgrund der Kürze des Rehaverfahrens nicht aussagekräftig und in sich widersprüchlich. Einerseits sei eine chronische Depression, aktuell mittelschweren Ausmaßes, diagnostiziert und eine weitere psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung für dringend erforderlich gehalten worden, andererseits sei sie arbeitsfähig ohne quantitative Einschränkungen entlassen worden. Den von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. auf 9:00 Uhr morgens anberaumten Termin zur Begutachtung (dazu unten) habe sie nicht wahrgenommen, weil es sie aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht möglich gewesen sei, zu diesem frühen Termin in Kehl zu erscheinen, und eine Verlegung abgelehnt worden sei. Die von Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Psychotherapie und Innere Medizin Dr. Dr. N., Ärztlicher Leiter einer Klinik am Wohnort der Klägerin, zur Begutachtung (dazu unten) anberaumten Termine seien jeweils viel zu kurzfristig erfolgt, so dass sie sie nicht habe wahrnehmen können.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der Leitenden Medizinaldirektorin Dr. Kü. vom 10. August 2015 entgegen. Auch unter Berücksichtigung der vom SG durchgeführten Ermittlungen (dazu unten) sei von der bisherigen Leistungseinschätzung eines quantitativ uneingeschränkten Leistungsvermögens für entsprechende körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festzuhalten.
Das SG holte schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Die hausärztlich behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin D. berichtete in ihrer schriftlichen Auskunft vom 13. Juli 2015 über Behandlungen der Klägerin im Februar, März und April 2014 sowie eine einmalige Vorstellung bei ihrem Vertreter im Oktober 2014. Im Februar 2014 habe eine Schulterteilsteife links bei vordiagnostizierter Tendinosis calcarea links und stattgehabtem Schultertrauma 1992 und 2009 und eine akute Erkältung bestanden. Es bestünden glaubhaft schmerzhafte Einschränkungen bei allen Überkopfarbeiten über 90° und längerer Belastung des Schultergürtels, z.B. durch PC-Tätigkeit. Schwerpunkt der Erkrankung seien die chronischen psychische Einschränkungen. Die Klägerin sei weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig. Beigelegt wurden unter anderem ein Arztbrief der Dres. N., L. und Ko. über eine MRT der linken Schulter vom 17. Januar 2014 sowie ein Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. Er. vom 19. März 2014 (Diagnosen: Cervicobrachialgie links, Dorsolumbalgie rechts, Blockade TH 12 rechts, Rotatorenmanchetensyndrom links, Tendinosis calcarea links). Dr. S. sah die Klägerin aufgrund einer bestehenden Persönlichkeitsstörung sowie Dysthymie mit rezidivierenden depressiven Episoden nicht mehr in der Lage, drei Stunden oder mehr zu arbeiten. Das SG beauftragte am 18. August 2015 zunächst Dr. B. sowie am 14. Dezember 2015 Dr. Dr. N. mit der Erstellung eines Gutachtens. Nachdem die Klägerin die Begutachtungstermine nicht wahrgenommen hatte, sah das SG von einer weiteren Begutachtung ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2016 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den überzeugenden Einschätzungen von Dr. H. und Dr. Ge. folgend stehe nicht fest, dass die Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt sei. Die abweichenden Beurteilungen der als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte seien nicht hinreichend begründet. Es (das SG) sehe sich zu weiteren Ermittlungen des Sachverhaltes nicht veranlasst. Zum einen weise das im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten keine erheblichen Widersprüche auf, die durch ein zusätzliches Gutachten im Gerichtsverfahren aufgeklärt werden müssten. Zum anderen habe es zweimal erfolglos versucht, die Klägerin im Gerichtsverfahren begutachten zu lassen. Die für die Absage des Begutachtungstermins bei Dr. B. vorgetragene Begründung der in Lahr wohnenden Klägerin, es sei ihr aufgrund ihres Krankheitsbildes unzumutbar, zu einem Termin am frühen Vormittag in Kehl zu erscheinen, sei vor dem Hintergrund, dass es der Klägerin im Verwaltungsverfahren ohne weiteres möglich gewesen sei, mit eigenem Kraftfahrzeug eine Entfernung von 100 km zum Begutachtung zu bewältigen, nicht nachvollziehbar. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.
Gegen diesen ihr am 16. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zu deren Begründung auf die von ihrer Hausärztin D. sowie von Dr. S. genannte Leistungseinschränkung verwiesen. Das ihren Anspruch stützende Attest der Psychologischen Psychotherapeutin E. vom 19. März 2014 habe das SG nicht einmal erwähnt. Wegen der Erkrankung ihrer Hausärztin sei sie nur noch bei Dr. S. in Behandlung gewesen. Dass es im sozialgerichtlichen Verfahren zu keiner weiteren Begutachtung gekommen sei, habe sie nicht verschuldet. Den vom SG angeführten Termin zur Begutachtung im Verwaltungsverfahren habe sie wahrnehmen können, da der ursprünglich auf 9:00 Uhr angesetzte Termin auf 14:00 Uhr verschoben worden sei.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2015 zu verurteilen, ihr ab dem 1. März 2014 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweise Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. S. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat unter dem 9. Oktober 2016 mitgeteilt, die Klägerin habe sich von Juli bis November 2015 monatlich sowie am 6. April und 4. Oktober 2016 bei ihm vorgestellt. Bei den Besuchen habe die Klägerin ruhig und in sich gekehrt gewirkt, die affektive Schwingungsfähigkeit sei reduziert, die Eigenwahrnehmung in Richtung Niedergestimmtheit und Insuffizienzgefühlen verschoben gewesen. Unter Einnahme eines im April 2014 verordneten Antidepressivums habe sie ein psychosenahes Erlebnis geschildert. Anschließende Behandlungen mit Johanneskraut, Lavendelöl und Neurexan, einem homöopathischen Mittel zur Behandlung von Unruhe, hätten keine Befundänderung erbracht. Dies sei angesichts der Diagnose einer Dysthymie nicht unerwartet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn die Klägerin begehrt laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr.
2. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. März 2014 (vgl. § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihr gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.
(1) Bei der Klägerin bestehen auf nervenärztlichem Fachgebiet eine funktionell leichtgradige Dysthymie und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeit, ebenfalls funktionell leichtgradig. Dies entnimmt der Senat dem bereits im Verwaltungsverfahren von Dr. H. erstatteten Gutachten, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Dr. H. hat die von ihr ausführlich erhobenen Befunde im Einzelnen dargestellt und hieraus schlüssig die diagnostizierten Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen abgeleitet. Die Klägerin zeigte bei der dortigen Untersuchung keine Antriebsminderung. Das formale Denken war, wenn auch inhaltlich thematisch fixiert mit Auslenkung zum Hypochondrischen, ungestört, ebenso Gedächtnis und Merkfähigkeit. Die Stimmung zeigte sich weitgehend ausgeglichen bis leicht gereizt, die Affektivität nüchtern, Empfindung und Wahrnehmung ungestört. Die Psychomotorik war angespannt. Die Klägerin erschien sehr gepflegt. Der von Dr. H. erhobene Tagesablauf zeigte eine erhaltene Tagesstruktur und die Fähigkeit der Klägerin, ihren Haushalt einschließlich ihrer zwei Katzen zu versorgen, Einkäufe zu erledigen und Interessen wahrzunehmen (z.B. Rad- und Motorradfahren). Die Klägerin gab an, einen Freund zu haben. Damit ist auch eine soziale Teilhabe zu erkennen. Damit stellte sich die psychische Situation bei Dr. H. besser dar als während des Rehabilitationsverfahrens. Dort wurde noch eine deutlich gedrückte Stimmung bei eingeschränkter Auslenkbarkeit beschrieben. Teilweise kam es themenabhängig (Trennungserfahrungen) zu Tränenausbrüchen. Beschrieben wurde aber trotz der kurzen Dauer eine leichte Stimmungs- und Antriebsbesserung bei Entlassung. Dr. S. hat die Diagnose einer Dysthymie ausdrücklich bestätigt (Attest vom 13. November 2014, Auskünfte als sachverständiger Zeuge vom 12. Juli 2015 und 9. Oktober 2016) und eine neurotische Persönlichkeit attestiert. Die im Attest vom 19. März 2014 von Dipl.-Psych. E. gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, mittelgradig bis schwer ausgeprägt, ist für den hier streitigen Zeitraum nicht mehr relevant. Denn sie fußt nach dem Inhalt des Attest auf der dortigen Behandlung von Mai 2012 bis März 2013, die mithin ein Jahr vor dem Rentenantrag und noch vor Durchführung des Rehaverfahrens abgeschlossen wurde.
Auf orthopädischem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine Omalgie (Schulterschmerz) sowie ein Z.n. Scaphoidfraktur (Kahnbein der Handwurzel) 2009. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. H. sowie dem Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ... Auch dem Arztbrief von Dr. Er. vom 19. März 2014 sind Schulterbeschwerden zu entnehmen. Dieser stellt die Diagnosen eines Rotatorenmanschettensyndroms und einer Tendinosis calcerea links. In den bildgebenden Verfahren zeigte sich aber eine intakte Rotatorenmanschette; bestätigt wurde eine geringe Reizung des Schultereckgelenks und ein Anzeichen für Impingement mit einer Verkalkungsstruktur ansatznah in der dorsalen Supraspinatussehne. Klinisch zeigte sich allenfalls endgradig ein Elevations- und Abduktionsschmerz. Ein painful arc (schmerzhafter Bogen) trat nicht auf. Die Sulcusregion war ohne Druckschmerz. Damit entsprechen die klinischen Befunde insoweit weitgehend den auch später von Dr. H. erhobenen, wo sich sogar eine freie aktive und passive Beweglichkeit der Schultern fand. Die im Arztbrief von Dr. Er. weiter beschriebenen Gesundheitsstörungen (Cervikobrachialgie links, Dorsolumbalgie rechts, Blockade TH 12 rechts) haben sich bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht bestätigt. Der von Dr. Er. hierzu wiedergegebene objektive Befund beschränkt sich auf eine Einschränkung der Halswirbelsäulenrotation rechts gegenüber links um lediglich 10° (80/0/70), einen Druckschmerz dorsolumbal rechts, ca. TH 12. Ansonsten zeigte sich an der Wirbelsäule kein pathologischer Befund, insbesondere wurden keine Einschränkungen der Entfaltbarkeit oder der Beweglichkeit angegeben. Wie bei der späteren Untersuchung durch Dr. H. fanden sich Sensibilität, grobe Kraft und Durchblutung regelgerecht. Pathologische Reflexe wurden ebenso wenig erhoben wie motorische Defizite. Das Zeichen nach Lasègue war negativ. Bei Dr. H. erreichte die Klägerin einen Finger-Boden-Abstand von 0 cm. Bewegungseinschränkungen der oberen und unteren Gliedmaßen bestanden nicht. Auch die Beweglichkeit der Handgelenke war nicht eingeschränkt, die Feinmotorik erhalten.
(2) Aus den bei der Klägerin als relevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Einschränkungen. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten von Dr. He. und den Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ... Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sind wegen der Gesundheitsstörung an der Schulter regelmäßige Überkopfarbeiten ausgeschlossen. Weitergehende Einschränkungen ergeben sich unter orthopädischen Gesichtspunkten bezogen auf die hier allein in Rede stehenden körperlich leichten Tätigkeiten nicht. Angesichts der oben beschriebenen klinischen Befunde ist diese Einschätzung von Dr. H. und Dr. Ge. schlüssig. Auf die von Dr. Er. darüber hinaus genannten Diagnosen kommt es wegen der fehlenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht entscheidend an.
Wegen der psychischen Gesundheitsstörungen sind Tätigkeiten in Nacht- oder häufigen Wechselschichten, mit besonderem Stress, unter erheblichem Zeitdruck (z.B. Akkord), mit Verantwortung für Mensch oder Maschine, in sicherheitsrelevanten Bereich sowie mit permanentem und fordernden Publikumsverkehr sowie mit besonderen Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen ausgeschlossen. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. He. und dem Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ...
(3) Die bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; die Klägerin ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf das Gutachten von Dr. He. und den Reha-Entlassungsbericht von Dr. Ge ... Entgegen der Ansicht der Klägerin weist letzterer keinen inneren Widerspruch auf. Die Annahme von – auch dringender – Behandlungsbedürftigkeit zieht nicht automatisch eine Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung nach sich. Die orthopädischen Gesundheitsstörungen bedingen danach bezogen auf leichte Tätigkeiten keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen. Insbesondere hat Ärztin D. ausdrücklich bestätigt, dass der Schwerpunkt der relevanten Leiden auf psychischem Gebiet liegt. Die psychischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen - auch in der Zusammenschau mit den orthopädischen - aber ebenfalls keine Einschränkung auf ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen. Trotz der psychischen Symptomatik ist die Klägerin in der Lage, ihren Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren. Weder aus der Aktenlage, der Anamnese noch dem Untersuchungsbefund ergab sich bei Dr. H. ein ausreichender Grund für die Annahme einer Einschränkung des Durchhaltevermögens. Eine weitgehende, objektivierbare oder ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens (z.B. in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Konzentrationsfähigkeit, Antrieb, Interesse und Aufmerksamkeit) liegen nach schlüssiger Darstellung von Dr. H. nicht vor. Dies ist den von ihr erhobenen, oben bereits dargestellten psychischen Befunden und dem festgestellten Tagesablauf zu entnehmen. Zu Recht weisen Dr. H. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11. März 2015 und Dr. Kü. in ihrer Stellungnahme vom 10. August 2015 darauf hin, dass sich angesichts der beschriebenen erhaltenen alltäglichen Mobilität, vorhandenen Interessen und Hobbies, des eigenen Pflegezustandes und der möglichen Haushaltsführung bei vorhandenem, aber nicht vollständigem sozialen Rückzug eine quantitative Leistungsminderung nicht angenommen werden kann. Der Umgang mit und die Versorgung ihrer zwei Katzen stellen eine weitere – auch schon von Dr. Ge. ausdrücklich erwähnte – psychische Ressource dar.
Der abweichenden Einschätzung der behandelnden Ärzte vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. S. gibt in seinen Auskünften als sachverständige Zeuge überwiegend subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin wieder. Als Befund wird – wie bereits im Attest vom 29. April 2014 – ein herabgesetzte affektive Schwingungsfähigkeit angegeben; die Eigenwahrnehmung sei in Richtung Niedergestimmtheit und Insuffizienzgefühlen verschoben. Arztbesuche würden verschoben oder aufgrund einer "empfundenen Kraftlosigkeit" nicht eingehalten. Eine Konsistenzprüfung durch Abgleich mit den tatsächlichen Einschränkungen im Alltag und den verbliebenen Ressourcen erfolgte im Gegensatz zu Dr. H. durch Dr. S. nicht. Gleiches gilt für die Stellungnahme der Ärztin D ... Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen bestand daher kein Anlass.
(4) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
(6) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen. Im Übrigen ist sie im Alltag mit Fahrrad, Motorrad und Pkw uneingeschränkt mobil. Dies ergibt sich aus ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. H ... Den Weg von ca. 100 km zur dortigen Begutachtung hatte sie alleine im Pkw zurückgelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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